Protocol of the Session on January 21, 2009

Ich glaube, die Koalitionsfraktionen haben die Brisanz dieser Angelegenheit bis heute nicht erkannt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich fordere Sie auf: Fragen Sie einmal irgendwelche Leute auf der Straße oder auch Mitglieder Ihrer Partei, ob sie wissen, dass jeder ohne Weiteres ihre Adresse erfahren kann. Glauben Sie tatsächlich, dass dies den meisten egal wäre? Wenn ja, dann können Sie unseren Gesetzentwurf heute guten Gewissens ablehnen. Ich stelle dann aber fest, dass wir GRÜNE ein fundamental anderes Verständnis vom Wesen einer grundrechtlich geprägten rechtsstaatlichen Demokratie haben als Sie.

Anstatt in eine sachliche Debatte einzutreten, hat die Staatsregierung versucht, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, und war sich dabei nicht zu schade, die abwegigsten und haarsträubendsten Argumente aufzubieten.

Das Argument eins gegen die Einwilligungslösung lautet, die Daten stünden ohnehin schon im Telefonbuch. Der Staatsregierung entgeht dabei, dass Melderegister eben keine öffentlichen Register sind, die Dritten unbeschränkt zur Verfügung stehen. Im Übrigen gibt es nicht wenige Menschen, die bei der Telekom erfolgreich den Antrag stellen, nicht im Telefonbuch zu erscheinen, um beispielsweise Stalkern oder unerwünschter Werbung zu entgehen.

Das Argument zwei gegen die Einwilligungslösung lautet, die Kommunen seien verpflichtet, zum Beispiel kommerziellen Adresshändlern Auskünfte zu erteilen. Dies ist schlichtweg die Unwahrheit. Ich gehe davon aus, dass im Innenministerium genügend Sachverstand vorhanden ist, um den Unterschied zwischen einer gebundenen Vor

schrift und einer Ermessensvorschrift zu erkennen. Ich habe mir sagen lassen, Jurastudierende lernen diesen Unterschied in der Vorlesung „Allgemeines Verwaltungsrecht“ im dritten Semester. Wenn die Kommunen kein Ermessen hätten, dann hätten auch die Städte Dresden, Freiberg und Chemnitz nicht, wie geschehen, beschließen können, dass sie keine Meldedaten an Parteien übermitteln.

Argument drei lautet, das Melderechtsrahmengesetz des Bundes verbiete eine Einwilligungslösung. Das ist eine rechtlich unvertretbare Position.

Die Staatsregierung sollte in der Lage sein, die einschlägige Rechtsprechung und die Kommentarliteratur zur Kenntnis zu nehmen. Das Melderechtsrahmengesetz setzt lediglich einen Mindeststandard für den Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger. Die Länder können selbstverständlich einen besseren Schutzstandard in ihre Landesgesetze schreiben. Ebendies beabsichtigen wir. Das Saarland und Hamburg haben es bereits getan, ohne dass dies bundesrechtliche Bedenken ausgelöst hätte.

Viertes Argument. Unsere Gesetzesänderung würde den Datenaustausch zwischen den Meldeämtern und etwa der Polizei und der Staatsanwaltschaft behindern. In diesem Zusammenhang steht auch die Behauptung, wir würden die Rechtsverfolgung von Schuldnern verhindern – so Herr Bandmann, wenn ich mich nicht irre. Das ist wiederum die glatte Unwahrheit. Die entsprechenden Vorschriften fassen wir gar nicht an. Das heißt, der Datenaustausch zwischen Meldeämtern und Strafverfolgungsbehörden bleibt im bisherigen Umfang erhalten.

Fünftes Argument. Es könne sich bei den Kommunen nicht um Datenhandel handeln, da sie ja Gebühren nach dem Sächsischen Kostenverzeichnis erheben und diese die notwendigen Verwaltungskosten abdecken würden. Ein wirklich sehr formales Argument! Aus Sicht des Bürgers ist es völlig egal, ob seine Daten verwaltungsrechtlich oder privatrechtlich über den Tisch des Meldeamtes gehen. Die Kommunen sind auch nicht bereit, auf ihre Einnahmen zu verzichten, nur weil es sich um Gebühren handelt, wie die Stellungnahme des Städte- und Gemeindetages zeigt.

