Unter den danach noch beschriebenen Qualifizierungsvoraussetzungen für die geneigten Bewerber(innen) ist weiter zu lesen – Zitat –: „Wir gehen davon aus, dass Sie gut mit Jugendlichen umgehen können, Autorität und Liebe ausstrahlen, Christsein glaubhaft, engagiert und fröhlich vorleben,
sich voll und ganz in eine Lebens- und Dienstgemeinschaft einbringen wollen.“ Als Schlusssatz des Managementcenters: „Ihre Bewerbungen erwarten wir bis zum 1. März 2009.“ – Am 1. März 2009 war Bewerbungsschluss für das Projekt des Vollzuges in freien Formen im Freistaat Sachsen. Das erfahre ich als Abgeordneter dieses Hauses und Mitglied des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses im Prinzip aus dem Internet! „Gesucht werden für das Mitarbeiterteam Hauseltern, sozialpädagogische Fachkräfte, Lehrer, Ausbildungsmeister, Bürokraft, Nachtdienst, Zivis und FSJler“ – also Freiwilliges Soziales Jahr –, heißt es weiter. Grüß Gott!, genauso stellt sich der Sachse den künftigen modernen Jugendstrafvollzug vor!
Als ich mir erlaubte, im Rahmen von Kleinen Anfragen die sachlichen und rechtlichen Grundlagen dieses Projektes für freie Formen des Jugendstrafvollzuges in Sachsen zu hinterfragen und darauf aufmerksam zu machen, dass eine der Parlamentsfraktionen – in diesem Fall
DIE LINKE – einen unmittelbar vor der Expertenanhörung stehenden Gesetzentwurf im Geschäftsgang hat, der just diese Materie in Hoheit des Gesetzgebers ausregeln soll: Wie soll das funktionieren mit Vollzug in freien Formen?, bekam ich von Herrn Staatsminister Mackenroth, dem sogenannten Verfassungsminister, in einem Satz beschieden – Zitat –: „Es besteht kein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“
Im Übrigen, so Herr Mackenroth, sei man damit befasst, eine sächsische Verwaltungsvorschrift für den Jugendstrafvollzug in freien Formen zu erarbeiten, das heißt, erst wird die Immobilie ausgesucht, dann wird das Personal von dem zugeordneten Träger aus Baden-Württemberg ausgeschrieben, dann sucht man sich die Verwaltungsvorschriften zusammen, und das alles nach dem exekutiven Hoheitsmodell. Alles Ihres, Herr Staatsminister: Ihr Garten, Ihre Stores, Ihre Flagge, Ihr Klodeckel, Ihr Strafvollzug – alles Ihres!
Wir ignorieren und denunzieren die zweifellos verdienstvolle Arbeit des Prisma e. V. Baden-Württemberg in keiner Weise. Zum Ersten aber hat Baden-Württemberg, bevor es den verschiedenen freien Trägern den Vollzug der Jugendstrafe in freien Formen übertrug, eine eigene detaillierte Verwaltungsvorschrift erlassen, datiert vom 30. Juni 2003. Dass dies auf Verwaltungsvorschriftsebene geschah, ist insoweit hinzunehmen, als es zu diesem Zeitpunkt noch keine Zuständigkeit der Länder für die Auslegung des Strafvollzugs, respektive des Jugendstrafvollzugs, gab, sondern noch § 91 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes gültig war.
Selbiger wurde aber mit Änderungsgesetz vom 13.12.2007 aufgehoben bzw. neu gefasst. In der Neufassung bestimmt § 17 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes unter der Richtungsentscheidung der Föderalismusreform lediglich, dass Jugendstrafe – ich zitiere – „Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung ist, weshalb es für die Gesetzesbegründung des Bundes den Ländern als im Zuge der Föderalismusreform für die Regelung des Strafvollzugsrechts zuständigem Gesetzgeber obliegt, die vorgesehenen Einrichtungen näher zu bestimmen.“
Das Staatsministerium ist nicht das Land. Das funktioniert so nicht. Die von Staatsminister Mackenroth beauftragten Projektträger vollziehen gerichtlich verhängte Strafen mit Freiheitsentzug bzw. sie sollen dies demnächst tun. Eingriffe in Grundrechte, so betont das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2006, die mit dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug generell apostrophiert wurden, bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.
