Protocol of the Session on March 19, 2009

wo der wirtschaftliche Kern unseres Landes liegt und wo die Wurzeln des Erfolges der letzten Jahre liegen. Ich frage Sie, ob es tatsächlich die Großkonzerne sind und wirklich die Großkonzerne, die sich in den letzten Jahren vor allem darin einen Namen gemacht haben, dass sie undurchsichtige Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen oder ihren Firmennamen binnen kürzester Zeit mehrfach geändert haben. Sind es tatsächlich die Großbetriebe, die vor allem deshalb zu uns gekommen sind, weil sie hier gigantische Subventionen und besondere Sonderrechte abgreifen konnten?

Oder, meine Damen und Herren, wird unser Land und wird das, was Sachsen auszeichnet, nicht in besonderer Weise eher vom Mittelstand geprägt? Ich bin mir sicher, dass der einzigartige Aufschwung, den Sachsen seit der Wende erlebt hat, ganz wesentlich von kleinen und mittleren Unternehmen bewältigt worden ist und dass es

diese Unternehmen sind, die unseren wirtschaftlichen Aufschwung tragen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Im Jahr 2007 arbeiteten 86 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im sächsischen Mittelstand. Bezogen auf den Jahresumsatz gehören 99,9 % aller sächsischen Unternehmen zu mittelständischen oder zu Kleinunternehmen. Es sind vor allem diese Unternehmen, die dafür sorgen, dass wir in Sachsen genügend Ausbildungsplätze haben, die sich vor Ort gesellschaftlich engagieren und Sportvereine, Schulen sowie Kultureinrichtungen unterstützen und die vor allem – das ist mir ganz wichtig – erstens Steuern zahlen und zweitens diese Steuern hier in Sachsen zahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es sind diese kleinen und mittleren Unternehmen, die persönlich mit ihrem Gesicht, mit ihrem Namen für das haften, was sie tun, die nicht bei jeder Krise davonlaufen, weil sie es gar nicht können, und die nicht permanent auf der Suche sind, ob man nicht vielleicht in Asien noch ein paar Cent besser und vor allem billiger produzieren kann oder ob es vielleicht irgendwo in Asien noch mehr Staatssubventionen abzufassen gilt.

Der Mittelstandsbericht 2008 zeigt es sehr deutlich: Sachsen ist im Bundesvergleich durchschnittlich viel mehr mittelständisch geprägt als andere Bundesländer. Der Mittelstand ist die Säule unserer Wirtschaft. Der Mittelstand in Sachsen ist systemrelevant. Das sollten wir in dieser Debatte auf keinen Fall vergessen.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich, das ist auch mir klar, lieber Kollege Scheel, kommt es auch in Sachsen auf die Mischung an. Wir brauchen in Sachsen große und kleine Unternehmen, sollten aber auch bereit sein, Unterschiede zu machen. Es gibt eine Menge Konzerne, die auch in Sachsen aktiv sind, wenn ich zum Beispiel an Volkswagen Sachsen denke, an Porsche oder auch an AMD, die Großartiges für den Freistaat Sachsen leisten und auch in der Krise zu ihrer Verantwortung stehen. Aber es gibt eben auch Subventionsnomaden, die überall auf der Welt nur nach kurzfristig erzielbaren Rekordrenditen schielen, morgen weiterziehen und denen der Standort und denen die Mitarbeiter an diesem Standort völlig egal sind, meine Damen und Herren.

Herr Müntefering nannte diese Subventionsnomaden einmal Heuschrecken. Eines sollte uns allen klar sein: Mit solchen Heuschrecken kann der Staat mit dem Geld der Steuerzahler nicht zusammenarbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Es mag sein, dass der Staat in Ausnahmen helfen kann, wenn ein insgesamt solides Unternehmen mit einem klaren Zukunftskonzept und mit einem langfristigen Bekenntnis zum Standort und zu den Mitarbeitern durch eine Krise in Schwierigkeiten gekommen ist. Leider

haben wir es aber eben bei Qimonda nicht mit solch einer Situation zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Die Probleme bei Qimonda haben mit der Finanzkrise, wie wir alle wissen, nur ganz, ganz wenig und auch mit der Wirtschaftskrise nur ganz bedingt etwas zu tun. Sie haben ihre Ursache in der Branche – Martin Dulig hat es vorhin ausgeführt –, ganz gewiss auch in schweren Managementfehlern und auch in der Tatsache, dass in guten Zeiten keine Vorsorge für kommende schlechte Zeiten getroffen wurde.

Was mich auch sehr stört, ist das nach wie vor fehlende Bekenntnis der Mutter in München zu ihrer Tochter hier in Dresden.

