Protocol of the Session on December 11, 2008

In der mittelfristigen Ausbaustufe des von uns vorgeschlagenen Systems streben wir circa 10 600 Stipendien mit einem monatlichen Stipendium in Höhe von 300 Euro an. Daraus resultiert ein jährlicher Finanzbedarf von knapp 38 Millionen Euro, aufgeteilt zwischen Bund und Land Sachsen und ergänzt durch eingeworbene Mittel der Privatwirtschaft. Würde man ausschließlich von einer staatlichen Finanzierung in Anlehnung an den BundLänder-Verteilschlüssel ausgehen, so ergäbe sich für Sachsen ein Finanzierungsbedarf von knapp 13 Millionen Euro. Bei Beteiligung der Privatwirtschaft reduziert sich dieser Betrag entsprechend. Zugegeben – eine Menge Geld, aber wie es immer so schön heißt: Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Allein das fragliche Werbeprogramm „Pack dein Studium“ kostet übrigens 2,3 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund relativiert sich der genannte Betrag.

(Beifall bei der FDP)

Zudem beweist die Koalition bei der Finanzierung eigener Anträge auch immer eine nahezu unbegrenzte Kreativität.

(Dr. Simone Raatz, SPD: Das stimmt!)

Beim Haushaltsantrag zur begrüßenswerten Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr, jährliche Zuschüsse von 300 Millionen Euro, heißt es lapidar: „Deckung Gesamthaushalt“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An sächsischen Hochschulen wird ein erheblicher Teil des akademischen Nachwuchses für ganz Deutschland ausgebildet. Nicht umsonst wird Sachsen als Ingenieurschmiede Deutschlands bezeichnet. Insofern sollte eine Honorierung sächsischer Studierleistungen auch im Gesamtinteresse des Bundes liegen und eine entsprechende Finanzierungsbeteiligung rechtfertigen. Für die Wirtschaft stellen Studenten zweifelsohne einen hohen symbolischen Wert in der Öffentlichkeit und darüber hinaus ein effizientes, weil frühzeitiges Instrument der Talentbindung dar. Dadurch können Sie dazu beitragen, dass eine möglichst große Zahl von Absolventen in Sachsen bleibt und so dem Fachkräftemangel entgegengewirkt wird. Nach Leistungskriterien elterneinkommensunabhängig vergebene Stipendien dürfen allerdings nicht auf BAföG-Zahlungen angerechnet werden. Hier sind die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen kontraproduktiv und bedürfen einer Novellierung. Auch werden Unternehmen ausländische

Studierende nur dann unterstützen, wenn diese im Anschluss eine Bleibeperspektive haben.

Ich bitte um Zustimmung zum Antrag der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Prof. Mannsfeld.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die verschiedenen Möglichkeiten zur Begleitung und damit zur Verbesserung der Studienbedingungen durch Leistungsanreize spielen – das ist ganz unbestritten – nach wie vor in unserer gegenwärtigen Situation eine wichtige Rolle. Nur muss man – das ist meine Meinung – die Dinge so realistisch einschätzen und beschreiben, wie sie wirklich sind.

Kollege Dr. Schmalfuß, die Betreuungsrelation in der Vorlesung zur Anzahl der Studenten ist nun gewiss kein Kriterium in dieser Richtung, weil in einer Vorlesung, wenn wir sie nicht verändern wollen – und wir wollen ja die deutsche Sprache, die uns eine Kommunikationsmöglichkeit bietet, auch nicht abschaffen –, immer nur einer am Pult steht, und es sind entweder 200 oder 50 oder 100 oder 800, die zuhören. Das hat mit Betreuungsrelationen nichts zu tun, und die Vorlesungen sollten wir doch so belassen, wie sie sind.

Grundsätzlich: Wenn wir Ihr Ansinnen – und ich halte das für eine verkürzte Darstellung – nur auf die Abbrecherquoten fokussieren, dann ist das Stipendiensystem nicht das Allheilmittel, diese Erscheinung, die wir beklagenswerterweise haben – das ist ganz unbestritten –, zu bekämpfen. Das ist wesentlich komplexer anzulegen als mit diesem einen Aspekt. Das alles soll nicht verkannt werden.

