Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln jetzt ein sehr wichtiges Thema, auch wenn es dem einen oder anderen hier nicht so recht bekannt ist. Ich hätte mich gefreut, wenn wir so etwas auch im Ausschuss besprochen hätten. Dazu ist es jetzt zu spät. Die angesprochenen Aufgaben sind auch nicht neu, aber wir werden in der nächsten Legislaturperiode bei hoffentlich anderer Konstellation darauf zurückkommen können. Diese Themen wurden von uns zum Beispiel bei den Haushaltsverhandlungen schon angesprochen, worauf ich nachher noch eingehen werde. Auf die Schwierigkeiten im Rahmen des Bologna
Prozesses, der ja durch die Umwandlung der Studiengänge als auch bezogen auf die soziale Dimension Mobilität fördern soll, hat die Linksfraktion immer wieder hingewiesen.
Insofern können wir uns dem zwar recht knappen Bericht anschließen, wenn auch auf lange Sicht noch einmal über Details und inhaltliche Dinge geredet werden sollte. Dafür kommt dieser Bericht für diese Legislaturperiode leider zu spät. Ich habe mich darüber gewundert, denn der Antrag lag bereits im April 2008 vor. Leider hat die Koalition die Beantwortung anscheinend erst nach den Haushaltsverhandlungen erbeten, was ein bisschen seltsam ist.
Ich möchte zunächst ein paar Problembereiche zitieren, auch wenn das die Vorredner zum Teil schon gemacht haben. Die Überschrift des Antrages bildet nur einen Teilaspekt ab, es geht natürlich auch um den Stand des Bologna-Prozesses, also die Herstellung eines europäischen Hochschulraumes, der Mobilität befördern sollte. Das hat sich für sächsische Studierende bisher kaum eingelöst, denn die Auslandsaufenthalte sind durch die neue Studienstruktur erschwert. Die neuen BachelorStudiengänge sind sehr verschult, sowohl curricular als auch reglementiert. Es gibt eine sehr hohe Anzahl an Prüfungen abzulegen, was für viele Menschen, die nebenbei auch noch jobben müssen, sehr schwierig ist. Die Auslandsaufenthalte sind in den starren Strukturen der Bachelor-Studiengänge nur sehr schwer möglich. Deswegen sind sie nicht häufiger, sondern leider seltener geworden. Auch die Mobilität innerhalb Deutschlands nimmt im Zuge der Einführung des neuen Studiensystems nicht zu, sondern ab.
Der Anteil von Bildungsausländern ist in Sachsen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt in den meisten Fächern gering. Ich gebe gern zu, dass Sachsen da nicht in alleiniger Verantwortung ist. Das ist ein bundesdeutsches bzw. europäisches Arbeitsfeld. Die zur Förderung der Mobilität nötigen europäischen Förderprogramme sind nicht bedarfsdeckend ausgestaltet und daher sozial ausschließend. Dazu werde ich nachher noch ein paar Zahlen nennen. Das Risiko besteht darin, dass das Mobilitätsversprechen nur einer kleinen europäischen Bildungselite vorbehalten bleibt. Entscheidend für Mobilität ist eben auch die soziale Dimension. Dies spielt im BolognaProzess noch eine zu geringe Rolle, um das Zusammenwachsen der europäischen Hochschulsysteme in der Breite zu ermöglichen. Sie ist nicht mit konkreten Zielen untersetzt. Die Bologna-Folgegipfel haben sich nicht mit dem Widerspruch befasst, dass sie zwar eine Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden zu ihren Zielen zählen, im selben Zeitraum aber reihenweise Länder Studiengebühren eingeführt haben.
„Bologna“ hat aus meiner Sicht auch eine kulturelle Dimension. Ostdeutsche Hochschulen haben immer noch ein Imageproblem für AusländerInnen. Nach Untersuchungen des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung ist Sachsen das kulturell am wenigsten
offene Bundesland. Es gibt hier wenig Ausländerinnen und Ausländer, weniger Kunstschaffende und die rechtsextreme Partei erreicht hier die höchsten Wahlergebnisse. Damit wird Zuwanderung oder ein Studium unattraktiv. Ich höre immer wieder die Worte, dass Integration keine Einbahnstraße sei. Dem stimme ich zu, aber eine Bevölkerung, die in hohem Maße fremdenfeindlichen Vorurteilen erliegt, kann eben auch nicht integrieren.
