Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Zastrow, Sie haben hier zwar über Unternehmen gesprochen, die unter der Bürokratielast leiden. Sie haben vom deutschen Steuerrecht gesprochen. Sie haben von EU-Vorschriften gesprochen. Aber vom sächsischen Paragrafenpranger haben wir eigentlich nichts von Ihnen gehört.
Ich will Ihnen noch einmal sagen: Das war auch eines der Probleme, an dem dieses Projekt gekrankt hat, dass nämlich eine Vielzahl dieser 1 900 Vorschläge EU-Recht
Ja, der Paragrafenpranger, da brauchen wir nichts schönzureden: Die Erwartungen, die die öffentlichkeitswirksame Ausrufung dieses Projektes im Jahre 2003 geweckt hatte, wurden nicht erfüllt. Von einem Scheitern und einer verpassten Chance für den Bürokratieabbau zu sprechen, so weit würde ich dann nicht gehen.
Ich will das auch gern begründen. Deshalb stehe ich hier und werde es in den verbleibenden vier Minuten tun.
gibt es doch positive Elemente – hören Sie mir doch einmal zu! –, die sich dem Betrachter, das gebe ich gern zu, nicht gleich beim ersten Mal erschließen.
Wenn man sich etwas näher betrachtet – und der Kollege Bartl ist da schon einmal in die richtige Richtung gegangen –, wie denn diese Kommission im Einzelnen herangegangen ist,
Es ist schon gesagt worden, dass es diese Kommission für Vorschriftenabbau gab, in der verschiedene Ressorts beteiligt waren. Diese Kommission hat sich von Anfang an – das muss man sagen – sehr zielgerichtet und professionell an die Abarbeitung dieser 1 900 Vorschläge gemacht. Das war schon Anfang 2003. Sie hat alle eingegangenen Vorschläge erfasst, ausgewertet und zu jedem einzelnen Vorschlag eine Empfehlung gegeben. So weit, so gut.
Im Detail ist es dann tatsächlich etwas komplizierter geworden. Es ist nämlich so gewesen: Sobald der Vorschlag den Geschäftsbereich eines dieser Kommissionsmitglieder betraf, also Justiz, Inneres, Finanzen oder Staatskanzlei, hat man eine endgültige Empfehlung verabschiedet. Betraf aber der Vorschlag den Geschäftsbereich eines anderen Ministeriums, hat man erst eine vorläufige Empfehlung verabschiedet und noch einmal eine Stellungnahme eingeholt, um danach eine endgültige Stellungnahme abzugeben.
Die Voten der Fachministerien fanden in der Regel auch Berücksichtigung. Jetzt kann man sich natürlich vorstellen – wenn das Fachministerium zurückschreibt: Ja, Bürokratieabbau ist eine feine Sache und wir begrüßen das sehr, aber in diesem einen speziellen Fall würden wir
Es kam noch ein weiteres Hindernis hinzu. Die Kommission hatte sich nämlich auch ein Statut gegeben, um die Grundlagen ihrer Arbeit zu definieren. Darin stand, dass in dem Fall, dass kein Einvernehmen innerhalb der Kommission oder zwischen der Kommission und dem zuständigen Fachministerium erzielt werden kann, eine Kabinettsentscheidung herbeizuführen ist.
Wenn man sich diesen Verfahrensablauf, den ich hier ein wenig zu skizzieren versucht habe, vorstellt, dann wird man nicht erstaunt sein, dass in diesem Raster immer mehr Vorschläge hängen geblieben sind. Letztlich sind von den weit über 1 800 Vorschlägen nur noch knapp drei Dutzend übrig geblieben, die in dem Paragrafenprangergesetz oder in der Paragrafenprangerverordnung umgesetzt werden sollten.
Dazu muss man dann sagen: Dass sich die Staatsregierung letztlich entschieden hat, das Projekt als solches zu beenden und die Vorschläge zurück an die Fachministerien zu geben, ist konsequent gewesen und sicherlich auch der richtige Schritt.
Ich will vielleicht noch einmal verdeutlichen: Die Bürokratieabbauvorschläge, die eigentlich in das Paragrafenprangergesetz sollten, sind nicht vom Tisch, sondern sie harren weiter ihrer Umsetzung, allerdings nicht mehr in diesem Mantelgesetz, sondern in den zuständigen Fachministerien.
Deshalb will ich vielleicht einmal ein kurzes Fazit aus meiner Sicht ziehen. Wie stellt sich das dar? Der große Erfolg war dem Paragrafenpranger nicht gegönnt. Aber eben nicht wegen fehlender oder schwacher Inhalte, sondern die Defizite lagen aus meiner Sicht im Verfahren. Wie die Konzeption der Kommission auch gewesen sein mag, sie hat sich nicht immer als optimal im Sinne der Zielsetzung erwiesen.
Ich denke einmal, die Staatsregierung wird daraus ihre Schlüsse ziehen. Eins ist klar – darin sind wir uns alle einig –: Bürokratieabbau bleibt weiterhin selbstverständlich auf der Agenda der Staatsregierung und der Koalition. Ich sage einmal: Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe.
Da sind wir uns ja auch einig, es ist eine Daueraufgabe. Um das Thema am Kochen zu halten, braucht es ab und zu auch so eine Art Impuls. Ich denke, der Paragrafenpranger war ein entsprechender Impulsgeber.
