Protocol of the Session on November 13, 2008

Sie sind in dieser Situation nicht viel besser dran und brauchen gar nicht erst zu versuchen, sich mit unter dieses Licht zu stellen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Es gibt noch eine zweite einreichende Fraktion, das ist die Fraktion der SPD. Sie wird vertreten durch Herrn Abg. Bräunig.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ziemlich genau vor einem Jahr, am 8. November 2007, haben wir schon einmal an dieser Stelle über unseren damaligen Antrag mit dem Titel „Bundespolizeipräsenz in Sachsen erhalten“ diskutiert, und Kollege Bandmann hat deutlich gemacht: In der Intention geht unser neuerlicher Antrag in die gleiche Richtung. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich die Bundespolizeireform noch in der parlamentarischen Diskussion in Berlin. Die offiziellen Informationen flossen spärlich; wir erinnern uns alle daran.

Dies hat dazu geführt, dass Spekulationen bzw. Szenarien die Runde machten, deren Richtigkeit niemand so recht überprüfen konnte. Ich habe in der damaligen Debatte davon gesprochen, dass wir ausweislich der zu diesem Zeitpunkt noch inoffiziellen Organisations- und Dienstpostenpläne mit einer Personalreduzierung von regional bis zu 60 %, bezogen auf die Dienststellenstruktur, rechnen müssten. Das hat wütende Zurufe von einigen Abgeordneten in diesem Hause ausgelöst. Da war die Rede von „das stimmt nicht!“, „das ist nicht richtig!“, „es gibt diese Zahlen nicht!“. Sie sind also angezweifelt worden. Ich will einfach noch einmal daran erinnern.

Jetzt, ein Jahr später, ist die Bundespolizeireform Realität. Die Zahlen, die vor Jahresfrist noch angezweifelt wurden, haben sich nicht grundsätzlich geändert, und die Umsetzung der Reform nimmt langsam, aber sicher Fahrt auf. Wir befinden uns also schon auf einer ganz anderen Stufe als noch vor einem Jahr; wir sind bereits mitten in der Umsetzungsphase.

Die ersten Personalmaßnahmen sind bereits abgeschlossen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ging es zunächst darum, das neue Bundespolizeipräsidium in Potsdam arbeitsfähig zu machen. Das ist mittlerweile der Fall. Auch die Führungsstäbe der Bundespolizeidirektionen sind mit Personal besetzt worden, und nunmehr gerät auch der operative Bereich, der Kernbereich der Aufgabenerfüllung, in den Fokus der Personalmaßnahmen.

Wir haben gehört – durch Zeitungsberichte mittlerweile auch bestätigt –, dass circa 200 Polizeibeamtinnen und

-beamte aus dem ostsächsischen Raum, insbesondere aus den Bereichen Ebersbach und Ludwigsdorf, abgezogen werden, um eben bundespolizeiliche Aufgaben in anderen Teilen des Bundesgebietes wahrzunehmen. Das war letztlich für die Koalitionsfraktionen Anlass, unsere Forderung nach Beibehaltung der bisherigen Personalstärke der Bundespolizei in Sachsen zu erneuern. Ich werbe allerdings auch dafür, dass wir uns nicht unnötig Sand in die Augen streuen und dadurch den Bezug zur Realität verlieren. Einfach auf Konfrontationskurs – so möchte ich es einmal bezeichnen – zu gehen und zu sagen, die Bundespolizei müsse ihre Personalstärke erhalten und damit basta, das wäre zu kurz gesprungen.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Es wäre eine populistische Forderung, die uns inhaltlich in keiner Weise voranbringt und die im Übrigen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht dienlich ist. Im Gegenteil: Sie spielt mit den Ängsten der Bevölkerung, und wir geben uns auf keinen Fall für leere Versprechungen her. Das ist nicht unser Ansatz. Ich sage das deshalb, weil ich nicht will, dass unser Antrag auf diesen populistischen Ansatz reduziert wird.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Ich weiß, Frau Dr. Ernst, der Antrag ist kurz und knackig. Er beinhaltet genau das, was wir zum jetzigen Zeitpunkt wollen, und dass wir auf Bundesebene intervenieren.

