Protocol of the Session on March 12, 2009

Kollege Dulig hat es schon angesprochen: In der Amtszeit von Herrn Rößler sind Entscheidungen getroffen worden, die einfach falsch waren, die dringend korrigiert werden müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Entscheidung, dass in Dresden keine Grundschullehrerausbildung mehr durchgeführt wird, ist im Zeitraum der Amtszeit von Herrn Rößler getroffen werden.

(Thomas Colditz, CDU: Zu Recht!)

Herr Colditz, ich muss Ihnen gleich noch etwas dazu sagen: Die Entscheidung, dass Sie Astronomie abgeschafft haben, ist auch im Zeitraum der Amtszeit von Herrn Rößler gefallen. Dass es Wahlmöglichkeiten für Geografie und Geschichte gibt, ist auch in der Zeit von Herrn Rößler gefallen. Das sind Entscheidungen, die wieder rückgängig gemacht werden müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Herr Colditz war dabei!)

Ich bin sehr froh, dass die Wissenschaftsministerin Frau Stange jetzt den Weg geht und sagt, wir brauchen statistisch und objektiv mehr Grundschullehrer. Die Lehrerausbildung will sie wieder nach Dresden holen. Allerdings ist die Amtsperiode der SPD in dieser Legislaturperiode auch bald vorbei. Das hätte man viel früher machen können, denn seit 2007 gibt es keine Studenten mehr in Dresden. Ich hoffe nur, Eva, dass Du das in Deiner Amtszeit noch schaffst.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ein weiteres Problem betrifft die Lehrerinnen und Lehrer, die zurzeit an den sächsischen Schulen tätig sind. 85 % aller sächsischen Lehrerinnen und Lehrer haben eine Ausbildung aus DDR-Zeiten. Das ist übrigens sehr gut so, sonst hätten wir die PISA-Ergebnisse nicht. Aber das heißt auch, dass sächsische Lehrerinnen und Lehrer entsprechend alt sind. Meine Kollegin Frau Bonk hat es bereits dargestellt: Sächsische Lehrerinnen und Lehrer machen sich beruflich und persönlich Sorgen, wie sie einmal in die Rente gehen können und ob und wie überhaupt, denn mit 68 Jahren vor einer Klasse zu stehen, das sollten wir weder den Lehrern noch den Schülern zumuten. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Das alles ist möglichst in einem Personalentwicklungskonzept zu erfassen.

Viele Punkte, die noch zu benennen wären, kann ich nicht anführen. Dafür habe ich nicht mehr die Zeit. Ich will sie nur anreißen.

Das Thema „Pflichtstunden“ ist ein ganz wichtiges Thema an sächsischen Schulen. 28 Stunden für eine Grundschullehrerin in Vollbeschäftigung sind gar nicht möglich. Die Kontaktstunde steht im notwendigen Stundenbereich nicht zur Verfügung. Der hohe Wechsel von Schülerinnen und Schülern, von Klasse zu Klasse und von Schulart zu Schulart ist keine konstruktive Arbeit im Lehrerbereich. Die hohe Anzahl von Abordnungen muss ich benennen. Die fehlenden Unterstützungssysteme an sächsischen Schulen, die von den Lehrern kompensiert werden sollen, aber wirklich nicht funktionieren, liegen trotzdem auf dem Tisch der Lehrer. Solche Aufgabenfelder wie Sicher

heitsbeauftragter der Schule sollten keine Aufgabe eines Lehrers sein.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich frage noch einmal die Fraktionen, ob das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Dann bitte Herr Staatsminister Prof. Wöller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lehrer ist ein Beruf mit Zukunft. Dies ist bei aller Unterschiedlichkeit der hier vorgetragenen Positionen die Kernbotschaft der Debatte. Diese Botschaft ist mir außerordentlich wichtig.

Wir wollen, dass sich die Besten, und zwar im Sinne der Geeignetsten, für ein Lehramtsstudium entscheiden. Wir wollen denen, die sich für das Lehramt entscheiden, eine Perspektive in Sachsen und ihrer Heimat geben. Darin sehe ich die akute bildungspolitische Herausforderung. Diese Herausforderung ist deshalb so groß, weil wir uns mitten in einem grundlegenden Paradigmenwechsel befinden.

Seit etwa zwei Jahrzehnten haben wir mehr Lehrer, als für die Unterrichtsversorgung nötig sind. Daher stand und steht die Beschäftigungssicherung der Lehrerinnen und Lehrer im Vordergrund.

(Beifall bei der CDU)

Diese Beschäftigungssicherung war und ist ein Erfolg.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ja, bitte.

Frau Falken.

Herr Wöller, wenn wir seit 20 Jahren mehr Lehrer im Freistaat Sachsen haben, als notwendig sind, warum wurden 1992, 1993 und 1994 die Pflichtstunden angehoben? Können Sie mir das erklären?

