Sie haben das Beispiel Großbritannien eben gehört. In anderen Ländern, in Großbritannien beispielsweise, ja, in neun von den 15 alten EU-Staaten gibt es Mindestlöhne. Auch in Großbritannien gibt es einen Mindestlohn. Unser EU-Kommissar Herr Verheugen hat der Regierung kürzlich Folgendes ins Stammbuch geschrieben: Wenn wir einen Mindestlohn hätten, bräuchten wir bestimmte Diskussionen nicht zu führen.
Das Schlimme an der Agenda 2010 ist, dass sie letztendlich in allen Stufen in einer großen Koalition von RotGrün und Schwarz-Gelb durchgeführt wurde, und unser Ministerpräsident Herr Milbradt hat im Vermittlungsausschuss in den gesamten Verhandlungen diese Dinge mitgetragen. Zum Teil wurden sie durch ihn noch verschärft. Ich wünsche mir – und deshalb führen wir heute die Debatte –, dass CDU und SPD aus Sachsen heraus ein anderes Zeichen senden können.
Wenn wir heute in der Presse lesen: Merkel oder Schröder – wer hat denn nun die besseren Konzepte?, dann sind die Unterschiede doch nur marginal. Ein Konzept haben sie beide nicht. Greifen Sie die Anregungen auf, die wir Ihnen in unserer Agenda Sozial auf den Tisch gelegt haben, dann können Sie tatsächlich sowohl auf die Parteivorsitzende als auch auf den Regierungschef einwirken, und dann könnten wir in der Diskussion einen neuen Ansatz wagen, weg von der falschen Entwicklung, in der wir uns ökonomisch, bildungspolitisch als auch sozial befinden!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vieles von den unterschiedlichen Fraktionen zur Agenda 2010 gehört, beantragt durch die PDS-Fraktion. Sie verweisen hier auf Ihre soziale Agenda, haben hier am Pult jedoch nur Dinge herausgegriffen, die vielleicht nicht ganz so optimal laufen. Wir haben hier schon sehr ausgiebig über einzelne Faktoren diskutiert: Hartz IV, Gesundheitsreform und vieles mehr. Sicher lässt sich das eine oder andere nicht so ungestüm umsetzen, wie wir es uns vielleicht vorgestellt hätten. Aber was wäre geschehen, wenn wir keine Reformen eingeleitet, alles so gelassen hätten, wie es war, und uns auf Ihre Vorschläge eingelassen hätten?
Man kann natürlich bewusst Ängste schüren und die Menschen in dem Glauben lassen, es sei alles wunderbar und wir lebten in einem sozialen Umfeld, das so bleiben kann, wie es jetzt ist. Das ist leider nicht so. Aber – und ich hätte es mir gewünscht, dass es von Ihnen, von der PDS, kommt – viele Mittel, die ebenfalls Bestandteil der
Agenda 2010 sind, werden auch von Ihrem Oberbürgermeister und den Bürgermeistern abgerufen, zum Beispiel beim genannten Projekt der Ganztagsschulen.
Da frage ich mich wirklich, warum Sie es in Anspruch nehmen. Das wäre der Schritt in die richtige Richtung: indem wir nämlich Dinge nach vorn bringen, die auch gewollt sind. Denn wir wissen sehr wohl – und das ist hier vorn angeklungen –, dass Bildung entscheidend und notwendig ist, um zukunftssicher zu sein, und diesen Weg beschreiten wir.
Nehmen wir aber auch noch mal die Gesundheitsreform: Ja, dort haben wir Erfolge zu verzeichnen und wir können gemeinsam stolz darauf sein, dass wir die Krankenkassenbeiträge senken können. Das ist dann aktive Arbeitsmarktpolitik;
Nehmen wir zum Beispiel die Gesundheitskarte heraus. Auch diese ist Bestandteil der Gesundheitsreform und Bestandteil der „Agenda 2010“. Unsere Sozialministerin hat ein wunderschönes Blatt zu dieser Gesundheitskarte herausgebracht, um Doppeluntersuchungen vorzubeugen. Das ist der richtige Weg. Hier geht es auch nicht um den „gläsernen Patienten“, es geht eben darum, dass nicht der praktische Arzt den Patienten röntgen lässt, dieser dann zum Facharzt überwiesen und noch einmal untersucht wird und auch die Blutuntersuchung doppelt gemacht wird. All diesen Dingen wollen wir vorbeugen.
Da können Sie – in der vordersten Reihe – schon den Kopf schütteln. Es geht nicht um die Belastung der Patienten, Herr Prof. Porsch. Im Gegenteil, das ist keine Belastung der Patienten, sondern das ist einfach die Ehrlichkeit, die man von einem Patienten erwarten kann.
Leider ist das oftmals nicht ganz so freudig passiert – oder auch bei den Ärzten, egal, von welcher Seite.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir noch weitere Dinge aus diesem Reformpaket heraus, wie Stärkung der Bildung und Schaffung von Kita-Plätzen. All das tun wir im Freistaat Sachsen und wir gehen da offensiv nach vorn. Gerade mit dem Haushalt, der eingebracht wurde, untersetzen wir auch von unserer Seite, was für die Zukunft erforderlich ist.
