Beginn von Massenentlassungen von Leiharbeitern bei Qimonda, Infineon und BMW – Initiative für die zügige rechtliche Gleichstellung der Leiharbeitnehmer jetzt!
Es beginnt die einreichende Fraktion, die Linksfraktion, und es folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile Frau Abg. Lay das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es spricht vieles dafür, dass die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter die Ersten sein werden, die unter der Wirtschafts- und Finanzkrise leiden. Hier sind wir alle gefragt, hier ist die Politik gefragt, die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter zu schützen. Hier muss schnell gehandelt werden. Das ist für uns ein Anlass, dass wir heute auf die Beschlussfassung durch den Sächsischen Landtag nicht verzichten können.
Neben den Anmeldungen für Kurzarbeit war die Ankündigung von Massenentlassungen für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter die erste Reaktion vieler Unternehmer auf die Krise. Beispielsweise kündigte BMW in Leipzig die Entlassung von 700 Zeitarbeitern an; Infineon und Qimonda etwa in gleicher Größenordnung. Hinzu kommen die Entlassungen bei den Verleihfirmen selbst, weil es keine Aufträge mehr bei den Unternehmen gibt.
Meine Damen und Herren! Auch in Sachsen formiert sich gegen diese Entlassungswelle der Leiharbeiter Widerstand. Ich freue mich, dass die Gewerkschaften aktiv werden, sich viele dafür interessieren und unsere heutige Debatte verfolgen.
Leiharbeit, meine Damen und Herren, einst als Boombranche gefeiert, als Chance für den Arbeitsmarkt, wird jetzt zum Schleudersitz. Leiharbeit, wie sie derzeit geregelt ist, wird zum verantwortungslosen „hire and fire“ auf Kosten der Beschäftigten. Wir sagen als Linke ganz klar: Leiharbeit als Instrument, um Auftragsspitzen abzufedern, ist okay. Aber wir kritisieren, dass die derzeitige Regelung Lohndumping befördert und reguläre Beschäftigung verdrängt. Das tut sie, weil sie zeitlich zu wenig befristet ist und weil Leiharbeitnehmer viel geringere Löhne und Gehälter erhalten als regulär Beschäftigte. Leiharbeitnehmer sind faktisch Arbeitnehmer zweiter Klasse ohne Mitbestimmung, und das können wir nicht hinnehmen.
Meine Damen und Herren! Wieder einmal lässt die Große Koalition die Leiharbeiter im Regen stehen; nicht nur, dass das den Dax-Unternehmen abgehandelte Verspre
chen, dass Unternehmen angesichts der Krise auf Entlassungen verzichten sollen, nicht für Leiharbeiter gilt.
Erst am Mittwoch hat die Große Koalition halbherzig die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen beschlossen, aber die Leiharbeiter bleiben außen vor. Das ist skandalös, meine Damen und Herren, und zu Recht hat sich die Große Koalition damit den Zorn der Gewerkschaften zugezogen. Dabei hat die SPD mehrfach angekündigt, ihren Fehler zu korrigieren und die Deregulierung der Leiharbeiter rückgängig zu machen, zumindest in Sachsen. Ich darf Kollegen Brangs aus der Plenarsitzung vom 7. März 2008, in der er zu diesem Thema gesprochen hat, zitieren. Dort heißt es: „Die Probleme sind bei der SPD-Landtagsfraktion erkannt worden. Wir haben uns sehr ausführlich in unserer Klausur mit diesem Thema beschäftigt und mit unseren Koalitionspartnern gemeinsam die Gespräche darüber begonnen, sodass wir glauben, dass wir uns mit einem entsprechenden Antrag, der den Arbeitstitel trägt ‚Zur Eindämmung des Missbrauchs der Leiharbeiter’ diesem Thema widmen müssen.“
Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion hat lange gewartet, eine weitere Initiative zur rechtlichen Gleichstellung der Leiharbeiter einzubringen, weil wir hierzu die Initiative der Koalition erwartet haben. Nach einem knappen Jahr müssen wir feststellen, dass hierzu immer noch nichts passiert ist, deshalb sind wir mit dieser Initiative erneut aktiv geworden.
Meine Damen und Herren! Eigentlich würde es der Krise nicht bedürfen, um die dringend notwendigen Verbesserungen für die Leiharbeiter durchzusetzen, verdienen sie doch im Durchschnitt zwei bis drei Euro weniger als regulär Beschäftigte. Die Pläne, eine Lohnuntergrenze zu ziehen und dies gesetzlich zu verankern, sind auch beim DGB auf Kritik gestoßen. Der DGB hat es als inakzeptabel bezeichnet, dass die untersten Tarifabschlüsse als Lohnuntergrenze zum Maßstab genommen werden.
Meine Damen und Herren! Das fordert inzwischen selbst „Adecco“, die weltweit größte Zeitarbeitsfirma. Es kann nicht angehen, dass Menschen, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten, unterschiedlich bezahlt werden, und das nur, weil sie nicht zur Stammbelegschaft gehören. Hätte es dieser Krise nicht bedurft, so sollten Sie doch gerade jetzt angesichts der Krise handeln. Sie haben die Möglichkeit dazu.