Wir reden heute über die Folgen eines wichtigen Unternehmens und einer Insolvenz. Nur stimmen dabei offenbar die Unternehmensgröße, die Zahl und die Lautstärke der Stimmen. Wenn – darauf möchte ich hinweisen – kleine und mittelständische Unternehmen pleite gehen, geschieht das meistens ganz im Stillen. Ohne viel Aufsehen wird bei denen – so hat es gerade die IHK in Dresden formuliert – einfach die Tür zugemacht. Lassen Sie es mich vielleicht so sagen: Wenn es um 3 000 Arbeitsplätze geht, die gefährdet sind, kommt vielleicht noch der Wirtschaftsminister. Geht es um 300, kommt vielleicht der Bürgermeister und der Landrat. Geht es um 30, kommt am Ende nur noch der Gerichtsvollzieher vorbei. Das ist nicht die Auffassung von Politik, die wir sehen. Es kann nicht sein, dass man in Deutschland nur groß genug sein muss, damit die Politik vorbeikommt und mit Geldscheinen wedelt. Wir haben diesbezüglich eine andere Auffassung von vernünftiger Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich eines ganz klar feststellen: Eine Staatsbeteiligung ist für die FDP keine Lösung – weder eine Mehrheitsbeteiligung noch eine Minderheitsbeteiligung und auch nicht vorübergehend. Es gibt nach den uns vorliegenden Informationen im Moment kein Indiz dafür, dass solch eine Staatsbeteiligung kein Fass ohne Boden ist.

Es gibt auch kein Indiz dafür, dass sich Qimonda durch eine Staatsbeteiligung kurzfristig erholt, um dann langfristig erfolgreich wirtschaften zu können. Das Angebot der Chinesen ist – bei allem Respekt –, so wie ich es lese, ein ganz starker Grund, jetzt noch viel skeptischer als zuvor zu sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Dass die neue Technologie tatsächlich ein Erfolgsmodell ist und dass sich die neuen Chips am Markt für einen ordentlichen Zeitraum zu guten Preisen verkaufen lassen, weiß niemand, und es ist sicher auch ein Stück Hoffnung, die mitschwingt. Wenn der Insolvenzverwalter von Qimonda trotz intensivster Bemühungen auch in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium – die Bemü

hungen unseres Wirtschaftsministers können sich wirklich sehen lassen – und der Bürgschaftszusagen des Freistaates Sachsen im Rücken keinen geeigneten privaten Investor finden konnte, so könnte dies auch als Warnung vor und nicht als Aufforderung für ein direktes staatliches Engagement verstanden werden.

(Beifall bei der FDP)

Für private Investoren ist das Geschäftsmodell von Qimonda offensichtlich zu riskant. Wenn es aber kein starkes und deutliches Beteiligungssignal aus der Privatwirtschaft gibt, dann sollte auch der Staat die Finger davon lassen, meine Damen und Herren.

Der Freistaat hat keinen Businessplan für Qimonda und er hat gleich gar keinen Businessplan für das, was auf den internationalen Chipmärkten passiert. Er hat „nur“ die Steuermillionen der Bürger, und wir sind dazu verpflichtet, diese sparsam, sinnvoll und nachhaltig zu verwenden.

Ich befürchte, dass mit einer Staatsbeteiligung an Qimonda Dämme brechen – auch Dämme hier in Sachsen –, und es muss sich schon jeder die Frage gefallen lassen, an welchem Unternehmen, das unter Umständen in diesem Jahr oder im Laufe der nächsten zwei Jahre auch noch in die Krise folgt, sich Sachsen dann wieder beteiligen soll. Sachsen droht in eine Art „Subventionshamsterrad“ zu geraten, welches mit staatlichen Millionenspritzen immer wieder neu in Schwung gebracht werden muss. Es wird sich mit einer irren Geschwindigkeit drehen, aber trotzdem werden wir keinen Millimeter vorwärts kommen. Eine solche Politik, meine Damen und Herren, kann Sachsen nie und nimmer durchhalten; es wäre eine falsche Politik.

(Beifall bei der FDP)

Wenn eine Staatshilfe – in welcher Form auch immer – überhaupt infrage kommt, dann kommt für uns als FDP nur eine europäische Lösung infrage. Der Speichermarkt ist, wie er ist. Ich glaube, uns ist allen klar, dass wir von Lissabon und von Dresden aus die Spielregeln, die in Asien und in Amerika gelten, nicht ändern können. Deshalb muss Europa entscheiden, ob man die Herstellung von Massenchips und deren Verkauf für Preise, die oft unter den Herstellungskosten liegen, langfristig auf unserem Kontinent sichern will.

Ich selbst kann es nicht so richtig einschätzen, ob die Produkte von Qimonda tatsächlich von fundamentaler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Europa sind; und ich vermag es auch nicht einzuschätzen, ob diese Speicherchips aus geostrategischen Gründen unbedingt in Europa und unbedingt von einem europäischen Unternehmen entwickelt und produziert werden müssen. Dazu fehlt mir schlichtweg der Einblick. Das ist eine Frage, die Europa insgesamt mit allen nationalen Regierungen und vor allem auch der Europäischen Kommission beantworten muss. Meine Skepsis zur Beantwortung dieser Frage ist da; ich weiß aber auch, dass es in anderen Bereichen durchaus so gewesen ist, dass man die Frage mit Ja beantwortet hat. Für mich wäre das der einzige Weg, bei

dem wir eine Form der Staatsbeteiligung überhaupt rechtfertigen könnten.

