Protocol of the Session on May 14, 2009

und wo beide über einen Steuervorteil, also über mehr Geld verfügen können. Denn wenn beide arbeiten und beide in die gleiche Steuerklasse eingesetzt werden, können sie vom Ehegattensplitting überhaupt nicht profitieren.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Krauß, ich wünsche Ihnen, dass Sie nie geschieden werden; ansonsten unterhalten Sie sich gern mal mit den Kollegen aus Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der FDP – Stefan Brangs, SPD: Ist der Kollege verheiratet?)

Ich möchte zum Antrag der Linken zurückkommen. Wer jetzt allerdings eine Grundsicherung in dem Ausmaß, wie Sie es hier tun, verspricht, der erhöht nun einmal leider die Ausgabenlast weiter und hat dabei aber noch keinen einzigen Euro in bessere Bildung, bessere Schulen oder Kindertageseinrichtungen gesteckt. Das schadet vor allem den Bildungschancen von Kindern aus Familien mit weniger Einkommen.

Ich frage mich an dieser Stelle, wo eigentlich der aufstiegsorientierte Ansatz der politischen Linken geblieben ist: Vermeidung von Armut durch bessere Bildung. Bei der ganzen Diskussion um die Kindergrundsicherung und um höhere oder bedarfsgerechte Regelsätze wird dieser Punkt leider völlig ausgeblendet. Nicht höhere Transferleistungen, sondern besseres Einkommen durch bessere Bildung, niedrige Steuern und Abgaben und eine vernünftige Wirtschaftspolitik bekämpfen Armut. Alles andere ist nur eine bessere Alimentierung.

(Beifall bei der FDP)

Es ist eben ein Irrglaube, mit Transferleistungen gleiche Chancen für alle zu erreichen. Selbst Befürworter einer Kindergrundsicherung weisen darauf hin, dass es zweifelhaft sei, dass sich durch die Kindergrundsicherung die Situation der Kinder grundlegend ändern würde, wenn nicht gleichzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenslage der Eltern unternommen würden.

Genau dort setzen wir als FDP an, nämlich dem Ziel, Alleinerziehenden Vollzeitarbeit zu ermöglichen, weil sie ihre Kinder gut betreut und kostenfrei in Kindertageseinrichtungen wissen. Wir schaffen das unter anderem nur, wenn unser Bildungssystem nicht sozial selektiert und in eine soziale Sackgasse führt. Unser Verständnis von Chancengleichheit zu Beginn des Lebens setzt auf eine umfassende Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mittelfristig auf eine kostenlose Kinderbetreuung und auf beste Bildungseinrichtungen vor Ort mit den besten Pädagogen.

Wir dürfen außerdem unsere Gesellschaft nicht noch weiter mit steigenden Sozialleistungen auf den Kopf

stellen. Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet, und wir werden es nun einmal niemals schaffen – und, ehrlich gesagt, will ich es auch nicht mehr –, dass alle das Gleiche haben.

(Falk Neubert, Linksfraktion: Darum geht es doch gar nicht!)

Wir wollen aber, dass gleiche Startchancen zu Beginn des Lebens garantiert werden und wer sich anstrengt, letzten Endes auch mehr davon hat.

Sie werden verstehen, dass wir aus diesem Grund Ihren Antrag, so wie er gestellt ist, ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion)

Frau Herrmann für die Fraktion der GRÜNEN hat das Wort; bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Punkte gleich vorweg: Zum einen könnte ich den Beitrag meiner Kollegin Frau Schwarz hier wiederholen, denn wir sind uns in dieser Sache sehr einig. Zum anderen: Auch wir setzen uns für die Kindergrundsicherung ein, und das seit 2001. Wir haben uns die Arbeit gemacht, ein eigenes Modell zu entwerfen, zu berechnen und Finanzierungsvorschläge zu machen.

Außerdem haben wir unser Modell der Kindergrundsicherung in eine Vielzahl von Maßnahmen eingebettet, die die strukturelle Benachteiligung von armen Kindern beenden soll.

