Protocol of the Session on May 13, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Gesetzentwurf der NPD-Fraktion zur Enteignung der Werks- und Produktionsanlagen der Enka GmbH & Co. KG in Elsterberg vor. Die Enteignung ist der gravierendste Eingriff in das Eigentumsrecht, den unser Rechtssystem kennt. Seine Anwendung ist daher nur dann erlaubt, wenn gegen den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grob verstoßen wird und aus reinen Profitgründen verheerende sozioökonomische Folgen für eine Region drohen.

Bei der geplanten Schließung des Viskosegarnwerkes im vogtländischen Elsterberg ist nach NPD-Auffassung genau dies der Fall. Die unmittelbare Eigentümerin des Werkes in Elsterberg ist die Enka GmbH & Co. KG mit Sitz in Wuppertal. Der 100-prozentige Eigentümer dieses Unternehmens ist wiederum der international agierende Finanzinvestor ICIG mit Sitz in Frankfurt am Main. Diese Firma übernahm Enka im Jahr 2005 und strebt offensichtlich die restlose Entsorgung der deutschen Viskosegarnherstellung und ihre Verlagerung in Billiglohnländer an; denn in China und Polen, wo die Enka-Eigentümer ihre Produktion konzentrieren wollen, liegen die Lohnkosten zwischen einem Zehntel und einem Fünftel der deutschen. Dies rechtfertigt nach NPD-Auffassung aber nicht die Schließung deutscher Werke, und das erst recht nicht, wenn diese tiefschwarze Zahlen schreiben.

Bereits 2007 gründete der Enka-Eigentümer mit dem chinesischen Viskosegarn-Marktführer Jilin ein Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in China. Im gleichen Jahr begann man mit dem Abbau der deutschen Produktion und schloss zunächst das Traditionswerk Oderbruch in der Nähe von Köln, wo bereits seit 1899 Kunstseide produziert wurde. Schon bei dieser Schließung zeigte sich der Finanzinvestor von seiner antisozialen Seite. Obwohl die Oderbrucher Mitarbeiter eigentlich eine Beschäftigungsgarantie bis 2012 hatten, wurden die Arbeitsplätze zum 31. Dezember 2007 ersatzlos gestrichen. Übrig blieben

zwei deutsche Werke: Obernburg im bayerischen Unterfranken und eben Elsterberg im sächsischen Vogtland.

Im Zuge der weiteren Drosselung der deutschen Produktion soll nun auch der vogtländische Standort geschlossen werden. Die 380 Mitarbeiter sind seit dem 27. April bei vorläufig voller Bezahlung freigestellt, die Produktion ist aber eingestellt, und zum 30. Juni soll das Werk endgültig geschlossen werden. Für die Stadt Elsterberg bedeutet die Abwicklung ihres Standortes eine Katastrophe, der die sächsische Politik keinesfalls tatenlos zusehen darf. Nach Einschätzung des Elsterberger Bürgermeisters wird die Region monatlich 400 000 Euro Kaufkraft einbüßen.

Am letzten Freitag hielt die NPD-Fraktion auf dem Elsterberger Marktplatz eine Informationsveranstaltung ab und erhielt von zahlreichen Leuten Zuspruch. Nach deren einhelliger Meinung wird ihre Stadt nach der Schließung des Werkes wirtschaftlich tot sein. Dabei gibt es für die Schließung des Werkes keinen einzigen nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Grund. Ganz im Gegenteil. Das Werk in Elsterberg ist nach einem kürzlich vorgelegten Gutachten hoch profitabel. Es hat in den vergangenen drei Jahren 15 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet und produziert auf höchstem Qualitätsniveau. Sogar der Geschäftsführer der Enka-Gruppe in Wuppertal schreibt in einem Brief: „Ja, Elsterberg hat gute Qualität geliefert bei wettbewerbsfähigen Herstellungskosten und über viele Jahre zum Überleben der gesamten Enka-Gruppe beigetragen.“

Der Konzerngeschäftsführer lässt dann aber den Hammer folgen, wenn er erklärt: „Es kommt aber nicht auf die Gegebenheiten am Standort Elsterberg, sondern auf die Situation der Enka-Gruppe insgesamt an.“ Diese verschwiemelte Antwort sagt nichts anderes, als dass deutsche Standorte selbst dann zugunsten einer Produktion im Ausland abgewickelt werden, wenn sie tiefschwarze Zahlen schreiben. Dies ist aber ein Frontalangriff auf das Prinzip sozialpflichtigen Eigentums, wie es selbst das Grundgesetz festschreibt. Der sinnidentische Artikel in der Sächsischen Verfassung lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, insbesondere die natürlichen Lebensgrundlagen schonen.“

