1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit und der Rechte des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Linksfraktion als einreichende Fraktion. Herr Abg. Wehner, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion hält es für dringend erforderlich, die Rechtsstellung des Beauftragten für die Belange der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen neu auszugestalten; deswegen der von uns eingebrachte und bereits genannte Gesetzentwurf.
Es geht nicht darum, die Arbeit des Beauftragten zu kritisieren – ganz im Gegenteil, er leistet eine hervorragende Arbeit. Ich möchte hier die Gelegenheit wahrnehmen, ihm sehr herzlich für seinen Beitrag zum Wohle der Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen zu danken. Ich bitte die Vertreter der Staatsregierung, diesen Dank an Herrn Stefan Pöhler weiterzuleiten.
Aber, meine Damen und Herren, das, was der Beauftragte leistet, geht weit über das Maß hinaus, was im Rahmen einer ehrenamtlichen Aufgabe zu leisten möglich ist. Im Freistaat spricht die Staatsregierung darüber, wie Sachsen im Jahr 2020 aussehen wird. Bemerkenswert ist, dass das Wort „Behinderung“ oder „behinderter Mensch“ oder überhaupt „behindert“ in dem Strategiepapier überhaupt nicht auftaucht.
Noch zu Beginn der Legislatur bestand für die Koalition das wesentliche Ziel sächsischer Behindertenpolitik darin – ich zitiere –, „die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Einzelnen zu stärken und ihm dadurch Integration und Teilhabe zu ermöglichen“. – Herr Dr. Martens, das haben Sie bestimmt auch schon so gehört.
Meine Damen und Herren, ich kann mich an Vorschläge zur Umsetzung dieses Zieles nicht erinnern. Auch die von der Bundesrepublik Deutschland inzwischen ratifizierte UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen ist weder für die Koalition noch für die Staatsregierung Anlass gewesen, initiativ zu werden.
Meine Damen und Herren! Wann wollen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir noch weit davon entfernt sind,
feststellen zu können, dass Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigungen selbstverständlich selbstbestimmt und chancengleich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können? Noch sind Würde, Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Barrierefreiheit nicht das normale und selbstverständliche Maß in unserer täglichen Arbeit.
Die von der Koalition gewollte Stärkung der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung verlangt aber die Ausgestaltung entsprechender Rahmenbedingungen, denn Behinderung hat eine gesellschaftliche Komponente. Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Es ist eben nicht alles in bester Ordnung. Hören wir auf, uns etwas vorzumachen, auch wenn Sie uns mit dem Konzept für Sachsen im Jahr 2020 etwas anderes weiszumachen versuchen, indem Sie den Personenkreis der Menschen mit Beeinträchtigungen mit keinem einzigen Wort im Blick haben. Aber auch – wenn ich Ihnen das jetzt positiv unterstellen möchte – wenn Sie davon ausgehen sollten, dass bereits im Jahr 2020 eine besondere Zuwendung zu dem genannten Personenkreis nicht mehr erforderlich sei, weil zu diesem Zeitpunkt schon längst die von uns schon lange erhoffte Normalität Wirklichkeit geworden sei und damit die sich aus der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen ergebenden Anforderungen längst realisiert worden seien, dann verkennen Sie bitte nicht: Zu diesem Ergebnis kommen Sie erst, wenn Sie etwas dafür getan haben.
Ein wichtiger Schritt dazu ist, einen hauptamtlichen Landesbehindertenbeauftragten zu bestellen. Nur mit einem hauptamtlichen Beauftragten wird die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen zielstrebig umgesetzt werden können. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Zuordnung des Beauftragten in die Staatskanzlei, denn es geht hier um Querschnittsaufgaben.
