Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist die Debatte vorbei. Frau Hermenau und Herr Bolick haben das Schlusswort gehalten. So sehr ich bei dem Antrag bei
Ihnen bin, Frau Hermenau, auch mit Ihren Infrastrukturmaßnahmen – ich will das gar nicht wiederholen, Herr Scheel hat das nicht falsch gesagt – wir wollen natürlich, dass es ein Konjunkturprogramm gibt, das den Menschen dient. Dazu habe ich bei Ihnen nichts gehört. Deshalb wundert mich das. Ich habe Ihnen so etwas nicht zugetraut. Sie meinen doch wirklich, die Rezession ist aus falschen Konsumerwartungen entstanden. Sie sind doch dabei gewesen und wissen, wodurch die Finanzkrise ausgelöst wurde, wo das Problem vorrangig liegt: Es gibt zu viel Geld. Im Moment kann es nicht angelegt werden. Das ist nicht mein Problem. Ich hoffe, auch nicht Ihres. Aber durch diese Verteilung, die seit zwölf Jahren durch Rot-Grün und jetzt Schwarz-Rot immer wieder betrieben worden ist – selbst im Januar 2008 hat man noch die Hedgefonds von der Gewerbesteuer im Bundestag befreit –, hat man diese Krise heraufbeschworen.
Jetzt reden Sie von der Wirtschaftskrise und begründen diese durch falsche Erwartungen. Wollen Sie etwa denen, die demnächst als Leiharbeiter entlassen werden und heute schon entlassen sind, sagen, das liege an den Firmen, die falsche Erwartungen in die Weltwirtschaft gesetzt haben? Frau Hermenau, das ist das Schlimmste, was Sie heute unter anderem geleistet haben – –
Hören Sie zu! Es ist momentan eine Flaute. Und DIE LINKE redet keine Krise herbei. Aber wenn die Arbeitsagentur in Limbach heute schon gemeldet bekommt, dass 4 500 Leute ihre Arbeit per Jahresende verlieren, also in die Arbeitslosigkeit gehen, dann möchte ich von Ihnen schon erwarten, dass Sie über die heraufkommende Krise etwas anders reden als in einer so laxen Art, dass Sie mit Wachstum, Konsum und mit den sogenannten linken Verteilungsfanatikern etwas anders umgehen.
Sie wissen, allein in den letzten Jahren der Konjunktur sind 300 Milliarden Euro mehr in das Sozialprodukt geflossen. Davon sind 230 Milliarden Euro nur in wenige Hände gegangen. Hätten wir die Steuergesetzgebung von 1996 noch, wäre es genau umgekehrt. Es wären 230 Milliarden Euro noch in den Konsum geflossen, also für diejenigen, die diese Werte schaffen. Diese Politik steht heute auf der Agenda, und diese Politik muss wieder über die Krise beseitigt werden. Es reicht nicht aus, nur so zu reden, jetzt machen wir einmal ein Programm und alles wird gut. Deshalb musste ich nach vorn gehen.
Herr Bolick, Sie wissen es genau, wir werden dann als Staat für die vielen Arbeitslosen, die eine Krise mit sich bringt – so werden Sie mir antworten –, viel Geld in die Hand nehmen müssen. Eine solche Diskussion, wie sie hier geführt worden ist, gibt es auf meiner Seite überhaupt nicht. Es ist einfach für mich ein menschenverachtendes Bild. Ich bin ganz bei Herrn Pecher: Wir können auch in Sachsen – das werden wir auch mit dem Haushalt tun, Herr Bolick – natürlich Maßnahmen einleiten, mit denen wir der Krise entgegentreten. Die Menschen werden hier
In der BRD ist mit Ihnen, Frau Hermenau, ein Motto durchgesetzt worden: Sparen nach innen, mit den Lohnstückkosten herunter und mit den niedrigen Lohnstückkosten Export machen nach draußen. Das hat mit Binnenkonjunktur, also mit Ihren angeblichen Konsumerwartungen, nichts zu tun.
Nun haben wir den Export. Die Schwellenländer sind in die Finanzkrise genauso einbezogen. Der Export bricht zusammen. Herr Morlok hat das vorhin ganz richtig gesagt: Die mittelständischen Firmen werden keine Aufträge haben. Wenn sie keine Aufträge haben, haben sie keine Arbeit und damit auch keine Arbeitsplätze. Das ist das Problem. Dem muss der Staat – das kann nur der Staat – entgegenwirken und mit solchen Programmen für Aufträge sorgen.
Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte Herr Staatsminister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die weltweite konjunkturelle Abschwächung geht an Deutschland wahrlich nicht spurlos vorüber. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sehen in ihrem Herbstgutachten Deutschland am Rande einer Rezession. Die gleiche Ansicht vertritt auch der Sachverständigenrat, der für 2009 ein sogenanntes Nullwachstum erwartet, und die konjunkturellen Frühindikatoren zeigen deutlich nach unten. Von dieser negativen Entwicklung wird sich Sachsen nicht abkoppeln können.