Unsere Überlegungen sind natürlich auch in der Diskussion mit einigen der Protagonisten des Bündnisses Grundsicherung bzw. in der Auseinandersetzung mit ihren Ideen entstanden. Auch wir wollen eine eigenständige Kindergrundsicherung, denn wir sind der Ansicht, dass Kinder Träger eines eigenen Rechtsanspruches sind. Das ergibt sich für uns auch klar aus der UN-Konvention. Damit haben sie natürlich auch Anspruch auf eine eigene Bedarfssicherung. Diese ist in Zeiten hoher Kinderarmut, wie schon geschildert, auch dringend nötig.

Wir fordern für jedes Kind bis zur Volljährigkeit einen monatlichen Betrag von 330 Euro. Damit unterscheiden wir uns etwas von den Forderungen des Bündnisses. Auch sie legen das Existenzminimum für Kinder in dieser Höhe fest; auch ihre Forderungen, den Betrag aller Kinder unabhängig vom Einkommen der Eltern auszuzahlen, deckt sich mit unserem Modell.

Gemeinsamkeiten gibt es auch bei der Idee, die ausgezahlte Summe zu besteuern und so sicherzustellen, dass das Geld besonders bei einkommensschwachen Familien ankommt.

Dann aber gehen die Meinungen auseinander. Statt noch einen Geldbetrag draufzulegen, wollen wir sofort in Infrastruktur investieren und Benachteiligungen, die

durch Strukturen entstehen, wie zum Beispiel fehlende Betreuungsmöglichkeiten oder Einschränkungen der Betreuungszeiten, abbauen; denn Geld allein reicht uns nicht. Es geht nicht darum, dass wir Eltern nicht zutrauen, verantwortungsvoll mit den Transferleistungen umzugehen; sondern wir sehen den Staat in der Pflicht, gerechte Bildungs- und Lebenschancen zu schaffen. Mehr Geld zu geben wird eben oft als Alibi genommen, um den Staat aus der Verantwortung zu entlassen. Damit werden Problemlagen privatisiert – frei nach dem Motto: Jetzt habt ihr das Geld, also müsst ihr selbst schauen, wie ihr euch zu Kinderbetreuung, Klassenfahrten und außerschulischen Bildungsangeboten organisiert.

Ich erinnere nur an die Pauschalierung von Leistungen. Wir wollen die Herausforderungen, denen sich Familien heute gegenübersehen, nicht jeder einzelnen Familie selbst überlassen, sondern verlässliche Angebote schaffen, die ihnen bei der erfolgreichen Bewältigung des Alltags auch wirklich zur Verfügung stehen, wenn sie diese benötigen.

Auch der Vorschlag des Bündnisses Grundsicherung erkennt genau dieses Problem an, nur kommen wir hier eben zu unterschiedlichen Lösungen. Wir wollen das Existenzminimum aller Kinder absichern und den Rest sofort in bessere Bildung, Erziehung und Betreuung sowie in Hilfs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Eltern investieren. In Zeiten knapper Kassen, denken wir, ist das eine seriösere Lösung, als immer nur Geld zu versprechen, wohl wissend, dass nicht alles zu finanzieren ist.

Zum Ehegattensplitting könnte ich das wiederholen, was Frau Dr. Schwarz gesagt hat. Es ist ein längerer und ganz komplizierter Vorgang. Das Bundesverfassungsgericht würde es nicht durchgehen lassen, das Ehegattensplitting mit einem Federstrich abzuschaffen. Man muss sich ein Modell überlegen, das das Ehegattensplitting in einer anderen Form wieder aufgreift, zum Beispiel dem verdienenden Ehegatten einen Freibetrag zuzugestehen. Man muss das Ehegattensplitting ändern, weil es nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr gerecht ist.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke. – Gibt es seitens der Fraktionen noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Kindergrundsicherung ist eine populäre und auch medientaugliche Idee. Ihr Charme beruht auf Einfachheit, denn die Formel der Grundsicherung heißt: Geld auf die Hand und Problem gelöst. 500 Euro für jedes Kind soll Kinderarmut verhindern.

