Protocol of the Session on January 21, 2009

Was DIE LINKE also hier wider besseres Wissen zur Abstimmung bringt, hat die Kürzung des Regelsatzes der Sozialhilfebedürftigen zur Folge.

(Falk Neubert, Linksfraktion: Schwachsinn!)

Meine Damen und Herren! Eine kostenfreie Mittagsversorgung ist wichtiger denn je, aber die Grundvoraussetzung für die Bereitstellung weiterführender Sozialleistungen ist deren Nichtanrechenbarkeit. Wir als NPD-Fraktion haben dies oft genug gefordert. Die gültige rechtliche Grundlage und Praxis verlangt aber, dass diese von den ARGEn und Arbeitsämtern wieder abgezogen werden, und hier fügt sich zum Beispiel auch die von der Bundeskoalition beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro für jedes Kind im Rahmen des Konjunkturpaketes ein.

Da Ihr Antrag darauf abzielt, aber zumindest duldet, dass den hilfebedürftigen Familien der Regelsatz gekürzt wird, können wir leider nicht zustimmen. Eine kostenfreie Mittagsversorgung, ja, und das lieber heute als morgen, aber nicht zulasten der sozial Schwachen. Wir werden uns enthalten.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der FDPFraktion das Wort. Frau Abg. Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass niemand hier im Raum dagegen ist, wenn in sächsischen Kindertageseinrichtungen und Schulen eine Mittagsversorgung für alle Kinder gewährleistet ist. Ich wüsste auch niemanden, der dagegen ist, dass Kinder in Sachsen eine gesunde und vollwertige Mittagsversorgung erhalten. Es darf nicht sein – darin sind wir uns mit Ihnen von der Linksfraktion einig –, dass Kinder, aus welchem Grund auch immer, durch Sozialauswahl ausgeschlossen werden. Sozialauswahl schon im Kindergarten, das ist der vollkommen falsche Weg.

Worin wir uns aber von der Linksfraktion scharf unterscheiden, ist die Lösung, die Sie uns hier im Plenum, und damit auch den Eltern und Kindern in Sachsen, anbieten. Ein staatlich finanziertes kostenloses Mittagessen ist nach unserer Meinung keine Lösung. Es ist Augenwischerei. Ich sage Ihnen aber auch gleich, warum: Erstens, weil die Eltern und Familien aus ihrer originären Pflicht, die sie

größtenteils auch wahrnehmen, entlassen werden, für ihre Kinder ein ordentliches Mittagessen sicherzustellen; zweitens, weil der politische Trend Ihrer Fraktion, immer mehr Leistungen für alle ohne genaue Betrachtung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse kostenlos anzubieten, der falsche Weg ist, und drittens, weil es auch finanziell nicht seriös darstellbar ist.

(Beifall bei der FDP)

Fangen wir mit dem ersten Punkt an. Es ist nicht zuvörderst der Freistaat und es sind auch nicht die Kommunen, die den Kindern ein kostenloses warmes Mittagessen garantieren müssen. Es ist nicht der Staat, es sind die Eltern, die hier in der Pflicht sind. Frau Grundmann-Otto von der Arbeiterwohlfahrt hat in der Anhörung zum Gesetzentwurf am 5. November 2008 zu Recht auf den Begriff der „elterlichen Eigenverantwortung“ hingewiesen. Sie sagte wörtlich in der Anhörung: „Wir wissen auch aus der Praxis, dass es nichts damit zu tun hat, dass es keine finanziellen Mittel bei den Eltern gibt, auch bei den armen Eltern nicht, sondern dass die Prioritätensetzung einfach der Punkt ist.“

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Frau Kollegin, geben Sie mir denn recht darin, dass, wenn die elterliche Eigenverantwortung nicht wirkt, die öffentliche Verantwortung zieht? Würden Sie mir außerdem darin recht geben, dass es Teil der öffentlichen Verantwortung ist, dass wir tatsächlich eine entsprechende Mittagessenversorgung an den Schulen für alle Kinder bereitstellen?

Ich gebe Ihnen insoweit recht, als wir „öffentlich“ nicht mit „staatlich“ gleichsetzen, sondern öffentlich ist auch die Gesellschaft, sind Stiftungen und Privatinitiativen. Darauf werde ich noch in meiner Rede eingehen.

