Protocol of the Session on January 22, 2009

(Beifall bei der CDU)

Der Bürger hat ein Recht auf Vertrauen in die Justiz. Wir als Abgeordnete stehen in Verantwortung, dieses Vertrauen einzufordern oder zu prüfen. Sollte es den Anschein geben, dass es dabei Probleme gibt, ist es im Interesse der CDU-Fraktion, dies entsprechend aufzuklären.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Dennoch frage ich den Einreicher, ob das Thema heute Anlass für eine Aktuelle Debatte sein kann. Sie fragen natürlich: Warum?

Derzeit sind wir doch im parlamentarischen Verfahren. Wir behandeln zurzeit den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss hat seine Mitberatung bereits durchgeführt. Am 24. November 2008 hat der Staatsminister der Justiz, Herr Mackenroth, seinen Bericht im Ausschuss, wie von der einreichenden Fraktion und von uns allen gewünscht, gegeben. Im Anschluss wurde Frau Hauser befragt. Sie hat erklärt, dass sie den damaligen Leiter der Staatsanwaltschaft Bautzen telefonisch über die ihr bekannten Vorwürfe gegen einen Staatsanwalt informiert und ihn gebeten hat, für ein ordnungsgemäßes Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bautzen ohne Ansehen der Person des Beschuldigten Sorge zu tragen und zur Deeskalation beizutragen.

Sie hat auch angegeben, in einem zweiten Telefonat beim gleichen Behördenleiter nachgefragt zu haben, ob er sich in diesem Sinne der Sache angenommen habe, und dieser habe dies bejaht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Sachstand. Es gab danach im Ausschuss durchaus kritische Fragen an das Staatsministerium der Justiz, die vom Staatsminister Mackenroth sowie von Frau Hauser entsprechend beantwortet wurden. Ich gehe davon aus, dass alle die Möglichkeit hatten, diese kritischen Fragen im Ausschussverfahren nochmals entsprechend nachzufragen. Wir haben uns dann im Rechtsausschuss darauf verständigt, dass das Verfahren im Innenausschuss, der federführend ist, weitergeführt und erst danach eine abschließende Entscheidung getroffen wird. Deshalb verwundert mich, dass Sie heute hier eine Aktuelle Debatte auf den Weg gebracht haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile das Wort der Fraktion der SPD. Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder sächsische Schüler lernt im Unterricht, wenn er es nicht schon von zu Hause mitbekommen hat – was natürlich der Idealfall wäre –, die Grundprinzipien unseres Rechtsstaates, die Gewaltenteilung und damit natürlich auch die Unabhängigkeit der Justiz und ihrer Einrichtungen zu verstehen. Theoretisch zumindest. Nur die Theorie allein hilft uns nicht viel weiter, denn der Rechtsstaat funktioniert nicht von sich aus, indem man ihn beispielsweise früh einschaltet, wenn man aufsteht, sondern er muss gelebt werden, und zwar täglich aufs Neue.

Er muss gelebt werden hier im Parlament, von der Rechtsprechung und natürlich im besonderen Maße von der Staatsregierung als oberstem Vertreter der Exekutive. Alle, die ich genannt habe, haben einen Eid darauf geleistet, dass sie den Rechtsstaat verteidigen. Wir tun das, weil die Bürger ein Recht auf funktionierende staatliche Institutionen haben. Dabei ist das Bestehen einer unabhängigen, unparteiischen Rechtsprechung nicht nur elementarer Kernbestandteil des Rechtsstaatsprinzips, nein, die richterliche Unabhängigkeit ist zugleich Garantie und Symbol für Wahrheit, Freiheit, für die Achtung der Menschenrechte und eine unparteiische Justiz ohne Beeinflussung von außen. Dabei darf die Unabhängigkeit der Richter nicht als Vorrecht oder Privileg verstanden werden, das ihnen in ihrem eigenen Interesse eingeräumt wird. Genau wie der uns Abgeordneten gewährte Schutz vor Strafverfolgung kein persönliches Vorrecht ist, sondern der Funktionsfähigkeit des Parlamentes insgesamt dient, wird die richterliche Unabhängigkeit im Interesse der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere im Interesse der Rechtsuchenden garantiert.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie ist Voraussetzung für die Unparteilichkeit der Richter und garantiert erst die Gleichheit aller Bürger vor dem Gericht.

Der Ausgangssachverhalt, den Kollege Bartl hier ausführlich erläutert hat und zu dem es auch einen Antrag der Fraktion GRÜNE gibt – er stammt aus dem Jahr 2004/2005 –, dem wir uns natürlich auch noch im Innenausschuss widmen werden, wirft schon einige Fragen auf, die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Sachverhalt stehen, aber die natürlich auch im Zusammenhang mit der größeren Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz insgesamt stehen.