Ich möchte noch an eine andere Sache erinnern. Der Fall Qimonda ist nicht neu in Sachsen. Nach der Wende gab es Qimonda tausendfach in Ostdeutschland. Damals – übrigens wirklich über Nacht und nicht mit einer relativ langen Ansage, die wir in der gesamten Speicherchipindustrie haben – brachen Märkte weg, waren Produkte nicht mehr marktfähig und es fanden sich in vielen Fällen eben leider keine Investoren, die ehemalige Staatsbetriebe der DDR übernehmen wollten. Was das für die Mehrheit der Sachsen und für ihre Biografien, für ihre Hoffnungen, für ihre Zukunftsperspektiven bedeutet hat, wissen wir alle noch viel zu gut. Die Politik hat sich damals bewusst für einen sehr unbequemen Weg entschieden. Die Politik hat damals sowohl in Berlin als auch hier in Dresden, im Sächsischen Landtag, nicht Milliarden in überkommene Wirtschaftsstrukturen gesteckt, um die von der Staatspartei SED zu verantwortende Misswirtschaft irgendwie noch zu retten.

Das war ein sehr schmerzlicher Weg, aber es war am Ende auch die Grundlage für eine insgesamt sehr positive neue wirtschaftliche Entwicklung, die wir in Sachsen erlebt haben. Das, meine Damen und Herren, sollten wir nie vergessen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen sagen wir als FDP ganz klar: Helfen wir den Mitarbeitern von Qimonda zügig, neue und ordentlich dotierte Jobs im wachsenden Technologiestandort hier in Dresden zu finden. Ich weiß auch von unserem Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert, dass der Fachkräftebedarf in unserer Region enorm ist und dass viele Unternehmen Angebote für die Qimonda-Mitarbeiter vorlegen werden. Unterstützen wir mit dem breiten Förderinstrumentarium, das der Freistaat hat, beispielsweise Ausgründungen aus Qimonda oder eben auch den Fall, dass Unternehmen Teile des Betriebes und der Mitarbeiter vielleicht in einer neuen Form fortführen möchten; und helfen wir den vielen Hundert kleinen und mittelständischen Unternehmen hier am Standort im Technologiebereich, die keine Subventionsnomaden sind, sondern die fest vor Ort verankert sind und denen man mit der einen oder anderen kleinen Hilfe ganz gewiss dazu verhelfen kann, dass sie viel schneller wachsen als bisher und dass sie größer werden können als bisher.

Als Letztes: Vergessen wir nicht, was die Erfolgsgrundlagen unseres Landes sind, und machen wir nicht wirtschaftspolitisch die gleichen Fehler, die eine andere Gesellschaftsordnung auf deutschem Boden schon einmal gründlich ruiniert hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das Wichtigste war, dass er es nicht einschätzen kann!)

Wir beginnen wieder mit der Linksfraktion; Herr Abg. Zais, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde einmal die letzten beiden Redner ins Visier nehmen, weil wir ja in ideologische Diskussionen kommen. Herr Zastrow, es hätte gereicht, Sie hätten über die kleinen und mittelständischen Unternehmen gesprochen, die allein an Qimonda hängen, dann wären wir beim Thema geblieben.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Und Sie hätten sagen müssen, dass Sie aus ideologischen Gründen nicht mehr dafür sind, dass Sie einen Auftrag von Qimonda erhalten – das wäre die Kurzfassung von allem.

Ich will Ihnen nur eines sagen, wenn Sie gegen Verstaatlichung sind: Sie haben zehn Jahre die Wirtschaft immer ins Private getrieben, und jetzt haben wir die Krise! Und ich hoffe, Sie werden nicht Manager in diesem Land – Sie können diese Krise nie bewältigen! Es ist eine absolute Wahrheit: Nur der Staat kann diese Krise einigermaßen besänftigen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Holger Zastrow, FDP: Honecker wäre stolz auf Sie! – Zuruf von der FDP: Wo leben Sie denn?! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Welches Unternehmen kann sich denn – zum Beispiel GM, Opel – nach Ihrer Meinung in dieser Krise retten? Sie wissen überhaupt nicht, wovon Sie reden! Das ist eine von jedem Wissenschaftsinstitut oder auch von jedem Wirtschaftsinstitut klare Weisheit: Jetzt kann nur der Staat helfen, um die Krise einzudämmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Zais?

Herr Morlok, bitte.

Herr Kollege Zais, geben Sie mir recht –

(Zurufe von der Linksfraktion: Nein! – Allgemeine Heiterkeit)