Ein ganzer Stapel von Gesetzen wird im Zuge des Konjunkturprogramms im Schnellverfahren geändert werden müssen. Nutzen Sie die Möglichkeit, die EU-Richtlinie endlich umzusetzen, denn Sie wissen, dass die EU die Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahren auffordert, endlich die Bedingungen für die Leiharbeiter zu verbessern, weil sie in Deutschland von den Unternehmen nur benutzt wird, um Lohndumping zu betreiben.
Meine Damen und Herren! Dieser Aufforderung der EU sollten wir dringend nachkommen. Die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter unter bestimmten Bedingungen, wie es angekündigt ist, reicht angesichts der Krise bei Weitem nicht aus.
DIE LINKE fordert deshalb eine zeitliche Befristung des Einsatzes von Leiharbeitern, eine Beteiligung der Betriebs- und Personalräte – das müsste selbstverständlich sein –, und wir wollen die rechtliche Gleichstellung mit der Stammbelegschaft.
Damit wir uns ein exaktes Bild über die Situation machen können, muss die Staatsregierung unserer Ansicht nach schleunigst eine Analyse vorlegen: Wie hat es sich bislang entwickelt? Wo hat es bereits jetzt zur Verdrängung der Stammbelegschaft geführt? Und natürlich auch sehr wichtig: Was ist angesichts der Krise zu erwarten?
Meine Damen und Herren! Wer sich angesichts der aktuellen Krise noch nicht von der Idee verabschiedet hat, in der Deregulierung läge der Schlüssel für die Zukunft des Arbeitsmarktes, dem kann ich auch nicht weiterhelfen. Es hat sich in der Debatte um die Krise so mancher wieder die eine oder andere Kapitalismuskritik entlocken lassen, selbst die Kanzlerin. Auch hier in den Debatten zum Konjunkturprogramm habe ich entsprechende Stimmen vernommen.
Sie haben heute die Chance, Ihren starken Worten Taten folgen zu lassen und Fehler zu korrigieren. Die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise darf nicht auf Kosten der Leiharbeiter gehen. Wir brauchen gerade jetzt einen „Schutzschirm für die Schwächsten“, wie es das WSI empfiehlt. Stimmen Sie für unseren Antrag!
Wir lassen die Leiharbeiter nicht im Regen stehen, Frau Lay, aber mit Blick auf die Aktuelle Situation bei Qimonda halten wir eine Debatte zu dem vorliegenden Antrag nicht für zielführend. Deshalb gebe ich meinen Redebeitrag zu Protokoll.
(Beifall bei der CDU – Karl-Friedrich Zais, Linksfraktion: Was machen wir mit den Leiharbeitern von BMW?)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es in der Tat ein wichtiges Thema ist. Es geht nicht nur um Qimonda, sondern auch um BMW und um die Entwicklung der letzten Monate. Deshalb möchte ich ein paar Punkte aus der Sicht der SPD-Fraktion sagen.
Es ist richtig, dass wir leider Gottes beobachten müssen, dass durch die aktuelle Krise auf dem Arbeitsmarkt die Situation für die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer prekärer und schwieriger wird. Es ist ein Skandal. Man darf nicht hinnehmen, dass sofort die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen werden, die von den Leiharbeitsfirmen kommen. Natürlich mussten wir in der Vielzahl der Fälle in den letzten Wochen beobachten, dass eine solche Entwicklung eingetreten ist. Deshalb haben wir als Landtagsfraktion uns im letzten Jahr ganz klar dazu geäußert.
Ich zitiere aus unserer Pressemitteilung: „Die Massenentlassungen bei Leiharbeitsfirmen aufgrund von momentanen Schwierigkeiten der Automobilindustrie kritisiert die SPD-Landtagsfraktion scharf. Dieser Schritt ist nicht nachvollziehbar und zeugt von einer sozialen Verantwortungslosigkeit. Das jüngste Beispiel bei BMW Leipzig macht zum wiederholten Male deutlich, wie dringend Nachbesserungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nötig sind, denn die rechtliche Absicherung von LeiharbeitnehmerInnen ist weder zeitgemäß noch angemessen.“
Sie sehen also, dass wir als Fraktion uns in der Tat seit Längerem damit beschäftigen. Kollegin Lay hat darauf hingewiesen, dass wir als Landtagsfraktion die Initiative innerhalb der Koalition dafür ergriffen haben. Aber nicht nur die Fraktion in Sachsen hat sich dieses Themas angenommen, sondern auch der Parteitag der Sozialdemokraten in Hamburg hat einstimmig beschlossen – ich zitiere –: „Leiharbeit ist in vielen Betrieben ein sinnvolles Instrument zur Abdeckung von Auftragsspitzen und zur Reintegration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt. Wir müssen aber auch feststellen, dass es zu Fehlentwicklungen durch Lohndumping und durch Umgehung von Tarifverträgen gekommen ist. Wir wollen daher einen Mindestlohn für LeiharbeitnehmerInnen über die Einbeziehung der Leiharbeitsbranche in den Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes einführen.