Sie sehen, meine Damen und Herren, der Staatsregierung war kein Argument zu falsch oder zu weit hergeholt, um unseren Gesetzentwurf kaputtzureden und zu diskreditieren. Diskreditiert haben sich dabei aber nur Sie; denn die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen haben durch ihr Handeln selbst die Antwort gegeben. Massenweise legen sie Widerspruch gegen die Datenweitergabe ein. Allein 40 000 Widersprüche gibt es in Dresden, 44 000 in Chemnitz und 56 000 in Leipzig. Die Anzahl ist im letzten Jahr, auch dank unserer Kampagne und einer aufmerksamen, sensiblen Presse, kräftig gestiegen.

Nun zur letzten Rückzugslinie der Koalition: Demnächst sei mit einem bundeseinheitlichen Meldegesetz zu rechnen und deshalb eine sächsische Novellierung kurz vor Toresschluss unangebracht. Lassen Sie mich dazu zwei Dinge sagen:

Erstens. Das Bundesmeldegesetz ist seit Jahren angekündigt und seit Jahren blockiert. Ich habe Zweifel, ob es noch in dieser Legislaturperiode kommen wird.

Zweitens. Gemäß Artikel 125b Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz haben wir als Freistaat Sachsen weiterhin das Recht, melderechtliche Regelungen bis zum Erlass eines bundeseinheitlichen Meldegesetzes zu schaffen. Warum sollten wir das nicht tun? In anderen Bereichen pochen wir doch auch auf unsere föderale Eigenständigkeit. Es wäre tatsächlich ein starkes bürgerrechtliches Signal, wenn Sachsen die Einwilligungslösung jetzt einführen würde. Daran käme der Bund politisch kaum vorbei. Also lassen Sie uns bitte dieses Signal setzen!

Statt sich mit dem Bundesmeldegesetz herauszureden, sollten sich CDU und SPD lieber den Ende letzten Jahres von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zu Gemüte führen. Denn siehe da: Dort steht die Einwilligungslösung für die Privatwirtschaft. § 28 Abs. 3 Satz 1 soll lauten: „Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels, der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung ist zulässig, soweit der Betroffene nach Maßgabe des Abs. 3a eingewilligt hat.“ Dies bedeutet im Klartext: Die Behörden dürfen weiterhin mit Daten ohne Einwilligung der Betroffenen handeln, während das für Private zu Recht verboten wird. Man könnte fast zu der Ansicht gelangen, dass der Staat den Meldeämtern einen Wettbewerbsvorteil zuschanzen will.

Aus Sicht des Datenschutzes des betroffenen Bürgers kann es aber keinen Unterschied machen, ob Behörde oder Private mit meinen Daten handeln. Eigentlich sollte es so sein, dass ich dem grundrechtsverpflichteten Staat mehr vertrauen kann als den nur ihren eigenen Interessen verpflichteten Privaten.

Meine Damen und Herren! Derjenige, dem der Datenschutz am Herzen liegt, muss diesem Gesetzentwurf zustimmen. Ich danke der Linksfraktion und der FDPFraktion, die dies bereits im Ausschuss getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Die CDUFraktion; Herr Abg. Piwarz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel, die Angst vorm Datenklau geht um. Die GRÜNEN sind ganz offenbar dieser Angst erlegen, zwar nicht in Person ihres innenpolitischen Sprechers, aber Dr. Gerstenberg hat es auf den Punkt gebracht.

Aber, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie geben mit dem Gesetz zur Änderung des Meldegesetzes vor, ein tatsächlich bestehendes Problem angehen zu wollen. Allerdings bedienen Sie sich dabei nicht geeigneter Mittel. Fraglich ist schon, ob es überhaupt einer

solchen Gesetzesänderung auf Landesebene zum jetzigen Zeitpunkt bedarf.

Und, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie spielen auch mit den Sorgen der Menschen in unserem Land. So nehmen Sie in Ihrem Gesetzentwurf Bezug zu den im Sommer bekannt gewordenen medienträchtigen Fällen von Datenmissbrauch. Nur muss man da genauer hinschauen.