Es geht um zweierlei. Sie wissen, das große Ziel, das manchmal in Vergessenheit gerät, ist, die Qualität der Lehrer an den Schulen zu verbessern. Diese Qualität ist nachweislich so hervorragend gewesen – deswegen auch die Entscheidungen meiner Vorgänger im Amt –, dass wir heute die Ergebnisse bei PISA und beim Bildungsmonitor ernten können. Die Entscheidungen sind und waren richtig.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ich würde jetzt gern einmal fortsetzen. Anschließend können wir noch darüber diskutieren.

Meine Damen und Herren! Das ist der Punkt. Deswegen haben wir mit den Lehrerinnen und Lehrern und mit den Gewerkschaften seit 20 Jahren dieses Ziel der Beschäftigungssicherung erfolgreich in Sachsen umgesetzt. Das Ergebnis ist – das lohnt einmal innerhalb der Debatte festgehalten zu werden –: Wir mussten keinen einzigen Lehrer aus dem Schuldienst entlassen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist nach wie vor unser Ziel. Das ist auch Ergebnis der vorbildlichen Solidarität der Lehrer untereinander, für die ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanke.

(Beifall bei der CDU)

Das ist teilweise sehr schmerzhaft gewesen. Wir haben erreicht, dass wir im Grundschulbereich wieder schrittweise auf Vollzeitbeschäftigung gehen können. Ich sage aber auch mit aller Klarheit: Für diese Politik ist ein Preis zu zahlen. Der Preis dafür ist: weniger Neueinstellungen. Das ist die Systematik. Ich darf mich schon auch über die Vorstellungen der FDP wundern, wenn hier der Eindruck erweckt wird, man könnte Steuern senken, gleichzeitig die Gehälter erhöhen, niemanden entlassen, aber dafür die Schleusen öffnen. Das passt nicht zusammen. Das passt nur, wenn man sich in einer postpubertären Phase wie Sie befindet, in der man alles und jedes fordern kann, ohne dafür Verantwortung zu tragen. Eine Debatte auf höherem Niveau sieht einfach ganz anders aus, nicht zuletzt deswegen, weil wir klar sagen, wo die Probleme liegen.

Jetzt geht es darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Wir wollen den ansteigenden Bedarf an jungen Lehrerinnen und Lehrern durch Lehramtsabsolventen in sächsischen Schulen abdecken. Wir steuern daher um. Aber das kann nun einmal nur schrittweise und im Rahmen unserer Möglichkeiten geschehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das ohne den Bezirkstarifvertrag für die Lehrer an Mittelschulen und Gymnasien hätte nicht so erfolgen können. Unter diesen Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung eines großen Teiles unserer Lehrerinnen und Lehrer ist auch nachvollziehbar, dass nur ein eng begrenzter Einstellungskorridor vereinbart werden konnte. Dass wir überhaupt einen Einstellungskorridor auch in den vom BTV betroffenen Schularten haben, ist Ausdruck der Solidarität und der Verantwortungsbereitschaft seitens unserer Lehrerschaft.

Aber das liegt naturgemäß ganz dramatisch unter den Zahlen, die für eine kontinuierliche Nachwuchsgewinnung und – ich sage es ganz deutlich – für eine gesunde Altersstruktur wünschenswert wären. In einer ähnlich schwierigen Situation befinden wir uns bei den Stellen für den Vorbereitungsdienst. Ich bin dem Hohen Hause dankbar – auch das hat Kollege Rohwer zum Ausdruck gebracht –, dass es im Rahmen der zurückliegenden Haushaltsberatungen die Zahl der Stellen für das Referendariat bzw. den Vorbereitungsdienst nochmals deutlich

erhöht hat. Dennoch werden wir im kommenden Schuljahr nicht allen Absolventen des ersten Ausbildungsabschnittes die unmittelbare Übernahme in das Referendariat bzw. in den Vorbereitungsdienst ermöglichen können. Diese Situation ist nicht befriedigend, und ich versichere Ihnen, dass ich im Rahmen des Haushaltsvollzuges alles unternehmen werde, um mögliche Spielräume im Interesse unseres Lehrernachwuchses zu nutzen.