Dabei ist klar: Mit der UN-Menschenrechtskonvention wurden keine neuen Rechte geschaffen, sondern die existierenden Menschenrechte wurden auf die Lebenssituationen der Menschen mit Beeinträchtigungen zugeschnitten. Also ist klar, dass es nur darum gehen kann, aus den Erfordernissen der Konvention Maßnahmen für die Sicherung der chancengleichen Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft festzuschreiben. Behindertenpolitik ist nichts anderes als Bürgerrechtspolitik. Sie ist gelebte Demokratie. Sie ist zugleich eine Herausforderung im Spannungsfeld zwischen Gesetzgebung, gesellschaftli
chem Bewusstsein und sozialer Verantwortung. Diese Herausforderung zu meistern übersteigt das übliche Maß eines Ehrenamtes – sowohl personell als auch finanziell und materiell.
Es geht um die Wechselwirkungen von Kind, Jugend, Familie und Behinderung, von Ausbildung, Beruf und Berufstätigkeit und Behinderung, von Alter und Behinderung. Natürlich gilt es, diese Herausforderungen auch in der Politik zu meistern. Diesen sollte sich die Koalition in besonderer Weise stellen.
Ich befürchte nur, meine Damen und Herren, dass sie sich diesen Ruck wohl nicht geben können wird. Die Übung kennen wir bereits. Für diesen Fall sage ich Ihnen, dass Ihnen das mehr als eine halbe Million Sächsinnen und Sachsen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigungen bei den bevorstehenden Wahlen nicht vergessen werden. Es wird nämlich Zeit, dass sich hier etwas ändert.
Im Übrigen möchte ich auf die Zielstellung und Begründung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes verweisen. Schon jetzt fordere ich Sie auf, dem Entwurf zuzustimmen. Ich freue mich auf die Diskussion des Entwurfs im Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend, wohin ich hiermit die Überweisung beantrage.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit und der Rechte des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend zu überweisen. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung beschlossen. Wir beenden den Tagesordnungspunkt 22 und kommen zu
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums für eine allgemeine Aussprache vor. Es spricht daher nur die Staatsregierung als Einreicherin. Herr Dr. Buttolo, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz über das Informationswesen im Freistaat Sachsen setzt die Richtlinie 2007/02/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft – kurz als INSPIRE-Richtlinie bezeichnet – um. Der Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur verfolgt in erster Linie das Ziel, die Entscheidungsfindung in der europäischen Umweltpolitik zu unterstützen und insbesondere für die Bürger transparenter zu machen. Darüber hinaus dient europäische Geodateninfrastruktur gleichermaßen auch anderen Gemeinschaftspolitiken und Politikbereichen auf den unterschiedlichen staatlichen und administrativen Ebenen.
Zweck einer Geodateninfrastruktur ist es, den Bürgern, der Verwaltung und der Wirtschaft einen einfachen Zugang zu den vielen unterschiedlichen räumlichen und
administrativ verteilten Geodaten zu ermöglichen. Unter Geodaten versteht man alle Sachinformationen, die einem bestimmten Ort auf der Erdoberfläche zugeordnet werden und sich entsprechend darstellen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Den Rest meiner Einbringungsrede werde ich zu Protokoll geben, weil es fachliche Details sind, die dann im Ausschuss sowieso noch zu diskutieren sind.
Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz über das Geoinformationswesen im Freistaat Sachsen an den Innenausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist die Überweisung beschlossen und wir beenden diesen Tagesordnungspunkt.
Dies sind jedoch nicht allein die Daten der Vermessungsverwaltung. Das Geodateninfrastrukturgesetz ist also kein weiteres Vermessungsgesetz. Zu den Geodaten gehören noch deutlich mehr, insbesondere Daten aus dem Umwelt- und Landschaftsschutz, der Verkehrsinfrastruktur, dem Tourismus sowie der Versorgungswirtschaft.
Daher ist ausdrücklich festzuhalten: Der Aufbau einer Geodateninfrastruktur ist eine umfassende Querschnittsaufgabe über alle Bereich der öffentlichen Verwaltung hinweg.
Der vorliegende Gesetzentwurf schafft vielmehr den rechtlichen Rahmen für den Zugang zu den Geodaten des Freistaates Sachsen, in dem es die entsprechenden europäischen Regeln der INSPIRE-Richtlinie verbindlich macht.