Ich habe zwei Einwände, einen bezüglich der Wirkung des Kinderzuschlags und einen bezüglich der Finanzierung.

Erstens zur Wirkung. Die Autoren gehen davon aus, dass 25 % aller sächsischen Kinder in Haushalten mit SGB-IIBezug bzw. mit sehr geringem Einkommen leben. Viele dieser Kinder haben Eltern, die aus dem Wenigen trotzdem viel machen, ihren Kindern Chancen eröffnen und gut für sie sorgen. Das ist nicht einfach, und davor habe ich großen Respekt. Aber nicht alle Eltern schaffen das, insbesondere wenn sie zusätzlich Probleme wie Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit, Sucht, zerbrochene Partnerschaften, ein schwieriges Wohnumfeld oder geringe Haushaltsführungskompetenzen zu schultern haben. In diesen Fällen kann eine Kindergrundsicherung die Situation der Kinder verbessern oder eben auch nicht.

Die Eltern bleiben in dieser Sozialleistung. Keines ihrer Probleme ist wirklich gelöst und die Kinder haben kein Verfügungsrecht über die 500 Euro. Praktisch fließt das Geld in das Haushaltseinkommen. Wie weit sich damit die Lebenssituation des Kindes verbessert und sich dadurch neue Chancen eröffnen, bleibt auch offen. Ziel ist es laut Antrag, dass „Kinder aus dem stigmatisierenden Bezug, insbesondere von Hartz IV, herausgeholt werden“. Da die Kindergrundsicherung nach dem Willen der Autoren jedoch nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden soll, werden die Eltern weiterhin Arbeitslosengeld II beziehen. Das zentrale Ziel des Vorschlags wird also nicht erreicht. Die Kinder leben weiterhin in einem Harz-IV-Haushalt. Dass wir immer das Wort Hartz IV benutzen, finde ich der Sache auch nicht angemessen, denn auch Worte haben Definitionsmacht. Die Grundidee ist gut gemeint, aber sie hat erhebliche Mängel und ihre Wirkung ist nicht sicher.

Zu meinem zweiten Einwand. In die Finanzierung der Kindergrundsicherung sollen die bisher existierenden Leistungen für Kinder – von Kindergeld bis Unterhaltsvorschuss – einfließen. Das soll letzten Endes aus dem Ehegattensplitting gezahlt werden. Hier gehen die Antragsteller davon aus, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings 18 Milliarden Euro einbringen würde. Dieser Traum wird immer wieder gern geträumt, aber da haben Sie sich verrechnet, meine sehr verehrten Damen und Herren; denn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Bundesministerium für Familie und andere haben mehrfach vorgerechnet, dass das tatsächliche Einsparpotenzial bei lediglich 2 Milliarden Euro liegt. Damit fehlen dem Konzept nicht 10, sondern 26 Milliarden Euro. Diese Zahl zeigt, dass der Charme des Konzeptes sicherlich nicht in einer soliden Finanzkonzeption liegt.

Die Sächsische Staatsregierung setzt stattdessen lieber auf Ideen für Kinder, die Wirkung zeigen und finanziert werden können. Im Antrag wird davor gewarnt, man solle sich nicht auf eine Debatte nach dem Motto „Entweder Geld oder Infrastruktur für Kinder“ einlassen. Diese Warnung braucht sich die Sächsische Staatsregierung nicht annehmen. Sachsen hat mit den anderen Bundesländern erfolgreich dafür gekämpft, dass die Kinderregelsätze geprüft und auch teilweise erhöht wurden. Außerdem haben wir erreicht, dass der einmalige Kinderbonus und

das Schulbedarfspaket eingeführt wurden. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass der Kinderzuschlag ausgebaut wird, zum Beispiel für Alleinerziehende. Gleichzeitig setzen wir auf eine gute Infrastruktur für Kinder. Wir unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, haben eine hervorragende Kita-Landschaft, fördern die frühkindliche Bildung und unterstützen Eltern mit diversen Maßnahmen im Rahmen von Beratung und Familienbildung, damit sie starke Eltern für ihre Kinder sein können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schlusswort. Herr Neubert? – Oder möchte noch jemand in der allgemeinen Debatte sprechen? – Ja oder nein, Herr Neubert?