Was hat denn im vergangenen Sommer, übrigens völlig zu Recht, zu der großen Besorgnis und Empörung geführt? Das war die Tatsache, dass von Privaten in illegaler Weise Daten von Tausenden Bürgern gesammelt und weitergegeben wurden. Die Empörung war vor allem deshalb so groß, weil es neben Adressdaten und Telefonnummern auch um Kontodaten ging.

Aber, so muss man jetzt fragen, was haben denn die Meldebehörden mit dem Problem von damals zu tun? Dazu muss man einfach sagen: nichts. Das zeigt schon ein einfacher Blick in das Meldegesetz. Die Erhebung von Telefonnummern und Bankverbindungen gehört eben gerade nicht zu den Aufgaben von Meldebehörden. Die besondere Empörung der Bürger, dass möglicherweise Bankdaten an Dritte weitergegeben werden, können Sie also durch Ihren Gesetzentwurf nicht befrieden. Vielmehr rücken Sie die Meldebehörden mit Ihrem Gesetzentwurf in die Nähe krimineller Adresshändler. Das ist unredlich und hat mit einer lösungsorientierten Politik wenig zu tun.

(Beifall der Abg. Volker Bandmann, CDU, und Enrico Bräunig, SPD – Beifall bei der Staatsregierung – Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Gerstenberg hatte ja genügend Zeit, seine Darstellung zu bringen. Ich würde jetzt gern in meiner Rede fortfahren.

Meine Damen und Herren! Des von Ihnen berührten Problembereiches hat sich bereits der Bundesinnenminister angenommen. Die Ergebnisse des Datenschutzgipfels vom 4. September 2008, der gerade die illegale Nutzung persönlicher Daten zum Gegenstand hatte, sind im Dezember von der Bundesregierung als Gesetzentwurf auf den Weg gebracht worden. Festzuhalten bleibt, dass der uns heute vorliegende Gesetzentwurf an der Problematik illegal gesammelter Telefonnummern und Kontodaten schlicht vorbeigeht.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der GRÜNEN ist jedoch nicht allein deshalb abzulehnen. Er ist auch deshalb unzweckmäßig, weil er systemwidrig das Widerspruchsrecht der Bürger gegen die rechtmäßige Weitergabe bestimmter Meldedaten abschaffen und durch einen Einwilligungsvorbehalt ersetzen will – dies jedoch im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass diese Regelung nicht von langer Dauer wäre.

Im Zuge der Föderalismusreform I ist das Meldewesen in die ausschließliche Kompetenz des Bundes übergegangen. Der Bundesgesetzgeber hat in der Tat von dieser Kompetenz bislang noch keinen Gebrauch gemacht. Allerdings steht eine Novelle des Melderechtes auf Bundesebene unmittelbar bevor. Eine gesetzgeberische Initiative auf Landesebene wäre somit allenfalls von sehr kurzer oder wenigstens kurzer Dauer. Sinnvoll ist sie eingedenk dessen ganz sicher nicht. Vielmehr wirkt sie nur aktionistisch.

Sie wäre aber auch in dem von den GRÜNEN gewollten Umfang nicht sinnvoll; denn bereits jetzt lässt der Bundesgesetzgeber erkennen, dass er am Widerspruchsrecht der Bürger festhalten will. Eine Änderung des Sächsischen Meldegesetzes im Sinne der GRÜNEN würde daher die Meldebehörden zwingen, ihre Verfahren komplett umzustellen, obwohl die bewährte Widerspruchslösung – Herr Dr. Gerstenberg hatte darauf hingewiesen, wie stark sie von den Bürgern wahrgenommen wird – ohnehin wenig später wieder eingeführt werden würde. Dies wäre unsinnig, mit erheblichem Mehraufwand verbunden und würde die Mitarbeiter der Meldebehörden sinnlos belasten. Die Umstellung auf das bisherige Modell wenige Monate später könnten Sie der Öffentlichkeit nicht erklären. Da wäre ganz schnell wieder von der Schildbürgerei der Politik die Rede. Auch davor wollen und werden wir Sie bewahren.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Unabhängig von der Entscheidung des Bundesgesetzgebers ist zweifelhaft, ob das von Ihnen vorgeschlagene Opt-in-Modell überhaupt zweckmäßig ist. Die Beispielsfälle im vergangenen Jahr haben zu einer großen Sensibilisierung für das Thema Datenschutz geführt. Die meisten Menschen in unserem Land haben sich mit der Sicherheit ihrer persönlichen Daten auseinandergesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen sehr wohl über die Urteilskraft verfügen, selbst zu widersprechen, wenn sie mit der gesetzlich eng eingegrenzten Weitergabe von Daten durch die Meldeämter nicht einverstanden sind. Die Beispiele hatten Sie, Herr Dr. Gerstenberg, schon gebracht. Dies ist unkompliziert möglich und die Bürger werden auf ihr Widerspruchsrecht entsprechend hingewiesen.

