Danke schön. – Die CDU verzichtet auf ihren Redebeitrag. Jetzt kommt die Linksfraktion; Frau Klinger, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich feststellen, dass es gar keine Gender-Mainstreaming-Programme im Sinne des Antrags der NPD gibt. Sie beweisen damit einmal mehr, dass Sie das Thema kein Stück weit verstanden haben. Der Antrag ist hinfällig.
Denn Gender-Mainstreaming ist nicht das ominöse oder gar nebulöse Gespinst, das in Nazikreisen auch schon einmal als totalitärer Kommunismus in Sachen Sex und Geschlechterbeziehung bezeichnet wird. Nein, GenderMainstreaming ist eine Methode, ein gleichstellungspolitisches Konzept, das dazu dient, die Auswirkungen von politischen Entscheidungen und Aktivitäten von verschiedensten Organisationen danach zu befragen, wie sich diese auf Frauen und Männer auswirken und ob und wie diese zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit beitragen – ein Wort, das Sie anscheinend nicht kennen. Und dass das nicht in den national verengten Tunnelblick auf die Menschen passt, liegt auf der Hand. Es geht nicht um Gleichmacherei oder gar Umprogrammierung der Menschen. Das verwechseln Sie wohl mit Ihren eigenen politischen Zielstellungen. Es geht darum, einen sensiblen Blick für Geschlechterfragen zu entwickeln und diese Dimension bei allen politischen Entscheidungen mitzudenken.
Die Zittauer Kreistagsabgeordnete der NPD Antje Hiekisch ist dabei vergleichsweise harmlos, wenn sie von einer gesellschaftlichen Verweichlichung im Bereich der Erziehung durch Gender-Mainstreaming spricht. Drastischer werden da schon andere Stimmen, die GenderMainstreaming eben als eine totalitäre Ideologie hinstellen wollen, so wie es Frau Schüßler hier in ihrer Rede wieder getan hat. Dazu kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Aber es ist offensichtlich, dass Sie die nackte Angst befällt, wenn Sie heraufbeschwören, dass GenderMainstreaming nun die Umkehrung der Geschlechterrollen als Rache für 20 000 Jahre Unterdrückung der Frau sei. Denn mit diesem Antrag machen Sie eines klar: Sie haben keine Ahnung von modernen emanzipierten Frauen, die selbst für sich und ihre Rechte einstehen wollen; Frauen, die ihre soziale Stellung erkannt haben und diese ändern wollen.
Schauen wir uns im Gegenzug einmal das Frauenbild der Nazis näher an. Im Programm des Rings Nationaler Frauen, der NPD-Frauenorganisation, kann man nachle
sen: „Frauen sind zurückhaltend, sie unterstützen ihre Männer und halten ihnen den Rücken frei. Männer erreichen auf der politischen Ebene Ziele. Frauen sind da, um Leben in das Volk zu bringen, um dieses zu erhalten.“ Sprich: Frauen sind für die Fortpflanzung zuständig und werden größtenteils auf die Erfüllung der Reproduktion reduziert. Man kann sogar so weit gehen zu sagen: Ein Frauenbild außerhalb der Mutterrolle existiert bei Ihnen überhaupt nicht.
So steht in Ihrem Programm zu lesen: „Die wenigsten Mütter fühlen sich in ihrem Job erfüllt und selbstverwirklicht.“ Oder: „Kinderbetreuung dient dazu, Mütter in der Berufstätigkeit zu halten“ – Mütter, nicht Frauen.
Die NSDAP hat damals eine ebensolche Politik gefahren, aber als keine Männer mehr da waren, weil sie im Krieg an der Front verheizt wurden, konnten Frauen plötzlich aus ihrer Mutterrolle herausgelöst werden, um in den Fabriken zu arbeiten und Munition herzustellen. Aber Frau Stella Hähnel, Parteivorstandsmitglied der NPD und Sprecherin des Rings Nationaler Frauen, erklärt weiter, dass Frauen in der NPD jetzt auch in die Politik dürften. Sie hätten dort ja politische Spezialgebiete. Diese zählt sie mit Familien-, Sozial-, Gesundheits- und Kulturpolitik auf.
Sie fügt hinzu: „Darin unterscheiden wir uns von den Emanzen. Wir zwingen Frauen nicht in Rollen, die sie nicht spielen wollen.“
Was Sie dabei vergessen: Emanzipierte Frauen lassen sich nicht in Rollen zwingen, und sicher wählen sie keine Nazis.