Die Schließung des Werkes in Elsterberg verstößt gleich in mehrerlei Hinsicht gegen das Gemeinwohlprinzip des Wirtschaftens. Der Eigentümer will ja nicht nur die dortige Produktion aufgeben, um sie ins Ausland zu verlagern, nein, er will sogar verhindern, dass am Standort Elsterberg überhaupt weiter produziert wird. Deswegen lehnt der Eigentümer auch den Vorschlag des Elsterberger Werkleiters ab, mit Unterstützung des Freistaates einen neuen Investor zu finden und die Produktion am Standort fortzusetzen.

Ganz offensichtlich wollen die Eigentümer den Vogtländern die Weiterproduktion untersagen, weil diese eine unliebsame Konkurrenz für die neuen Produktionsstandorte in Polen und China wäre. Hier zeigt sich nach NPDAuffassung die ganze Killerlogik des globalisierten Kapitalismus, der selbst hoch rentable Werke über die Klinge springen lässt, um Produktionsstandorte in Billiglohnländern konkurrenzfrei zu halten. Hier sind nach unserer Auffassung klare gesetzgeberische Taten gefragt und nicht die folgenlosen Sprechblasen und geheuchelten Solidaritätsbekundungen eines sozialdemokratischen Wirtschaftsministers, der sein Interesse für Elsterberg erst entdeckt hat, nachdem die NPD den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht und in Elsterberg auch öffentlichkeitswirksam vorgestellt hat.

Um einen weiteren industriepolitischen Kahlschlag in einer sowieso schon strukturschwachen Region zu verhindern, hat die NPD-Fraktion ihr Gesetz zur Enteignung des bisherigen Enka-Eigentümers in den Landtag eingebracht, um das Werk, die Produktionsanlagen und die Arbeitsplätze durch eine neue Eigentümerstruktur zu erhalten. In dem Gesetz fordert die NPD die vorübergehende Weiterführung des Werkes als landeseigene Betriebsgesellschaft, bis zeitnah ein neuer Investor gefunden ist, der die rentable Produktion weiterführt.

Wir fordern in dem Ihnen allen vorliegenden Antrag

erstens die Enteignung der Enka-Eigentümer mit dem Ziel einer Weiterführung des Produktionsstandortes in Elsterberg,

zweitens die Gründung einer landeseigenen Betriebsgesellschaft und die Überführung der bisherigen Mitarbeiter in eine vorläufige Beschäftigungsgesellschaft,

drittens die Entwicklung eines neuen Eigentümermodells für den Produktionsstandort Elsterberg mit einer modernen Arbeitnehmerbeteiligung und

viertens die unbürokratische Hilfe des Freistaates Sachsen bei der Suche nach einem langfristig orientierten Investor und die zügige Reprivatisierung des Werkes.

Während die NPD um diese Arbeitsplätze kämpft und den Gestaltungswillen der Politik anmahnt, blocken die etablierten Parteien einfach ab. So erklärte der CDULandtagspräsident Erich Iltgen, der bisher nicht unbedingt als Verfassungsrechtler aufgefallen ist, dass der NPDAntrag verfassungsrechtlich unzulässig sei, weil er die Enteignung des bisherigen Eigentümers fordert. Das war seine Reaktion auf die Forderung der NPD, gemäß der

Geschäftsordnung des Landtages das Gesetzgebungsverfahren aufgrund der objektiven Eilbedürftigkeit des Antrages abzukürzen. Hätte der Herr Landtagspräsident diesem Vorschlag zugestimmt, so hätte der Gesetzentwurf bereits heute in 2. und gegebenenfalls 3. Lesung beschlossen werden können. Damit wäre wichtige Zeit für die Suche nach einem neuen Investor und für die Sicherung der Arbeitsplätze in Elsterberg gewonnen worden.

Selbst das Grundgesetz spricht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und sieht Möglichkeiten einer Sozialisierung zum Wohle der Allgemeinheit vor. Gerade jetzt, da der entfesselte Finanzkapitalismus sein ganzes Selbstzerstörungspotenzial zeigt und massiv Arbeitsplätze und Volksvermögen vernichtet, muss das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft wieder hergestellt werden. Gerade jetzt, da ein marodes liberales Finanzsystem ohne milliardenschwere Kapitalspritzen des Staates implodieren würde, muss gezeigt werden, wer Koch, wer Kellner und wer Küchenchef ist. In Elsterberg muss nach unserer Auffassung ein politisches Exempel statuiert werden, dass die rücksichtslose Durchsetzung von Konzerninteressen gegen die Menschen von der Politik nicht hingenommen, sondern mit allen Mitteln gesetzgeberisch bekämpft wird.