Wir als CDU-Fraktion haben Vertrauen in die Menschen, dass sie mit ihren Daten verantwortungsvoll umgehen. Umgekehrt tun dies die Meldebehörden ohnehin. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Ihr Gesetzentwurf hat mit dem eigentlichen Problem nichts zu tun, will das bewährte Widerspruchsrecht abschaffen und kommt zur Unzeit. Daher werden wir ihn ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Piwarz, ich denke nicht, dass der Gesetzentwurf der GRÜNEN das Attribut „aktionistisch“ verdient. Ganz im Gegenteil: Die GRÜNEN greifen eine aktuelle Debatte auf. Der Landesgesetzgeber ist ausdrücklich gehalten und in der Lage, gesetzgeberisch zu handeln, solange der Bund seine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz noch nicht wahrgenommen hat.

Nach allen Informationen, die ich mir eingeholt habe, ist durchaus zu bezweifeln, dass in dieser Legislaturperiode der Bundestag noch einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließt. Sollte er es dennoch tun, muss man trotzdem handeln.

Ich darf an verschiedene Debatten in diesem Hohen Hause erinnern. Wir thematisieren ja das Thema Datenschutz hier nicht zum ersten Mal. Zum Beispiel hatten wir am 10. September 2008 auf der Grundlage eines Antrages der Linken eine hoch emotionale Debatte hier im Landtag. Wir haben damals Maßnahmen diskutiert, um den Missbrauch personenbezogener Daten zu unterbinden und die Sächsische Staatsregierung zu einem Konzept zum sogenannten Selbstdatenschutz aufzufordern. Mein Kollege Klaus Bartl hat damals grundsätzliche verfassungsrechtliche Ausführungen zum Thema gemacht. Das will ich heute nicht wiederholen. Damals jedenfalls haben alle demokratischen Fraktionen die Brisanz des Themas erkannt, und auch damals ist bereits die Melderechtsproblematik angesprochen worden.

Die GRÜNEN wollen nun das Sächsische Meldegesetz ändern. Zuletzt geändert wurde es am 24. Januar 2006, also vor ziemlich genau drei Jahren. Auch damals gab es eine höchst emotionale mehr als zweistündige Debatte. Ich habe das extra noch einmal nachgelesen. Es gab ähnliche Änderungsanträge von den GRÜNEN, den Linken und zum Teil auch von der FDP. Einen Teil dieser Änderungsanträge haben die GRÜNEN nun in ihr Gesetz gegossen. Das ist zweifelsohne ein Verdienst. Kollege Gerstenberg hat ja den Mindestinhalt dieses Gesetzes bereits beschrieben.

Unser Parlament hat also die seltene und große Chance, die Fehler, die im Parlament am 24. Januar 2006 mangels tieferer Einsicht und vielleicht auch mangels ausreichender politischer Gestaltungskraft zugelassen worden sind, heute wieder auszubügeln. Das wollen wir.

Worum geht es im Kern? Meldedaten sind klassische Früchte der Eingriffsverwaltung, um das einmal etwas lyrisch darzustellen. Ich kann mir allerdings keinen Menschen vorstellen, der sie gern freiwillig preisgibt. Dennoch benötigt der Staat ein Mindestmaß an diesen Meldedaten, um seinen Verpflichtungen der Daseinsvorsorge gerecht zu werden und vernünftig planen zu können. So weit, so vernünftig. Das wird niemand in Frage stellen.

