Protocol of the Session on May 13, 2009

Die NPDFraktion, bitte. Es gibt immer einen Koalitionsredner, und damit fällt ein Redner weg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit einem Koalitionsredner, das sind wir ja eigentlich sonst nur von uns gewöhnt. Aber man gewöhnt sich ja daran, dass sich das auch bei anderen so ergeben kann.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist von seinem Anliegen her eigentlich längst überfällig. Die teilweise überdimensionierten und oft unkoordinierten Infrastrukturmaßnahmen der letzten 20 Jahre haben die Grundstückseigentümer in Sachsen oft in finanzielle Zwangslagen manöv

riert, die unbedingt korrigiert werden müssen, und zwar möglichst landeseinheitlich.

Ohne Zweifel war es nach der Wende dringend erforderlich, im Bereich der Abwasserentsorgung und der Verbesserung der Straßen umfangreich zu investieren. Diese Investitionen waren aber, wie bereits erwähnt, in vielen Fällen leider zu wenig koordiniert. Es wurden teilweise Anlagen errichtet, die an Größe weit über den jetzigen Bedarf der Entsorgungsgebiete hinausgehen. Diese Fehlentwicklung wurde zwar zeitig erkannt, aber anstatt gegenzusteuern, wurde der Ausbau geplanter zentraler Entsorgungsanlagen vielerorts unter Einsatz weiterer erheblicher Mittel vorangetrieben. So wurden in der Vergangenheit preiswerte Einzellösungen wie etwa Kleinkläranlagen in Sachsen systematisch verhindert, obwohl es schon seit einigen Jahren genügend Erfahrungen mit positiven Beispielen aus anderen Bundesländern gab.

Wir haben durchaus zustimmend zur Kenntnis genommen, dass hier inzwischen ein Umsteuern der Politik in Richtung dezentraler Abwasserentsorgung stattgefunden hat. Dieses Umsteuern löst allerdings nicht die bereits bestehenden Probleme für die Bürger, die zwangsweise an die Netze überdimensionierter Anlagen angebunden worden sind oder es noch werden. Diese Kosten sind für die einzelnen Bürger erheblich und treffen die sächsischen Bürger im Gegensatz zu denen in den alten Bundesländern „geballt“, nämlich in einem kurzen Zeitraum und bei verhältnismäßig schlechteren Einkommenslagen.

Gerade in Sachsen und hier insbesondere im ländlichen Raum trifft man oft auf nicht unerhebliche Grundstücksgrößen. Dadurch und durch eine oftmals lückenhafte Bebauung kommen in zahlreichen Fällen sehr hohe Summen sowohl für Straßenausbaumaßnahmen als auch für die Entsorgung der Abwässer auf den einzelnen Bürger zu, weil diese Kosten dann anteilig umgelegt werden. Genau an dieser Stelle setzt der vorliegende Gesetzentwurf an. Lassen Sie mich auf einzelne Aspekte eingehen.

Erstens. Besonders der neu in das Kommunalabgabengesetz eingefügte Passus zur Abgabe überzähliger Kapazitäten findet die Zustimmung der NPD-Fraktion. Auch wir halten es für zwingend notwendig, die Bürger vor überhöhten Kosten durch von Anfang an überdimensionierte Anlagen und damit vor Überkapazitäten zu schützen. Aus Sicht der NPD ist es unhaltbar, die Bürger für Planungsfehler aus der Vergangenheit finanziell bluten zu lassen. Die aufgeführte Regelung für die vorgeschlagene Entlastung der Bürger, fehlende Finanzmittel aus Umlagen der Gemeinden zu finanzieren, findet dabei unsere uneingeschränkte Zustimmung.

Zweitens. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Korrektur der vielfach überzeichneten kalkulatorischen Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Begrenzung der Verzinsung auf das tatsächliche Niveau von Kommunalkrediten kann helfen, die Lasten der Bürger zu minimie

ren, und sie verhindert die Anhäufung von Kapital auf Kosten der Abgabenpflichtigen.

