Protocol of the Session on April 19, 2005

Ein Zweites ist heute noch gar nicht angesprochen worden. Wir haben bewusst darauf verzichtet, damit Sie nicht wieder in Gewissenskonflikte kommen, noch einmal einen entsprechenden Antrag zu stellen. Sie lassen hinsichtlich des Landeswohlfahrtsverbandes die Kommunen weiterhin im Regen stehen. Sie finanzieren nicht mit den Mitteln des Freistaates die Kostensteigerung des Landeswohlfahrtsverbandes mit. Das kritisieren wir auch. Selbst wenn es künftig zu einer stärkeren Kommunalisierung des Ganzen kommen sollte, hätte ich gern gewusst, wie die Kommunen dann zumindest die Mehrleistung, die sie tragen müssen, durch den Landeshaushalt mitfinanziert bekommen könnten.

Das ist insofern möglicherweise ein Denkfehler, als Sie ja bis vor Wochen angenommen haben, die Kommunen würden durch Hartz IV erheblich entlastet. Alle Kommunen, in denen ich war, sagten mir deutlich: Das ist ein Irrtum. Wir werden im Laufe des Jahres sogar zusätzlich belastet werden. Allein meine Heimatstadt Leipzig rechnet – das ist die untere Grenze – mit einer zusätzlichen Belastung des Sozialhaushalts durch Hartz IV von 15 Millionen Euro. Also kann man auch aus dieser scheinbaren Quelle, die versiegt ist, bevor sie überhaupt sprudelte,

dem Landeswohlfahrtsverband die Dinge nicht mit finanzieren.

Drittens zu den Behinderten, chronisch Kranken und Senioren: Ja, Frau Nicolaus, ich gebe Ihnen Recht, auf diesem Gebiet ist, insbesondere baulich und was die technische Ausstattung betrifft, eine Menge geschehen. Dafür sind wir dankbar und das erkenne ich auch an. Aber wir müssen natürlich auch darauf achten, dass es dabei bleibt, dass wir die Standards, die wir erreicht haben, sichern können. Insofern sind wir nicht einverstanden damit, dass auf diesem Gebiet Mittel gekürzt werden. Insbesondere hätten wir uns gewünscht und haben das auch immer wieder gefordert, dass im Pflegebereich, bei den Altenpflegeheimen, auch künftig nicht nur in angefangene Projekte weiterhin Landesmittel fließen. Ansonsten öffnen wir gerade deshalb, wie ich bereits sagte, der Privatisierung Tür und Tor.

Was Sie mit den Bahnhofsdiensten und Bahnhofsmissionen gemacht haben, meine Damen und Herren von der Koalition, halte ich schon für ein starkes Stück. Vor Jahren haben Sie sie erheblich reduziert und jetzt – das sind die Reaktionen, die wir schriftlich bekommen haben – stehen viele von den restlichen – es sind ja nur noch wenige – vor ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten. Das ist auch eine Sache, von der behinderte Menschen betroffen sind, wo man in Not behinderten und hilfebedürftigen Menschen helfen muss. Hier hätte ich mir wirklich gewünscht, dass Sie nachbessern.

(Beifall bei der PDS – Staatsministerin Helma Orosz: Die Zuständigkeit ist zu klären!)

Sie wollen mir doch nicht wirklich ernsthaft einreden, dass eine 100 000-Euro-Zuwendung des Landes an irgendwelchen Zuständigkeiten scheitern sollte. Bisher hat das Land auch finanziert und das kann fortgesetzt werden.

(Staatsministerin Helma Orosz: Es muss nicht!)

Es muss nicht, natürlich. Es ist alles im Benehmen der Koalition – müssen, dürfen und können. Das ist doch völlig klar. Aber es ist eben auch eine Sache, bei der man, wenn man in Not gerät, schon die Frage stellt, ob es wirklich um diese 100 000 Euro geht und es nicht möglich gewesen wäre. Das merke ich zumindest kritisch an.

Viertens. Frau Nicolaus, Sie haben sich zur Gesundheitsprävention geäußert. Die Ministerin hatte zugesagt, diese erheblich nachzubessern. Ich denke, das ist in dem Umfang, wie es nötig gewesen wäre, auch nicht erfolgt.

Fünftens. Zum Krankenhausbereich. Hier hatten wir bereits vor zweieinhalb Jahren erheblichen Rückgang der Investitionsmittel, die das Land bereitstellt. Das sollte ausgeglichen werden. Anstatt des Ausgleiches haben wir eine weitere Absenkung. Also auch hier bin ich der Auffassung, dass wir auf dem falschen Weg sind.