Positiv für uns ist, dass die wirtschaftliche Basis heute wesentlich breiter und stabiler ist als noch vor vielen Jahren. Damit haben wir deutlich bessere Voraussetzungen, um gut durch die konjunkturellen Herbst- und Winterstürme zu kommen.
Auch die sächsische Industrie kommt teilweise in schweres Fahrwasser, selbst wenn die Daten insgesamt noch Wachstum zeigen. Bis September hat sich der Gesamtumsatz gegenüber dem Vorjahr noch um 3,9 % nach oben entwickelt. Auch die Zahl der Beschäftigten stieg noch um fast 6 %.
Aber für einzelne Branchen mit Gewicht in Sachsen belegen die Daten bereits einen Abschwung. So weist der Umsatz im Automobilbau einen Rückgang um 2,8 % aus, die Rundfunk- und Nachrichtentechnik leidet gar unter einem Rückgang von 7 %. Dabei gibt es nach wie vor Wirtschaftszweige, die gut laufen, wie zum Beispiel der Maschinenbau mit einem Umsatzplus von 15,7 %.
Deutlich günstiger sind noch die Daten am Arbeitsmarkt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt und die Zahl der Arbeitslosen sinkt auf den nied
rigsten Stand seit Juni 1991. Aber wir wissen, dass der Arbeitsmarkt ein echter Spätindikator ist. Der IfoGeschäftsklimaindex Deutschlands als wichtiger Frühindikator belegt eine auch zuletzt immer noch ordentliche Geschäftslage, aber zugleich einen außergewöhnlich starken Rückgang bei den Erwartungen der Unternehmen. Das am 12. November veröffentlichte Ifo-Wirtschaftsklima für den Euro-Raum hat sich im vierten Quartal 2008 zum fünften Mal in Folge verschlechtert und fällt auf den niedrigsten Wert seit Anfang 1993.
Allerdings – wir sollten nicht in Panik verfallen, sondern uns die Sache genau anschauen. Wir stehen vor allem aufgrund der starken Negativentwicklung in unseren westlichen Exportländern vor schwierigeren Zeiten. In diesen schwierigen Zeiten ist die Psychologie der Wirtschaft noch wichtiger als im Aufschwung. Wichtiger als das Klein-Klein, das Zerreden und die Bewertung einzelner politischer Maßnahmen, ist für mich das Signal. Das politische Signal dieser Tage ist eindeutig und auch ermutigend. Wir erleben dreierlei:
Erstens. In Zeiten einer konjunkturellen Abkühlung ist der Staat handlungsfähig. Das wird in seltener Einmütigkeit von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften gelobt.
Zweitens. Anders als manche Akteure an den Finanzmärkten, denen wir gerade einen großen Teil der aktuellen Gefahren verdanken, handelt der Staat besonnen. Die Regierenden sind sich ihrer Verantwortung bewusst und haben schnell und unbürokratisch die nötigen Veränderungen auf den Weg gebracht. Das Angebot an die Finanzmärkte war kraftvoll und wird, wenn auch noch nicht von allen Marktteilnehmern, inzwischen angenommen. Damit können sich die Banken wieder gegenseitig Liquidität verschaffen, was vor Kurzem nicht mehr möglich war.
Drittens. Der Staat greift heute nicht mehr zu globalen und unfinanzierbaren Konjunkturprogrammen. Die Bundesregierung hat gezielte Hilfen für die Sektoren der Wirtschaft beschlossen, die unter der Verunsicherung der Verbraucher am meisten leiden: die Hersteller von Autos und anderen langlebigen Konsumgütern mit ihren Zulieferern und für die kleinen Handwerker, die besonders auf die privaten Investitionen angewiesen sind.
Die Details zum Maßnahmenpaket der Bundesregierung sind umfassend in der Presse dargestellt worden und waren heute Inhalt der bisherigen Debatte. Auch über das Für und Wider haben Fachleute und Politiker ihre Argumente vorgetragen, sowohl zum Sinn von Konjunkturstützungsprogrammen insgesamt als auch zu einzelnen Maßnahmen. Letztendlich haben auch meine Vorredner in dieser Debatte die wesentlichen Argumente streitig ausgetauscht. Aber mögen auch die Details des Programms streitbar sein: Es kommt vor allem auf das Signal an. Das haben mir die Spitzenvertreter der sächsischen Wirtschaft ausdrücklich bestätigt.
Vor acht Tagen habe ich die Wirtschaftskapitäne Sachsens getroffen. Die Präsidenten von Kammern und Verbänden unserer sächsischen Unternehmen haben mir bestätigt,
dass die aktuelle Lage von einem überwiegenden Teil der sächsischen Wirtschaft längst nicht so negativ eingeschätzt wird wie von so manchem Wirtschaftsforschungsinstitut. Daher wird das Maßnahmenpaket von Michael Glos und Peer Steinbrück trotz zum Teil berechtigter Kritik unter anderem an der Kfz-Steuerbefreiung als ein in Gänze positives Signal an alle Marktteilnehmer begrüßt. Und, Frau Hermenau, der Bund übernimmt sogar die Steuerausfälle bei der Kfz-Steuer.