Inzwischen liegt der Sonderbericht „Internationalisierung des Studiums“ der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes vor. Darauf ist Frau Dr. Raatz zum Teil schon eingegangen. In diesem Bericht werden ähnliche Schlussfolgerungen gezogen. So beschreibt der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Prof. Dr. Rolf Dobischat, in dem Bericht, dass den ausländischen Studierenden die Orientierung im deutschen Studiensystem erschwert ist – im Übrigen auch den deutschen Studierenden. 85 % der ausländischen Studierenden organisieren ihren Aufenthalt hier ganz allein. Weiterhin ist die Studienfinanzierung eines der Hauptprobleme ausländischer Studierender. Sie haben mit 645 Euro im Monat deutlich geringere Einnahmen als ihre deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen mit 770 Euro. Mehr als die Hälfte ist erwerbstätig. Ein Großteil ist auf den eigenen Verdienst angewiesen, um überhaupt überleben zu können.
Als zweite Schwierigkeit wird der mangelnde Kontakt zu deutschen Studierenden angesehen. Auch hier eine Zahl: 39 % der ausländischen Studierenden beklagen Schwierigkeiten, mit deutschen Studierenden in Kontakt zu kommen. Die Integration muss also verbessert werden. Mangelnde Integration wird im Übrigen auch als Grund für eine relativ hohe Studienabbruchquote benannt.
Weiterhin ist die Auslandsmobilität deutscher Studierender stark von der sozialen Herkunft abhängig. Studierende aus einkommensstarken, hochschulnahen Familien gehen doppelt so häufig ins Ausland wie jene aus einkommensschwächeren oder hochschulfernen Familien. Es gilt, diese soziale Schieflage zu beseitigen. Das heißt, alle Studierenden müssen unabhängig von ihrer Herkunft oder dem Geldbeutel ihrer Eltern mobil sein können.
Die Schlussfolgerungen des Deutschen Studentenwerkes sind, dass die Internationalisierung des Hochschulsystems für ausländische Studierende bedeutet, sich mehr für Integration zu engagieren und die soziale Infrastruktur des Studiums zu stärken. Hier kann auch viel auf Landesebene verändert werden. Darauf ist Frau Raatz in Teilen schon eingegangen. Auch wir haben uns dieser Sache in Haushaltsanträgen gewidmet. Wir hatten zum Beispiel gefordert, dass die Zuschüsse für die Studentenwerke erhöht werden, weil es darum gehen muss, eine gute Infrastruktur vorzuhalten, damit die Aufgaben, die durch die Studienreform auf die Studentenwerke zukommen, umgesetzt werden können. Leider wurde die Aufstockung der Mittel für die Studentenwerke abgelehnt.
Zum zweiten Ziel, der Integration, hatten wir auch Anträge in den Haushaltsverhandlungen gestellt. Es ging um eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Entwick
lungszusammenarbeit im Bereich des Hochschulsystems. Dazu haben wir eine gute Struktur, die es Menschen aus anderen Ländern ermöglicht, hier zu studieren, Deutschland kennenzulernen, miteinander zu reden und in einer schwierigen Situation Tipps zu bekommen. Dieser Haushaltsantrag, in dem es wirklich nicht um viel Geld ging, wurde leider auch abgelehnt.
Eine weitere Möglichkeit, die Situation für alle Studierenden in Sachsen zu verbessern, wäre die Veränderung der Lehrsituation an den Hochschulen, damit die Bachelor-/Master-Struktur tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Rücknahme der Stellenkürzungen wurde leider auch nicht angenommen.
Eine letzte Forderung bleibt – da sind aus meiner Sicht alle Parteien gefordert, dies im zukünftigen Wahlkampf klarzustellen: Es ist im Interesse aller Studierenden, nicht nur der sächsischen Abiturienten, sondern auch der ausländischen, dass keine Studiengebühren eingeführt werden. Das wurde als Grund benannt, warum man Angst hat, ins Ausland zu gehen.