Ein Lieblingsthema von mir, das ich gerne zugebe, aber das ich auch hier nennen muss:

Sechstens. Ich hätte mir einen Haushaltstitel gewünscht, wie der Freistaat Sachsen aus seinen Mitteln mit verschiedenen Möglichkeiten dazu beiträgt, den wachsenden Ärztemangel zu beseitigen oder zumindest einzu

dämmen. Wir haben darüber lange diskutiert. Ich will es hier nur der Vollständigkeit halber nennen.

Alles in allem, meine sehr verehrten Damen und Herren, verdient der Einzelplan 08 in den meisten Positionen aus der Sicht der PDS-Fraktion nicht die Bezeichnung Sozialhaushalt. Er ist kein Haushalt des sozialen Gestaltens. Daher werden wir ihn ablehnen. Im Übrigen – damit wir nicht durcheinander kommen – lehnen wir auch alle Einzelkapitel des Einzelplanes 08 ab.

(Beifall bei der PDS)

Die SPD-Fraktion. Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozialhaushalt ist Haushalt der Familienunterstützung und des Nachteilsausgleichs im Sinne von Krankheit, Menschen mit Behinderung usw. usf. Herr Pellmann, bei Ihrem Zitat, die Zeit der wehenden Fahnen sei vorbei, okay, dazu hatten wir schon immer unterschiedliche Ansichten. Dass Sie sich wie in einer kaum geänderten Situation fühlen, wie Sie das gerade gesagt haben, bedauere ich. Ich werde es aber sicher nicht ändern. Wir haben uns auch vorher in Zeiten, in denen wir noch Opposition waren, auch was die sozialen Forderungen betraf, oft sehr weit unterschieden bei dem, was Sie unter sozial verstehen und was wir als Sozialhaushalt auch gerne gehabt hätten.

Frau Nicolaus hat vorhin schon einiges zum Gesamthaushaltsvolumen gesagt. Ich möchte zu den Grundlagen dessen, was wir heute verhandeln, weil es mir wichtig ist, erwähnen, was wir – da bin ich sehr anderer Meinung als Sie, Herr Dr. Pellmann – doch in nicht unerheblichem Maße noch in diese ganzen Haushaltsverhandlungen zu dem ursprünglichen Entwurf, der aus dem Ministerium kam, hineingebracht haben. Was dafür aus meiner Sicht notwendig war, ist eine gute fachliche und auch eine menschlich angenehme Zusammenarbeit mit den Koalitionspartnern, die auf dieser Strecke gearbeitet haben, und gegenseitige Achtung. Das hat nichts mit Verwischen von Positionen zu tun, sondern ich beschreibe es so, wie es war. Bei vielen Dingen waren wir uns einig, dass wir an dieser oder jener Stelle das eine oder andere machen müssen. Ich beziehe in diese Betrachtung ausdrücklich die Ministerin ein.

Das Ziel war, neben der Familienförderung im weitesten Sinne, wie es meine Vorrednerin auch schon genannt hat, die Schwächen unseres gesellschaftlichen Systems, die sich ganz besonders im Betreuungsbedarf des SMS zeigen, möglichst optimal auszugleichen und, so es denn möglich sein sollte, auch ein Stück zu heilen. Wir haben natürlich als Grundlage den Koalitionsvertrag gehabt. Er war eine wichtige Grundlage für die Aufstellung dieses Haushaltes. Ich nenne noch einmal drei Stichworte, die mir besonders wichtig sind:

die Familienunterstützung. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass meine Kollegin Frau Dr. Schwarz darauf noch einmal in besonderer Weise eingeht.

das Ehrenamt und

die Jugendarbeit.

Was haben wir als Fraktionen in besonderer Weise als Koalitionspartner eingebracht? Wir haben das bürgerschaftliche Engagement doch deutlich gestärkt gegenüber dem, was als Ansatz da war. Ich sehe das auch als eine kontinuierliche Linie dazu – ich glaube, es war sogar der letzte Antrag in der letzten Legislatur, der hier in diesem Haus einmal einstimmig angenommen wurde. Damals bezog er sich noch auf die „Aktion 55“, aber das ist ja ein wichtiger Bestandteil. Wir haben immerhin 1,5 Millionen Euro dazu mehr eingestellt. Bei den Kindern und Jugendlichen und ihren Bedürfnissen sind es immerhin zwei Millionen Euro, bei der Stärkung des Präventionsgedankens, speziell im Bereich Gesundheit und Sucht, sind es 800 000 Euro. Da sind insbesondere auch die Aids-Beratungsstellen mit dabei.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber immer!