Hierbei ist zu beachten: Mit der INSPIRE-Richtlinie wird keine selbstständige europäische Geodateninfrastruktur aufgebaut. Diese soll sich vielmehr auf die von den Mitgliedstaaten geschaffenen Geodateninfrastrukturen stützen, die anhand gemeinsamer fachlich-inhaltlicher und technischer Festlegungen miteinander verknüpft werden. Dies bedeutet, dass die von der INSPIRE-Richtlinie ausgehenden technischen und technologischen Standards auch zu entsprechenden Grundlagen im Freistaat Sachsen werden müssen.
Auch wenn sich hierzulande in den vergangenen Jahren bereits unabhängig von Europa eine eigene Geodateninfrastruktur Sachsen entwickelt hat: Die Ziele im Freistaat Sachsen waren und sind grundsätzlich deckungsgleich mit den oben geschilderten europäischen Zielen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines verdeutlichen: Die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie stellt im Grund kein technisches Problem dar. Die technischen Anforderungen der INSPIRE-Richtlinie beruhen auf allgemeinen ITStandards, die auch schon die Grundlage für die Geodateninfrastruktur Sachsen bilden. Insbesondere deshalb geht die Staatsregierung davon aus, dass die Kosten der Umsetzung keine gravierenden Auswirkungen auf den Staatshaushalt und die kommunalen Haushalte haben werden.
Die Umsetzung von INSPIRE muss mit dem gleichen ITSystem erfolgen, die im E-Government oder im Rahmen der allgemeinen Verwaltungsmodernisierung entwickelt und eingesetzt werden. Die Begriffe moderne Verwaltung, E-Government und Geodateninfrastruktur sind also weder technisch noch wirtschaftlich voneinander zu trennen.
Meine Damen und Herren! Gleichwohl stehen wir vor einer großen organisatorischen Herausforderung. Zur Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie müssen eine Vielzahl staatlicher, kommunaler und privater Akteure technisch und technologisch gemeinsame Wege gehen und bedürfen der Steuerung und Koordinierung.
Der Gesetzentwurf legt dazu ein abstraktes Betriebsmodell zur Wahrnehmung dezentraler und zentraler Verant
wortlichkeiten in der Geodateninfrastruktur Sachsen fest. Im Wesentlichen ist es die rechtsverbindliche Bestimmung dieses Betriebsmodells, das die Staatsregierung in diesem Gesetzesverfahren zur Eile treibt. Im Gegensatz zu den technischen Festlegungen, werden in der INSPIRE-Richtlinie keine organisatorischen Regelungen getroffen. Die Organisation der Aufgaben bleibt jedem Mitgliedsstaat anheimgestellt. Dies sind gewissermaßen unsere sächsischen „Hausaufgaben“ in dem Gesamtprozess beim Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur.
Allerdings haben wir – um beim Bild der „Hausaufgaben“ zu bleiben – einen festen Abgabetermin: Artikel 24 der INSPIRE-Richtlinie schreibt vor, dass die europäische Richtlinie bis 15. Mai 2009 – also übermorgen – in nationales Recht umzusetzen ist. Dies wird der Freistaat Sachsen – wie übrigens auch eine große Anzahl weiterer Bundesländer – nicht einhalten. Gleichwohl ist es – unabhängig von einem drohenden Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommissionen – dringend notwendig, dass das Gesetz als verbindliche Grundlage der organisatorischen Umsetzung zeitnah, also noch in dieser Legislaturperiode, in Kraft tritt.
Denn unabhängig von unserem Gesetzgebungsverfahren existiert ein für alle Mitgliedsstaaten verbindlicher Umsetzungsplan, der für 2010 bereits die Bereitstellung erster Geodaten vorsieht. Die bis dahin zur Verfügung stehende Zeit ist in Anbetracht der anstehenden Aufgaben sehr kurz. Bis 2010 müssen die Verantwortlichkeiten im Freistaat Sachsen geklärt sowie die erforderlichen technischen und technologischen Strukturen aufgebaut sein.