Aber er ist eben viel mehr als das. Ich will das später noch begründen. Die Organisationsveränderungen bei der Bundespolizei gehen weit über das hinaus, was wir von bisherigen Reformen kennen. Diese Reform ist verbunden mit einer Verlagerung von Aufgabenschwerpunkten in Größenordnungen. Kollege Bandmann hat darauf hingewiesen: Mit dem Wegfall der stationären Grenzkontrollen geht die Aufgabenverlagerung natürlich weg vom bisherigen Schwerpunkt überwiegend grenzpolizeilicher Aufgabenerfüllung hin zu einer stärkeren Fokussierung auf die anderen Aufgabenbereiche der Bundespolizei, und diese hat weitaus mehr Aufgaben, als landläufig bekannt ist, die nicht minder wichtig sind: die Luftsicherheit und die bahnpolizeilichen Aufgaben.

Wenn man sich allein die Zuständigkeit der neuen Bundespolizeidirektion Pirna sowohl in örtlicher als auch in sachlicher Hinsicht anschaut, dann wird deutlich, wie vielfältig die Aufgaben der Bundespolizei auch bei uns vor der Haustür sind und dass eine gewisse Schwerpunktverlagerung nicht nur nachvollziehbar, sondern aus meiner Sicht auch notwendig ist. Sie können das auch auf der Website der Bundespolizeidirektion Pirna nachlesen.

Sie ist zuständig für den Freistaat Thüringen, den Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt. Sie hat 3 900 Mitarbeiter, davon über 3 000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, und wir haben neben den 139 Kilometern Grenze nach Polen und den 453 Kilometern Grenze zur Tschechischen Republik auch noch 7 867

Streckenkilometer der Eisenbahn mit 1 365 Bahnhöfen und Haltepunkten. Auch das muss überwacht werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nicht zu vergessen die Luftsicherheitsaufgaben auf den Flughäfen Leipzig/Halle, Dresden und Erfurt sowie die grenzpolizeilichen Aufgaben auf diesen Flughäfen und einer Reihe von weiteren Verkehrslandeplätzen. Ich denke, diesen Gesamtkontext dürfen wir bei unseren Diskussionen nicht ganz aus den Augen lassen.

Die Kernfrage, die uns alle umtreibt, ist in der Tat: Wie viel Polizei brauchen wir insbesondere im Grenzgebiet? Dabei ist klar – das haben wir hier immer wieder deutlich gemacht –, dass die Grundlage einer zuverlässigen Personalbedarfsanalyse ein Kriminalitätslagebild sein muss, und dieses ist in der Tat für das Frühjahr 2009 angekündigt. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag die Staatsregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Bundespolizei endgültige Personalmaßnahmen nicht vor dieser angekündigten Kriminalitätsanalyse umsetzt.

Was sollten wir tun? Auf keinen Fall können wir uns jetzt zurücklehnen und abwarten, was der Bund tut; das wäre in der Tat nicht richtig, sondern wir müssen vielmehr selbst an einer Sicherheitsarchitektur arbeiten, die eines im Auge hat: das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, insbesondere im grenznahen Raum.

Ich möchte einmal stichpunktartig aufzählen, was ich mir bzw. was sich meine Fraktion unter einer funktionierenden Sicherheitsarchitektur vorstellt. Da wären zunächst

die gemeinsame Streifentätigkeit von Bundespolizei und sächsischer Polizei,

gemeinsame Streifentätigkeit von Bundespolizei und tschechischer und polnischer Polizei,

gemeinsame Kontrollen der eben genannten Polizeien mit dem Zoll und dem Bundesamt für Güterverkehr auf den grenzüberschreitenden Verkehrswegen,

Einsatz von Bürgerpolizisten in Abstimmung mit der Bundespolizei; denn diese hat auch Bürgerkontaktbeamte,

der sinnvolle Einsatz der Sächsischen Sicherheitswacht. Damit meine ich insbesondere das Zusammenwirken von Sicherheitswacht und Bürgerpolizisten, da dies aus unserer Sicht ein geeignetes Mittel ist, um wirksame Polizeipräsenz vor Ort zu gewährleisten. Diese brauchen natürlich die entsprechende Flexibilität, sprich: Dienstfahrzeuge etc., das kommt alles noch dazu; und eine

Stärkung und Weiterentwicklung des gemeindlichen Vollzugsdienstes. Dazu fällt mir auf Anhieb eine Reihe von Aufgaben ein, die unsere Polizei unnötigerweise erledigen muss, die eigentlich private Dritte erledigen könnten, weil sie nicht zum Kernbereich hoheitlichen Tätigwerdens gehören oder grundsätzlich Aufgabe der Städte und Gemeinden sind. Aber dabei möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen; denn das würde den Rahmen dieser Debatte sicher sprengen. Der gemeindliche Vollzugsdienst – das ist die Aussage – muss selbstverständlich

ein Teil dieser funktionierenden Sicherheitsarchitektur sein.

