außerhalb des Staates verfolgen. Darum schließen wir uns den Gesetzesvorschlägen der GRÜNEN an, generell die Widerspruchslösung durch die Einwilligungslösung zu ersetzen. Gleichzeitig sind wir uns aber durchaus der Tatsache bewusst, dass die überfällige Änderung des Sächsischen Meldegesetzes unsere Probleme im Datenschutz noch nicht löst. Hier ist ein komplexes Bündel von Maßnahmen erforderlich. Wir haben einen Vorschlag mit unserem eingangs genannten Antrag zum Selbstdatenschutz in der Drucksache 4/1356 unterbreitet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben ja in einer sogenannten Informationsgesellschaft. Ein sehr sensibles Thema in diesem Zusammenhang sind natürlich die sensiblen persönlichen Daten der Bürger, der Umgang mit diesen Daten, insbesondere die Speicherung und Weitergabe. Es muss sichergestellt sein – darin sind wir uns alle einig –, dass der Staat höchstpersönliche Daten nur mit entsprechender Rechtsgrundlage sammelt und verwendet.
Natürlich muss die Einhaltung der entsprechenden Rechtsvorschriften auch kontrolliert werden. Das wiederum kann nur funktionieren, wenn entsprechende Kontrollorgane ausreichend mit personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass sich die Koalitionsfraktionen in den Haushaltsberatungen erfolgreich dafür eingesetzt haben, dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten mehr Personal und mehr finanzielle Mittel zukommen zu lassen, damit kontrolliert werden kann, dass öffentliche und nicht öffentliche Stellen im Freistaat Sachsen nur auf gesetzlicher Grundlage personenbezogene Daten sammeln, nutzen und übermitteln.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat die Änderung ebensolcher gesetzlicher Grundlagen zum Ziel. Dabei ist die Intention, die sich dahinter verbirgt, durchaus nachzuvollziehen. Aber die Art und Weise – Kollege Piwarz hat ja schon darauf hingewiesen –, wie Sie in der Diskussion die Skandale des letzten Jahres über den illegalen Handel mit Adress- und Kontodaten im Bereich der Telefonwerbungsindustrie mit der rechtmäßigen Tätigkeit der sächsischen Meldebehörden in Verbindung bringen, hinterlässt bei mir mehr als einen faden Beigeschmack. Das ist in der Tat unredlich.
Die Meldebehörden des Freistaates Sachsen handeln auf gesetzlicher Grundlage, die sich im Melderechtsrahmengesetz des Bundes und im Sächsischen Meldegesetz findet. Es ist durchaus fraglich, ob sie die vorgesehenen Änderungen hier in dieser Form überhaupt treffen können. Es ist bereits mehrfach erwähnt worden, dass mit der Föderalismusreform das Meldewesen in die ausschließli
che Gesetzgebungskompetenz des Bundes übergegangen ist. Der Bund hat von dieser Gesetzgebungskompetenz zumindest bis heute noch keinen Gebrauch gemacht. Deshalb gilt auch das Melderechtsrahmengesetz des Bundes fort. Nur in diesem Rahmen bestehen nach wie vor die Gesetzgebungskompetenzen der Länder weiter. Also muss Landesrecht auch weiterhin mit dem Rahmenrecht des Bundes vereinbart sein, bis es von der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes abgelöst wird.
Kern des Gesetzentwurfes ist eine Abkehr vom Widerspruchsprinzip, hin zum Einwilligungsprinzip. Ich darf darauf hinweisen, dass zahlreiche andere Regelungen des Melderechtsrahmengesetzes ebendieses Widerspruchsprinzip vorsehen und bisher keine Signale vorliegen, dass sich der Bund auch künftig von dem Widerspruchsprinzip abkehren will.
Deshalb würde es sich hier in der Tat um einen Systemwechsel handeln, bei dem wir erhebliche Zweifel haben, ob er mit der Rahmengesetzgebung des Bundes vereinbar ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über das Ausmaß, das die missbräuchliche Verwendung von personenbezogenen Daten inzwischen in Deutschland erreicht hat, braucht man nicht mehr zu spekulieren. Der Skandal von 17 000 in die falschen Hände eines Callcenters geratenen Bankkundendaten, der scheinbar die Initialzündung dieses Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war, ist in der Zwischenzeit um Größenordnungen in Millionenhöhe erweitert worden. Insbesondere die Telekom sorgte dafür, dass neben der Finanzkrise die missbräuchliche Weitergabe von Daten unter Bruch des Datenschutzgesetzes einer der medialen Dauerbrenner des Herbstes 2008 gewesen ist. Wen wundert es, dass man in einem politischen System, das den Menschen nur noch als Konsumenten wahrnimmt, mit dessen persönlichen Daten Kasse machen will?