Drittens. Die NPD begrüßt es weiterhin ausdrücklich, dass im vorliegenden Gesetzentwurf die Wasserversorgung und die Verkehrsanlagen per Gesetz beitragsfrei sein sollen. Insbesondere der für die Anwohner kostenpflichtige Ausbau von Straßen stößt häufig auf geringe Akzeptanz, da direkte Vorteile für die Betroffenen nicht unmittelbar zu erkennen sind. Eine allgemeine Befreiung der Verkehrsanlagen von der Beitragspflicht trägt der Tatsache Rechnung, dass ohnehin nur ein Teil der Gemeinden derartige Beiträge erhebt.

Viertens. Die im Gesetzentwurf eingefügte Beitragsobergrenze, die die Bürger vor ungerechtfertigt hoher Beitragsbelastung schützt, findet ebenfalls unsere Zustimmung. Das gleichfalls im Gesetz vorgesehene Entfallen der Beitragsschuld für übergroße Grundstücke halten wir allerdings angesichts der ohnehin eingeführten Beitragsobergrenze damit für nicht erforderlich. Zudem wäre die Erfassung der Grundstücksgrößen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand durchzuführen. Dies ist unpraktikabel, und der Aufwand würde zum Ergebnis in keinem angemessenen Verhältnis stehen.

Fünftens. Viel begrüßenswerter ist hingegen die stärkere Differenzierung des Gesetzentwurfes in Bezug auf die Nutzung von Grundstücken. Anstatt der bisher zugrunde gelegten theoretischen Nutzbarkeit wird jetzt die tatsächliche Benutzung bzw. Bebauung des Grundstücks zur Ermittlung der Abgabenhöhe herangezogen.

Angesichts der immer weiter voranschreitenden sozialen Erosion in Sachsen begrüßt die NPD sechstens außerdem den neu eingeführten § 3a des Gesetzentwurfes, in dem eine allgemeine Härtefallregelung vorgesehen ist. Diese beinhaltet eine zinslose Stundung der Beiträge, solange beispielsweise der Bezug von ALG-II-Mitteln anhält. Die vorgeschlagenen Regelungen halten wir für praktikabel, da sich die Voraussetzungen für eine Stundung an den Regelungen des SGB orientieren, was zum einen die Bedürftigkeit der Betroffenen unterstreicht, zum anderen bei Gemeinden oder Zweckverbänden keinen größeren Prüfungsaufwand verursacht.

In der Gesamtschau werden wir somit diesem Gesetzentwurf als NPD-Fraktion zustimmen, auch wenn uns diese vor Monaten für unseren eigenen Gesetzentwurf, der in die gleiche Richtung ging, versagt blieb.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf erhält in einem Punkt unsere Zustimmung: Die Gebührenbeitragssatzungen sollen auf zehn Jahre befristet und zukünftig wie Haushaltssatzungen vor der Beschlussfassung öffentlich ausgelegt werden. Die Bürger können

dann Einwände erheben, über die die Gemeindeparlamente entscheiden. Mit einer solch frühzeitigen Bürgerbeteiligung wird insbesondere die Transparenz der Gebührenerhebung sicherlich erhöht. Das ist aber auch – ich habe es im Innenausschuss bereits gesagt – der einzige Punkt, der es überhaupt überlegenswert machen könnte, sich mit diesem Gesetzentwurf näher zu befassen. Ansonsten enthält dieser Gesetzentwurf jede Menge verantwortungsloses Wunschdenken, das einer vernünftigen Politik nicht gerecht wird.

(Beifall bei der FDP)

Ein Punkt, den wir ablehnen, ist die Bildung eines Beirates für Kommunalabgaben. Da sollen in der Regel sachverständige Bürger hinein. Das heißt aber auch, es können jede Menge unsachverständige Bürger hinein. Dann stellen wir uns die Frage, was dieser Beirat soll. Das Gesetz schweigt sich darüber aus. Dieser Beirat wird eingerichtet, damit man einen Beirat hat. Kurzum: noch ein Gremium, noch ein Arbeitskreis. Ergebnisse sind dort außer Verwirrung und weiterer Verunklarung nicht zu erwarten.