Prioritätensetzung bei den Eltern war der wichtige Punkt, der hier genannt wurde, dass wir eben die Eltern nicht aus ihrer Pflicht entlassen. Als Mutter eines kleinen Kindes ist es für mich natürlich selbstverständlich, die Haushaltskasse so zu verwalten, dass als Erstes das Kind versorgt wird und dann die Eltern. Ich denke, das macht der größte Teil der Eltern, zumindest sind sie willens, es zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Aus dieser Pflicht entlasse ich auch keine Eltern. Das unterscheidet uns ganz deutlich von Ihnen aus der Linksfraktion, die doch als Erstes immer nach dem Staat rufen, entweder einerseits, weil Sie die Eltern schon aufgegeben haben – das wäre fatal –, oder andererseits, weil Sie Menschen gern bevormunden – das wäre dann ideologisch.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion)

Nun gibt es in der Tat unbestritten die Familien, bei denen die Haushaltskassen knapp sind, sogar sehr knapp. Und darunter leiden in vielen Fällen die Kinder, die mit ansehen müssen, wie Schulkameraden oder Kinder im Kindergarten ein warmes Essen bekommen und sie nicht. Das ist soziale Selektion, die wir als FDP nicht akzeptieren und für die wir Lösungen brauchen.

Über das Thema „Kostenfreiheit“ muss man bei bestimmten Aufgabenbereichen im Kita- und Schulbereich selbstverständlich reden, aber für den Bereich Mittagessen sehe ich eine Kostenfreiheit jedoch nicht als die einzig denkbare Lösung. Warum suchen wir immer zuerst die Finanzierungsmöglichkeiten durch den Staat und nicht in der Gesellschaft? Wie sieht es mit der Akquirierung von Spenden aus? Wie sieht es mit der stärkeren Einbindung von Eltern- und Fördervereinen aus? Privat ist nicht immer schlecht. Es stärkt das Verantwortungsbewusstsein und die Gemeinschaft vor Ort. Das kann und wird eine staatliche zentrale Lösung nie und nimmer leisten können.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Mittagessen muss bezahlbar sein, Gleiches muss aber auch für die Lösung gelten. Bezahlbar ist Ihre Lösung in keinem Fall. Im Gesetzentwurf sprechen Sie jetzt von 198 Millionen Euro. Der alternative Haushalt im Dezember letzten Jahres nannte die Summe von 184 Millionen Euro allein für das Jahr 2010. Sie sehen hier schon die Differenz von 14 Millionen Euro. Das ist in keiner Weise darstellbar, es sei denn, Sie wollen neue Schulden aufnehmen. Das macht die jetzige Regierung allerdings schon genügend. Ich halte es nicht für den richtigen Weg, unsere Kindern später doppelt und dreifach mit höheren Zinsen diese Schulden zurückzahlen zu lassen, wobei wir ihnen dann noch erzählen: Wir haben es ja für euch getan, dafür habt ihr ein kostenloses Mittagessen erhalten.

Das halten wir für den vollkommen falschen Weg. Mit der FDP wird es künftig ein bezahlbares Mittagessen geben. Ihren Gesetzentwurf lehnen wir allerdings ab.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP, und vereinzelt bei der CDU)

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich haben wir ein Problem. Es gibt immer mehr Kinder, die in Kita und Schule nicht am Mittagessen teilnehmen. Aber schon bei der Beurteilung, wie dieses Problem zustande kommt, sind wir unterschiedlicher Meinung. Gleicher Meinung sind wir, dass es nicht sein kann, dass Kinder aus finanziellen Gründen ohne ein warmes Mittagessen bleiben müssen. Wie viele Kinder das betrifft, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass uns Wohlfahrtsverbände, freie Träger, Kindertagesstätten und der Kinderschutzbund immer wieder darauf aufmerksam machen, dass diese Zahlen offenbar steigen.

Es kann nicht sein – das ist auch in der Anhörung deutlich geworden –, dass in solch einem reichen Land wie Deutschland Kinder mit knurrendem Magen in der Schule sitzen. Darin sind wir uns einig.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das Problem also darin besteht, dass Eltern das Geld nicht haben, ihren Kindern das Mittagessen zu bezahlen, dann wäre darüber nachzudenken, wie diesem Problem abzuhelfen wäre. Eine Möglichkeit ist, den Eckregelsatz von Kindern so auszustatten, dass er für eine gesunde, vollwertige Verpflegung einschließlich Mittagsmahlzeit ausreichend ist. Diesen Weg haben wir im Landtag zu gehen versucht. Es gab einen Antrag unserer Fraktion, dem alle Fraktionen zugestimmt haben, der den Auftrag an die Staatsregierung beinhaltete, beim Bund dafür zu sorgen, dass der Eckregelsatz dementsprechend ausgestattet wird. Allerdings stellen wir fest, dass das ein weiter Weg ist und dass wir noch nicht sehr weit vorangekommen sind. Das Problem gibt es immer noch. Es gibt immer noch Kinder, die mittags mit knurrendem Magen in der Schule sitzen.

Also müssen wir uns überlegen, ob es andere Möglichkeiten gibt, dem abzuhelfen, und insbesondere, ob der uns heute von der Linksfraktion vorgelegte Gesetzentwurf geeignet ist, diesem Übel abzuhelfen. Die Linksfraktion sagt, der alleinige Grund dafür, dass Kinder hungrig sind, ist die finanzielle Situation ihrer Eltern.