Insofern können wir es auch nicht verhindern, dass der Bund die Mitnahmeeffekte zulässt, die sich auch für Herrn Morlok auswirken werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wichtiger aber als die Kfz-Steuerbefreiung ist wohl auch die schnelle Klärung der Details zur geplanten CO2-bezogenen KfzSteuer. Die Automobilindustrie war zuletzt einer unserer stärksten Wachstumsträger. Deshalb ist es für das Autoland Sachsen wichtig, dass die Automobilindustrie Unterstützung erfährt. In die gleiche Stoßrichtung geht die Initiative der Bundesregierung, europäische Mittel für die Entwicklung moderner Fahrzeugtechnologie bei der Europäischen Investitionsbank zu akquirieren. Das begrüße ich sehr, weil es uns zu einer neuen Technologieführerschaft bringt und damit weniger krisenanfällig macht. Kollege Bolick hatte bereits darauf hingewiesen, dass bei seinem Besuch in Sindelfingen zugegeben werden musste, dass die Automobilindustrie auch hausgemachte Probleme hat. Herr Bolick, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie so krass sagen, dass man leider Gottes die Entwicklung verschlafen hat. Ich finde es gut, dass ein CDU-Wirtschaftspolitiker den Mut hat, dort Klartext zu sprechen.
Herr Jurk, wenn Sie gerade wieder darstellen, dass es Fehlleistungen in der Automobilindustrie gegeben hat, frage ich Sie, warum es eine staatliche Aufgabe ist, jetzt die in die Krise gekommene Automobilindustrie zu stützen. Ist das wirklich eine staatliche Aufgabe?
Auch die unternehmerischen Fehlleistungen muss man – darin gebe ich Ihnen recht – kritisch bewerten. Da ist die
Ursache zu sehen. Aber wir müssen an die Menschen denken, denn wir haben Zehntausende, die in der Automobilindustrie und in der Zulieferindustrie momentan ihren Job haben; und an die denke ich.
Herr Minister Jurk, teilen Sie die Konsequenz, wie ich sie sehe, dass man in Deutschland nur groß genug sein muss, um sich im Management alle Fehler erlauben zu können?
Auch hier muss ich wieder sagen, dass die Auswirkungen der Krise zu guter Letzt bei unseren Zulieferern anzutreffen sind. Wissen Sie, das macht mir die größten Sorgen. Ich freue mich, dass wir in Sachsen auch leistungsfähige OEMs haben. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich VW klar zum Standort Sachsen bekennt, indem die Antriebstechnik am Standort Chemnitz ausgebaut wird. Hier haben wir die nötige Fachkompetenz vor Ort. Hier muss es aber auch darum gehen, dass wir nicht nur an die Großen denken, aber wenn die Großen fallen, hat das unmittelbare Auswirkungen auf unsere Zulieferer.
Ich habe mich bereits vor Wochen dafür eingesetzt, dass auch Handwerkerleistungen wie alle anderen haushaltsnahen Dienstleistungen stärker von der Steuer absetzbar sind. Das war schon ein Fehler im System, wenn man sich überlegt, dass haushaltsnahe Dienstleistungen besser gestellt werden sollten als Handwerkerleistungen. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat dies am 23. Oktober beschlossen und der Bund hat nun Ähnliches mit seinem Maßnahmenpaket umgesetzt. Ich freue mich, dass das sächsische Handwerk hinter dieser Position steht. Kammerpräsident Joachim Dirschka hat deutlich gemacht, dass ein attraktiver Steuerbonus geeignet ist, legale Arbeit zu stützen. Daneben können die Bürger auch über das erweiterte Gebäudesanierungsprogramm sowohl Energie sparen und zugleich das einheimische Handwerk unterstützen.
Aus dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung fließen 2009 und 2010 jeweils 1 Milliarde Euro in die Verkehrsinfrastruktur. Damit werden Bund und Länder den in einzelnen Bereichen bestehenden Investitionsstau zu einem – wenn auch geringen – Teil abbauen können. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass mit diesen zusätzlichen Mitteln vorrangig Engpässe beseitigt werden, etwa bei der Elektrifizierung wichtiger Verbindungen in und durch Sachsen und im boomenden Schienenverkehr. Die Staatsregierung wird dazu dem Bund erneut die ausführungsreifen, prioritären Infrastrukturvorhaben benennen und auf die Umsetzung drängen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen wird – das ist wichtig noch einmal darzustellen – das Maßnahmenpaket des Bundes mitfinanzieren. Der Freistaat leistet über den steuerlichen Teil quasi automatisch einen nicht unbeachtlichen Beitrag. Auch wenn die GA aufgestockt wird, heißt das Kofinanzierung durch das Land.