Diese Transparenzdefizite haben sich unbestreitbar mit der 2004 erfolgten, seinerzeit allein von der Linken kritisierten Auflösung des eigenständigen Europaausschusses des Sächsischen Landtages verstärkt. Hier ist für
die nächste Legislaturperiode ab Herbst dieses Jahres dringend eine Korrektur geboten, denn es geht schließlich um die Europafähigkeit des Sächsischen Landtages.
Die Präsidenten der deutschen Landesparlamente immerhin haben ebenfalls den hier bestehenden Handlungsbedarf erkannt und auf ihrer Konferenz vom 15. bis 17. Juni 2008 in Berlin eine Erklärung zur „Europafähigkeit der Landtage und zur Mitwirkung an Vorhaben der Europäischen Union“ verabschiedet. Als wesentliche Voraussetzung hierzu sehen die Landtagspräsidenten die umfassende und frühzeitige Unterrichtung der Landesparlamente durch die jeweiligen Landesregierungen an.
Es ist nunmehr sieben Monate her, dass auch durch den Präsidenten dieses Hohen Hauses die oben genannte Erklärung unterschrieben wurde, doch haben bisher weder die Staatsregierung noch die Koalitionsfraktionen angemessen darauf reagiert. Allein DIE LINKE hat die hier erforderlichen Anträge in ihrem Beratungsgang, besteht doch gerade in Sachsen dringender Handlungsbedarf; denn es gibt hier eben keine etwa analog zu Artikel 94 der Brandenburgischen Verfassung formulierbare verfassungsrechtliche Unterrichtungspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag in Europaangelegenheiten. Der Artikel 50 unserer Verfassung ist hier dringend zu qualifizieren. Auch eine entsprechende einfachgesetzliche Regelung wie etwa in Bayern, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein haben wir in Sachsen nicht.
Leider sind die von der Opposition in der Vergangenheit eingebrachten Parlamentsinformations-Gesetzentwürfe stets von der CDU abgelehnt worden, auch jener der in der 3. Wahlperiode noch oppositionellen SPD. Leider hat die SPD dann in der Koalition das Ziel eines Parlamentsinformationsgesetzes erkennbar fallen gelassen. Das rächt sich nun eben und auch gerade in der Europapolitik; denn auch eine Unterrichtungsvereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung in EU-Angelegenheiten wurde, obwohl mit der oben genannten Erklärung der Landtagspräsidenten eine Grundlage dafür besteht, bisher nicht vorgelegt. Über die gleichfalls von den Landtagspräsidenten angeregte Teilnahme des Landtages am Subsidiaritätsnetzwerk des Ausschusses der Regionen wurde bisher ebenfalls nicht erkennbar diskutiert.
An dieser Stelle zeigt sich aber, dass der Ausschuss der Regionen ein nicht zu unterschätzendes Potenzial für die Europafähigkeit des Sächsischen Landtages entwickeln kann. Deshalb brauchen wir auch die inhaltliche Debatte zum AdR, aber nicht nur zu im Internet nachlesbaren Fakten, sondern zu grundlegenden politischen und rechtlichen Arbeitsbedingungen, die seine Effektivität und Akzeptanz positiv beeinflussen können. Da wäre zum Beispiel die Frage zu diskutieren, dass nach den Kriterien des AdR seine Mitglieder die Parteienlandschaft widerspiegeln sollen. Es stellt sich also die Frage, wie hierzu die sächsische Praxis zu bewerten ist. Gegenwärtig spiegelt die sächsische Besetzung des AdR nicht einmal die Existenz der SPD wider, die, als sie noch in der Opposition war, immerhin zeitweise einen Vertreter im
AdR hatte. Auch der Berücksichtigung von GenderKriterien bei der Besetzung des AdR, wie bereits durch finnische und niederländische Regionen erfolgt, sollte sich Sachsen unbedingt anschließen.
Vor allem aber geht es uns, der Linken, um die Stärkung der Rolle und der Kompetenzen des Ausschusses der Regionen selbst, denn wir stehen für ein Europa von unten. Nur in und mit den Regionen wird die europäische Integration, die für uns nur mit dem Ziel eines sozialen und friedlichen Europas vorstellbar ist, erfolgreich sein können. Jede Initiative, die auf dieses Ziel auch nur etwas zusteuert oder, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, zusteuern könnte, ist DIE LINKE bereit zu unterstützen. Das gilt auch für den vorliegenden Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Sinnhaftigkeit des vorliegenden Antrages ließe sich trefflich streiten. Wir sollten eigentlich davon ausgehen, dass der Landtag über die Aufgaben und Strukturen des Ausschusses der Regionen in der Europäischen Union hinreichend unterrichtet wurde und laufend unterrichtet wird, schließlich wurde dieser Ausschuss schon 1992 gegründet, wenn er sich auch erst 1994 konstituiert hat. Die wesentlichen Regelungen, die Funktionen des Ausschusses definieren Artikel 263 bis Artikel 265 des EU-Vertrages.
