Protocol of the Session on March 12, 2009

Die CDU-Fraktion und die Linksfraktion sowie auch die NPD-Fraktion haben noch ein paar Minuten Redezeit. – Die Linksfraktion möchte reagieren. Frau Falken, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wöller, ich würde mir auch mal wünschen, dass Sie etwas Konkretes sagen und nicht diese Allgemeinplätze benennen und darauf hoffen, dass es nicht mehr in der Tagesordnung steht und sich alle irgendwie beruhigen.

Ich denke, ich muss noch ein paar Klarstellungen zu Ihren Aussagen treffen, die aus meiner Sicht nicht richtig sind. Die Vollzeit der Grundschullehrer 2012 ist keine Gnade des Kultusministeriums, sondern ein Muss, weil der Bedarf an den Grundschulen inzwischen so hoch ist, dass die Vollzeit zwingend notwendig ist, eigentlich schon heute und vollständig. Es gibt immer noch und zunehmend – gerade jetzt nach dem Halbjahr – Unterrichtsstunden, die nicht gehalten werden können und gestrichen werden. Das sind Anrechnungsstunden von Lehrerinnen, die nicht mehr ausgereicht werden, weil sie für den Unterricht gebraucht werden. Ich könnte Ihnen hier wieder x Beispiele aufzählen. Ich lasse es, weil ich die Zeit für etwas anderes brauche.

Das Nächste ist eine gesunde Altersstruktur. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion – vielleicht kann das Herr Wöller auch nicht wissen: Wie lange sitzen Sie schon in diesem Landtag? Wie lange sitzen Sie schon in Regierungsverantwortung? Wie lange wissen Sie eigentlich schon, wie die Altersstruktur im Lehrerbereich in Sachsen aussieht? Da kommen Sie jetzt nach 20 Jahren und stellen fest – –

(Thomas Colditz, CDU: Was sollen wir mit den älteren Lehrern machen? Sollen wir sie entlassen, Frau Falken, oder was denn? Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

Oh! Aber ganz toll. Da habe ich ganz tolle Vorschläge. Schade, dass Sie mir vorhin nicht zugehört haben. Die Altersstruktur im Lehrerbereich – –

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Herr Colditz, Ihre Fraktion hat noch Redezeit.

Herr Colditz, gehen Sie doch ans Mikrofon und stellen Sie eine Frage. Sie klauen mir die Redezeit. Das ist überhaupt nicht gut. Überhaupt nicht.

Herr Wöller, eine Rückkehrmöglichkeit für die jungen Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt nach BadenWürttemberg gehen, ist zwar ein schönes Wort, aber formal brauchen sie die nicht. Die können in BadenWürttemberg kündigen und hier wieder anfangen. Formal müssen sie es sowieso so machen. Sie beginnen hier neu mit ihrer Tätigkeit und werden hier in die unteren Gehaltsgruppen eingruppiert. Schauen Sie sich doch einmal an, was konkret da ist. Erzählen Sie doch nicht, dass es noch etwas Besonderes wäre. Das ist nichts Besonderes. Das geht jederzeit und immerzu.

Nun zum Thema Stellen für Referendare. Das von Ihnen Gesagte kann ich hier nicht so stehen lassen. Ich habe mich in der Haushaltsdebatte schon mehrfach darüber aufgeregt. Sie legen als Koalition einen Haushaltsentwurf vor, in dem wesentlich weniger Stellen für Referendare enthalten sind als vorher, und feiern dann in Sachsen, dass Sie mit Änderungsanträgen noch zusätzliche Stellen als Referendare in den Haushalt bekommen haben. Unterm

Strich sind es weniger als in der langfristigen Prognose, die Sie vorher aufgestellt haben. Wir haben heute weniger Lehramtsanwärterstellen als vor diesem Haushalt. Das muss man deutlich sagen, sonst sieht es so aus, als wenn Sie hervorragend neue Stellen geschaffen haben, die nach unserer Ansicht sowieso nicht ausreichen.