Fragen, die sich hier stellen und denen wir uns stellen müssen:

Ist die sächsische Justiz aktuell ausreichend vor Einflussnahme geschützt oder gibt es hier nicht etwa doch Handlungsbedarf?

(Jürgen Gansel, NPD: Letzteres!)

Welchen Einfluss haben Vorgänge wie dieser, über den wir heute reden, auf das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit, in der Bevölkerung?

Ist es noch zeitgemäß, allein der Exekutive Personalentscheidungen zu überlassen, also die Entscheidung, wer Richter wird und welche Richter wann und wie befördert werden?

Ist es vielleicht nicht sogar an der Zeit, ernsthaft über die Einführung der Selbstverwaltung der Justiz zu diskutieren, um so einer Vielzahl europäischer Länder zu folgen, wo dieses Konzept bereits umgesetzt ist?

Aus Sicht der SPD-Fraktion beinhaltet Unabhängigkeit auch Selbstverwaltung und damit verbunden Mitbestimmungsrecht. Deswegen will ich an dieser Stelle auch noch einmal an die Novellierung des Sächsischen Richtergesetzes erinnern, wo wir mehr Mitbestimmung für die Richterschaft im Freistaat Sachsen erreicht haben. Wir haben das im Dezember beschlossen. Das ist noch lange nicht das Niveau, das wir uns vorstellen. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen folgen.

Wir haben bereits im Koalitionsvertrag vom November 2004 die Frage der Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften geregelt. Erlauben Sie mir, dass ich diesen einen Satz aus dem Koalitionsvertrag hier noch einmal zitiere: „Die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften nimmt der Staatsminister der Justiz über den Generalstaatsanwalt wahr.“ Wir gehen davon aus, dass diese Vereinbarung nach wie vor Gültigkeit besitzt und dass sie auch umgesetzt wird. Wenn es aber so ist, dann muss man sich tatsächlich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob dieser Grundsatz: „nur über den Generalstaatsanwalt“ in jedem Fall eingehalten wird. Da kann es eben nicht sein, dass direkte Telefonate aus dem Ministerium zu einem dienstvorgesetzten Staatsanwalt geführt werden,

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

ein bestimmtes Ermittlungsverfahren und einen bestimmten sachbearbeitenden Staatsanwalt betreffend, ohne dass zumindest ein schriftlicher Vermerk dazu angefertigt wurde. Eines ist klar: Es muss von vornherein jedweder Verdacht einer Einflussnahme der Politik auf die Rechtsprechung zerstreut werden, um das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat nicht weiter zu gefährden. Wir wissen, wie es um die Zustimmung zur funktionierenden Demokratie in der Bevölkerung bestellt ist.

Für das Handeln der SPD-Fraktion hat das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat oberste Priorität. Wir müssen weiter gesetzlich tätig werden; Stichworte hatte ich genannt: Selbstverwaltung, Mitbestimmung. Wir müssen aber auch alle unser eigenes Handeln ständig kritisch hinterfragen. Auch das gehört zu einer funktionierenden Demokratie. Das gilt für die Mitglieder der Staatsregierung, für die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung, für die Richter und Staatsanwälte, aber ebenso auch für uns als Abgeordnete.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der NPDFraktion. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2002 beklagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, dass sich die deutsche Justiz „im Würgegriff der Politik“ befinde. Er forderte eine „klarere Trennung zwischen Justizministerium und Recht sprechender Gewalt“. Mit Bedauern sehe er, „wie sehr der Respekt der Gewalten voreinander schwindet“. Unter dem Eindruck des Anschlages vom 11. September befürchtete der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes sogar noch eine weitere Aushöhlung der Gewaltenteilung.

Damals wehrte sich der Richterbund gegen die in der Diskussion befindliche Auflösung der eigenständigen Landesjustizministerien, weil dann die für Parteipolitik anfälligeren Innenministerien für die Richter und Staatsanwälte zuständig seien. Nach Auffassung der Richter sollten die Justizministerien bestehen bleiben, weil sie bei Stellenbesetzungen mehr Wert auf parteipolitische Neutralität legen würden.

Die eben zitierten salbungsvollen Worte über Rechtstaatlichkeit und Gewaltenteilung aus dem Jahr 2002 stammten übrigens von Geert Mackenroth, der damals Vorsitzender des Deutschen Richterbundes war. In schlechtester Konrad-Adenauer-Tradition scheint ihn sein Geschwätz von gestern aber nicht mehr zu interessieren, denn Herr Mackenroth hat mittlerweile die Fronten von der Justiz zur Politik gewechselt. Er ist gewissermaßen vom Gewürgten zum Würger geworden, wenn man an seinen Ausspruch von der Justiz im Würgegriff der Politik denkt.

Die Gewaltenteilung ist aber der Kern einer jeden rechtsstaatlich verfassten Volksherrschaft. Deshalb wird sie selbst von denen wie eine Monstranz vor sich hergetragen, die sich den Staat zur Beute ihrer Parteiinteressen gemacht und Gewaltenverschränkung an die Stelle von Gewaltenteilung gesetzt haben.

