Protocol of the Session on June 24, 2009

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die Koalition ist Frau Weihnert gemeldet. Bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser soeben vorgestellte Gesetzentwurf der Linksfraktion wurde in 1. Lesung am 13. Mai 2009 im Plenum eingebracht und zur nächstmöglichen Ausschusssitzung am 8. Juni erstmals im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss inhaltlich beraten. Da zu diesem Termin gleichzeitig die letzte reguläre Ausschusssitzung in dieser Legislaturperiode war, musste der Gesetzentwurf auch abschließend beraten werden.

Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen vor, dass in einer Vielzahl von Artikeln der Sächsischen Verfassung, nämlich in den Artikeln 1, 7, 14, 18, 31, 32, 38 und 94, inhaltliche Änderungen vorgenommen werden sollen. Ja, Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren, in nicht weniger als acht – ich wiederhole: acht – Artikeln will die Linksfraktion die Sächsische Verfassung ändern.

Eine der wichtigsten Aufgaben des sich am 27. Oktober 1990 konstituierenden Landtages war die Ausarbeitung einer Verfassung. Am 20. November trat der Verfassungs- und Rechtsausschuss zu seiner ersten Sitzung zusammen und beriet über die Verfahrensweise bei der Beratung einer Sächsischen Verfassung. Nach neun Klausurtagungen dieses Ausschusses empfahl er in seiner Sitzung am 13. Mai 1992 dem Sächsischen Landtag einen Entwurf der Sächsischen Verfassung zur Annahme, und in der Plenarsitzung am 27. Mai 1992 – nach intensiver 18-monatiger Beratung, an der auch Sie, Herr Bartl, damals noch unter dem Parteinamen „Linke Liste.PDS“ teilgenommen haben – wurde unsere Sächsische Verfassung verabschiedet.

17 Jahre später wollen Sie handstreichartig

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der Linksfraktion)

ich wiederhole das: handstreichartig – in acht Artikeln unsere Verfassung ändern.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ein solches Verfahren ist mit uns als Koalition nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Herr Bartl, ich komme gleich noch auf das zurück, was Sie hier selbst geäußert haben. – Die Verfassung ist das zentrale Rechtsdokument eines jeden Staates.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wem sagen Sie das!)

Sie regelt den grundlegenden organisatorischen Staatsaufbau, die territoriale Gliederung des Staates, die Beziehung zu anderen Staaten sowie das Verhältnis zu seinen Bürgerinnen und Bürgern und deren wichtigste Rechte und Pflichten. Das bedeutet insbesondere, dass in der Verfassung Grundaussagen getroffen werden, die die langfristige Grundlage für alle darauf basierenden Gesetze und die

Grundlage allen staatlichen Handelns sind. Das haben Sie offensichtlich nach wie vor nicht realisiert.

Die in unserer Sächsischen Verfassung vermittelten Werte sind in den unterschiedlichsten Bereichen für viele Menschen zu Leitbildern des sozialen Zusammenlebens und umweltgerechten Handelns geworden. Die Sächsische Verfassung beinhaltet eine gemeinsame Werteordnung und grundlegende Rechte wie die Unantastbarkeit der Würde des Menschen oder die Wissens- und Religionsfreiheit. Diese Sächsische Verfassung, meine Damen und Herren der Linksfraktion, und deren Grundaussagen können daher mit Recht nur mit Bedacht und unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände geändert werden. Dass unsere Verfassung nicht mal eben auf die Schnelle geändert werden kann und soll, zeigt auch die in Artikel 74 Abs. 2 vorgeschriebene und somit notwendige Zweidrittelmehrheit bei Abstimmungen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie selbst, Herr Bartl, haben es mit Ihrer Fraktion überhaupt nicht darauf angelegt, zu diesem Gesetz eine faire inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen,

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

damit wir uns tatsächlich mit den Dingen, die Sie für acht Artikel vorgeschlagen haben, auseinandersetzen können. Keine Anhörung, keine Diskussion mit Experten, sondern mal eben schnell noch vorgelegt, um den Menschen in unserem Land Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe der Abg. Klaus Bartl und Dr. Monika Runge, Linksfraktion Durch die Änderungen, die Sie bezüglich dieses Gesetzes vorhaben, wird sich in der Folge die Lebenswirklichkeit nicht verändern, sondern daraus ergeben sich weitere notwendige gesetzliche Änderungen, die Sie nicht vorge- schlagen haben. Nur mittelbare Auswirkungen hat dieses Vorhaben auf das Leben unserer Menschen im Freistaat. (Caren Lay, Linksfraktion: „Unserer Menschen“, wenn ich das schon höre!)