Aber wir werden gleich hören, welche Rollen sich die NPD-Frauen zugedenken, denn Frau Hähnel führt noch ein weiteres Argument für die Nazifrau im politischen Raum an: „Wir Frauen widerlegen allein mit unserem Wesen die Lügenmärchen vom gewalttätigen Rechten.“ – Aha, märchenhaft ist ja hier wohl eher Ihr Bild des sanftmütigen, devoten und dem Gatten treu ergebenen Mütterchens am heimischen Herd. Außerdem gibt es inzwischen leider viele rechte Frauen, die gern auch mal zuschlagen.
Doch schauen wir noch einmal genauer hin, was Ihnen den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Für Sie ist es Realität, dass es da draußen bald keine „echten Männer“ mehr gibt, dass männliche Identitätsfiguren Mangelware sind. – Stimmt, vor allem, wenn ich mich in Ihren Reihen umsehe.
Aber zurück zu Ihrem Bild vom „echten Mann“. Diese „echten Männer“ nämlich werden von hauptberuflichen Frauen verdrängt. Das ist tatsächlich unerhört.
Wir konstatieren also: Emanzipierte Frauen, keine echten Männer mehr und nun noch das von Ihnen konstruierte Szenario des bevölkerungspolitischen Super-GAU, und jetzt auch noch Gender-Mainstreaming. Fast könnte man Mitleid mit Ihnen bekommen ob Ihrer Verzweiflung über diesen Begriff, den Sie einfach nicht fassen, geschweige denn verstehen können, weil er nicht in das Muster Ihres einfach gestrickten Weltbildes passt; weil Sie auf die Anforderungen der Frauen und Männer, die sich ihrer Situation in dieser Gesellschaft auch aufgrund ihres biologischen und sozialen Geschlechtes bewusst sind und eben auch deshalb diskriminiert werden; weil Sie diesen Menschen keine einfachen, platten Lösungen anbieten können und wollen. Deshalb erklären Sie GenderMainstreaming schnell mal zum Inbegriff der Selbstauslöschung. Es werden weniger Kinder geboren und die, die geboren werden, sollen nun auch noch sexuell umprogrammiert werden, gar androgyn gemacht werden, so meinen Sie; also fände keine Revolution mehr statt.
Im Wahlprogramm der NPD kann man es nachlesen: Die Familie ist die Keimzelle Ihres Lieblingskonstruktes, des deutschen Volkes.
Genau gegen dieses wird gerade durch GenderMainstreaming der Vernichtungsschlag geführt: Keine Familien – Familien im Sinne von konservativen, mit Trauschein versehenen matriarchalischen Vater-MutterKind-Einheiten – heißt für die NPD automatisch auch keine Kinder. Dass das nicht der sächsischen Realität entspricht, werden Ihnen die vielen allein erziehenden Frauen und Männer oder die sogenannten Patchworkfamilien bestätigen können.
Denn: Was passiert angeblich, wenn die deutschen Kinder weg sind? Wieder können wir es nachlesen: „Kinderlose Paare rechtfertigen die Politik der „Umvolkung“ und „Überfremdung“, und das gefährdet den Bestand unseres Volkes.“
Hier werden Sie endlich deutlich und zeigen, worum es Ihnen in Wahrheit geht: nämlich um Ihre rassistische Stimmungsmache. Umvolkung oder auch Ethnomorphose ist ein Begriff aus der nationalsozialistischen Volkstumspolitik, der in den eroberten Ostgebieten beim Gewinn von Lebensraum zum Tragen kam. Gut, dass Sie auch hier mit Ihren Worten zeigen, wer die Väter des Gedankens waren.
Gender-Mainstreaming wird für Sie zur Förderung von Lebens- und Verhaltensformen, die dem Menschlichen widersprechen. Gerade Sie maßen sich an zu definieren, was „menschlich“ ist? Humanismus ist für Sie doch ein Fremdwort. Sie, die Sie die Grund- und Menschenrechte negieren, selbst Vertreter einer menschenverachtenden Ideologie sind und sich auf den Nationalsozialismus
beziehen – Sie unterstellen dem Konzept Gender-Mainstreaming das, was Sie selbst wollen: das Aufzwingen von Geschlechterrollen und das Leben von Stereotypen.
Familie ist nicht da, wo der Vater das Sagen hat; Familie ist da, wo Nähe ist, und für glückliche Familien brauchen wir Gender-Mainstreaming; brauchen wir Frauen und Männer, die sich ihrer selbst bewusst sind. Nur wenn diese Frauen und Männer selbstbestimmt und erfüllt leben können – frei von Diskriminierung –, werden sie auch gute Eltern sein. Wir wollen die gleiche gesellschaftliche Akzeptanz und eine Gleichbehandlung aller Lebensentwürfe und Lebensweisen. Sie wollen Geschlechterrollen aufzwingen – wir stehen für ein selbstbestimmtes Leben und eine selbstbestimmte Liebe.