Skandalös aber wird es, wenn der Staat, der den Bürger zwingt, seinen Behörden wichtige persönliche Daten zu offenbaren, diese dann zu kommerziellen Zwecken weiterveräußert.
Wir alle haben also die Aufgabe, jede nur mögliche Form des Datenschutzes wahrzunehmen, wenn es darum geht, einen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung auf der Datenautobahn Amok laufenden Innenminister bei seinem Versuch, die BRD zum Vorreiter einer digitalen Bevölkerungsarchivierung zu machen, auszubremsen. Dies umso mehr, als auch die Behörden inzwischen durchaus wirtschaftliche Interessen durch Gebührenein
nahmen haben und der Ermessensspielraum bei der Weitergabe erhebliche Auslegungsbandbreiten zulässt.
Aus diesem Grund unterstützt die NPD-Fraktion selbstverständlich sowohl die Zielstellung als auch den Inhalt dieses Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Die NPD hält es gerade nach der Debatte im Innenausschuss für dringend geboten, die Datenweitergabeklauseln des Meldegesetzes dahin gehend abzuändern, dass jegliche nicht dienstliche Weitergabe von personenbezogenen Daten einer ausdrücklichen vorherigen Einwilligung des Betreffenden bedarf.
Wir begrüßen also auch die im Gesetzentwurf geforderte umfassende Informationspflicht der Meldebehörden gegenüber den Bürgern in Sachsen, vertreten aber die Auffassung, dass dies nicht nur bei einem Behördenbesuch, etwa einer An- oder Ummeldung, zu geschehen hat, sondern auch über einen Informationsbrief des Innenministeriums an alle Haushalte mit Widerspruchsforderungen gegen Datenweitergabe.
Dies ist umso dringlicher, als das kommunale Kernmelderegister in Bischofswerda bald seine Arbeit aufnehmen wird. Es ist unbedingt zu verhindern, dass dann die geltende Rechtslage weiterhin ermöglicht, dass Private Auskünfte von Dritten über Namen, Wohnsitz und Geburtsdatum automatisch über das Internet abrufen dürfen.
Die NPD-Fraktion stimmt dem Antrag sogar zu – trotz des pathetischen Auftritts von Herrn Lichdi gegen Ende der 1. Lesung am 10. September vergangenen Jahres. Dort äußerte Herr Lichdi die Befürchtung, die NPD könne sich ganz legal bei den Meldebehörden die Daten von einem Personenkreis besorgen, den Sie als engagierte Demokraten zu bezeichnen belieben. Doch dieser Personenkreis wird von den Menschen in Sachsen eher als Denunzianten und gewalttätige Anarcho-Antifa wahrgenommen – ein Kreis also, der zur Klientel von Herrn Lichdi als Rechtsanwalt zählt. Trotzdem haben Sie recht, nur das Beispiel falsch gewählt.
Im vergangenen Kreistagswahlkampf veröffentlichte die sozialdemokratische Netzseite „Endstation rechts“ die Privatadressen sämtlicher NPD-Kandidaten in eindeutiger denunziatorischer Absicht. Der Erfolg ließ auch nicht lange auf sich warten. Ihre vermummten Schlägertrupps fanden sich mit Flaschen, Knüppeln, Steinen und anderen Argumenten vor dem Hause eines NPD-Kandidaten ein und drohten das Haus anzuzünden. Die Polizei hat diese Versuche dann unterbrochen.
Selbstverständlich behält es sich die NPD angesichts dieser Entwicklung vor, die sächsische Bevölkerung über die Wohnsitze der demokratischen Volksvertreter aufzuklären. Die NPD hat weder gesteigertes Interesse daran, noch verfügt sie über die finanzielle Ausstattung, Adressen von Behörden zu kaufen; auch verschickt die NPD keine Post an willkürlich ausgesuchte Haushalte.
Die NPD verfügt über kaum mehr als 1 % der Gelder der Parteienfinanzierung, die ihnen zugute kommen – ganz abgesehen von den Millionen illegaler Spenden und den korruptiven Netzwerken, an denen qua Natur nur die etablierten Parteien beteiligt sein können.
Wir stimmen dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vollumfänglich zu, denn wir leisten uns auch diesmal den Luxus, unser Abstimmungsverhalten von sachlichen Kriterien und nicht von parteipolitischen Feindbildern leiten zu lassen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat bemerken wir überall eine wachsende Sensibilität beim Umgang mit persönlichen Daten, und in diesem Zusammenhang – lassen Sie mich das sagen – begrüßen wir ausdrücklich den vorgelegten Gesetzentwurf.