Wir sollten als Hohes Haus die Leute nicht glauben machen, wie ich eingangs gesagt habe, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Das ist nicht redlich.
(Beifall bei der CDU, des Abg. Martin Dulig, SPD, vereinzelt bei der FDP und bei der Staatsregierung)
Vielmehr sollten wir Ehrlichkeit an den Tag legen und sollten nach vorn schauen, dieses Reformpaket durch seine Höhen und Tiefen tragen und sollten darum bemüht sein, sicherlich an der einen oder anderen Stelle Veränderungen anzubringen, aber nicht so, dass wir alles nur negieren und gegen die Wand laufen lassen. Das ist keine ehrliche Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wer macht denn so etwas?)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Weiss, gerade weil wir in Ländern noch in Regierungsverantwortung sind, weil PDS-Senatoren in der Monitoringgruppe zu Hartz IV sind, gerade deswegen können wir uns mit der Agenda 2010 nicht zufrieden geben, weil wir in den Ländern eben konkret die Auswirkungen zu spüren bekommen haben. Herr Weiss, Sie haben angemahnt, die PDS solle konkrete Konzepte bringen. Vielen Dank, Herr Weiss, für den kleinen Werbeblock. Der eine oder andere in diesem Haus hat das Material schon. Ich habe aber für alle Fälle, falls es immer noch Abgeordnete gibt, die an dem Feindbild, die PDS habe keine Konzepte, wider besseres Wissen festhalten möchten, noch einmal einen ganzen Stapel unserer Agenda Sozial mitgebracht.
Herr Weiss, Sie haben gesagt, wir würden dort weitermachen, wo die DDR aufgehört habe. Nein, wir Demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten, wir wollen eben nicht zurück zur DDR. Wir wollen auch nicht im paternalistischen Sozialstaat einfach verharren. Wir wollen tatsächlich im 21. Jahrhundert die Sozialsysteme grundlegend verändern. Die Frage ist aber, in welche Richtung wir gehen, und die Schritte, Herr Rasch, müssen nicht einfach nur mutig sein, sondern sie müssen schon in die richtige Richtung gehen. Wir stellen mit
unserer „ Agenda Sozial“ die Menschen in den Mittelpunkt und deswegen gehen wir von anderen Leitbildern aus als die Agenda 2010. Wir wollen eine Umverteilung von oben nach unten.
Wir wollen, dass die Welt der Arbeit dort, wo Werte erarbeitet werden, vor Willkür geschützt wird. Wir wollen natürlich auch ein Mehr an Selbstbestimmung, denn am Ende ist das die reale Freiheit, die Freiheit, über sein Leben selbstbestimmt entscheiden zu können.
Herr Morlok, Sie haben die FDP als Zukunftspartei gepriesen. Aber Ihre Rezepte riechen so sehr nach neoliberaler Mottenkiste, dass Sie eigentlich ständig am Niesen sein müssten.
Wir lösen nämlich das große Problem Arbeitslosigkeit nicht mit den abgenutzten Instrumenten des Neoliberalismus. Nein, wir müssen endlich herangehen an die Umverteilung der vorhandenen Erwerbstätigkeit durch Arbeitszeitverkürzung. Herr Weichert, ich finde es paradox und möchte mich nicht damit abfinden, dass die einen, die Arbeit haben, gestresst sind, weil sie aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust immer mehr Überstunden hinnehmen müssen, währenddessen das immer größer werdende Heer der Arbeitslosen immer verzweifelter nach einem Arbeitsplatz sucht.
Um Arbeit aufzuteilen, um sie gerechter aufteilen zu können, brauchen wir eine Arbeitszeitverkürzung.
Was dieses Land noch braucht, ist eine Stärkung der Binnenkaufkraft. Ein Großteil der Arbeitsund Ausbildungsplätze wird durch die kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen. Aber gerade diese sind auf die Binnenkaufkraft angewiesen.
Nur ein Beispiel: In Pieschen, dem Viertel, in dem ich wohne, gibt es eine Einkaufsstraße, die früher sehr beliebt war. Jetzt führt mich mein Einkaufsweg immer häufiger an leeren Schaufenstern vorbei, weil den Menschen das Geld zum Ausgeben fehlt, ja, einfach das Geld für einen Frisörbesuch zum Beispiel.
Insofern ist ein gesetzlich garantierter Mindestlohn, eine unserer Vorstellungen, nicht nur gesamtwirtschaftlich sinnvoll, weil er gegen den freien Fall hilft, sondern er hilft auch noch den lohnabhängig Beschäftigten. Wir sagen in der Agenda Sozial auch Ja zu einer sozialen Grundsicherung in Höhe von 750 Euro. Das ist kein Almosen, worum wir bitten, nein, das ist einfach nur europäischer Standard. Das ist das Mindeste, was jedem Menschen zusteht, um ihm ein Leben jenseits der Armut zu ermöglichen.
Natürlich muss all das finanziert werden. Deswegen haben wir als PDS ein alternatives Steuerkonzept ausgearbeitet. Wir wollen allerdings mit unserem Steuerkon