Vor diesem Hintergrund – Kollege Schmalfuß hat das ausgeführt – wünscht sich die FDP-Fraktion den Aufbau – wörtlich – „eines attraktiven und wettbewerbsfähigen Stipendiensystems“. Bei der einreichenden Fraktion stellt man sich nun vor – da muss ich wirklich sagen, man stellt sich das vor, denn man kann nicht sagen, dass das Realität ist –, dass die Mittel vom Bund, vom Land und von der sächsischen Wirtschaft kommen sollen und dass mindestens 10 % aller sächsischen Studenten mit einer Stipendienhöhe – und nun schauen Sie in Ihren Antrag! – von 300 Euro gefördert werden sollen.

Zunächst einmal nehme ich zugunsten der FDP-Fraktion an, dass man eine Stipendienhöhe von 300 Euro pro Monat gemeint hat. Denn da in der Drucksache nichts zum Zeitbezug steht, könnten natürlich auch 300 Euro pro Tag – da würde ich gern noch einmal Student sein wollen – oder auch nur 300 Euro im Jahr gemeint sein.

Aber abgesehen von diesem redaktionellen Mangel – vielleicht ist er Ihnen ja noch gar nicht aufgefallen – entbehrt der Antrag, für mich jedenfalls, weitestgehend des Realitätssinns. Denn erstens gibt es nach der Föderalismusreform – das sollte auch bei der FDP-Fraktion bekannt sein – keine Veranlassung für den Bund, sich

kurzerhand an einem solchen Landesstipendienprogramm zu beteiligen. Es könnten noch 15 andere Bundesländer das gleiche Ansinnen stellen. Wenn man annimmt, dass 10 % erst der Anfang sind, könnte man ausrechnen, wann der Bund pleite ist.

Zweitens. In Ostdeutschland so kurzerhand die Wirtschaft als Geldgeber zu vereinnahmen ist für mein Empfinden oberflächlich gedacht und fast fahrlässig, wenn man die objektiven Verhältnisse der sächsischen Wirtschaft berücksichtigt. Natürlich darf man die Wirtschaft nicht unberücksichtigt lassen, aber so eine saloppe Aufzählung von Geldgebern, die letztlich noch keine sind, hilft, glaube ich, dem Ansinnen nicht weiter.

Sie haben mich eines Besseren belehrt, Herr Dr. Schmalfuß. Sie haben nämlich doch durchgerechnet, was Ihr Ansinnen kostet. Ich war kurze Zeit der Meinung, dass Sie das gar nicht bis zu Ende multipliziert haben: 10 %, also rund 10 500 Studenten, je 300 Euro pro Monat sind im Jahr 3 600 Euro; das ergibt in der Tat die stolze Summe von knapp 38 Millionen Euro.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es angesichts der allgemeinen Haushaltssituation jemand für realistisch hält, dass wir im Sinne dieses Antrages verfahren können; denn man beachte, dass die FDP-Fraktion mit den 10 % erst starten will. Also sind es im nächsten Haushaltsjahr möglicherweise schon 75 Millionen Euro; denn die Drittelung ist ja nicht realistisch, wenn das Land in Vorleistung gehen soll, und wir haben Belastungen, die – und das trifft meine Eingangsbemerkungen – eben nicht an der Wurzel des Problems ansetzen.

Daher meine ich, dass dem Antrag wegen fehlender Realisierungsmöglichkeiten – und das, wenn man so will, einen Tag nach der Verabschiedung des Haushalts für das Land! – bei dieser Größenordnung eigentlich nicht zugestimmt werden kann.

Meine Damen und Herren, das in der Regelstudienzeit absolvierte Studium bleibt natürlich ein wichtiges Ziel, auch um Fachkräftemangel zu vermeiden. Aber für Leistungsanreize sind in unserem Haushalt in Kapitel 12 07 Titel 681 21 Mittel zur Graduiertenförderung eingestellt. Auch die deutlich erhöhten BAföG-Sätze enthalten Leistungskriterien, die Stipendiencharakter haben. Die „Studienstiftung des deutschen Volkes“ vergibt etwa 10 000 Stipendien pro Jahr, sodass auch hier ein Anreizsystem besteht, das genutzt werden kann. Ich denke, auch die angesprochene Wirtschaft hat bereits eine Fülle von Privatstiftungen, die Stipendien vergeben, ins Leben gerufen. Aber sie wird sich kaum in einem Bundesland einfach an einem noch ungeklärten Projekt beteiligen.