Zweitens wollen wir das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz so ändern, dass nach einer angemessenen Einarbeitungs
zeit ohne Ausnahme für Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsbedingungen gelten wie für die Stammbelegschaft auch.“
Das macht deutlich, dass wir erkannt haben, dass wir handeln müssen, und dass in der letzten Zeit bei diesem Thema viel passiert ist. Deshalb möchte ich es nicht versäumen, darauf einzugehen, dass durch die Regelung der EU zum Thema Leiharbeit vom 22. Oktober 2008 die Verabschiedung einer Richtlinie auf den Weg gebracht wurde, in der das Europäische Parlament die Gleichstellung von Leiharbeitern mit Festangestellten in allen entscheidenden Arbeitsbedingungen vom ersten Tag der Beschäftigung an festgeschrieben hat. Damit ist es möglich – und das ist wichtig –, dass Zeitarbeiter besser vor Sozialdumping und schlechten Arbeitsbedingungen geschützt werden. Der Druck auf die Stammbelegschaft in den Betrieben wird somit nicht erhöht.
Es wird in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert. Ich habe die europäische Dimension und den Bereich des Landes dargestellt. Wir als Fraktion haben uns zu diesem Thema klar bekannt. Ich habe auf den Bund verwiesen. Als Drittes kann ich darauf hinweisen, dass sich die Koalition im Bund auf gesetzliche Regelungen zur Lohnuntergrenze für die Leiharbeitsbranche geeinigt hat. Insofern kann ich von dieser Stelle aus sagen, dass wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit der Forderung einer Lohnuntergrenze durchsetzen konnten.
Richtig und sinnvoll ist, dass man, wenn man über Konjunkturprogramme spricht, nicht die Menschen und Beschäftigten vergisst. Es ist richtig und gut so, dass bei den Verhandlungen zum Konjunkturpaket II genau der Bereich durchgesetzt werden konnte, der im Zusammenhang mit dem Thema Leiharbeit und Zeitarbeit steht. Damit haben wir als SPD auch im Bund eine Haltelinie nach unten etabliert. Ich denke, dass das ein großer Erfolg der SPD ist.
Mein Fazit zu diesem Antrag: Es macht wenig Sinn, Anträge zu schreiben, mit denen man das Wolkenkuckucksheim verspricht, die man aber nicht in konkrete Politik umsetzen kann. Wir handeln im Interesse der Menschen im Land und wir handeln im Interesse der Menschen im Bund. Wir machen eine Politik für die Menschen, die nachvollziehbar ist. Wir versuchen, im Rahmen des Möglichen dafür etwas zu tun.
Natürlich werden wir darauf drängen, gleiche Löhne für gleiche Arbeit in der gesamten Bundesrepublik durchzusetzen. Letztendlich ist für uns nach wie vor das Thema Mindestlohn das Top-Thema in der Auseinandersetzung. Davon werden wir nicht abrücken. Wir werden auch nicht davon abrücken, dass wir das Betriebsverfassungsgesetz ändern müssen, um die Bedingungen für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer anzufassen, damit hinreichende Mitbestimmung in den Betrieben möglich ist. In den vergangenen Monaten haben wir kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir darauf setzen werden, uns gegen die Interessen der Lobbyistengruppen im Bund durchzu
setzen. Wir fordern alle auf, endlich dahin zu kommen, dass es einheitliche gesetzliche Regelungen gibt, bei denen alle Menschen eine untere Haltelinie haben, damit sie von dem Lohn, den sie erhalten, leben können.
Als Letztes ein Hinweis zum Änderungsantrag der Linken. Unter Punkt 4 haben Sie einen Änderungsantrag eingebracht, in dem Sie auffordern, dass für die Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer, die bei Qimonda beschäftigt sind, Verhandlungen geführt werden sollen mit dem Ziel, Auffanglösungen zu finden und die Fortführung des Unternehmens und vor allem des Zentrums der Mikroelektronik am Standort zu sichern.
Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Dafür gibt es einen Wirtschafts- und Arbeitsminister. Er hat sich in den vergangenen Jahren genau dafür eingesetzt und das wird er auch zukünftig tun. Es gibt eine Staatsregierung, die versucht, die Mittel im Rahmen ihrer Möglichkeiten so einzusetzen, dass es nicht zum weiteren Abbau kommt. Es gibt einen Insolvenzverwalter, der eingesetzt wird und dessen Job es sein muss, Arbeitsplätze zu retten. Ich bin mir sicher, dass er das, zusammen mit unserem Wirtschafts- und Arbeitsminister, auch tun wird. Es gibt viele, viele Experten in den Ministerien, aber auch in den betroffenen Institutionen, die sich mit diesem Thema auskennen.
Wir brauchen keinen Antrag für die Galerie, der noch einmal das festschreibt, was ohnehin getan wird. Ich bin zuversichtlich und sicher, dass wir dabei zum Erfolg kommen. Deshalb ist dieser Antrag überflüssig.