Noch ein Satz zum Mangelfach. Herr Wöller, was sind denn Mangelfächer in Sachsen? Nach meinem Kenntnisstand wechseln die Mangelfächer in Sachsen von Jahr zu Jahr. Das geht so schnell, dass Sie bei einer Einstellungsgarantie nach sieben Jahren überhaupt nicht mehr wissen, welches Mangelfach Sie damals als Einstellungsgarantie gegeben haben.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Was ist ein Mangelfach? Ist es auch ein Mangelfach, wenn Lehrer fachfremd unterrichten? 60 % des Musikunterrichts im Grundschulbereich werden fachfremd unterrichtet. Ist das ein Mangelfach oder ist das kein Mangelfach für Sie? Also, hier muss man, denke ich, auch Begriffe klären, bevor man an die Öffentlichkeit geht.

Ich würde gern meiner Kollegin noch eine Frage gestatten.

Ja, das wollte ich gerade fragen. Frau Günther-Schmidt, bitte.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Falken, ist Ihnen aufgefallen, dass Kultusminister Wöller vorhin sehr laut und deutlich die Überversorgung mit Lehrerpersonal gelobt hat und ebenso laut und deutlich verschwiegen hat, dass seit den Neunzigerjahren planmäßiger Unterrichtsausfall in Größenordnungen an

den berufsbildenden Schulen und an den Förderschulen stattfindet, also gerade dort, wo die Schwächsten unterrichtet werden müssen?

Das ist mir sehr aufgefallen. Der planmäßige und der nicht planmäßige Unterrichtsausfall in Sachsen ist schon erheblich, und er wird steigen.

Dazu will ich Ihnen noch etwas sagen, wenn wir beim Unterrichtsausfall sind: Den Unterrichtsausfall, der durch den Streik der Lehrer angefallen ist, dürfen die Lehrer nicht in die Unterrichtsausfallstatistik hineinnehmen. Das finde ich ganz interessant. Wir sollten einmal schauen, was in der Statistik steht, die am Ende des Jahres herauskommt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich frage jetzt noch einmal die CDU-Fraktion, ob sie darauf reagieren möchte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Keine Argumente!)

Das ist jetzt offenbar nicht der Fall.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Ich kann auch seitens der Staatsregierung keine Reaktion erkennen.

Damit, meine Damen und Herren, ist diese Aktuelle Debatte beendet. Wir beenden damit auch den Tagesordnungspunkt.

Um einen einigermaßen normalen Tagesrhythmus zu gewährleisten, schlage ich vor, dass wir jetzt die Mittagspause einlegen. Wir beginnen um 13:10 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 12:13 bis 13:10 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratung fort mit dem

Tagesordnungspunkt 2

Situation und Perspektive der Altenpflege in Sachsen

Drucksache 4/13254, Große Anfrage der Linksfraktion, und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringerin spricht zuerst die Linksfraktion, danach die gewohnte Reihenfolge. Ich erteile Herrn Wehner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst ein Wort an die Frau Staatsministerin. Sie ist leider krank. Ich wünsche ihr von hier aus gute Besserung, damit sie ganz schnell wieder hierher zurückkommen kann.

(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Dr. Rolf Jähnichen, CDU, und Martin Dulig, SPD)

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion unterstützt die Ansicht der sächsischen Sozialministerin, dass die Pflegedebatte eine Wertedebatte ist. Es geht um die Würde des Menschen. Die Pflegedebatte ist zugleich Zukunftsdebatte. Würdige Pflege zu sichern ist wesentlicher Bestandteil. Die Pflegedebatte ist auch Kostendebatte, aber man darf das Thema Pflege in Würde nicht nur unter dem Gesichtspunkt der volkswirtschaftlichen Kosten betrachten. Die Pflege ist eine ethische und humanitäre Verpflichtung. – Recht hat sie!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, es ist nun an der Zeit, uns alle diesbezüglich beim Wort zu nehmen.

Ich danke zunächst auch namens der Mitglieder der Linksfraktion der sächsischen Staatsministerin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des sächsischen Sozialministeriums für die Beantwortung der Großen Anfrage der Linksfraktion zur Situation und Perspektive der Altenpflege in Sachsen.