Schon 2006 bei der Verabschiedung des Sächsischen Meldegesetzes war die Ausgestaltung der Melderegisterauskunft an Private und damit die Herausgabe persönlicher Daten nicht unumstritten. Im Gesetz wurde seinerzeit verankert, dass jeder, der der Weitergabe seiner Daten widersprechen möchte, ausdrücklich Widerspruch einlegen muss. Meine Fraktion, die FDP, hat damals bereits einen Änderungsantrag eingebracht, der stattdessen die sogenannte Opt-In-Lösung vorsah, das heißt, die Einwilligungslösung. Der Betroffene musste zustimmen, dass die Meldebehörde seine Daten im Rahmen von Gruppenauskünften an Dritte weitergibt.
Warum? Es ist eigentlich einsichtig, dass das Melderegister einen hoheitlichen Charakter hat. Hier kann sich niemand aussuchen, ob er freiwillig drinsteht oder nicht – er muss sich anmelden. Diese Daten werden zwangsweise erhoben und dementsprechend sagen wir, diese Daten, die nicht freiwillig erhoben werden, dürfen auch nur dann zu den Zwecken weitergegeben und weiter genutzt werden, für die sie erhoben worden sind, und das sind hoheitliche Zwecke, meine Damen und Herren, und sonst gar nichts.
Die Datenerhebung allein und erst recht die Weitergabe von Daten ist grundsätzlich ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt, das Grundrecht eines jeden Bürgers, dass er bestimmen kann, wer was von ihm weiß.
Bei der Weitergabe von Daten an Dritte erfährt der Bürger nicht einmal, dass seine Daten weitergegeben worden sind. Er erfährt auch nicht, zu welchem Zweck diese Daten angefordert und von den Dritten weiterverarbeitet werden. Dies widerspricht jedenfalls unserer Auffassung von einem ausreichenden Schutz der Privatsphäre und der eigenen Daten unserer Bürger.
Ein weiteres Argument drängt sich hier auf, das ich nur am Rande erwähnen möchte: Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Städte erhebliche Einkünfte daraus erzielen, dass sie Daten an Dritte weitergeben; und spätestens hier hört der Spaß auf. Wer hoheitlich zwangsweise Daten erhebt, darf diese nicht auch noch zum Füllen des Stadtsäckels weiterverkaufen.
Das bezweifle ich, denn die Wirklichkeit zeigt, dass viele Bürger nicht einmal Kenntnis von der Widerspruchsmöglichkeit haben. Tatsächlich sind es rund 5 % der Bevölkerung, die von diesem Widerspruchsrecht Gebrauch machen. Aber ich glaube wirklich nicht, wenn man die Leute ernsthaft fragt, dass 95 % der Bevölkerung mit der jetzt bestehenden Möglichkeit der Datenweitergabe vollständig einverstanden sind.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, dass das Erfordernis einer Einwilligung in die Weitergabe von Daten notwendig ist. Nicht der Widerspruch des Bürgers ist erforderlich, sondern anders: Wenn der Staat zwangsweise Daten erhebt, dann hat er gefälligst den Bürger zu fragen, ob er es ihm erlaubt, diese Daten weiterzugeben, und nicht anders herum.
Ein anderes Verständnis würde lediglich ein gewisses oberstaatliches Denken offenbaren, dass der Staat tun und lassen könne, was er wolle, es sei denn, der Bürger bittet ihn ausdrücklich darum, davon Abstand zu nehmen.
Noch ein Letztes: Es ist der Einwand gegen den Gesetzentwurf gekommen, es gäbe bereits einen Referentenentwurf für das Bundesmeldegesetz. Dazu eines: Ein Referentenentwurf heißt noch lange nicht, dass ein Gesetz tatsächlich auch kommt. Es gibt Hunderte von Referentenentwürfen, die seit Jahrzehnten ihrer Umsetzung harren. Und anders als Sie, Herr Piwarz, kann ich nicht erkennen, dass hier eine Gesetzesänderung unmittelbar bevorsteht. Andersherum gesagt: Niemand in diesem Saal wird ernsthaft glauben, dass noch vor der nächsten Bundestagswahl ein solches Bundesmeldegesetz in irgendeiner Weise tatsächlich erlassen werden wird. Vor diesem
Hintergrund ist dieser Gesetzesentwurf notwendig, er ist auch nicht unnötig. Er kommt zur rechten Zeit, denn er kann eigentlich nicht früh genug kommen, meine Damen und Herren. Deshalb sollten wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.