Richtiger und wichtiger ist es für unsere Menschen, greifbare und gesetzliche Regelungen mit konkreten Auswirkungen auf den Lebensalltag zu verabschieden.

Dann schauen Sie sich mal den Haushalt an, den die Koalitionsfraktionen vorgelegt haben! Das sind konkrete Maßnahmen für die Menschen. Schauen Sie sich das Konjunkturpaket an! Das sind konkrete Maßnahmen, die für die Menschen gemacht wurden, um tatsächlich Arbeitsplätze, die Sie angesprochen haben, zu erhalten oder auch neue zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich nicht zuletzt, da Sie ja bestimmte soziale Momente herausgegriffen haben, auf das kostenfreie Vorschuljahr verweisen, welches seit dem 1. März die

konkrete Situation vieler Familien in diesem Freistaat verbessert. Das nenne ich konkretes Handeln.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das sind Gesetze, die man einbringen kann, aber nicht auf die Schnelle im vorletzten Plenum eine solche Änderung der Verfassung. Das ist unwürdig und einer Verfassung nicht angemessen. Sie wollen nur schöne Worte machen,

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

ohne dass Sie dies tatsächlich inhaltlich

(Caren Lay, Linksfraktion: Glauben Sie selber, was Sie da sagen?)

umsetzen wollen. Wenn Sie, liebe Frau Lay, tatsächlich eine inhaltliche Auseinandersetzung wollten, dann hätte man diesen Gesetzentwurf vor einem Jahr einbringen können und hätte ihn in das normale parlamentarische Verfahren einbringen können.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ich bin überhaupt nicht bereit, mich auf eine inhaltliche Diskussion einzulassen. Dazu haben Sie uns nämlich überhaupt keine Zeit und Gelegenheit gegeben – niemanden in diesem Haus, keiner anderen Fraktion. Aufgrund der späten Einbringung Ihres Gesetzentwurfs konnte man sich nicht angemessen mit diesem Anliegen auseinandersetzen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Weihnert?

Selbstverständlich.

Bitte, Frau Lay.

Frau Weihnert, vielleicht können Sie uns und dem Auditorium mal etwas erklären: Bei all den Gesetzentwürfen, die DIE LINKE eingebracht hat – in dieser Legislaturperiode waren es, glaube ich, 33 –, die wir monatelang in den Ausschüssen beraten haben – nennen Sie mir bitte einen einzigen Gesetzentwurf der Linken, den die Koalition sachlich geprüft und dem sie am Ende auch zugestimmt hätte. Sie erwecken hier den Eindruck, als würden Sie unserem Gesetzentwurf nur deswegen nicht zustimmen, weil nur ein Monat zur Beratung Zeit war. Geben Sie mir recht darin, dass die Koalition bisher trotz langwieriger Beratung in den Ausschüssen nicht einem einzigen Gesetzentwurf der Linken und auch keinem anderen Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen zugestimmt hat?

Liebe Kollegin Lay, wenn Sie mal die Gesetzentwürfe angeschaut hätten, die die Koalitionsfraktionen eingebracht haben, sind die Dinge im Wesentlichen und viel besser umgesetzt worden als mit dem, was Sie als Unterlage eingebracht haben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU – Widerspruch bei der Linksfraktion)

Siehe Kleingartengesetz, bei dem wir Ihnen das auch heute wieder sagen müssen.

(Unruhe bei der Linksfraktion)

Weil dem so ist, Frau Lay, glauben Sie, dass Sie mit Links einfach eine Verfassungsänderung machen können?

(Klaus Bartl, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Es geht hierbei nicht um einen Antrag, es geht nicht um eine Gesetzesänderung, sondern es geht um die Verfassungsänderung.

(Beifall bei der CDU – Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Ich habe noch einmal ganz deutlich hervorgehoben, dass diese Verfassung nach der friedlichen Revolution sehr lange und sehr ausführlich diskutiert worden ist. Es ist unfair und unwürdig, diesem Haus einen solchen Gesetzentwurf überhaupt vorzulegen und zur Abstimmung zu geben.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Frau Weihnert?

Ja, eine letzte. Ich würde dann nämlich gern zum Schluss kommen. Bitte schön, Herr Bartl.

Herr Bartl, bitte.

Frau Kollegin Weihnert, weil Sie soeben die Qualität der Gesetzgebung der Koalition so gefeiert haben: Geben Sie mir darin recht, dass das sehr fragwürdig ist, wenn wir dagegenhalten dürfen, dass in 13 Fällen auf entsprechende Normenkontrollklagen, Organklagen unserer Fraktion das Verfassungsgericht Ihre Gesetze aufgehoben hat?