Es muss unsere gemeinsame Aufgabe – vielleicht noch ganz kurz ein Appell an alle hier vertretenen Parlamenta
rier – als Gesetzgeber und natürlich der Staatsregierung sein, die sächsischen Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen von unnötiger Bürokratie zu entlasten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bräunig, es ist schon beachtlich, wie Sie eine Sache, die schiefgegangen ist, noch gutreden wollen. Aber als Fazit bleibt natürlich: Die Kommissionäre waren eine ganze Weile beschäftigt, und sie waren – zumindest in dieser Zeit – nicht in der Lage, sich neue Bürokratie auszudenken. Als Fazit muss man also schon sagen: Der Paragrafenpranger ist gescheitert. Dieser Aussage der FDP-Fraktion wird man sicherlich zustimmen müssen.
Ob er jedoch wirklich jemals eine Chance gewesen ist, die zur Entlastung der Bürger und Unternehmen von bürokratischem Wildwuchs und Überregulierung hätte führen können, die nun unwiderruflich verpasst worden sein soll, darüber kann man trefflich streiten. Über eines aber, meine Damen und Herren, kann man sicher nicht streiten: dass nämlich der Paragrafenpranger selbst – wie auch seine hyperkritische Behandlung durch die FDP-Fraktion – nichts anderes war und ist als blanker Populismus.
Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass das infrage stehende Projekt im Dezember 2002 vom damaligen sächsischen Justizminister Thomas de Maizière medienwirksam aus der Taufe gehoben wurde. Das Land Sachsen war der Bundesregierung mit ihrer Initiative „Bürokratieabbau“ mit der im Februar 2003 gestarteten Aktion Paragrafenpranger sogar noch zuvorgekommen; es war jedoch nicht bundesdeutscher Spitzenreiter; denn bereits 2002 hatte die Landesregierung in Thüringen angekündigt, die Verwaltungsvorschriften durchforsten und überzogene Regelungen ausmustern zu wollen.
Aber zurück zu unserem Freistaat! Der damalige Justizminister Thomas de Maizière hatte sich also plakativ der Sorge der Bürger wegen des Übermaßes an Demokratie angenommen und verlautbaren lassen – Zitat –: „Wenn wir weniger Vorschriften haben wollen, dürfen wir nicht immer deren Urheber, die Fachleute, um ihre Meinung bitten. Wir müssen die Bürger fragen.“ Kollege Bartl hatte bereits in der 1. Aktuellen Debatte, die die FDP-Fraktion im Juni 2006 dem Landtag aufnötigte, zu Recht darauf hingewiesen, dass es etwas befremdlich ist, wenn ein
Volljurist und Justizminister die Bevölkerung um Hilfe ruft, damit diese den Fachleuten bürokratische Ungereimtheiten und Überflüssigkeiten aufzeigt, die dann wiederum den Justizminister befähigten, Rechtlichkeiten zu ändern. Das ist zwar sachlich richtig, dennoch ist der Gedanke, das durchaus vorhandene Fachwissen, das gesunde Volksempfinden oder auch nur die Befindlichkeit des Volkes diesbezüglich abzufragen, nicht von vornherein von der Hand zu weisen, und dies muss nicht unbedingt populistisch angelegt sein.
Meine Damen und Herren von der FDP! Diese Aktuelle Stunde ist nicht neu und somit auch nicht aktuell. Sie ist ein minimal paraphrasierter zweiter Aufguss. Erwarten Sie also nicht, dass wir Ihnen in dieser Debatte viel Neues bieten.
Bereits 2006 wurde Ihnen klargemacht, dass viele der von den Bürgern eingereichten Vorschläge schon deswegen nicht umsetzbar sind, weil übergeordnetes Bundes- bzw. Europarecht dem entgegensteht. Wenn Sie also unbedingt darauf beharren, dass die vernünftigen Vorschläge aus den Reihen der sächsischen Bürgerschaft umgesetzt werden sollen, dann müssen Sie hier keinen zweiten Aufguss eines alten, bereits abgearbeiteten Themas zur Sprache bringen, sondern dann sollten Sie Anträge an die Staatsregierung richten, diese solle auf den Bundesgesetzgeber dahin gehend einwirken, dass die Bundesgesetze entsprechend geändert werden bzw. die Kuratel der europäischen Gesetzgebung eingeschränkt und zurückgedrängt wird.
Außerdem geht es auch nicht darum, ob man sonntags sein Auto in die Waschanlage fahren darf und ob sich der gelangweilte Jugendliche auch an einem Sonntagnachmittag in einer örtlichen Videothek ein Horror- oder anderes Filmchen ausleihen kann; und am wenigsten greift hier Ihr Standardargument: Wenn alle Läden 24 Stunden am Tag öffnen würden, würden die Menschen auch mehr Geld ausgeben.
Meine Damen und Herren! Seit Tausenden von Jahren gelang es den Menschen in der Regel, ihr Geld auszugeben, und das ist heute nicht anders. Das Problem liegt also nicht darin, dass die Möglichkeiten für den Geldumlauf nicht gegeben sind, sondern darin, dass die Menschen immer weniger Geld haben. Es ist übrigens gerade der Abbau von Bürokratie in Gestalt von Kontrollmechanismen und staatlichen Eingriffsmöglichkeiten des Bank- und Finanzsystems – den Sie, meine Damen und Herren von der FDP, jahrzehntelang himmlisch orchestriert haben –, der in den nächsten Monaten dafür sorgen wird, dass die Menschen kein Geld mehr haben werden, um es nachts um 4 Uhr an Autowaschanlagen ausgeben zu können.