Meine Frage bezieht sich auf die von Ihnen gestellten, aber abgelehnten Anträge. Haben Sie wahrgenommen, dass wir für die Studentenwerke im Haushalt zusätzlich 2 Millionen Euro eingestellt haben? Damit haben wir eine gute Ausstattung. Es gibt ein zusätzliches Programm mit 15 Millionen Euro jährlich für Qualitätssicherung an den Hochschulen.
Ich habe das schon wahrgenommen, wobei es vor allem darum geht, den Status quo wieder herzustellen. Es gab eine Diskussion, wie hoch die Mittel sein müssen, um die Studentenwerke unterstützen zu können. Seit vielen Jahren wurde die Zahl von 10 Millionen Euro genannt und die Zuschüsse für die Studentenwerke wurden nicht auf diesen Wert erhöht. Ich weiß, dass es ein Programm zur Qualitätssicherung gibt. Es ist über EFRE- und ESF-Mittel nur für eine begrenzte Zeit eingestellt. Es erscheint mir etwas zweifelhaft, ob das Programm die Hochschulen dauerhaft in die Lage versetzen kann, entsprechende Lehre anzubieten. Wir denken, man muss über die Hochschulvereinbarung für lange Zeit Planungssicherheit herstellen. Dafür müssen feste Mittel im Landeshaushalt eingestellt werden.
Die NPD-Fraktion hat es sich nicht anders überlegt? – Gut. Dann bitte die FDP-Fraktion, Herr Prof. Schmalfuß.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsen wird oft als Ingenieurschmiede Deutschlands bezeichnet. Wir werden nicht umsonst so genannt, da an unseren sächsischen Hochschulen ein erheblicher Teil des ingenieurtechnischen Nachwuchses ausgebildet wird.
Doch zukünftig werden wir gerade in der Ausbildung von akademisch qualifizierten Arbeitskräften auf eine gewaltige Lücke stoßen. Der demografische Wandel ist in vollem Gange, und die einschlägigen Prognosen bestätigen die vorgenannte Entwicklung.
Bis zum Jahre 2020 werden die Absolventenzahlen auf 64 % der heutigen Zahlen sinken, im schlimmsten Fall sogar auf 48 %. Das heißt, in zehn Jahren werden sich die Absolventenzahlen möglicherweise halbieren. Der sächsische Bedarf an Hochschulabsolventen kann dann nicht mehr durch Absolventen aus Sachsen gedeckt werden.
Um diese Lücke zu schließen, ist es umso wichtiger, bereits frühzeitig junge Leute aus dem Ausland nach Sachsen zu holen und ihnen eine attraktive Ausbildung anzubieten.
Daher muss die Internationalisierung der sächsischen Hochschulen weiter vorangetrieben werden. Hier besteht aktuell noch erheblicher Handlungsbedarf. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern schneidet Sachsen schlecht ab. Gerade einmal jeder zehnte Student an Hochschulen im Freistaat Sachsen kam im Jahre 2007 aus dem Ausland. Damit belegt Sachsen im gesamtdeutschen Vergleich gerade einmal Platz 12 und ist damit eines der Schlusslichter.
Dabei haben wir gute Voraussetzungen. Die wissenschaftliche Ausbildung an sächsischen Hochschulen und deren herausragende Forschungsleistungen sind ein Markenzeichen. Aber gut sein allein genügt nicht. Deshalb müssen sich Bund und Länder stärker für die Förderung der Internationalität unserer Hochschulen engagieren. Was können wir tun, damit sich mehr ausländische Studierende für das Studium in Deutschland entscheiden? Wo müssen wir ansetzen, um das sächsische Hochschulwesen im nationalen und internationalen Umfeld attraktiver und wettbewerbsfähiger zu gestalten?
Als FDP-Fraktion sehen wir folgende drei Ansatzpunkte: Erstens. Der Ausbau fremdsprachiger, insbesondere englischsprachiger Studiengänge an sächsischen Hochschulen muss weiter vorangetrieben werden. So können wir auch Studienanfänger nach Sachsen locken, die noch kein Deutsch oder Sächsisch sprechen.
