Wir werden nachher noch einen Änderungsantrag einbringen. Ich hoffe, dass Sie diesem folgen, damit wir wenigstens ein paar der Probleme, die mit diesem Debakel einhergegangen sind, vielleicht noch zu einem glücklichen Ende bringen und wenigstens noch ein paar Euro für den Freistaat wieder hereinholen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es natürlich verstehen, dass die Koalitionsfraktionen nicht gern über diesen Bericht debattieren wollen, aber wie mein Vorredner Herr Scheel möchte ich Ihnen einige Worte nicht ersparen.
Mit dem Sonderbericht des Rechnungshofes zur Sachsen LB liegt eine erste ernst zu nehmende, solide und wirklich objektive Bilanz des Zusammenbruchs der Sächsischen Landesbank vor. Die Strategie der Staatsregierung, jede Verantwortung für den Zusammenbruch der Landesbank mithilfe bestellter Gefälligkeitsgutachten, wie beispielsweise das von der Staatsregierung in Auftrag gegebene und im März 2008 präsentierte Ernst-&-Young-Gutachten, zu leugnen, darf mit der Vorlage des Sonderberichts des Rechnungshofes nun als gescheitert gelten.
Eines sage ich gleich vorneweg und glaube, dass das der Grund für Ihre Aufregung ist: Dieser Sonderbericht ist ein Dokument des Scheiterns und Versagens der Sächsischen Staatsregierung, das zumindest in der Geschichte des Freistaates seit 1990 völlig beispiellos ist. Das Rechnungshofdokument belegt auch, wie vollkommen absurd und unangemessen das Auftreten zahlreicher ehemaliger und gegenwärtiger Regierungsmitglieder im Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB war, die stets jede Mitverantwortung für den Zusammenbruch der Landesbank abstritten.
Auch der Grundtenor des von der Staatsregierung in Auftrag gegebenen Ernst-&-Young-Gutachtens bzw. die Interpretation dieses Gutachtens durch die Staatsregierung bestand ja darin, die Verantwortung für den Zusammenbruch der Landesbank auf den Vorstand abzuschieben.
Der Sonderbericht des Rechnungshofes räumt mit diesen Mythen gründlich auf. Schon auf Seite 9 setzt es in einer ersten Zusammenfassung nämlich erste Ohrfeigen für die Staatsregierung. Der Rechnungshof bemängelt nicht nur, dass eine Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro ohne Nachtragshaushalt vergeben wurde; er stellt auch klipp und klar fest – hier zitiere ich –: „Entgegen der haushaltsrechtlichen Vorgabe, dass eine unternehmerische Betätigung des Staates grundsätzlich nur zur Verfolgung eines wichtigen staatlichen Interesses zulässig ist und Ziel, Sinn oder Nutzen der Beteiligung auf die Interessen und Bestrebungen der Einwohner Sachsens ausgerichtet sein müssen, wurde die Bank zur Kapitalmarktbank umgebaut. Die verantwortlichen Gremien sind dem Vorstand bei der Entwicklung der Bank in Richtung Kapitalmarktbank vorbehaltlos gefolgt.“
In diesen beiden Sätzen ist das grundsätzliche Versagen der Staatsregierung klar benannt, und dieses Versagen wiegt auch sehr viel schwerer als alle möglichen Detailfragen, welche Einzelentscheidung nun von welchem Vorstand getroffen wurde.
Meine Damen und Herren! Die Sächsische Landesbank war ein öffentlich-rechtliches Institut, das im Jahr 1992 zur Pflege des sächsischen Kapitalkreislaufes und zur Versorgung sächsischer Unternehmen mit Kapital gegründet wurde. Spätestens zur Gründung und zum forcierten Aufbau der Sachsen LB Europe in Dublin wurde dann bewusst und permanent gegen die Satzung und den Gründungsauftrag der Sächsischen Landesbank verstoßen, die von nun an ihre Hauptaufgabe darin sah, sich an hoch riskanten und spekulativen Zockereien auf den internationalen Kapitalmärkten bei gleichzeitig völlig unzureichender eigener Kapitalausstattung zu beteiligen. Wer hier die schwere politische Verantwortung der an dieser Entwicklung beteiligten und von dieser Entwicklung informierten Verwaltungsratsmitglieder leugnen will, der belügt schlicht und einfach die Bürger.