In Artikel 3 Satz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, … benachteiligt oder bevorzugt werden.“ – Dazu stehen die demokratischen Fraktionen in diesem Hause.
Danke schön. – Nun kommt Frau Dr. Schwarz und spricht für die Koalition; sie ist Vertreterin der SPD-Fraktion. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schüßler, Sie erwecken hier den Anschein, als hätten Sie sich mit dem Gender-Mainstreaming-Prinzip beschäftigt – aber Sie scheinen nichts verstanden zu haben.
Der Antrag enthält zwei Aspekte: Ihre Unkenntnis, was Gender-Mainstreaming bedeutet, und den Rückfall in eine Familienpolitik des NS-Regimes, welche Herr Apfel während der Plenarsitzung im Januar als sozial, familienfreundlich und vor allem erfolgreich beschrieben hat.
Dass Sie keinen Zugang zu Gleichberechtigung, Gleichstellung und Chancengerechtigkeit haben – nichts anderes bedeutet Gender-Mainstreaming –, ist vor diesem Hintergrund erklärlich. Nun ist dieser Antrag – Sie haben es selbst eingestanden – noch nicht einmal auf Ihrem eigenen Mist gewachsen: Vor gut einem Jahr brachte die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag einen gleichlautenden Antrag ein und blamierte sich.
Es ist auch blamabel, was in Ihrer Begründung steht: Gender-Mainstreaming wolle, dass an die Stelle der anthropologisch entstandenen Rollenverteilung ein soziales Geschlecht als Ersatz für das biologische Geschlecht des Menschen trete. Gender-Mainstreaming bedeutet die Gleichwertigkeit jeder sexuellen Praxis, und die Sexualität wird auf bloße Körperlichkeit, reinen Spaß und Selbstverwirklichung reduziert. Das mag vielleicht etwas mit Ihrer Vorstellung von Sexualität zu tun haben – mit Gender-Mainstreaming hat es wirklich nichts zu tun.
Es ist richtig: Sex bezeichnet im Englischen das biologische Geschlecht; mit dem sozialen Geschlecht in der englischen Sprache „Gender“ sind Rechte und Pflichten von Männern und Frauen im öffentlichen wie im privaten Leben gemeint und wie sie damit auf die gesamte Gesellschaft wirken. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Ihrem biologischen Geschlecht nach können nur Frauen Kinder gebären.
Aber es hängt nicht von den biologischen Kriterien ab, wer die Kinder erzieht oder aufzieht – ob Vater und Mutter, Vater oder Mutter. Wenn jemand behauptet, das könnten nur die Frauen, dann hat er das Prinzip des Gender-Mainstreamings nicht verstanden; denn bei einer solchen Behauptung wird nicht eine biologische Wahrheit verkündet, sondern Frauen eine Rolle zugeschrieben, und eben das tun Sie.
Wir bekennen uns zum Grundrecht auf Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie zur Wahlfreiheit für ein selbstbestimmtes Leben.
Viel schwerer als Ihre Unkenntnis über Gender-Politik wirkt allerdings die Verherrlichung der Familienpolitik des Dritten Reiches. Für Sie ist Familienpolitik Bevölkerungspolitik, Familienförderung Geburtenförderung. Sie beschwören die Volksgemeinschaft und damit einhergehend die Ausgrenzung von sogenannten Artfremden. Frauen werden im Sinne von Gehorsam und Gevolkschaft auf ihre Rolle als Gefährtin und Mutter getrimmt. Da ist kein Platz für Gleichberechtigung. Nach der Machtergreifung verloren die Frauen ihre Mandate in den Parlamenten, verheiratete Beamtinnen wurden entlassen, Frauen verloren ihr passives Wahlrecht. Der Platz der Frauen war Wochenbett, Heim und Herd; die Nazis haben die Rollenklischees auf die Spitze getrieben – und das ist auch Inhalt Ihres Antrags.
Denn was war der Sinn von Geburtenförderung der Nazis, die Sie ja als erfolgreich bezeichnen? Unverhohlen wurde es ausgesprochen: Der Führer braucht Soldaten. Während die Kinder im Lebensborn behütet wurden, wurden jüdische Kinder reihenweise umgebracht. Ist das erfolgreiche Familienpolitik?
Was ist geblieben von dieser Ideologie, von diesem Familienbild, als von den Nazis der Zweite Weltkrieg angezettelt wurde? Ein Desaster für Familien – Kollegin Klinger hat es gerade beschrieben.
Doch zurück zu Ihrem Antrag. Wer heute Politik macht, sollte bei jeder Entscheidung bedenken, was diese für Frauen und Männer bedeuten könnte; denn die Auswirkungen können sehr unterschiedlich sein. Das ist GenderPolitik. Mitnichten geht sie davon aus, dass Frauen und