Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aber auch klar sagen, was nichts mit Toleranz und Weltoffenheit zu tun hat. Da wende ich mich an die Nationalsozialisten hier im Hause. In einem „Kleinen Lexikon“, auf der Seite der jungen Nationaldemokraten, ist nachlesbar Ihr Menschenbild dargelegt.
Was das ist, Ihr nationalsozialistisches Menschenbild, darüber fabulieren Sie auch, es stünde auf einer biologischen Grundlage.
Gut, eine Frage. Sie wissen, in welchem Jahr die Nationaldemokratische Partei Deutschlands gegründet wurde?
Ich weiß, dass Ihr Parteivorsitzender davon gesprochen hat, dass in Ihrer Partei nationale Sozialisten mitarbeiten, und was ich aus Ihrem Programm weiß, ist ganz klar, dass Sie Nationalsozialisten sind.
(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Heftige, unverständliche Äußerung des Abg. Jürgen Schön, NPD)
Ich bitte Sie! Das ist doch kein Grund, sich hier so darzustellen! Ich bitte Sie jetzt, diese Diskussion von der Bank aus zu beenden.
Danke schön. – Wie gesagt, Sie verweisen auf Ihre Anthropologie. Sie verweisen auf Ihrer Internetseite auf einen „bedeutenden Anthropologen“, auf dem Sie Ihre Theoriegebäude aufbauen: Hans Friedrich Karl Günther, dort namentlich erwähnt. Wer war dieser Günther, auf den Sie sich beziehen? Es war ein Rasseforscher im Dritten Reich, auch „RassenGünther“ genannt. Ihr doch so „bedeutender Anthropologe“ hat die NS-Rassenpolitik begründet. Er war es, der den Grundstein gelegt hat, dass Juden, Zigeuner und Andersdenkende ermordet worden sind. Er war es, der den Grundstein gelegt hat für die Zwangssterilisierungen und Zwangsabtreibungen. Er war es, der den Grundstein dafür gelegt hat, dass die Würde der Menschen mit Füßen getreten worden ist.
Ihr „Rassen-Günther“ verlangte die „Siebung, Auslese und das Ausmerzen“ von Menschen. Das ist das, was Ihr Günther gefordert hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der NPD, dieses Menschenbild ist rassistisch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das im Thema der Debatte enthaltene Ziel, dass Sachsen ein demokratisches, ein tolerantes und ein weltoffenes Land sein soll, teilen wir als PDS-Fraktion ausdrücklich.
Natürlich – das ist eben zum Ausdruck gekommen – teilen wir auch die Sorge der demokratischen Kräfte, dass durch das Erstarken der NPD und durch deren Einzug in den Landtag Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz ernsthaft gefährdet werden könnten. Ich sage auch ganz klar: Wir als PDS wollen und werden unseren Beitrag dazu leisten, dass es den Neonazis nicht gelingt, diesem Land einen braunen Stempel aufzudrücken.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch jenseits der NPD Defizite in diesem Land, Dinge über die man auch im Rahmen einer solchen Debatte sprechen muss.
Wie ist es denn tatsächlich um Demokratie und Toleranz hier in Sachsen bestellt? Vierzehn Jahre absolute CDUMehrheit haben einen fast undurchdringlichen schwarzen Filz und Vetternwirtschaft hinterlassen. Paunsdorf, eine aus Steuermitteln finanzierte Wahlkampagne der CDU unter dem Tarnnamen „Sachsen für Sachsen“ und seit Monaten nun auch die Affären um die Sächsische Landesbank seien nur als drei Stichworte genannt. Wenn die Opposition dann ihrem verfassungsgemäßen Auftrag nachkommt und die Regierungstätigkeit kontrollieren will, dann wird gemauert, vertuscht und verschwiegen. Die Zeit reicht nicht aus, all die Beispiele zu nennen.
Ich frage: Wie steht es um Demokratie und Toleranz, wenn nahezu alle vernünftigen und konstruktiven Vorschläge der parlamentarischen Opposition in unschöner Regelmäßigkeit von der Mehrheitsfraktion abgelehnt wurden
und der Verfassungsgerichtshof gleich dutzendfach einschreiten musste, weil CDU und Regierung die Landesverfassung immer wieder missachtet und gebeugt haben?
Zugleich sind die Hürden für das Volksgesetzgebungsverfahren so hoch, dass Volksentscheide so gut wie unmöglich sind.
Wie steht es um Demokratie und Toleranz, wenn in diesem Land immer noch die unsäglichen Meyerschen „Schwarzen Listen“ kursieren, in denen die Namen von mehr als 800 sächsischen Wissenschaftlern enthalten sind, die de facto auf Lebenszeit Berufsverbot haben?
Meine Damen und Herren, nennen Sie mir noch ein einziges Land in Europa, in dem es möglich ist, dass der Oppositionsführer und Spitzenkandidat einer Partei mitten in der Hochzeit des Wahlkampfes von der Regierung fristlos gekündigt worden ist!
Ein weiteres Beispiel: Kürzlich wurde in Chemnitz zum zweiten Mal ein PDS-Vertreter zum Bürgermeister ge
wählt. Vor einigen Jahren wurde dem Kämmerer, der vom Stadtrat gewählt worden war, die Ernennung zum Wahlbeamten aus fadenscheinigen Gründen versagt.
Jetzt wurde mit Heidemarie Lüth eine kompetente und anerkannte PDS-Politikerin zur Sozialbürgermeisterin gewählt. Inzwischen, seit dieser Wahl durch den Stadtrat, sind sieben Wochen vergangen, meine Damen und Herren, ohne dass die offizielle Amtseinführung erfolgt wäre. Angeblich müsse man die persönliche Eignung der Gewählten noch überprüfen.
Angesichts dessen, dass Frau Lüth acht Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages war, fraktionsübergreifend anerkannt als Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages,
(Heinz Eggert, CDU: Worüber reden wir denn hier eigentlich?! – Peter Wilhelm Patt, CDU: Schlimm genug!)
und wir fordern die sofortige Einsetzung der Gewählten in ihr Amt – auch das hat mit Demokratie zu tun.
ohne Prüfung, ohne Vorliegen der Unterlagen, wenige Minuten nach ihrer Wahl durch den Oberbürgermeister die Ernennungsurkunde bekommen haben. Nur bei der PDS meint man prüfen zu müssen, und die Wahl des Stadtrates wird nicht akzeptiert. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, ich frage auch: Was ist tolerant oder gar weltoffen, wenn die Trennung zwischen Staat und Kirche in Sachsen immer mehr aufgeweicht und im Schulgesetz eine einseitige Orientierung auf die Traditionen des europäischen Christentums vorgenommen wird? Auch hier werden sicher die Verfassungsrichter noch zu sprechen haben. Es ist zur Weltoffenheit in der gestrigen Debatte zum Tourismus schon einiges ausgeführt worden; ich will das nicht wiederholen.
Ich darf aber in Erinnerung rufen, dass es ausländerfeindliche Pogrome bei uns hier in Sachsen, in Hoyerswerda gab. Es gab einen Runden Tisch gegen Gewalt, vom Landtagspräsidenten einberufen, der viele gute Vorschläge gemacht hat – zur Prävention, zur Jugendarbeit –; alle sind sie über den Haufen geworfen worden, alle