Auf Seite 34 des Berichtes sprechen die Rechnungshofprüfer dann Klartext. Hier wird darauf hingewiesen, dass der frühere Sachsen-LB-Vorstand die unbegrenzte Haftung des Freistaates für die Landesbank auf die irische Tochtergesellschaft erweiterte, ohne dazu in irgendeiner Art und Weise ermächtigt gewesen zu sein. Hier liegt ganz klar ein eklatantes Aufsichts- und Kontrollversagen des damaligen Sachsen-LB-Verwaltungsrates vor, der die fatale Patronatserklärung für die Dubliner Zockereien der Sachsen LB nicht verhindert hat, obwohl es seine heilige Pflicht gewesen wäre. Das wurde von den Prüfern des Rechnungshofes dann auch noch einmal in aller Deutlichkeit auf Seite 10 des Berichtes festgehalten – wiederum Zitat –: „Der Verwaltungsrat hatte bei der Überwachung der Tätigkeit des Vorstandes die ständige Pflicht zur Selbstinformation über Lage und Entwicklung der SLBGruppe. Bei existenzbedrohenden Geschäftsführungsmaßnahmen wie dem Valuation Agreement für Ormond Quay gehört es gerade auch zu den Aufgaben des Verwaltungsrates, Entscheidungen des Kreditausschusses zu überwachen. Er hat bei dieser Aufgabe versagt.“
Das gleiche Versagen stellt der Rechnungshof dann bei dem ebenfalls mit sächsischen Spitzenpolitikern gespickten Kreditausschuss fest, und auch hier möchte ich es mir nicht nehmen lassen, die entsprechende Passage zu zitieren: „Die Mitglieder des Kreditausschusses haben das mit dem Valuation Agreement verbundene Risiko nicht erkannt. Der Kreditausschuss ignorierte die aus dem steigenden Volumen resultierende Gefahr für die Bank. Eine Darlegung des Verhältnisses von Ertrag und Risiko wurde nicht eingefordert. Diese Versäumnisse begründen nach Auffassung des Sächsischen Rechnungshofes einen Verstoß gegen die bestehenden Sorgfaltspflichten. Der SRH begrüßt, dass das sächsische Ministerium der Finanzen die Haftung der Organmitglieder (Kreditausschuss, Verwaltungsrat) prüfen lässt.“
Und, meine Damen und Herren, auch die Standardausrede früherer und heutiger Mitglieder der Staatsregierung vor dem Untersuchungsausschuss, dass niemand die Finanzkrise vorhersagen konnte und die Finanzwelt insgesamt Opfer einer unerklärlichen „Marktstörung“ – das ist ja das neue Lieblingswort einiger CDU-Politiker – geworden sei, wird vom Rechnungshof zerpflückt; denn auch hier heißt es an entsprechender Stelle des Berichtes: „Der Hinweis auf die weltweite Finanzkrise entlastet die jeweiligen Akteure nicht. Sie hatten die Verantwortung für die Sächsische Landesbank und damit für das Vermögen des Freistaates Sachsen. Die Finanzkrise ist nicht die Ursache der enormen Schäden, sondern die Folge des unprofessionellen und sorglosen Handelns vieler Akteure am Finanzmarkt.“
Meine Damen und Herren! Ich möchte es nun mit den Zitaten bewenden lassen und zu einer kurzen Bewertung übergehen. Eines ist klar: Dieser Bericht des Rechnungshofes ist eine einzige schallende Ohrfeige für die Staatsregierung; und Ministerpräsident Tillich, der ja schon im ganzen Land für einen Vertrag für Sachsen wirbt, den er im Fall der Wiederwahl mit den Bürgern abschließen möchte, sei gesagt: Die Regierungsparteien – insbesondere die CDU und ihre Spitzenpolitiker in der Staatsregierung – haben diesen Vertrag für Sachsen in den vergangenen zehn Jahren durch ihr völlig unverantwortliches und inkompetentes Verhalten in Bezug auf die Sächsische Landesbank aufs Gröbste verletzt.
Die Folge ist, dass der Freistaat vor einem haushaltspolitischen Armageddon steht, das im kommenden Jahrzehnt kaum noch Spielräume für eine selbstbestimmte Haushalts- und Finanzpolitik des Freistaates lassen wird; denn, meine Damen und Herren, die Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro wird wohl fällig werden. Dann wird das Debakel der Sachsen LB im ganzen Land bis in den entlegensten Winkel hinein spürbar sein: in der Bildung, im sozialen Bereich, in der Kultur genauso wie im öffentlichen Verkehr.
Ihr Kalkül, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, ist es natürlich, darauf zu hoffen, dass sich die sächsischen Bürger der dramatischen Situation bis zum August nicht bewusst werden. Ich hoffe natürlich, dass
dieses Kalkül nicht aufgehen wird und sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger den Sonderbericht zur Sächsischen Landesbank von den Internetseiten des Sächsischen Rechnungshofes herunterladen werden; denn dieser Bericht ist wirklich reines politisches Dynamit.