Nicht ohne Grund entwickelte Montesquieu im 18. Jahrhundert die Lehre von der Gewaltenteilung, weil er von der „ewigen Wahrheit“ der Korrumpierbarkeit des Menschen durch Macht ausging. Wenn man die Verhältnisse im sächsischen Justizministerium betrachtet, muss man dieser vor Jahrhunderten geäußerten Befürchtung recht geben.

Vordergründig diskutieren wir heute einen Fall aus dem Jahr 2005, bei dem es um eine versuchte Strafvereitelung durch einen hohen Beamten des Justizministeriums im Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt geht. In Wirklichkeit geht es um eine ganze Kette von Vorfällen, die zeigen, wie wenig eine Justizstaatssekretärin und ihr Ressortminister von der Unabhängigkeit der Justiz halten.

Nach Auffassung der NPD-Fraktion steht der Name Mackenroth längst für die Arroganz der Macht und die Indienstnahme des Justizapparates für persönliche und parteipolitische Interessen. Dazu gehört, die eigene Klientel vor Strafverfolgung zu bewahren und etwa die Aufklärung korruptiver Netzwerke mit den Mitteln des Ministeriums zu behindern.

Nicht zuletzt geht es darum, die Hauptgegnerin des etablierten Parteienkartells, nämlich die NPD, durch die Instrumentalisierung der Justizorgane in ihren grundgesetzlich garantierten Rechten zu beschneiden und ihre Funktionäre zu kriminalisieren.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich denke da zum Beispiel an den selbsternannten NaziJäger Jürgen Schär von der Staatsanwaltschaft Dresden, der unaufhörlich daran arbeitet, den früheren deutschen Rechtsstaat in einen antideutschen Linksstaat zu verwandeln.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Erst kürzlich ordnete Herr Schär Hausdurchsuchungen an und leitete willkürlich Ermittlungsverfahren wegen „Verunglimpfung des Staates“ ein, weil NPD-Anhänger am Rande einer politischen Veranstaltung Papierschnipsel mit dem harmlosen Aufdruck „Freiheit statt BRD“ verteilten. Diese Papierschnipsel haben allen Ernstes zu Hausdurchsuchungen und zur Beschlagnahme von privaten Computern geführt. Indem Jürgen Schär wie ein Inquisitor national gesinnte Deutsche verfolgt, zeigt er, dass die Meinungsfreiheit in diesem Staat nur noch auf dem Papier steht.

Doch zurück zum Fall Gabriele Hauser. Die Staatssekretärin muss sich mittlerweile so einiges vorwerfen lassen, und da ist der Spottname „Königskobra“ noch das Harmloseste. Der Berufsverband der Richter wirft Frau Hauser willkürliches und interessegeleitetes Handeln bei Beförderungen und Versetzungen vor. Ganz offen wird die Staatssekretärin mittlerweile als Fehlbesetzung gehandelt, und das durch die Neue Richtervereinigung genauso wie durch den konservativeren Berufsverband. Das zeigt, dass das Verhältnis zwischen der Führungsebene des Justizministeriums und den Berufsverbänden der Richter und Staatsanwälte beschädigt, wenn nicht zerrüttet ist.

Es ist ja auch skandalös, dass die Staatssekretärin Hauser am 31. Mai 2007, als schlimmste Verdachtsmomente über kriminelle Netzwerke im Raum standen, Richtern und Staatsanwälten unverblümt erklärte, dass die Ermittlungen im Sachsensumpf sowieso zu nichts führen würden. Damit versuchte sie die Ergebnisoffenheit staatsanwaltschaftlichen Handelns zu unterlaufen. Einflussnahme scheint bei der Frau aber Methode zu haben, wie die versuchte Strafvereitelung im Zusammenhang mit der schon erwähnten Trunkenheitsfahrt in Bautzen zeigt. Es mag ja in der Demokratischen Republik Kongo oder in Burkina Faso so sein,

Bitte zum Schluss kommen.

dass sich eine Staatssekretärin per Telefon um das ordnungsgemäße Verfahren einer ihr untergeordneten Staatsanwaltschaft bemühen muss; in einem Rechtsstaat ist ein solches Verfahren allerdings sehr unüblich und sollte Aufgabe der Dienstaufsicht sein.

Der Dresdner Oberstaatsanwalt Avenarius meinte, dass das Verhalten der Staatssekretärin „zwangsläufig den bösen Anschein einer Einflussnahme erweckt“.

Jetzt bitte zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss. – Die Presse sprach von einer Bananenrepublik und einem Bananenressort. Nach unserer Auffassung sollte Minister Mackenroth endlich für Ordnung in seinem eigenen Haus sorgen und damit seinen Beitrag für eine funktionierende Gewaltenteilung leisten.

(Beifall bei der NPD)