Natürlich ist zu würdigen, dass im Freistaat Sachsen seit 1991 zahlreiche Altenpflegeheime mit modernen Ausstattungen entstanden sind. Ich möchte an dieser Stelle auch allen in der Altenpflege tätigen Beschäftigten sehr herzlich danken. Sie gehen trotz niedriger Einkünfte tagtäglich mit viel Engagement und Hingabe ihrer Pflegearbeit nach.

(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Martin Dulig, SPD, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf einige Aspekte aus der Großen Anfrage eingehen. Ich denke, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich hier auf die Angabe von Zahlenmaterial weitestgehend verzichte. Ihnen liegt die Beantwortung der Anfrage vor. Ich will nur einige Dinge benennen, die nicht nur mir, sondern auch meiner Fraktion wichtig erscheinen, und habe dazu drei Gliederungspunkte: zuerst kurz zur Bestandsaufnahme und zur personellen Besetzung, dann zur Planung der Pflege in Sachsen selbst und schließlich zu den Qualitätskriterien.

Zunächst zum ersten Bereich, zur Bestandsaufnahme: Hier fällt auf – übrigens sind auf den Seiten 3 und 14 identische Tabellen ausgewiesen –, dass der Betreuungsschlüssel von der Sächsischen Staatsregierung nicht kommentiert wird. In Sachsen muss eine Pflege- und Betreuungsperson mindestens zwei Pflegebedürftige betreuen. Hier steht also eine 2 vor dem Komma, während der Bundesdurchschnitt bei 1,81 liegt. Damit nimmt der Freistaat Sachsen nicht, wie wir immer gedacht haben, einen der vorderen Plätze ein, sondern er liegt im hinteren Bereich. Hier hätten wir von der Staatsregierung eine Wertung zu dieser Frage und auch eine Aussage dazu erwartet, wie man die Situation verbessern kann, wobei auf die personelle Situation ohnehin noch eingegangen werden muss, denn sie ist so einfach nicht.

Wir hatten nach der Anzahl der pflegenden Angehörigen im häuslichen Bereich gefragt. Hierzu haben wir auf Seite 13 erfahren dürfen, dass eine Ermittlung nicht möglich sei. Auch bezüglich der Altersstruktur der pflegenden Angehörigen liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Unsere Beobachtung ist, dass die pflegenden Angehörigen selbst schon in einem sehr fortgeschrittenen Alter sind.

Meine Damen und Herren, wenn wir den Grundsatz „ambulant vor stationär“ weiter verfolgen wollen, dann gilt es zu fragen: Wie wollen wir das denn in Angriff nehmen? Brauchen wir hier neue Angebote? Brauchen wir hier neue Strukturen? Wenn die – ich darf das jetzt einmal so sagen – älteren pflegenden Angehörigen vielleicht selbst pflegebedürftig werden, wer kümmert sich dann um die weitere Pflege im häuslichen Bereich? Da wäre dann die Frage: Sind die Heime im Freistaat Sach

sen auf diese Situation eingestellt? Hier sind wir nach wie vor im Unklaren.

Auch im Bereich der Fachkräfte sind wir der Meinung, dass der Freistaat Sachsen im Vergleich der Bundesländer keinen vorderen Platz einnimmt. Wir stellen immer öfter fest, dass kein ausreichendes Fachpersonal mehr vorhanden ist. Wir sind halt in Sorge, dass es eine Verlagerung bezüglich des Betreuungspersonals auf diejenigen gibt, die sich entschlossen haben, das Freiwillige Soziale Jahr zu absolvieren oder ihren Zivildienst leisten, oder leider auch die Menschen eingesetzt werden, die die sogenannten Mehraufwandsentschädigungsleistungen beziehen, also Ein-Euro-Jobber sind.

Ich wage zu behaupten, dass wir in Sachsen auch diesbezüglich ein Beschäftigungsproblem haben, besonders wenn es um den Einsatz der Fachkräfte geht. Hier müssen wir uns anders aufstellen. Wenn ich die Koalitionsvereinbarung richtig gelesen habe, sollte es auch entsprechende Angebote geben. Es darf nicht sein, dass in diesem sensiblen Bereich der Anteil der Hilfskräfte gegenüber dem der Fachkräfte steigt.