Dem Sächsischen Rechnungshof möchte ich für seine Ursachenanalyse zum Zusammenbruch der SLB danken. Sie zeigt, dass es in diesem Land noch integere Institutionen gibt, die ihrer Arbeit im Sinne unseres Gemeinwesens und unseres Landes ehrlich nachkommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde von unserer Fraktion ein knappes Statement zum Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofes zum Thema Landesbank Sachsen.
Die FDP-Landtagsfraktion dankt dem Sächsischen Rechnungshof für seine klaren und prägnanten Aussagen zum Landesbankdesaster. Dieser Bericht straft sämtliche Aussagen von Vertretern der Staatsregierung, Ministerien und Gremien der Landesbank Lügen, dass das Landesbankdesaster das Ergebnis der weltweiten Finanzkrise gewesen sei, gegen die man nichts hätte tun können. Er straft auch sämtliche Aussagen von Vertretern der Staatsregierung, Ministerien und Gremien der Landesbank Lügen, dass nur der ehemalige Vorstand an allem schuld sei.
Nein, es hat anscheinend erst eines Berichtes einer unabhängigen Behörde im Freistaat Sachsen bedurft, um klar Ursachen und Wirkungen, Verantwortlichkeiten und Schlampereien aufzudecken. Die Kernthesen des Berichtes des Rechnungshofes können nicht oft genug wiederholt werden. Sie lauten: „Erstens. Den Freistaat Sachsen und den Sächsischen Kommunen ist ein Schaden von mindestens 364 Millionen Euro entstanden.“
„Zweitens. Der Umbau der Landesbank Sachsen zu einer Kapitalmarktbank widersprach dem sächsischen Haushaltsrecht.
Drittens. Der Verwaltungsrat der Landesbank Sachsen hat bei seiner Aufgabe, den Vorstand zu überwachen, versagt.
Viertens. Es liegen Versäumnisse des Staatsministeriums der Finanzen bei der Rechtsaufsicht über die Landesbank Sachsen vor.
Fünftens. Das Staatsministerium der Finanzen kam seiner Aufgabe, Vermögenswerte staatlicher Unternehmen zu bewahren, nicht in ausreichendem Maße nach.“
Dem, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aus Sicht unserer Fraktion nichts hinzuzufügen. Unser Antrag
im Haushalts- und Finanzausschuss, diesem Bericht ausdrücklich beizutreten, wurde von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Der Beschlussempfehlung, den Bericht nur zur Kenntnis zu nehmen, können wir daher nicht zustimmen. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten.
Zum Änderungsantrag der Linksfraktion ist zu sagen, dass unsere Fraktion dem Antrag zustimmen wird, weil in diesem Antrag grundsätzlich das gefordert wird, was wir auch im Haushalts- und Finanzausschuss beantragt hatten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch von meiner Fraktion ein Dank für den Bericht des Rechnungshofes. Er hat tatsächlich erheblich mehr Licht ins Dunkel gebracht. Es ist erstens die politische Verantwortlichkeit der Aufsicht klargestellt worden, und zweitens ist in dem Bericht deutlich geworden, dass es bei der Bürgschaft eines Nachtragshaushaltes bedurft hätte.
Die Einzelheiten können Sie lesen, haben Sie gelesen; den Rest gebe ich zu Protokoll und sage noch, dass wir dem Änderungsantrag der Linksfraktion zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass das zu später Stunde noch einmal so eskalieren würde, hätten wir nicht erwartet.
(Lachen bei der Linksfraktion, der NPD und der FDP – Zuruf von der Linksfraktion: Herzliches Beileid!)
Ich danke ausdrücklich im Namen meiner Fraktion – ich denke, auch der Koalitionsfraktion – dem Landesrechnungshof für diesen Sonderprüfungsbericht. Er ist mit unseren Stimmen im Ausschuss auf den Weg gebracht worden, er bringt Klarheit und eine gewisse Versachlichung der Diskussion. Diese wünschen wir uns sehr.
Auch wenn nicht sehr viel Neues kommt, ist es doch vernünftig in zwei entscheidende Zeitabschnitte geordnet, Kollege Scheel.
Der erste Zeitabschnitt reicht bis zum Eintritt in die Finanzkrise im Sommer 2007. Hier stellt der Landesrechnungshof allen Beteiligten ein wenig schmeichelhaftes
Zeugnis aus. Da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Ich werde nicht der Versuchung erliegen, Kollege Schmalfuß,
die Verantwortung allein auf die Vorstände, die Abschlussprüfer, die Ratingagenturen, die Bankenaufsicht oder die internationalen Finanzmärkte zu schieben, wie Sie es vielleicht erwartet hätten.