Ein weiterer Punkt, den wir ablehnen, ist der Ausschluss der Erhebung von Straßenausbau- und Wasserversorgungsbeiträgen. Wir sehen darin einen unzulässigen Eingriff in die kommunale Haushaltshoheit. Wir sind der Auffassung, dass die Gemeinden selbst darüber entscheiden müssen, ob sie überhaupt Straßenausbaubeiträge geltend machen und, wenn ja, in welchem Umfang, nach welchen Maßgaben und Maßstäben. Das richtet sich auch nach der Finanzkraft der Gemeinden, die zeitlich und räumlich sehr unterschiedlich sein kann.

Seit dem Urteil des OVG Bautzen vom 31.01.2007 haben 63 Gemeinden im Freistaat reagiert und die vorher oft zwangsweise durch die Rechtsaufsichtsbehörden angeordneten Straßenausbaubeitragssatzungen abgeschafft.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Gut!)

Dabei soll es auch bleiben. Ihr Gesetzentwurf ist eher kontraproduktiv, indem Sie den Gemeinden schlicht verbieten, solche Beitragssatzungen zu halten. Ihr Gesetzentwurf hat zur Folge, dass es zu einer Komplettfinanzierung sämtlicher Ausbaumaßnahmen an Gemeindestraßen durch die Gemeinden kommt. Wenn das Geld – wie in vielen Kommunen – nicht vorhanden ist, dann bleibt es eben bei dem Straßenzustand, der in vielen Teilen wirklich beklagenswert ist. Die Folgen von 40 Jahren Straßenbau à la DDR kennen wir in vielen Gemeinden, und die Mehrheit der Bürger im Land ist froh, dass wir das überwunden haben.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Die Übertragung der den Kommunen obliegenden Entscheidungsbefugnisse über die Entgelte auf die Gemeindeparlamente lehnen wir ab. Hier regiert die nackte Wunschvorstellung. Politisch verordnete Wasser- oder Energiepreise – das erinnert mich an die Mietpreisbin

dung in der DDR. Wohin das geführt hat, das war lange Zeit und ist an einigen Stellen heute immer noch zu besichtigen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das ist jetzt aber billig!)

Nein, das ist nicht billig, sondern das ist Tatsache. Darum drücken Sie sich herum, indem Sie sich immer nur in Ihre Utopien flüchten und sich nicht der Wirklichkeit stellen.

(Beifall bei der FDP)

Wie ist es übrigens mit den Unternehmerrechten der an solchen Unternehmen beteiligten Gesellschafter? Die haben dann nichts mehr zu sagen, indem sie politisch verordnete Preise vorfinden. Deren Eigentümerrechte als Unternehmer und Unternehmensbeteiligte werden in diesem Punkt schlicht beseitigt. Wir – das werden Sie uns nachsehen – werden hier nicht mitmachen. Die Gebührenkalkulation zum Beispiel soll in Zukunft nur noch mit den Anschaffungskosten auskommen. Auch hier sollen die Gebühren nach dem berechnet werden, was 1991/92 in D-Mark-Preisen für eine Anlage bezahlt worden ist.

Auch das ist unverantwortlich. Sie müssten weiterhin die Wiederbeschaffungskosten ansetzen, denn nur so können sie mit der Realpreisentwicklung mithalten und technisch neue Verfahren berücksichtigen. Sie bleiben auf dem technischen Stand der Achtziger- oder Neunzigerjahre, ohne Erneuerungen in die Kalkulation einbeziehen zu können. Verschärfte Anforderungen an die Sicherheit von Anlagen, an den Umweltschutz können in Ihrer Kalkulation nicht stattfinden; sie werden schlicht ausgeblendet. Das Ergebnis sind dann im Zweifelsfall Abwasserbehandlungsanlagen auf dem Stand von vor 30 Jahren. Das kann niemand wollen, der verantwortlich Politik macht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Noch eines: Diese dirigistischen Vorgaben zur Bemessung von Abgaben dürften letztlich unzulässig sein. Sie stellen einen Verstoß gegen die in Artikel 28 Grundgesetz und die damit dem sächsischen Landesgesetzgeber entzogene Garantie der kommunalen Selbstverwaltung dar, auch im Rahmen der Daseinsvorsorge mit der eigenen Satzungshoheit die Höhe kommunaler Abgaben und Gebühren zu bestimmen. Das ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung, und Ihre Vorgaben werden dem nicht gerecht.