Weiter heißt es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, Band 33 und Band 58: „Seit 1972 ist geklärt, dass von diesem Erfordernis auch Eingriffe in die
„Grundrechtseingriffe, die über den Freiheitsentzug als solchen hinausgehen, bedürfen danach unabhängig von den guten und sogar zwingenden sachlichen Gründen, die für sie sprechen mögen, einer eigenen gesetzlichen Grundlage, die die Eingriffsvoraussetzungen in hinreichend bestimmter Weise normiert“; ebenfalls Bundesverfassungsgericht, Band 40, Seiten 276 bis 283.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir mit diesem Gesetzentwurf wollen, ist mehr als nur die Auslegung des Vollzugs in freien Formen. Wir wollen die Streichung des § 3 Abs. 1 Satz 3 des seit 01.01.2008 geltenden Strafvollzugsgesetzes mit den dort geregelten unzähligen Erziehungszielen für Strafgefangene, die einfach Erziehungsziele der Schulen übernommen haben. Unter anderem beinhalten sie die Verpflichtung zur Erziehung Straffälliger zur „Heimatliebe“.
In der Expertenanhörung vom 23. Februar 2009 vermerkt das Protokoll auf den Seiten 14 und 15 um sich greifende Heiterkeit, als der Leiter der Justizvollzugsanstalt RegisBreitingen berichtete, dass man in der JVA zur Verwirklichung dieses Lernziels zwischenzeitlich eine Heimatgruppe etabliert habe. Wörtlich vermerkt das Protokoll weiter, so der Leiter der JVA Regis-Breitingen: „Das heißt, die Jugendlichen erkunden ihre Heimat selbst, sprechen mit Anwohnern, recherchieren Geschichte und setzen sich mit doch sehr brisanten Themen auseinander.“
„Regis-Breitingen liegt in der Nähe von Regis. So hat unter anderem auch eine Exkursion nach Heuersdorf stattgefunden – Heuersdorf als lebendiges Beispiel für Heimat, Heimatverlust im Kontext zu Gemeinwohl, Energie und Arbeitsplätzen.“
(Volker Bandmann, CDU: Sie sind der Einzige, der Kennung von Heimat hat. Das haben wir über viele Jahre von Ihnen gelernt. Die Leute, die mit Ihnen in Berührung gekommen sind, können davon ein Lied singen!)
Jeder Jugendstrafverteidiger, jeder Jugendrichter, jeder Jugendvollstreckungsleiter greift sich an den Kopf, wenn Sie als Maßstab für Lockerungen prüfen wollen, ob der Betreffende in der Heimatliebe weit genug vorangekommen ist.
Sie blamieren die Innung über Landesgrenzen hinweg. Es ist doch einfach lächerlich, eine Heimatgruppe in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Ich habe mich schon als Mundartsprecher angeboten.
Dass Sie uns betreffs der Aufhebung dieser Grundlage für die Heimatgruppen nicht folgen wollen, Herr Bandmann, ist mir klar. Dafür sind Sie einfach nicht denkweit genug. Ich weiß auch, dass Sie der Ausregelung des künftigen Vollzugs von Strafe als primär offener Vollzug nicht den Vorrang geben werden. Das ist mir alles klar. Aber bei der Frage des Vollzugs in freien Formen haben Sie keinen Spielraum. Nach der Wesentlichkeitstheorie können Sie unmöglich sagen, dass Sie als Koalition es sich gestatten, für einen Teil der Vollziehung von Strafe, die ein Richter im Freistaat Sachsen verhängt, keinerlei gesetzliche Regelung zu schaffen. Der Unterschied zu denjenigen, die in freien Formen den Rest der Strafe verbüßen, ist, dass sie nicht in der geschlossenen Einrichtung bzw. umzäumten JVA sind. Aber sie verbüßen weiterhin die auf Hoheitsakt beruhende Strafe.
Der Richter, der das genehmigt, muss doch wissen, unter welchen Bedingungen das geschehen soll. Er ist doch dafür zuständig. Das liegt doch auf der Hand. Ich verstehe es beim besten Willen nicht, wie man einen solchen Gesetzesvorschlag alternativlos ablehnen kann. Das ist nicht rechtens.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bartl, ich werde auf Ihre massive Kritik nicht eingehen.
Sie haben sich dazu diesbezüglich bereits bei der Verabschiedung des Jugendstrafvollzugsgesetzes geäußert. Wir konnten Sie damals auch nicht überzeugen. Deshalb ist es der Mühe nicht wert.
Als Beiratsmitglied von Regis-Breitingen kann ich Ihnen sagen, dass ich das Gesetz in seiner Umsetzung als erfolgreich ansehe. Sicherlich muss man noch Erfahrungen sammeln, aber alles zu kritisieren finde ich nicht richtig.