Jetzt kommt die Koalition und bittet um Aufklärung über die Aufgaben und Strukturen des Ausschusses der Regionen. Das ist mit Verlaub, meine Damen und Herren, etwas zu wenig. Ich glaube, wir haben hier ein umfassenderes Informationsbedürfnis über das, was der Ausschuss der Regionen in der EU selber kann, was er soll, was er tun soll und was er nicht tut, welche Aufgaben er wahrnimmt oder nach unserer Auffassung zu wenig wahrnimmt.
Die Aufgaben des Ausschusses der Regionen bestehen pro forma darin, den Standpunkt der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Rechtsvorschriften der EU einzubringen. Das kann aus unserer Sicht nicht schaden, wird doch immer wieder auch der Bedeutungsverlust der Länderparlamente gegenüber dem Bund und dann im Einzelnen weiter gegenüber den Entscheidungen der EU beklagt.
Es würde mich interessieren, welchen Beitrag Sachsen hier in der Vergangenheit geleistet hat, wie ernst die Staatsregierung diese Aufgaben genommen hat. Bisher hat sie ja die Vertreter des Freistaates Sachsen für den Ausschuss der Regionen hier bestimmt und gestellt. Wir könnten uns vorstellen, dass wir auch darüber diskutieren, welche Strukturen wir im Ausschuss der Regionen haben und welche Verbesserungsvorschläge wir einbringen möchten; denn es ist klar, dass die Strukturen des Aus
schusses ganz unterschiedlich geprägt sind, je nach dem Staat, der hier vertreten wird, je nach den Regionen, die sich dort sammeln. So hat etwa die Region England ein ganz anderes Gewicht als der Stadtstaat Hamburg oder die Stadt Bremen. Allerdings wird auch hierauf in diesem Antrag nicht eingegangen.
Es wäre interessant zu erfahren, was der Beitrag Sachsens im Ausschuss der Regionen in den verschiedenen Fachkommissionen war, etwa in der Fachkommission für Koalitionspolitik, für Wirtschaft und Sozialpolitik, für Kultur und Bildung oder für die Frage der Außenbeziehungen, eine Frage, die uns gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung und die Lage Sachsens an der Grenze zu anderen EU-Mitgliedsstaaten interessiert.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist gut gemeint, aber ich befürchte, er wird das, was das Hauptproblem in dieser Frage ist, nicht lösen, nämlich ein bisher nicht beseitigtes und wahrscheinlich auch noch länger andauerndes Informationsdefizit des Landtages über diese, wie ich finde, wichtige Frage der europäischen Politik, die Sachsen ganz unmittelbar betrifft. Wir werden uns zu diesem Antrag enthalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bürger mit überdurchschnittlich großem europapolitischem Interesse wissen wahrscheinlich, dass es einen Ausschuss der Regionen gibt. Um herauszufinden, was in diesem Ausschuss so geschieht, muss man aber schon anfangen zu recherchieren. Da stellt sich schon die Frage, inwiefern der Ausschuss dieser so genannten Mittlerfunktion gerecht wird, die der Antrag ihm zuschreibt.
Um nämlich eine Mittlerfunktion wahrzunehmen, müssten die Vertreter der Regionen auch so etwas wie eine Informationspolitik gegenüber den Bürgern vorweisen können. Für unsere Region Sachsen kann man dergleichen nicht feststellen. Ich frage mich, ob die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag dieses Defizit abstellen wollen. Wenn ja, schließen wir uns der Kritik an und unterstützen das Anliegen in der Hoffnung, keine langweilige politikwissenschaftliche Vorlesung über die Institutionen der Europäischen Union vorgelegt zu bekommen. Die Erwartungen, dass die Europapolitik des Freistaates Sachsen transparenter wird und dass sie auch regelmäßig Gegenstand der politischen Diskussion im Sächsischen Landtag sein soll, werden sich wohl aber frühestens in der nächsten Wahlperiode erfüllen. Die diesbezüglichen Hoffnungen meiner Kollegin Weihnert teile ich.