Wichtiger wäre es meines Erachtens – darüber kann man ja einmal nachdenken –, dass bereits in den Abiturklassen bekannt ist, welche Stipendienmöglichkeiten es überhaupt gibt. Wenn der Erststudent an der Universität ankommt, weiß er darüber wenig und hat in der Anfangsphase

vielleicht auch noch nicht den richtigen Weg gefunden, wie er das in Erfahrung bringt. Hier wäre ein Betätigungsfeld für SMWK und SMK, eine Informationsmöglichkeit für die Gymnasien zu schaffen, um eine solche Überlegung in die Tat umzusetzen.

Aber zurück zum Antrag: Der vorgeschlagene Ansatz mit seinen – lassen Sie mich das so nennen – Fantasiezahlen und der völlig ungeklärten Finanzierungsgrundlage ist jedenfalls in dieser Form kein geeigneter Weg, um das durchaus erkannte Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion, bitte. Frau Abg. Werner.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Zur Debatte steht der Antrag der FDP zum Thema „Aufbau eines leistungsorientierten sächsischen Stipendiensystems“. Die Antragstellerin begehrt von der Staatsregierung die Erarbeitung und Umsetzung eines entsprechenden Konzeptes. Weder der zuständige Ausschuss des Landtages noch das Parlament sollen über das von der Staatsregierung zu erarbeitende Konzept informiert werden, geschweige denn, dass eine Aussprache darüber vorgesehen ist. Die FDP stellt der Staatsregierung quasi einen Blankoscheck aus und verzichtet auf eine parlamentarische Behandlung des Konzeptes der Staatsregierung.

Vermutlich verzichtet sie deshalb auch auf eine Beantwortung ihres Antrages durch die Staatsregierung; denn zehn Tage nach seiner Einreichung am 1. Dezember steht der Antrag im Parlament auf der Tagesordnung. Die Eile geht hier auf Kosten der Seriosität, und schon deshalb müssten wir den Antrag ablehnen.

Dazu kommt aber auch die übliche Wettbewerbsrhetorik im Antrag. Das sächsische Hochschulwesen soll – wen wunderts? – mittels eines leistungsorientierten Stipendiensystems im nationalen und internationalen Umfeld attraktiver und wettbewerbsfähiger gemacht werden. Die Stipendien sollen – auch das überrascht bei der FDP nicht – leistungsbezogene Anreize für schnell und erfolgreich abgeschlossene Studien geben, und sie sollen leistungsstarke Absolventen frühzeitig an Unternehmen binden. Leistungsstipendien als Prämien für Tempo und Unternehmensbindung – mehr fällt der FDP, wenn es ums Studieren geht, wahrscheinlich nicht ein.

Ich erlaube mir, zur üblichen Wettbewerbsrhetorik einen Kommentar von Gesine Schwan zu zitieren, die bekanntlich Wissenschaftlerin und Hochschulpolitikerin ist und für das Amt der Bundespräsidentin kandidiert. Sie sagt: „In derselben Geisteshaltung wurde auch der Wettbewerb zum König. Er wurde gleichermaßen zum einzigen Motor und zugleich zum verbindlichen Maßstab von Bildung gekrönt. Leistung entsteht demnach nur durch Wettbewerb und zeigt sich, ohne dass man weiter nachdenken oder argumentieren muss, im Ranking. Wer auf Nummer 1 steht, muss einfach grandios und natürlich exzellent

sein. Wenn man sich von Nummer 44 auf Nummer 27 hochgearbeitet hat, ist man definitiv auf dem richtigen Weg. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich besser bin als alle anderen oder wenigstens zu den zehn Besten gehöre, von der Schule bis zur Hochschule. Mein Selbstwertgefühl steigt, je schlechter die anderen sind, denn nur daran misst sich das ja. Dass in einem solchen Klima kein Vertrauen gedeihen kann, liegt auf der Hand. Ob in der Schule, im Unternehmen oder zwischen den Banken – Gemeinsamkeit des Handelns ist allenfalls im Team gegen andere angesagt, um zu gewinnen, nicht wegen einer dringlichen oder womöglich alle einigenden Aufgabe wie dem Klimaschutz, nicht im Dienste eines Werkes, das so langfristig angelegt wäre, dass es erst der übernächsten Generation und nicht dem Ranking von morgen zugute käme.“

Ich entschuldige mich für das ausführliche Zitat und bitte um Verständnis. Ich denke aber, dass solche Töne in der Hochschuldebatte lange nicht zu hören waren und endlich wieder einmal angeschlagen werden sollten. Studieren lässt sich nicht auf Effizienz und Ranking reduzieren, auch wenn das manche gern so haben wollen.