Sie haben sich für eine gesetzliche Regelung des Vollzugs in freien Formen entschieden. Als Koalition haben wir uns die Frage gestellt, ob das bereits bestehende Jugendstrafvollzugsgesetz, welches erst im Dezember 2007 verabschiedet worden ist, für die dritte Form des Vollzugs ausreichend ist oder ob weitere gesetzliche Regelungen erforderlich sind. Die Koalition vertritt die Auffassung,
dass eine gesetzlichen Regelung nicht erforderlich ist, und hät die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen für ausreichend. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Auch die Anhörung war letztlich nicht so ergiebig, dass sich jemand festgelegt hätte, ob ein solches Gesetz notwendig ist oder nicht. Ich habe im Protokoll noch einmal nachgelesen und weiß, dass Ihr Sachverständiger, Herr Goerdeler, darauf etwas näher eingegangen ist. Aber ansonsten hat sich niemand zur juristischen Seite geäußert.
Aus § 13 Abs. 3 des Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes ergibt sich eindeutig, dass während der Unterbringung in einer Einrichtung des Vollzugs in freien Formen das Vollzugsverhältnis zur Jugendstrafanstalt weiterbesteht. Weiterhin lässt § 13 Abs. 3 den Vollzug in freien Formen ohne weitere Einschränkungen zu, sodass erforderliche konkretisierende Regelungen auf untergesetzlicher Ebene ausreichend sind.
Sie haben erwähnt, dass das Staatsministerium eine Verwaltungsvorschrift erarbeitet. In dieser Verwaltungsvorschrift sollten klare und konkrete Regelungen getroffen werden, wie zum Beispiel Ziel des Vollzugs in freien Formen und die dafür zugelassenen Einrichtungen, Voraussetzungen und Eignung des jugendlichen Strafgefangenen, Vorschriften zur Anordnung der Unterbringung, erzieherische Weisungen und Auflagen, Disziplinarmaßnahmen, besondere Sicherungsmaßnahmen, Rückverlegungen, eventuell auch die finanzielle Ausstattung bei der Ausbildungsbeihilfe, Maßgaben zur Vollzugslockerung und zu Urlaub sowie Aufsicht und Strafberechnung.
Herr Minister, ich bitte im Namen der Koalition in Anbetracht der Bedeutung dieser neuen Form des Vollzugs, die Verwaltungsvorschrift, wenn sie fertiggestellt ist, im Ausschuss vorzulegen, um über die Inhalte diskutieren zu können.
Die SPD-Fraktion erhält das Wort. – Das ist nicht gewünscht. Dann die NPD-Fraktion; Frau Schüßler, bitte.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Rede gern zu Protokoll geben. In Anbetracht der Tatsache, dass wir heute sowieso ein Zeitproblem haben und eigentlich mein Kollege Winfried Petzold die Rede halten sollte, gebe ich die Rede zu Protokoll.
entwurf der Linksfraktion bezieht sich auf die soeben eingeführte Gesetzeslage des Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes, das der Landtag am 12. Dezember 2007 beschlossen hat. Das ist eine sehr junge Gesetzeslage. Dazu müssen wir sagen: Erfahrungen zu diesem Gesetz stehen noch aus, insbesondere hinsichtlich der praktischen Anwendung in Bezug auf die Erfahrungen mit dem freien Vollzug, um den es Ihnen im Kernpunkt dieser Gesetzesnovelle geht.
Eines ist vorhin schon angeklungen – und ich möchte es noch einmal wiederholen –: Die Gesetzgebungsgeschichte des Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes ist wahrlich kein Ausweis besonderer Fürsorge des Gesetzgebers für die Rechte und die Rechtskultur in diesem Land. Das betrifft nicht nur den Freistaat Sachsen, sondern sämtliche Bundesländer und den Bund, die sich seit Jahrzehnten trotz anderslautender Forderungen des Verfassungsgerichtes geweigert hatten, ein erforderliches Jugendstrafvollzugsgesetz zu erlassen. Das war schlicht jahrzehntelange systematische Rechtsverweigerung, die endlich beendet wurde.
Zurück zum Gesetzentwurf der Linken. Im Kern soll der freie Vollzug zum Regelvollzug werden, wenn Sie in den Regelvermutungen einführen, dass jeder in der Regel für den freien Vollzug geeignet ist, wenn er zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren verurteilt wurde. Dann schließen Sie damit circa 90 % aller Inhaftierten im Jugendstrafvollzug ein. Das heißt, praktisch jeder wird damit in der Regel ein Kandidat für den freien Vollzug. Weitere Kriterien darüber hinaus werden nicht genannt. Das erscheint mir ein wenig verkürzt, wenn ich differenziert feststellen will, wer für den offenen Vollzug geeignet ist. Denn darin sind wir uns sicher einig: Nicht jeder Insasse der Jugendstrafvollzugsanstalten ist für die freien Formen des Vollzugs geeignet, sei es aufgrund schwerwiegender Sozialisationsdefizite oder aufgrund von Drogen- und Alkoholproblemen, die unter den Inhaftierten leider nicht die Ausnahme, sondern eher der Regelfall sind.