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ergreife an dieser Stelle noch einmal das Wort. Vielleicht werden die drei Minuten für das Schlusswort nicht ausreichen.

Uns wird vorgeworfen, dass wir mit dem Antrag die Infrastruktur mit den Geldleistungen für Familien ausspielen. Das ist einfach falsch. Es ist in diesen Antrag integriert. Wir wollen es nicht gegeneinander ausspielen. Wir reden hier über 320 Euro an Leistungen für die Kinder über die Eltern und über 180 Euro für Infrastruktur, solange sie noch nicht kostenlos ist. Wir reden über Elternbeiträge für Schulen, für Kitas, kostenloses Mittagessen und Lernmittelfreiheit.

Frau Schütz, Sie haben es schon angesprochen. Selbstverständlich sind unsere Forderungen kompatibel mit diesem Konzept. Frau Dr. Schwarz, dieses Konzept ist übrigens nichts Neues und kein Schnellschuss, der nicht diskutiert wurde. Das wissen Sie auch. Wir haben schon vor Jahren die Diskussion zur Abschaffung des Ehegattensplittings und der Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung und nicht als bevormundendes Sozialsystem, wie es die CDU-Fraktion gern vorträgt, geführt. Dazu hatten wir vor drei Jahren einen Antrag. Das wurde jetzt noch einmal von Sozialverbänden und Wissenschaftlern aufgeschrieben, und wir halten es für vernünftig. Die von mir aufgezählten Forderungen sind in den 180 Euro mit enthalten, entweder als kostenfreie Bereitstellung oder als Zahlung an die Eltern, solange es nicht kostenfrei ist.

Mit dieser Kostenfreiheit bringt man Kinder in der Bildung voran und stopft nicht nur Geld irgendwo hinein. Es geht darum, Kindern den Zugang zu einer Kindertageseinrichtung zu gewähren und sie nicht hungern zu lassen.

(Dr. Gisela Schwarz, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gleich.

Die Lernmittelfreiheit muss durchgesetzt werden, damit die Kinder nicht benachteiligt werden. Das ist ein Beitrag, damit Kinder gleichberechtigt Bildung erfahren können. Man kann doch nicht sagen, es würde nur Geld hin- und hergeschoben.

Frau Dr. Schwarz, bitte.

Kollege Neubert, ich habe gesagt, dass das im Einzelfall zu noch mehr Verwirrspiel führt. Vielleicht können Sie mir antworten, weil ich es nicht verstehe. Wenn zum Beispiel Schulgeld für Privatschulen, was sich eigentlich nur Eltern mit relativ hohem Einkommen leisten können, oder das BAföG enthalten ist, was an die Einkommenssituation der Eltern gekoppelt ist, wie soll das im Einzelfall funktionieren?

Wir als Linke sagen erst einmal, dass Bildung überhaupt nichts kosten darf. Es dürfte eigentlich gar kein Schulgeld für eine kommerzielle Schule erhoben werden. Es ist doch ganz einfach: Entweder man macht die Infrastruktur kostenfrei, dann wird man die 180 Euro nicht an die Eltern zahlen, oder die Infrastruktur ist nicht kostenfrei, dann gibt man das Geld an die Eltern. Uns wäre es natürlich lieber, wenn die Infrastruktur in Gänze kostenfrei wäre. Da sind wir beieinander.

(Beifall bei der Linksfraktion)