Spannend wird es aber in dem Moment, wenn man die Frage stellt, welchen weiteren Begehrlichkeiten mit den Meldedaten der immerhin 4,2 Millionen sächsischen Ein

wohner stattgegeben werden soll und unter welchen Restriktionen. Bei einem Inkassobüro, das sich um unbezahlte Handwerkerrechnungen kümmert, wird man diese Weiterverwendung ohne Frage bejahen können, ebenso bei der Adresssuche etwa nach einem abgetauchten Klassenkameraden, der zur Jubiläumsfeier des Schulabschlusses eingeladen werden soll. All das ist ziemlich unproblematisch, geht es hier doch um sogenannte einfache Melderegisterauskünfte, die ohnehin mit ein wenig Mühe öffentlich wahrgenommen werden können und die vielfach auch im Telefonbuch stehen. Dennoch folgen wir auch hier dem GRÜNEN-Vorschlag, dort die Widerspruchslösung durch den Einwilligungsvorbehalt der Betroffenen abzulösen.

Wesentlich spannender sind die beiden anderen Dinge, nämlich die erweiterte Einzelauskunft und die Gruppenauskunft. Laut § 32a Abs. 2 gestattet das Sächsische Meldegesetz Gruppenauskünfte zu einer Vielzahl nicht namentlich bezeichneter Einwohner. Hier bedarf es nun wirklich wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass wirtschaftliche, politische, auch religiöse Interessen mit diesen Gruppenauskünften ihr Unwesen treiben können. Das aber kann und darf nicht Sinn des Meldegesetzes sein.

Aber es kommt noch viel besser oder schlimmer. Vor gut zwei Wochen ist in unserem Bundesland das kommunale Kernmelderegister in Betrieb gegangen, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Einerseits – das ist zu loben – ist das ein technologischer Meilenstein, denn natürlich ist dieses kommunale internetgestützte Kernmelderegister ein Riesenschritt in Richtung bürgerfreundliche Verwaltungsvereinfachung und E-Government. Das ist positiv. Aber es gibt eine Schattenseite, die uns natürlich Sorgen bereitet.

Diese 4,2 Millionen gespeicherten Einwohnerdaten sollen in Kürze nicht nur, wie man das erwarten kann, für die Strafverfolgungsbehörden, für die Kassenärztliche Vereinigung, die Unfallkasse, Ausländerbehörden und einige andere, sicher auch dem Verfassungsschutz zur Verfügung stehen, sondern eben auch für private Dritte, die ein berechtigtes Interesse anmelden. Nach Auskunft des Direktors der Sächsischen Anstalt für Datenverarbeitung, SAKD, die dieses Register in Bischofswerda führt, Herrn Thomas Weber, sollen 5 Euro als Kosten für eine Auskunft verlangt werden, um Massenauskünfte zu vermeiden. Ich denke aber, dieser Betrag von 5 Euro ist eher ein symbolischer. Adresshändler, Verlage, Werbefirmen, auch Parteien und Religionsgemeinschaften werden sich von diesen 5 Euro kaum abschrecken lassen. Gerade vor dem Hintergrund der absehbaren Inbetriebnahme dieses kommunalen Kernmelderegisters ist der Gesetzentwurf der GRÜNEN sehr zeitgemäß und sehr zu begrüßen.

Ich darf zum Schluss kommen. DIE LINKE will genau wie die GRÜNEN verhindern, dass das Meldewesen zu einer bequemen Servicestelle, ja, man kann etwas überspitzt sagen, zu einer wahren Goldgrube für private Dritte mutiert, die eindeutig Aufgaben und Zielstellungen

außerhalb des Staates verfolgen. Darum schließen wir uns den Gesetzesvorschlägen der GRÜNEN an, generell die Widerspruchslösung durch die Einwilligungslösung zu ersetzen. Gleichzeitig sind wir uns aber durchaus der Tatsache bewusst, dass die überfällige Änderung des Sächsischen Meldegesetzes unsere Probleme im Datenschutz noch nicht löst. Hier ist ein komplexes Bündel von Maßnahmen erforderlich. Wir haben einen Vorschlag mit unserem eingangs genannten Antrag zum Selbstdatenschutz in der Drucksache 4/1356 unterbreitet.