Zweitens. Erarbeitung und entsprechende Umsetzung eines Konzepts zum Aufbau eines leistungsorientierten sächsischen Stipendiensystems. Dabei sollen sich unter anderem Industrie und Wirtschaft an zu vergebenden
Stipendien beteiligen. Hier verweise ich auf den Antrag der FDP-Fraktion aus dem Dezember-Plenum des vergangenen Jahres zum Aufbau eines leistungsorientierten Stipendiensystems.
Drittens. Die gezielte Werbung für den Studienstandort Sachsen muss auch über die sächsischen Landesgrenzen hinaus stattfinden. Das Markenzeichen sächsischer Hochschulen muss nicht nur potenziellen Studenten in anderen Bundesländern, sondern auch im Ausland vor Augen geführt werden.
Sehr geehrte Kollegen der CDU- und der SPD-Fraktion! Wir begrüßen Ihren Antrag und werden diesem zustimmen. Der eingeforderte Bericht kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Jetzt muss es an die Umsetzung gehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke den Koalitionsfraktionen ausdrücklich dafür, dass sie das Thema der ausländischen Studierenden auf die Tagesordnung gebracht haben, weil es ja sonst etwas außerhalb der gängigen hochschulpolitischen Debatten steht.
Ob Hochschulen ausländische Studierende anziehen und ob diese sich dort wohlfühlen, das ist in einer globalen Wissenschaft immer auch ein Indikator für die Qualität von Hochschulen.
Natürlich liegt bei Berichtsanträgen der Koalition auch der Verdacht nahe, es ginge darum, die eigenen Erfolge zu feiern. Tatsächlich – welch Überraschung! – spart die Staatsregierung nicht mit Eigenlob. Wer genauer hinschaut, muss aber auch erhebliche Defizite feststellen.
Zunächst zu den vermeintlichen Erfolgen. Da kann ich Ihnen – wie andere Vorredner – einige Zahlen nicht ersparen. Die Staatsregierung berichtet in ihrer Stellungnahme stolz von einer Zunahme der ausländischen Studierenden um 48 % zum Vergleichsjahr 2000. Das klingt toll. Nur: In diesem Zeitraum hat sich die Zahl aller Studierenden in Sachsen ebenfalls erhöht, und zwar um 34 %. Gemessen an der Gesamtzahl ist der Anteil ausländischer Studierender gerade einmal von 6,5 auf 9,5 % gestiegen.
Im selben Zeitraum können wir im bundesdeutschen Durchschnitt einen Anstieg von 9 % auf die von Dr. Gillo bereits erwähnten 12 % nachweisen. Die sächsischen Hochschulen konnten also mit dem Bundestrend mithalten. Den Rückstand aufholen konnten sie jedoch nicht.
Das wird umso deutlicher, wenn wir nicht ins Jahr 2000 zurückblicken, sondern auf die letzten fünf oder sechs Jahre schauen. Seit 2003 stagniert die Zahl ausländischer Studienanfänger zwischen 3 500 und 3 600. Angesichts dieser Zahlen besteht also kein Anlass zu Selbstzufriedenheit oder Euphorie.
Angesichts der hinlänglich bekannten Prognosen zu sinkenden sächsischen Studienanfängerzahlen sind wir dringend darauf angewiesen, dass mehr ausländische Studierende zu uns nach Sachsen kommen. Es stellt sich die Frage, warum das bisher nicht gelungen ist.
Ich versuche zwei Antworten zu geben, die sich allerdings von denen der Kollegin Dr. Raatz unterscheiden. Ich meine, es liegt an der Qualität und an der Weltoffenheit. Mit beiden ist es in Sachsen offensichtlich noch nicht zum Besten bestellt.
Schauen wir uns Länder wie Baden-Württemberg mit über 14 % oder Berlin mit über 15 % Anteil an ausländischen Studierenden an. Beide Länder sind vergleichsweise weltoffen. Ein hoher Anteil von Migranten und Ausländern an der Bevölkerung bestätigt dies ebenso wie ein geringes rechtsextremes Potenzial. Beide sind Länder, die bei der Exzellenzinitiative sehr gut abgeschnitten haben, auch und gerade weil es ihnen gelingt, die besten Köpfe aus aller Welt anzuziehen.
Exzellente Hochschulen haben längst erkannt, dass eine produktive Mischung von Menschen unterschiedlichster Herkunft eine zentrale Voraussetzung für wissenschaftliche Kreativität ist.