Herr Dr. Pellmann, bitte.

Verehrter Herr Gerlach! Geben Sie mir denn darin Recht? Sie haben zwar rund 1,5 Millionen Euro mehr zum ursprünglichen Regierungsentwurf eingestellt, aber das ist, wenn man alles zusammennimmt, immer noch weniger, als wir im vergangenen Doppelhaushalt hatten.

Herr Dr. Pellmann, Sie werden es mir wahrscheinlich glauben, wenn ich Ihnen sage, ich hätte auch gerne noch fünf Millionen Euro mehr gehabt. Damit hätte ich überhaupt kein Problem. Aber wenn man so wie wir jetzt in der Koalition ist, muss man sich auch mit den anderen darüber einigen, wo man das Geld hernimmt. Das ist uns schon schwer genug gefallen. Unser Ziel war es, das Ehrenamt auf dem Niveau von 12 000, die in diesem Bereich tätig sind, zu belassen. Wir haben die Wohlfahrtsverbände 2005/2006 auf dem 2004-er Niveau abgesichert – einmal mit 350 000 Euro und einmal mit 250 000 Euro. Wir haben Geld für den Lebenslagenbericht eingestellt und wir haben noch etwas Zusätzliches für die Gleichstellung von Frau und Mann getan. Ihre Argumentation, Herr Dr. Pellmann, war natürlich, dass die Nachbesserungen, die Sie anerkennen, nicht in dem Umfang, wie sie nötig gewesen wären, erfolgt sind. Da haben wir uns auch in der Opposition schon immer unterschieden bei dem, was Sie für notwendig hielten und was wir für notwendig hielten.

Ich nenne noch drei einzelne Beispiele, auf die ich kurz eingehen will.

Zum Lebenslagenbericht. Es ist viel in den letzten Jahren über dieses Thema diskutiert worden. Wir brauchen die genaue Kenntnis von Lebenslagen und deren Verteilung in Sachsen, weil das aus unserer Sicht eine wichtige Grundlage für weitere sozialpolitische Maßnahmen ist. Ich nenne das Beispiel einer Studie, die nicht hier in Sachsen gelaufen ist, in der gesagt wird, dass nur jeder vierte Jugendliche ohne Schul- und Berufsabschluss als gesund bezeichnet werden kann. Das kann uns nicht

egal sein. Wir möchten gerne wissen, wie das in Sachsen aussieht, wie solche Verteilungen sind usw. usf.

Ich möchte ausdrücklich die Bewegungen beim Koalitionspartner begrüßen und mich dafür bedanken, dass Sie sich hier ein ganzes Stück auf uns zu bewegt haben.

Zur Jugendarbeit. Zwei Millionen Euro mehr sind aus unserer Sicht keine Kleinigkeit. Wir haben sie – das ist Ihnen bekannt – hauptsächlich in die Richtlinie III und die Richtlinie IV mit Schwerpunkt Richtlinie III eingestellt; das heißt, unser Schwerpunkt war die überörtliche Jugendarbeit. Diese Art von Jugendarbeit braucht Kontinuität. Sie braucht diese Kontinuität, um Projekte aufzustellen, die für eine sachgerechte und damit auch zielgenaue Förderung gebraucht werden. Die überörtliche Jugendarbeit bietet aus unserer Sicht auch eine breit gefächerte Bildungsarbeit an, die ebenfalls wichtig ist und die wir damit unterstützen wollten.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zum Ehrenamt – Sie wissen, das ist eine Sache, die mir ein ganzes Stück am Herzen liegt. Das Ehrenamt lebt – ich sage es einmal etwas pathetisch – von den positiven menschlichen Eigenschaften und ist Grundlage unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Das Ehrenamt wird ganz dringend für unsere Egoismen gebraucht, die wir mit uns herumtragen und damit etwas in den Hintergrund drängen können. Ehrenamt lebt zuerst von Idealen und nicht vom Geld. Ich könnte als Beispiel verschiedene kirchliche, aber auch andere Einrichtungen anführen. Ehrenamt lebt zuerst von der gesellschaftlichen Anerkennung in Familie, Wohngebiet, Dorf, Land usw. und nicht von der finanziellen Anerkennung. Ehrenamt zieht seine Befriedigung zuerst aus der geleisteten Hilfe und nicht aus der erhaltenen Aufwandsentschädigung.