Die Androhung der Enteignung ist nach unserer Auffassung das geeignete politische Druckmittel, damit der bisherige Enka-Eigentümer den Weg für einen Investorenwechsel und damit die Wiederaufnahme des Produktionsbetriebes frei macht. Die NPD will verhindern, dass das Vogtland als eine der ältesten Industrieregionen Deutschlands zu einer industriellen Brachlandschaft wird. Deshalb muss in der derzeitigen Ausnahmesituation auch zu außergewöhnlichen Mitteln wie dem vorgelegten Enteignungsgesetz gegriffen werden.

(Beifall bei der NPD – Martin Dulig, SPD: Wenn Sie von Enteignung sprechen, klingt es wie Vernichtung!)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Sächsisches Gesetz – –

Sie haben noch eine Minute; bitte.

Frau Präsidentin, ich habe noch einen kleinen Wunsch: Ich möchte bitte, dass der vorliegende Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als federführend überwiesen wird.

Sie möchten also die Federführung ändern – im Gegensatz zu dem, was ursprünglich vorgeschlagen war. Ich lese zunächst einmal vor, was vorgeschlagen war, und danach stimmen wir über Ihren Änderungsantrag ab.

Das Präsidium schlägt vor, den Entwurf Sächsisches Gesetz zur Enteignung von Werks- und Produktionsanlagen der „Enka International GmbH & CO. KG“ in Elsterberg/Vogtland an den Verfassungs-, Rechts- und Europa

ausschuss – federführend – und an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, mitberatend, zu überweisen.

Nun gibt es den Antrag der Fraktion, das umzukehren. Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion ab und schauen, was dabei herauskommt. Der Antrag, die Federführung zu ändern, steht zur Abstimmung. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diesem Antrag nicht gefolgt.

Wir stimmen nun über den Vorschlag des Präsidiums ab, an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, federführend, und an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, mitberatend, zu überweisen. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Eine Stimmenthaltung; die Überweisung ist somit beschlossen.

Am Mikrofon 2 gibt es noch einen Redewunsch; bitte, Herr Bräunig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich würde gern mein Abstimmungsverhalten erklären: Ich habe der Überweisung des Gesetzentwurfes an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zugestimmt,

weil es geübter parlamentarischer Brauch ist, auch noch so abwegige Gesetze zunächst in den Ausschüssen zu beraten. Der Betriebsrat von Enka hat sich zwischenzeitlich öffentlich von der Initiative der NPD distanziert

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP)

und hat sie als politische Trittbrettfahrerei verurteilt. Es ist vorrangig dem Einsatz von Staatsminister Thomas Jurk und seines Ministeriums zu verdanken, dass es wenigstens noch einen winzigen Hoffnungsschimmer für die Fortführung der Produktion am Standort Elsterberg gibt.

(Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Das Ministerium ist auch weiterhin intensiv um die Rettung der Arbeitsplätze vor Ort bemüht. Das ist der richtige Weg, auf dem der Freistaat tätig werden muss und bereits tätig ist – und nicht die Geisterfahrerei einer NPD.

(Beifall bei der SPD)

Gut. – Der Landtag hat die Überweisung an die Ausschüsse beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 21

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und die Führung der Gemeinnützigkeitsaufsicht

Drucksache 4/15107, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es sprechen daher nur die Einreicherinnen CDU und SPD. Herr Abg. Heinz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir nun zu einer der größeren Reformvorhaben dieser Legislaturperiode. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Gesetz über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und die Führung der Gemeinnützigkeitsaufsicht dereguliert werden. Konkret wird die gesetzliche Berichtspflicht von Kleingartenorganisationen gegenüber den Anerkennungsbehörden geregelt; das heißt, sie wird von drei auf fünf Jahre verlängert.

(Bravo-Ruf und Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Ich bitte um die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und die Führung der Gemeinnützigkeitsaufsicht an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft – federführend – und an den Innenausschuss zu überweisen. Wer diesen Überweisungsvorschlägen zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung beschlossen und wir können den Tagesordnungspunkt 21 beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 22

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit und der Rechte des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen