Protocol of the Session on May 13, 2009

Hinter dieser kompliziert anmutenden Formulierung – wegen der gewollten Missverständnisse möchte ich das noch ausführen – steckt ein doppelter Schutz vor ungerechtfertigten Verdächtigungen: Erstens werden nur Daten weitergegeben, bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen. Zweitens erfolgt die endgültige Abschätzung über eine vorliegende Gefährdung durch die Experten des Jugendamtes. Entscheidend ist, dass durch die Nichtteilnahme an einer Früherkennungsuntersuchung nicht sofort auf eine Kindeswohlgefährdung zu schließen ist.

Wir wissen um die Bedenken des Datenschutzbeauftragten, aber wir haben uns im Diskussionsprozess aufeinander zubewegt. Uns hat auch motiviert, dass inzwischen diese Netzwerke vor Ort entstanden sind, zum Beispiel das Leipziger Netzwerk „Vertrauensvoll miteinander für die Kinder unserer Stadt“. Die Netzwerke sehen in dieser Gesetzesinitiative ein positives Signal und eine Hilfe für ihre Arbeit.

Zu diesen lokalen Netzwerken will ich einmal ganz konkret sprechen, weil ja immer wieder gesagt wird, wir würden kein Geld in die Hand nehmen. Diese lokalen Netzwerke werden durch den Freistaat mit 38 Personalstellen unterstützt. Das sind doch wohl keine Peanuts. Das stärkt auch die personelle Ausstattung der Jugendämter vor Ort.

(Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Das stimmt überhaupt nicht, Frau Herrmann! Ich komme noch darauf zurück.

Diese Netzwerke gilt es weiterzuentwickeln. Wir haben deswegen auch die entsprechenden Formulierungen im Gesetz für notwendig befunden und verankert. Immer wieder wird die personelle Ausstattung der Jugendämter beklagt. Grundsätzlich ist dafür der örtliche Träger der Jugendhilfe zuständig.

Mein Kollege Krauß hat schon gesagt, was wir noch verändert haben, jetzt von U4 bis U8, was uns in der Anhörung empfohlen wurde. Man kann sich sicher auch noch mehr vorstellen. Auch die Forderung, dass wir auf ein Bundesgesetz warten sollen, ist für mich nicht vertretbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages zustande kommt, halte ich für relativ gering. Wir wollen jetzt handeln.

Ich denke, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auf dem richtigen Weg sind. Eine Berichterstattung über die Umsetzung und Auswirkung des Gesetzes im Jahr 2011 wird uns notwendige Korrekturen aufzeigen, wenn sie nötig sind, was die inhaltlichen wie auch die finanziellen Rahmenbedingungen betrifft. Bis dahin – das ist richtig, und Sie können es nicht infrage stellen – ist auch die finanzielle Unterstützung des Freistaates abgesichert. Ich hoffe, dass auch der nächste Sächsische Landtag die Verlängerung dieses Gesetzes beschließen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön. Die NPD-Fraktion wird vertreten durch Herrn Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Krauß, würde ich im Stil Ihrer Rede vom 17. März 2006 antworten, als Sie damals unseren Antrag auf Schutz für Kinder vor Gewalt ablehnten, der damals das einforderte, was Sie heute nach drei Jahren als aus meiner Sicht schlechte Kopie hier aufmachen, dann müsste ich eigentlich mit den Worten beginnen: „Seit wann interessieren Sie sich für den Kinderschutz?“ Ja, Herr Krauß, das ist ein Zitat aus Ihrer Rede und somit ein Beleg Ihres Stils, den Sie hier im Hause pflegen.

Im Gegensatz zu Ihnen jedoch orientieren wir uns als NPD-Fraktion an der inhaltlichen Auseinandersetzung. Hier, meine Damen und Herren, sind die handwerklichen Fehler dieser Koalition anhand dieses Gesetzentwurfs allerdings nicht mehr zu vertuschen. Ganz im Gegenteil. Es wurde ein verfassungsrechtlich zweifelhafter Gesetzentwurf präsentiert, der das eigentliche Ansinnen, nämlich den Schutz der Kinder, in den Hintergrund drängt.

(Zuruf von der CDU: Wo sind denn Ihre Änderungsanträge?)

Entgegen jeglicher Vernunft beharren Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unter Ausnutzung Ihrer Mehrheit auf der heutigen Behandlung des Gesetzentwurfs, obwohl sich noch in diesem Monat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken beschäftigt. Eine Behandlung auf der noch stattfindenden Sitzung im Juni hätte, sieht man einmal von Ihrem Ansinnen aus wahlpolitischem Kalkül hinsichtlich Kommunal- und Europawahl ab, die gegebenenfalls notwendigen Änderungen berücksichtigen können.

Mit der Ignoranz und Arroganz der parlamentarischen Mehrheit jedoch gefährden Sie eine Umsetzung der Früherkennungsuntersuchung noch in diesem Jahr. Herr Krauß, da Sie im Sozialausschuss keine befriedigende Antwort auf meine Frage geben konnten, was einer Verschiebung der Behandlung dieses Gesetzentwurfs auf die nächste Sitzung entgegensteht, soll diese Frage hier in der Öffentlichkeit noch einmal wiederholt werden. Vielleicht kommen Sie ja noch einmal von Ihrem hohen Ross herunter, bevor Sie die Bürger als eigentlicher Souverän am 30. August dazu zwingen können. Dabei wäre es dringender denn je, dass in dieser zunehmend abgestumpften Gesellschaft der Verwahrlosung und Misshandlung Schutzbefohlener schnellstens begegnet und beispielsweise durch die Früherkennungsuntersuchungen möglichst verhindert werden können. Hierzu reichen, wie die unzähligen Vorfälle der letzten Jahre zeigen, eben nicht die vorhandenen Gesetze aus, weshalb wir vor drei Jahren auf eine entsprechende Initiative drängten. Hätten

Sie auch nur ansatzweise zeitnah reagiert, dann wären Vorfälle wie in Zittau im März dieses Jahres nicht erst entstanden.

Der Gesetzentwurf weist jedoch, wie das Gutachten des Juristischen Dienstes offenbarte, weitreichende verfassungsrechtliche Bedenken auf. Das Gutachten untermauerte dabei aber nur das, was in umfangreichen Stellungnahmen zuvor mehrfach angeklungen und teils auch dargestellt wurde. Daran ändert auch der eingereichte Änderungsantrag nichts. Im Übrigen waren das die Argumente, weshalb 2006 unser Antrag von Ihrer Fraktion zurückgewiesen wurde.

Dass die sächsische CDU dabei auf die Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Sozialministeriums keinen Wert legt, wird dieses Bundesland doch vom gescheiterten ExSPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck geführt, könnte man zumindest aus parteipolitischer Sicht noch nachvollziehen. Dass bei dieser von Wahltaktik geprägten Gesetzesnovelle am Ende die Kinder unter die Räder kommen, scheint Sie aber nicht weiter zu interessieren. Ich halte diesen Gesetzentwurf im Zweifelsfall nicht für langlebig, denn irgendwann wird es zur Verfassungsklage kommen, und dann haben wir das Dilemma, was wir Ihnen auch schon im Sozialausschuss gesagt haben.

Sicher ist es zum Glück nur ein kleiner Prozentsatz aller Kinder, die bei einer Pflichtvorsorgeuntersuchung vor einer weiteren Verschärfung ihrer Lage bewahrt werden müssten oder würden, weil die meisten Eltern ihre Kinder ordentlich versorgen. Doch gerade auf diese wenigen zielte ja auch unsere Initiative im Jahr 2006 ab. Das sollte man auch verfassungsrechtlich einwandfrei lösen.

Sicherlich kann man darüber streiten, ab wann, bis wann und wie oft Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll sind. Als NPD erachteten wir vor dem Hintergrund der auch möglichen Hausgeburten schon ab der U1 dies als Pflichtvorsorgeuntersuchung für sinnvoll. Unserer Ansicht nach wäre es auch konsequent gewesen, dies bis zur U10, wie von uns damals eingebracht, beizubehalten, denn es handelt sich vordergründig um eine Früherkennungsuntersuchung. Bei dieser geht es nicht nur um den Schutz von Kindern vor Gewalt und Verwahrlosung, und das nicht vordergründig, denn die Vorsorge dient in erster Linie dem rechtzeitigen Erkennen von Krankheiten und Entwicklungsstörungen. Die U10 ist somit die letztmalige Möglichkeit, gegebenenfalls vorhandene Defizite ärztlich zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen vor Eintritt in die Pubertät noch abzustellen.

Problematisch allerdings erscheint mir bei der von uns damals wie heute gewünschten vollständigen Zur-PflichtErhebung und Frequenzerhöhung der Vorsorgeuntersuchungen der zunehmende Mangel an geeigneten Ärzten auch im ländlichen Raum. Aber das wird durch Ihr Gesetz auch nicht gelöst.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist aus Sicht der NPD auch inkonsequent, was sich durch die Änderungsanträge der Koalition auch nicht gebessert hat, da im Wesentlichen noch immer die freiwillige Gesundheitsvorsorge,

nicht aber die Gesundheitsfürsorge, also die Zur-PflichtErhebung, übrig blieb. Unser Vorstoß, diesem Wesenskonflikt auf Bundesebene zu begegnen, den Sie bekanntermaßen heute wie damals ablehnten, führt nun auch bei Ihrem Gesetz zu den verfassungsrechtlichen Bedenken.

Als Abgeordneter, Arzt und Vater appelliere ich daher noch einmal an die Koalition, diesen Gesetzentwurf heute nicht zur Abstimmung zu bringen und stattdessen einerseits das Urteil des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofes im Laufe dieses Monats abzuwarten, andererseits unverzüglich auf Bundesebene auf eine Änderung des Grundgesetzes hinzuwirken und diese Dinge dann ausgiebig im Ausschuss zu beraten, und nicht, wie gehabt, mit der Kraft der Mehrheit, die man hat, einfach durchzupeitschen.

Sollten Sie dennoch weiterhin auf diesem verfassungsrechtlich fragwürdigen Gesetzentwurf beharren und diesen heute zur Abstimmung bringen, werden wir uns aufgrund des richtigen Anliegens, aber der gravierenden handwerklichen Fehler der Stimme enthalten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDPFraktion spricht jetzt Frau Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eines hat sich mit den Ausführungen von Herrn Krauß und auch Frau Schwarz gezeigt: Das Gesetz als solches ist in der Überschrift nämlich irreführend. Sie meinen es anders, als Sie das Gesetz benennen, nämlich „zur Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen“, und meinen doch eigentlich nichts anderes als eine weitere Überwachung.

Die Punkte, die hier genannt wurden – auf die Anhörung ist ja schon von den Vorrednern eingegangen worden –, waren wirklich sehr umfassend. Bisher sind einzelne Experten zitiert worden. Ich möchte auf zwei wichtige Aspekte eingehen. Es war unter anderem die Aussage, dass fast alle Fälle, schlimme Fälle, die in den letzten Monaten durch die Presse gegangen sind, wenn es um die Frage von Kindsvernachlässigung ging, dem Jugendamt bekannt waren. Es waren alles Fälle, in denen bereits Hilfen in den Familien waren, die aber vor Kurzem abgebrochen wurden oder von den einzelnen Mitarbeitern der Jugendämter nicht mehr näher verfolgt werden konnten.

Das ist auch der entscheidende Punkt: Die Jugendämter warten nicht auf die Probleme; sie stapeln sich dort nämlich. Es ist keine Seltenheit, dass ein Mitarbeiter auf 70 Fälle kommt oder dass dieser Wert sogar überschritten wird. Nun können Sie sich vorstellen, wie es abläuft, wenn sich ein Mitarbeiter um 70 Familien – das können mehr als 70 Kinder sein – kümmern muss. Es gibt auch Wartelisten bei den Mitarbeitern, die entscheiden müssen, welche Familie sie als erste aufsuchen oder welche sie

noch verschieben und ob sie beruhigt ins Wochenende gehen können.

Es ist nicht so, dass wir nicht die Erkenntnisse hätten, sondern es mangelt bei der Umsetzung. Diese Probleme sind vor Ort bekannt, aber es fehlen die Ressourcen. Statt diese Jugendämter besser auszustatten, hat man mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vor, fast 2,2 Millionen Euro in die Bürokratie zur Umsetzung dieses Gesetzentwurfes zu investieren – ich habe extra die Kosten für die Netzwerke herausgelassen, denn wir halten es für eine sehr gute Sache, dass das unterstützt wird; deshalb habe ich die finanzielle Unterscheidung gemacht –, ohne auch nur einem Kind persönlich vor Ort geholfen zu haben.

Den Kindern, von denen wir hier sprechen, kann nur durch eine professionelle Unterstützung der betroffenen Familien geholfen werden. Doch aus Mangel an Finanzmitteln ist das nicht möglich – viele Mitarbeiter sind schlicht überlastet. Das ist das Hauptproblem, wenn wir über Kinderschutz als solchen reden. Unserer Meinung nach ist es sinnvoller, direkt in die Hilfen an die Familien statt in die Bürokratie dieses Gesetzes zu investieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon jetzt haben sowohl Gesundheitsämter als auch Jugendämter darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Gesetzentwurf das Problem der Überlastung dieser Institutionen weiter verschärfen wird. Wer zur Anhörung anwesend war oder im Protokoll nachgelesen hat – die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes hat dort sehr deutlich gemacht: Wir haben schon jetzt Probleme, den gesetzlich definierten Auftrag von Kita- und Schuluntersuchungen durchzuführen. Einen neuen Auftrag werden wir mit dieser personellen Ausstattung nicht schaffen können.

(Beifall bei der FDP)

Dieses neue Gesetz wird mit großer Sicherheit inhaltlich nicht umzusetzen sein – jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Wer das leugnet, schafft ein Gesetz ohne Wert oder – um es mit den Worten der Koalition zu sagen – ein Schaufenstergesetz.

Frau Schwarz hat noch einmal darauf verwiesen, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken mit der Übermittlung der Daten geringer werden und dass alles berücksichtigt würde. Jetzt frage ich Sie einmal, wie das umgesetzt werden soll; wie diesen überlasteten Gesundheitsämtern, die vom Kinderarzt oder von der Meldestelle die Mitteilung bekommen, dass ein Kind nicht zur Untersuchung war, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohles des Kindes bekannt werden sollen. Sie müssen sich vorstellen: Die Gesundheitsämter bekommen eine Mitteilung, dass ein Kind nicht zur Untersuchung war. Sie schreiben daraufhin diese Familie an und wenn sich diese nicht vorstellt – wird dann im Gesundheitsamt gewürfelt, welche Familie ans Jugendamt weitergemeldet wird und welche nicht? Wie soll dieses rein bürokratische Monstrum umgesetzt werden mit einem Finanzmittelanteil von 2,2 Millionen Euro, ohne dass auch nur einem einzigen Kind unmittelbar geholfen wurde.

Noch etwas ärgert mich als Mutter, die sich gerade in diesem Untersuchungszyklus befindet, und als liberale Politikerin: Statt in Hilfe wird in Überwachung investiert. Dieser Gesetzentwurf installiert eine über 2 Millionen Euro teure und nach meiner Überzeugung wenig hilfreiche Überwachungsbürokratie für junge Familien. Meiner Ansicht nach können wir uns die Unprofessionalität in diesem Gesetzentwurf, der im Ansatz gut gedacht, aber wieder einmal so schlecht gemacht ist, dass wir damit sicherlich wieder vor Gericht landen werden, das einzelne Teile davon kippen wird, einfach nicht mehr gönnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Herrmann, Sie sprechen zum Abschluss für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben im Ausschuss einen Gesetzentwurf beschlossen, der zahlreiche grundrechtsintensive Maßnahmen vorsieht, die gegen Kindesvernachlässigung und -missbrauch wirken sollen und nicht, wie die Überschrift suggeriert, lediglich die Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen sicherstellen sollen.

Der Juristische Dienst des Landtages hat in einem von uns im Februar beauftragten Gutachten festgestellt, dass Ihr Entwurf gegen Artikel 6 Grundgesetz und Artikel 22 Sächsische Verfassung verstößt. Sie waren nicht bereit, die Beratungen zum Gesetzentwurf zurückzustellen, um gemeinsam einen Weg zu finden, wie sich Elternrecht und Kinderrecht vereinbaren lassen, ohne gegen die höchsten Rechtsdokumente unseres Landes zu verstoßen.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Im Gegenteil, das Verfahren im Landtag war gar nicht geeignet, diese Bedenken im entsprechenden Ausschuss, dem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, noch zu diskutieren. Diese Bedenken sind erst mit dem Gutachten offensichtlich geworden und danach gab es keine Gelegenheit, das Gesetz in diesem Ausschuss zu beraten. Das haben Sie verhindert, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition.

Natürlich ist klar: Das Wohlergehen unserer Kinder ist ein hohes Gut und die immer neuen Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Kindstötungen fordern uns auf zu handeln. Darin sind wir uns alle einig. Nur, die Antwort, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, darauf geben, ist schlicht falsch, und auch darüber sind sich fast alle Fachleute einig.

Sie stellen mit dem Gesetz alle Eltern unter Generalverdacht, und zwar deshalb, weil Sie nicht nur reagieren, wenn der Arzt Anzeichen von Vernachlässigung usw. feststellt, sondern weil Sie auch dann das Jugendamt als Letztes in der Kette tätig werden lassen, wenn Eltern –

aus welchen Gründen auch immer – ihr Kind nicht zu den U-Untersuchungen schicken. Das ist für Sie ausreichend Beleg dafür, dass Eltern ihre Kinder vernachlässigen und dass damit dieser Eingriff in das Grundrecht gerechtfertigt wäre.

Aber: Weil Sie das genauso machen und weil es überhaupt keinen Beleg für einen Zusammenhang zwischen Teilnahme an U-Untersuchungen und Kindesvernachlässigung gibt, wuseln Sie hier aktionistisch herum und nehmen ganz nebenbei eine empfindliche Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses in Kauf. Damit genau halten Sie Eltern davon ab, sich in Fällen von Überforderung dem Arzt anzuvertrauen.