Meine Damen und Herren, beim Ausschuss der Regionen handelt es sich lediglich um ein beratendes Gremium, das Stellungnahmen zu den Vorschlägen der Kommission
abgibt. Das ist bekannt. Die Staatsregierung sollte in ihrem Bericht deutlich machen, welche Entscheidungen auf europäischer Ebene der Ausschuss real beeinflussen kann. So könnte man vielleicht illustrieren, welches tatsächliche Gewicht dieser Ausschuss besitzt.
Vor allem aber wäre es schön zu erfahren, welche Initiativen der Freistaat Sachsen bislang im Ausschuss der Regionen ergriffen hat und was dort aus sächsischer Sicht bewegt werden konnte. Es geht doch nicht nur darum herauszufinden, welches Gewicht der Ausschuss der Regionen in Brüssel hat; sondern es muss doch auch gefragt werden, welche Bedeutung der Ausschuss für die Sächsische Staatsregierung und für den Sächsischen Landtag hat.
Meine Damen und Herren, daran schließt sich die Frage an, warum die sächsischen Aktivitäten im Ausschuss der Regionen nicht regelmäßig Thema hier im Sächsischen Landtag sind. Grundsätzlich besteht das Problem, dass die Regionen europapolitisch unterschiedlich verfasst sind. In Deutschland werden die Regionen praktisch mit den Ländern gleichgesetzt. So sind die Vertreter der Regionen in der Regel Ländervertreter und oft – siehe Sachsen – sind es dann auch die Vertreter der Landesregierung bzw. deren Ex-Mitglieder. Ob diese Konstruktion geeignet ist, eine echte Mittlerfunktion zwischen Bürgern und EU wahrzunehmen, mag man bezweifeln. Dazu ist sie einfach nicht breit genug aufgestellt. Um eine echte Mittlerfunktion wahrnehmen zu können, müssten beispielsweise die Vertreter der Kommunen eine größere Rolle spielen. Mit der deutschen Delegation stehen den 21 Ländervertretern lediglich drei Vertreter von Landkreistag, Städtetag und Städte- und Gemeindebund gegenüber. Die Vorstellung, dass Regionen hier im vollen Sinne repräsentiert werden, ist also falsch.
Genauso wenig sinnvoll erscheint es außerdem, dass die Mitglieder des Ausschusses der Regionen sich auch noch in politische Fraktionen aufteilen. So wird das Ziel, eine unabhängige Vertretung der Regionen zu gewährleisten, konterkariert, und ein Beitrag zur Bürgernähe ist dies sicherlich auch nicht.
Es wäre daher interessant zu erfahren, ob die Staatsregierung Verbesserungsmöglichkeiten bei der Struktur des Ausschusses der Regionen sieht.
Meine Damen und Herren, vollständig wäre der gewünschte Bericht auch nur dann, wenn darin deutlich würde, welchen Stellenwert die Mitarbeit im Ausschuss der Regionen gegenüber den sonstigen Einflussmöglichkeiten des Freistaates hat. Dazu müsste die Bedeutung des Ausschusses ins Verhältnis zu den Mitwirkungsmöglichkeiten der Staatsregierung über den Bundesrat und zur Arbeit des sächsischen Verbindungsbüros in Brüssel gesetzt werden.
Meine Damen und Herren, in der Hoffnung, dass der vorliegende Antrag das europapolitische Interesse des Landtages steigern hilft, stimmen wir ihm gern zu – jedoch nicht, um hinterher sagen zu können: Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben.
Langfristig ist zu wünschen, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten dieses Hauses bei der sächsischen Europapolitik signifikant gesteigert werden. Dies wäre ein Beitrag zur Demokratisierung Europas, den wir hier vor Ort leisten könnten. Die Staatsregierung sollte dazu angehalten werden, regelmäßig über ihre europapolitischen Aktivitäten zu berichten und die Stellungnahmen des Landtages dabei zu berücksichtigen. Ein eigenständiger Europaausschuss des Landtages wäre der wachsenden Bedeutung Europas in allen Bereichen des Lebens auch hier in Sachsen mehr als angemessen, meine Damen und Herren.
Der Ausschuss der Regionen wird seiner Rolle am ehesten gerecht werden, wenn die Vertretungskörperschaften der Regionen sich in seine Arbeit einbringen. In unserem Fall heißt das, dass wir uns nicht darauf beschränken sollten, uns gelegentlich vom Großen und Ganzen berichten zu lassen. Den Antrag der Koalitionsfraktionen kann man als europapolitische Fortbildungsmaßnahme begrüßen; aber dabei darf man nicht stehen bleiben.