(Widerspruch des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion)

Doch, das haben Sie gesagt, Herr Neubert.

Demzufolge wäre eine Anhebung des Eckregelsatzes das geeignete Mittel. Wir meinen, dass es vielfältige Gründe gibt – und das ist auch in der Anhörung deutlich geworden –, unter anderem, dass Eltern andere Prioritäten setzen oder dass sie nicht in der Lage sind, ihre Finanzen bis zum Monatsende zu überblicken, sodass Kinder in der letzten Woche nicht mehr am Mittagessen teilnehmen können. Wir wissen aber auch, dass es noch mehr Gründe gibt, warum Kinder vor allem im Mittelschul- und Gymnasialbereich nicht am Essen teilnehmen – zum Beispiel, weil es ihnen nicht schmeckt, weil sie das Geld lieber nehmen und sich etwas beim Bäcker holen oder weil keine Auswahl angeboten wird; denn es gibt mittlerweile Kinder, die sich vegetarisch ernähren und die aus diesem Grund nicht an der Mittagsversorgung der Schule teilnehmen wollen.

Wie also wäre dem abzuhelfen? Wenn der Staat Mittel einsetzt, sollte er dies nachhaltig tun. Deshalb ist unsere Fraktion der Meinung, dass die Kostenfreiheit des Mittagessens ein Weg ist, aber sicher nicht der Königsweg. Sie bringt im Moment die Sicherheit, dass kein Kind aus finanziellen Gründen dem Essen fernbleiben muss, aber nicht die Sicherheit, dass damit alle Kinder am Essen teilnehmen und ein vollwertiges gesundes Mittagessen bekommen. Wenn wir das erreichen wollen, gelingt uns das nur, wenn wir Kinder in die Gestaltung des Mittages

sens einbeziehen, wenn das Mittagessen zum Bildungsauftrag wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Herr Neubert, Sie haben zwar gesagt, dass das in Ihrem Gesetzentwurf konzeptionell verankert ist – allerdings finde ich davon überhaupt nichts. Der Gesetzentwurf bestimmt lediglich, die Kosten zu übernehmen. Es steht nichts dazu geschrieben, das Mittagessen in das Konzept einer Ganztagsschule einzupassen oder dass Kinder an der Auswahl und Zubereitung des Essens zu beteiligen sind. Sie sollten mal einen Kartoffelbrei selber machen können und mit ihren Mitschülern darüber diskutieren, dass es nicht jeden Tag Spaghetti geben kann. Das wäre nachhaltig. Wenn wir Kinder in die Lage versetzen, dass sie ihr Essen selbst zubereiten können und wissen, wie weit man mit zwei Euro kommt, dann hätten sie eine Erfahrung gemacht und wüssten später, wie gesunde Ernährung zusammengesetzt ist, ohne nur im Ernährungsunterricht theoretisch damit zu tun zu haben. Zu Ihrem Gesetzentwurf muss unbedingt die Wiedereinrichtung von Schulküchen hinzukommen, die wir Ihnen heute vorschlagen, damit die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Essenszubereitung überhaupt möglich wird. Damit wird die Erfahrung der Kinder um diesen Horizont erweitert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Fernsehen laufen unzählige Kochsendungen. Das wäre doch eigentlich ein Ausgangspunkt. Offensichtlich werden diese Sendungen angeschaut und viele Leute sind begeistert davon und kochen die Rezepte nach. Warum sollte das bei Kindern nicht gelingen? Natürlich nicht mit dem Fernsehapparat, sondern durch eigenes Tun – das muss der Weg sein. Wir denken, dass unser Antrag besser geeignet ist als der Gesetzentwurf der Linksfraktion. Wir werden uns enthalten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es dazu noch Aussprachebedarf gibt. – Die Linksfraktion möchte noch einmal darauf reagieren. Herr Neubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Herrmann, ich habe nicht umsonst Ihre Fraktionschefin im Bundestag zitiert, die aus meiner Sicht richtigerweise darauf hingewiesen hat, dass man das kostenlose und gesunde Mittagessen nur sinnvoll gemeinsam diskutieren kann. Ich habe das vorhin in der Rede dargestellt. Ihre Herangehensweise verstellt den Blick für das Wesentliche. Natürlich ist es schön, über Qualität zu diskutieren. Natürlich sind wir auch dafür, Schulküchen und die Beteiligung von Kindern beim Kochen einzuführen. Aber wenn letztendlich Schüler aus finanziellen Gründen vom Mittagessen ausgeschlossen sind, dann nützt die ganze Qualität nichts. Die

Diskussion haben wir auch in anderen Bereichen. Das ist das Problem.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn Sie in meiner Rede vom letzten Mal nachlesen – –

(Elke Herrmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

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Frau Herrmann, bitte.