Nun ist die Situation in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedlich. Das ist in der vergangenen Woche, ausgehend von der Abwerbekampagne BadenWürttembergs, deutlich ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt worden. Ich bin von dieser Kampagne nicht erfreut. Das habe ich auch deutlich gemacht.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Da werden Bedingungen geboten, bei denen wir als ostdeutsches Land bei rückläufigen Mitteln aus dem Solidarpakt nicht mithalten können. Die Kultusminister haben sich deshalb in der vergangenen Woche in Stralsund auf Eckpunkte verständigt. Kern ist eine stärkere länderübergreifende Abstimmung, die nicht nur am aktuellen Bedarf orientiert ist, sondern auf eine mittel- und langfristige Personalplanung zielt und auf einen fairen Umgang abstellt. Grundsätzlich sollen die Länder bei der Ausbildung zwar ihren eigenen Bedarf decken, aber wir leben nicht in der Kleinstaaterei. Mobilität ist eine Realität in einem freien Land und auch etwas Selbstverständliches. Insofern stehe ich zu diesem Wettbewerb im föderalen System, freilich einem Wettbewerb mit klaren und fairen Regeln. Um im Wettbewerb mithalten zu können, brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen, die Sachsen für Lehrkräfte attraktiv machen.

Seien Sie versichert, dass ich mich dazu bereits in einer intensiven Diskussion mit meinen Kollegen befinde. Mein Bestreben ist es, noch vor der Sommerpause konkrete, weitergehende Vorschläge zu unterbreiten. Bei allem Missfallen über die Abwerbung von jungen Lehrerinnen und Lehrern kommt es mir darauf an, möglichst konstruktiv damit umzugehen. In Baden-Württemberg geht es insbesondere darum, eine für wenige Jahre prognostizierte Bedarfsspitze abzudecken. Umgekehrt können und müssen wir in Sachsen schon in wenigen Jahren deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer einstellen als bisher. Deshalb will ich mit Baden-Württemberg zu einer Vereinbarung kommen, die jungen Lehrerinnen und Lehrern aus Sachsen Rückkehrmöglichkeiten eröffnet. Ich bin realistisch genug zu wissen, dass bei Weitem nicht alle, die sich auf den Weg nach Südwesten machen, diese Option auch nutzen werden; aber es wäre töricht, deshalb diese Option gar nicht erst zu eröffnen. Es gibt auch für junge Menschen eine Vielzahl persönlicher Motive für eine langfristige Zukunft in Sachsen.

Kurzum – wir akzeptieren die Mobilität in einem freien Land. Gerade deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, unseren Absolventen eine Perspektive in Sachsen aufzuzeigen. Wir wissen bereits heute, dass wir in fünf Jahren verstärkt gute und motivierte junge Lehrerinnen und

Lehrer brauchen. Daher möchte ich an dieser Stelle nachdrücklich für ein Lehramtsstudium in Sachsen werben. Insbesondere in Naturwissenschaften wird es darum gehen, den Nachwuchs zu sichern, damit wir unsere Spitzenposition in Deutschland qualitativ halten können. Ich möchte deshalb mit Einstellungszusagen bei Aufnahme des Studiums arbeiten. Mir geht es um Einstellungszusagen, die unseren Bedarf in verschiedenen Schularten und Fächern berücksichtigen und an einen entsprechend guten Abschluss gebunden sind.

Den Lehrerberuf attraktiv zu machen heißt auch, die Lehramtsstudiengänge zu stärken. Daher ist es mir ein außerordentliches Anliegen, das intensive Gespräch mit den Hochschulen zu suchen, und die Beschlüsse zur Lehrerbildung müssen konsequent umgesetzt werden. Ich werde nicht länger akzeptieren, dass die Lehrerbildung an Universitäten in Sachsen teilweise ein Schattendasein führt, gleichsam als fünftes Rad am Wagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage auch deutlich, dass Lehrerinnen und Lehrer bei der Qualität, die sie liefern, keine Akademiker zweiter Klasse sind und nicht so behandelt werden dürfen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Das Kultusministerium hat an die Zentren für Lehrerbildung und Schulforschung in Leipzig und Dresden jeweils sieben Lehrer abgeordnet. Nun erwarte ich auch von den Universitäten, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen. Ich mahne an, dass die Universitäten auch in Sachsen endlich die Vereinbarung zur Lehrerbildung umsetzen. Ich beobachte sehr wachsam und sehr kritisch, wie sich die praktischen Ergebnisse der reformierten Lehrerbildung darstellen. Stellt sich heraus, dass wir qualitativ oder hinsichtlich der Kapazitäten nachsteuern müssen, dann werden wir dies auch tun.

Meine Damen und Herren! Wir wollen in Sachsen auch und gerade in der Bildungspolitik weiter Erfolgskurs halten. Dazu brauchen wir unsere besten Köpfe nicht zuletzt als Lehrerinnen und Lehrer. Dieser Herausforderung stellen wir uns. Ich bitte Sie dabei weiter um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Nichts Konkretes, keine Lösung!)

Die CDU-Fraktion und die Linksfraktion sowie auch die NPD-Fraktion haben noch ein paar Minuten Redezeit. – Die Linksfraktion möchte reagieren. Frau Falken, bitte.