Ich sage es noch einmal deutlich, meine sehr geehrten Damen und Herren: Meine Fraktion hat nicht vor, mit den Ängsten der Bevölkerung zu spielen oder mit populistischen Forderungen oder leeren Versprechungen in den Kampf um Wählerstimmen zu ziehen. Wir wollen eine realistische Debatte. Ich habe versucht aufzuzeigen, wo die Knackpunkte liegen. Wir dürfen zum einen nichts unversucht lassen, weiterhin in Berlin zu intervenieren, wenn es um die zukünftige Personalausstattung bei der Bundespolizei in Sachsen geht. Genau das bezweckt unser Antrag. Wir müssen aber zum anderen vor unserer eigenen Haustür kehren und uns Gedanken darüber machen, welchen Beitrag wir für eine vernünftige und effektive Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung aller möglichen Komponenten leisten können. Dazu habe ich einige Vorschläge gemacht, und auch Kollege Bandmann hat einige Vorschläge gemacht.

Das ist eine Diskussion, die heute im Rahmen der Debatte hier gar nicht zu leisten ist; wir müssen das nochmals gesondert betrachten. Wenn wir dies schaffen, dann habe ich keine Sorge, dass der Freistaat Sachsen auch zukünftig ein Land bleibt, in dem es sich sicher lebt, unabhängig davon, in welcher Form und in welchem Umfang die Bundespolizeireform Personalreduzierungen mit sich bringt.

Die Umsetzung der Reform wird wahrscheinlich noch ein, wenn nicht sogar zwei Jahre in Anspruch nehmen. Das ist das maximale Zeitfenster, das uns zur Verfügung steht, um zu reagieren. Darum sage ich: Packen wir es an!

In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Linksfraktion, bitte; Frau Dr. Ernst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bandmann, ich weiß jetzt nicht genau, wodurch ich mir meinen Rüffel Ihrerseits verdient habe, aber es ist schwierig, Ihnen zuzuhören. Das liegt ganz bestimmt am Satzbau, schätze ich mal. Gut, ich will dazu nichts weiter sagen, weil es auch wirklich keinen Sinn macht.

Trotzdem frage ich mich, offen gestanden, was wir hier machen. Wir sprechen über ein Anliegen, das schon vor anderthalb Jahren in den Landtag eingebracht und dann später verhandelt wurde. Dazu haben wir bekanntlich einen Beschluss gefasst, der fast das gleiche Thema behandelt, wie in diesem Antrag formuliert. Das hat Herr Bräunig auch noch einmal gesagt. Mit diesem fast gleichlautenden Antrag stehen wir also heute wieder hier, und ich stelle fest: Passiert ist nichts. Es ist nichts herausgekommen, es hat keine Bewegung gegeben in dieser Frage. Wir haben vor einem Jahr sehr ausführlich debattiert – Ergebnis null. – So viel zur Parlamentsarbeit.

Jüngst haben uns die Nachrichten eingeholt, dass circa 200 Bundespolizisten aus Sachsen abgezogen werden sollen. Frankfurt (Main), Stuttgart, München sollen die neuen Einsatzorte sein. Die Fragen sind nie gestellt worden: Warum eigentlich dahin? Was ist dafür die Ursache? Wieso? Nach welchem Konzept? Nach welcher Idee? Nach welcher Aufgabenkritik? – Keine Ahnung.

Jetzt sagt Herr Bandmann, er habe etwas Tolles in einem Gespräch mit dem Bundesministerium ausmachen können. Ist ja sehr schön. Es wird nicht abgezogen, sondern abgeordnet. Man muss mit weiteren Abordnungen rechnen.