Was das Stipendienwesen betrifft, so verhält es sich ja nicht so, als ob es da gar nichts gäbe. Der Freistaat Sachsen fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs – so wie andere Bundesländer auch – durch Promotionsstipendien, durch Graduiertenförderung, durch Wiedereinstiegsstipendien usw. Außer Länderstipendien gibt es noch Stipendien von nichtstaatlichen Stiftungen, von der Wirtschaft und vom Bund. Begabtenförderungswerke gewähren Stipendien und für beruflich Begabte gibt es auch extra Aufstiegsstipendien.

Von NRW wurde jüngst ein nationales Stipendiensystem ins Spiel gebracht. NRW hat vorgeschlagen, mithilfe eines bundesweiten Förderwerkes 10 % der besten Studierenden eines Jahrgangs mit einer monatlichen Leistungsprämie in Höhe von 300 Euro zu unterstützen. Davon haben Sie den Anfang wahrscheinlich abgeschrieben. Die Kosten sollen sich auch in diesem Modell die Wirtschaft, der Bund und die Länder teilen. Die Kritik auf diesen Vorstoß aus NRW war groß, und zwar wegen des Föderalismus.

Um sich einen systematischen Überblick über das Stipendienwesen zu verschaffen und seriös über dessen Qualifizierung beraten zu können, haben Bund und Länder also eine Arbeitsgruppe gebildet, die nun unter Vorsitz von NRW die Möglichkeiten eines Ausbaus des Stipendienwesens erörtern und dementsprechende Vorschläge erarbeiten soll. Ich denke, dem sollten wir nicht vorgreifen. Eile ist nicht geboten und ein Alleingang Sachsens scheint mir wenig sinnvoll, zumal wir gerade erst einen Haushalt für die kommenden beiden Jahre verabschiedet haben. Wir haben vor uns ganz andere Baustellen liegen; wir haben im alternativen Haushalt bereits darauf hingewiesen.

Grundsätzlich gilt für DIE LINKE jedoch: Solange die Aufnahme eines Studiums vom Geldbeutel der Eltern

abhängt, die Chancengleichheit also nicht gewährt ist, wie empirische Studien belegen, so lange verstärken Leistungsstipendien eher die sozialen Ungerechtigkeiten; denn sie kommen eher denen zugute, die ohnehin schon finanziell besser gestellt sind. Es sind über 50 % der Studierenden, die zusätzlich zum Studium arbeiten gehen müssen, um ihr Studium finanzieren zu können. Diese können dann natürlich weniger Zeit aufbringen, sich tatsächlich konzentriert ihrem Studium zu widmen.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Wer Leistungsstipendien damit begründet, dass sie die Belastung durch Studiengebühren mildern, der sollte eben erst gar keine Studiengebühren einführen. Das ist ein zweiter Grund für uns, den Antrag der FDP abzulehnen.

Im Übrigen fordert DIE LINKE ein existenzsicherndes, elternunabhängiges BAföG für alle Studierenden. Das würde tatsächlich zum Gelingen beitragen. Außerdem hält es DIE LINKE in Sachsen für sinnvoller, anstatt einigen wenigen Studierenden mehr Geld zu geben, um sie zu einem schnelleren Studium zu veranlassen, das Geld direkt in die Hochschulen zu investieren, um die Lehrkapazitäten auszubauen und die Betreuungsverhältnisse zu verbessern.

Von Leistungsgerechtigkeit kann erst dann die Rede sein, wenn weitgehende Chancengleichheit unter den Studierenden besteht.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Frau Dr. Raatz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Liebe FDP-Fraktion, ich glaube, Ihr Antrag ist nicht der große Renner. Sie haben wahrscheinlich schon an meinen Vorrednern gemerkt,

(Stefan Brangs, SPD: Kann passieren!)

dass nicht uneingeschränkte Zustimmung zu Ihren Ideen vorherrscht.

(Zuruf von der FDP)

Frau Werner hat eben gesagt, dass die Idee nicht neu ist, sondern von Herrn Pinkwart und aus Nordrhein-Westfalen stammt. Doch dort herrschen prinzipiell andere Zustände, denn Herr Pinkwart hat festgestellt, dass mit der Einführung von Studiengebühren die Studierneigung der Abiturienten in Nordrhein-Westfalen abnimmt. Dann hatte er die glorreiche Idee, das Stipendiensystem neu zu ordnen und zu sagen: Wir wollen jetzt dieses leistungsabhängige Stipendium. Das soll nun die Lösung aller Probleme sein.