Danke schön, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren! Aufgaben und Strukturen des Ausschusses der Regionen, der Berichtsauftrag der Regierungsfraktionen an die Staatsregierung, gibt uns die Gelegenheit, dazu hier vor dem Hohen Hause noch einmal ausführlich Stellung zu nehmen. Die Beiträge, die ich heute gehört habe, zeigen meines Erachtens, dass wir gar nicht genug über Europa sprechen können.
Frau Weihnert, lassen Sie mich zunächst zwei direkte Fragen, die Sie aufgeworfen haben, noch einmal beantworten. Es ist manchmal das Format nicht groß genug, um bei einer Kleinen Anfrage, wie Sie sie gestellt haben, das aufzuschreiben, was uns tatsächlich im Herzen bewegt. Aber ganz aktuell: Natürlich ist es so, dass Herr Winkler weiter den Freistaat Sachsen im Ausschuss der Regionen, dem AdR, vertritt. Zurzeit haben wir keinen unmittelbaren Regierungsvertreter, sondern allein dieses Haus vertritt den Freistaat Sachsen im Ausschuss der Regionen.
Zu Ihrer Frage, wann wir den Konsultationsprozess aufnehmen, möchte ich den Kolleginnen und Kollegen den letzten Halbsatz, den Sie nicht ganz vorgelesen haben, zur Kenntnis bringen: Das hängt natürlich damit zusammen, wann die zugrunde liegende Gesetzesgrundlage, also der Lissabon-Vertrag, diesen Konsultationsprozess entsprechend aufsetzt, wann er verabschiedet wird. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir – –
Wir ja, aber wir brauchen in Europa noch ein paar andere; das ist ein bisschen die historische Wahrheit. – Insofern denke ich mir, dass es gut und richtig ist, wenn wir tatsächlich noch über den Ausschuss der Regionen hier in diesem Hause diskutieren; denn das Europa ist ein Europa der Regionen. Herr Colditz hat vorhin noch einmal die Grundfrage gestellt. Europa, meine Damen und Herren, ist eine Frage von Krieg und Frieden. Dazu gehört die entsprechende regionale Vernetzung, und nirgendwo deutlicher als hier in Sachsen, wo unsere Nachbarn jenseits der Grenzen ganz deutlich auch regionale Freunde geworden sind und wir ein Europa der Regionen gerade hier in Sachsen nicht nur über den AdR diskutieren und dort die Entschließungen mitgestalten, sondern gerade auch hier vor Ort. Wir haben uns ja auch im Ausschuss des Öfteren darüber ausgetauscht.
Der Ausschuss der Regionen ist Ausprägung eines Europas der Regionen. Es ist ein Kampf, den die Regionen in Europa geführt haben, einfach um Europa den Bürgern näherzubringen; denn der Bürger lebt in einer Region – so unterschiedlich sie auch in Europa gestrickt ist. Im AdR sitzt ein französischer Bürgermeister einer Kleinstadt genauso wie ein Ministerpräsident und Herr Winkler, der Vertreter des sächsischen Parlaments. Das heißt, das, was sich im Ausschuss der Regionen widerspiegelt, ist auch die Unterschiedlichkeit Europas in den Regionen selbst und im Staatsaufbau. Wenn ich den Staatsaufbau Revue passieren lasse, so findet die Willensbildung eben insbesondere in einem Europa, das von der tatsächlichen Struktur her immer noch ein Europa der Nationalstaaten ist, über die Regierungen statt und damit im Wesentlichen über den Bundesrat.
Gleichwohl hat man sich Anfang der Neunzigerjahre auf den Weg gemacht, um das, wo die Menschen zu Hause sind – die Regionen –, stärker in das Bewusstsein Europas zu bringen. Der Weg ist begonnen worden – damals im Übrigen sehr intensiv begleitet von einem Europaminister Tillich, der gerade dort seine Verdienste hat und der wesentlich dazu beigetragen hat, dass das Gewicht des AdR wuchs, dass aber auch die Verträge in Nizza und Lissabon entsprechend das regionale Element noch stärker betonen konnten.
Meine Damen und Herren, Aufgaben und Strukturen des Ausschusses der Regionen – wir werden Ihnen die Fragen ausführlich beantworten; wir werden noch einmal Stellung nehmen und ich freue mich auf eine intensive Debatte über den Ausschuss der Regionen und die Regionalität.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 4/13100 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und