Herr Bandmann, Sie wissen genau wie ich: Das ist alles keine Lösung. Wir brauchen tatsächlich in dieser Frage verlässliche Lösungen, und zwar nicht wegen uns und unserer Schönheit hier in diesem Parlament, sondern für die Beamten als solche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich deswegen etwas runzlig geguckt und mit Unbehagen in meiner Reihe gesessen habe, weil ich gedacht habe, dass es schön wäre, wenn sich Herr Bandmann mit der gleichen Vehemenz, mit der er jetzt für die Bundespolizei streitet, auch für die Landespolizei eingesetzt hätte. Aber das ist er den Beamten in der Landespolizei schuldig geblieben.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Was fehlt in dem einen wie in dem anderen Falle? In dem einen Fall kritisieren Sie es zu Recht, in dem anderen Fall fällt es Ihnen gar nicht auf. Es fehlt eine wirkliche Aufgabenkritik. Diese fehlt insgesamt bei der Polizei in Sachsen. Wir brauchen sie aber, weil sich aufgrund der neuen Strukturen und Veränderungen, zum Beispiel in der Bundespolizei und durch die Posten- und Revierkonzeption, neue Aufgaben ergeben. Das ist in Ihrem Antrag aber offen.

Ich stelle fest, dass alles, was in Bezug auf die Personalsituation in der Polizei passiert, aus dem hohlen Bauch heraus geschieht. Das betrifft zum Beispiel die nach wie vor nicht zurückgenommenen Kürzungen bei der Landespolizei, die auch ohne ernsthafte Aufgabenkritik zustande gekommen sind. Das geschah am grünen Tisch und betraf 2 441 Stellen. Das ist nicht weg vom Tisch.

Sie verstecken in gewisser Weise Ihre Unfähigkeit zu einer seriösen Personalpolitik in der Landespolizei durch Ihr Engagement für die Bundespolizei. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ein solches Engagement ist halbherzig.

Nun komme ich zur Bundespolizei. Wenn Aufgaben an den Grenzen durch die EU-Erweiterung und das Schengener Abkommen wegfallen, dann ist es völlig logisch, dass das personelle Konsequenzen hat. Darüber kann ich mich nicht wundern. Das ist klar, und wir können es alle nachvollziehen. Auch Herr Bräunig hat angedeutet, dass

darüber neu nachgedacht werden muss, wie wir mit dem Personal umgehen. Das ist nichts Unnormales.

Betrachtet man den Auftrag der Bundespolizei, Prävention und Repression im grenznahen Raum als polizeilicher Schutz zur Überwachung der Grenzen, dann ist klar, dass es Veränderungen geben muss. Das halte ich für normal und kann dem folgen. Was aber nirgendwo thematisiert wurde, auch nicht in Ihrem Antrag, sind die Kriterien von Abzügen oder von mir aus auch Abordnungen. Wo stehen diese Kriterien, wo werden sie diskutiert, wo reden wir darüber? Darin liegt ein wesentliches Problem.

Ihr Antrag sagt nichts dazu, wie jetzt die Situation ist und was in den Folgejahren sein wird. Insgesamt ist die Frage unbeantwortet, wie sich die Personalsituation in den nächsten Jahren entwickeln soll. Gibt es eigentlich so etwas wie ein polizeiliches Konzept in dieser Frage für die nächsten fünf und zehn Jahre? Gibt es dazu Vorstellungen? Ich sehe sie nicht. Herr Bräunig hat das dankenswerterweise angedeutet, als er sagte, dass eine neue Sicherheitsarchitektur im Entstehen ist. Das kann wirklich jeder sehen, riechen, anfassen. Dazu braucht man Aufgabenkritik, konzeptionelle Darstellungen und die Abstimmung zwischen Landes- und Bundespolizei. Das vermisse ich. Dazu gehört auch die Diskussion um den Charakter der Polizei. Wie soll das in den nächsten Jahren aussehen? Was für eine Polizei wollen wir im Lande haben? Diese Fragen stehen nach wie vor im Raum. Dazu wird aber nichts gesagt.

Fakt ist, dass der Abzug jedes Bundespolizisten natürlich die Personalsituation in der Polizei auf dem Territorium Sachsens verschärft. Das ist logisch. Daran ändern auch die 300 Anwärterinnen und Anwärter für 2009 und die 300 Anwärterinnen und Anwärter für 2010, die in die Ausbildung gehen, nichts, weil sie erst ab 2011/12 zur Verfügung stehen.