Aber – damit wir uns an dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen – wir nutzen das Ehrenamt nicht und wir wollen es auch nicht nutzen als Ausrede für eine Politik, die sich selbst aus der Verantwortung stiehlt – das kann es nicht sein und das wird es auch nicht sein –, und auch nicht, um eventuell Geld zu sparen. Ehrenamt ist eine wichtige Grundlage der Gesellschaft, und das soll es auch bleiben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wir haben in Deutschland zurzeit eine Diskussion über die Balance zwischen der Entwicklung des Gemeinwesens und seinen sozialen Sicherungssystemen. Sozialer Zusammenhang einer Gesellschaft ist kein Luxus – und schon gar nicht Ballastmasse für ungewollte Sinkflüge. Sozialer Zusammenhalt einer demokratischen Zivilgesellschaft heißt, sich um die Belange der Mitmenschen zu kümmern und eigene Interessen und Ideale zu vertreten. Genau das leistet das Ehrenamt und deshalb ist es so wichtig für uns.

Deshalb ist das Ehrenamt wichtiger Bestandteil des Gemeinwesens, ersetzt aber soziale Sicherungssysteme nicht. Genau deshalb ist von uns damals der Antrag zur „Aktion 55“ gestellt worden und genau deshalb haben wir hier die 1,5 Millionen Euro mehr im Haushalt eingestellt.

An dieser Stelle wollte ich nur gesagt haben, dass ich mir natürlich in diesem Haushalt durchaus das eine oder andere vorstellen könnte, und Sie wissen, dass wir speziell im Bereich der Behindertenhilfe schon gerne das eine oder andere gehabt hätten; aber es ist so, dass wir sagen können: Wir können gemeinsam mit dem Koalitionspartner aufrechten Hauptes hier mit diesem Haushalt leben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Herr Dr. Müller, NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eine ganze Weile darüber nachgedacht, wie ich über dieses Thema Sozialhaushalt spreche. Zum einen muss man sagen: Die wirtschaftliche und soziale Situation spitzt sich auch in Sachsen zu. Breite Bevölkerungsschichten leiden unter der Massenarbeitslosigkeit – die ist auch von den Koalitionspartnern nicht zu verleugnen –; jetzt kommt die Verbindung mit Hartz IV dazu, die Rentner haben dieses Jahr die zweite Nullrunde, das Gesundheitswesen leidet – zumindest aus meiner Wahrnehmung – unter einer zunehmenden Kommerzialisierung.

Aus Sicht dieser ganzen Dinge wird die soziale Frage gerade in Mitteldeutschland und in Sachsen – auch wenn immer betont wird, wir hätten eine Ausnahmestellung – in den nächsten Jahren zu einer zentralen Frage werden.

Dennoch: Wenn ich mir die Zahlen dieses Sozialhaushaltes ansehe – nimmt man den Bereich Kita und Vorschule heraus –, handelt es sich ja weitgehend um ein Nullsummenspiel. Es gibt ein paar Bereiche, in denen eine gewisse Kürzung vorgenommen wurde, auch im Gesundheitswesen, aber ansonsten – Frau Ministerin, nehmen Sie doch das Mittel aus den Zahlen von 2005 und 2006, dann haben Sie in vielen Bereichen wieder in etwa die Summe – –

(Staatsministerin Helma Orosz: Es ist super, wenn man das halten kann; das können viele nicht mehr!)

Ich habe ja gerade gesagt, auch positive Aspekte gibt es ohne weiteres. Nur, wird es in den nächsten Jahren reichen, weil wir doch irgendwo zunehmend die soziale Frage auf breitere Bevölkerungsschichten ausgedehnt haben werden? Ich weiß nicht, ob es dann noch reicht. Wir halten es jetzt, aber gut.

Ganz positiv werten wir zum Beispiel auch diesen Zuschuss im Bereich Kita und Vorschule. Auch das Ehrenamt ist eine Sache, die wir begrüßen. Worin ich Kollegen Pellmann beipflichten muss, ist das Thema Landeswohlfahrtspflege, Landeswohlfahrtsumlage. Ich bin auch Kreisrat und ich weiß, hätten wir dieses Thema nicht in der Form, wie es jetzt ist, hätten wir mit dem Kreishaushalt ein wesentlich geringeres Problem.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)