Lassen Sie mich noch anfügen: Herr Dr. Hahn, Sie haben den Anspruch und wollen ab Herbst dieses Jahres hier Ministerpräsident sein. Ich bin gespannt, wie Sie sich da herauswinden wollen, wenn es soweit kommt; was Sie mit diesem Gesetzentwurf dann wirklich machen. Ich glaube, er ist wirklich nur für das Schaufenster geschrieben; im tiefsten Inneren wissen Sie ganz genau und wollen wahrscheinlich gar nicht, dass er jemals umgesetzt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte. – Das Wort wird nicht gewünscht. Wird ansonsten von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann, bitte, Herr Minister Buttolo.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sagen Sie wenigstens, dass der Gesetzentwurf gut ist!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Herr Hahn, diesen Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist geprägt von der grundsätzlichen Ablehnung, ja, von einem tief sitzenden Misstrauen gegen das Kommunalabgabenrecht und insbesondere gegen die kommunale Beitragserhebung. Er zielt aus meiner Sicht auf Stimmungsmache in der Bevölkerung und ist in der Sache verfehlt, ja, kontraproduktiv.

Die vorgesehene Abschaffung von Straßenbau- und Wasserversorgungsbeiträgen schlüge den Gemeinden und Zweckverbänden vielmehr wichtige, ja, unverzichtbare Mittel zur Finanzierung ihrer Aufgaben aus der Hand. Dies gilt vor allem auch für die Straßenbaubeiträge.

Die Verfasser des Gesetzentwurfes berufen sich zur Rechtfertigung ihres Vorschlages gern darauf, dass es ja ein Land gebe, das bereits ganz auf Straßenbaubeiträge verzichtet nämlich Baden-Württemberg. Frau Abg. Roth hat dies in ihrem Beitrag erwähnt.

Damit ist aber auch gesagt, dass alle anderen Länder Straßenbaubeiträge kennen und dass sie dort auch erhoben werden. Generell sind Gemeinden in den anderen Ländern zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen verpflichtet. Zudem räumt DIE LINKE ein, dass diese und andere vorgesehene Änderungen des Kommunalabgabenrechts zu Einnahmeneinbußen der Kommunen führen; sie sagt aber nicht, wo das Geld für die dann erforderlichen höheren staatlichen Zuweisungen, das ja nicht nur in den nächsten Haushaltsjahren, sondern auf Dauer benötigt wird, herkommen soll.

Dem Beispiel Thüringen, wo der Freistaat langfristig im großen Umfang Ersatz ausfallender Abwasserbeiträge zu leisten hat, wollen wir beim besten Willen nicht folgen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das macht Herr Althaus!)

Im Anschlussbeitragsrecht, das nach dem Willen der einbringenden Fraktion nur noch für die Abwasserentsorgung gelten soll, will man zwar die Refinanzierung der Beitragseinnahmen über Gebühren verbieten, den Gemeinden aber nicht die Möglichkeit einräumen, stattdessen Ersatzbeschaffungen über Beiträge zu finanzieren.

Um wieder Baden-Württemberg als Beispiel zu nehmen: Dort darf zwar der beitragsfinanzierte Teil des Anlagenvermögens nicht aus Gebühreneinnahmen der Benutzer refinanziert werden – die Gebühren können also entspre

chend niedrig ausfallen –; anders als in Sachsen darf dort aber die Ersatzinvestition ebenso wie die Erstinvestition über Beiträge finanziert werden. So ist der gesamte Gesetzentwurf zusammengestellt. Das einzige Kriterium scheint gewesen zu sein, eine Scheinentlastung zu inszenieren – wobei die innere Folgerichtigkeit der Regelungen und damit deren Sachgerechtigkeit völlig aus dem Blick geraten sind.

Dies gilt auch für den Vorschlag, den erst im Jahr 2004 eingeführten § 2 Abs. 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes wieder zu streichen. Mit dieser vernünftigen pragmatischen Vorschrift wurde nur eine schon vorher geänderte Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen. Der in der kommunalen Satzung festgesetzte Gebühren- und Beitragssatz ist danach nur dann rechtswidrig, wenn eventuelle Kalkulationsfehler auch zu einem rechtswidrigen Ergebnis geführt haben.