Protocol of the Session on November 13, 2008

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Tagesordnung für die laufende Plenarwoche bekannt war, setzte ich mich mit dem Verein „Initiative gegen

Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“ in Verbindung. Als ich dort mitteilte, dass die Nazis im Sächsischen Landtag diesen Antrag eingereicht hätten, war die Empörung groß. Der Geschäftsführer des Vereins erklärte, dass er mit der NPD niemals zusammenarbeiten werde und dass die NPD in dieser Frage unglaubwürdig ist.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Es ist gut, dass sich der Verein so auch gegenüber der Presse geäußert hat.

Kurz nach Verschwinden der achtjährigen Michele organisierten Leipziger Bürgerinnen und Bürger Suchaktionen. Schon zu diesen gesellten sich organisierte Nazis aus dem Freien Netz Leipzig.

Nachdem Micheles Tod bekannt wurde, kam es zu öffentlichen Protestkundgebungen. Die Nazis organisierten Demonstrationen und forderten Todesstrafen für Kinderschänder.

(Beifall bei der NPD)

Auf Transparenten konnte man nachlesen: „Die Sicherheit unserer Kinder geht alle an.“ Darunter war zu lesen: „Für einen nationalen Sozialismus“. Leider reihten sich Leipziger Bürgerinnen und Bürger mit ein.

Hier wird deutlich, die NPD und ihre Gefolgschaft nutzen dieses Thema, um ihre menschenverachtenden Forderungen vorbringen zu können. Sie instrumentalisieren Schwache ungeniert für ihre braune Ideologie.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Sie nutzen die Angst der Menschen vor Kriminalität, um offen ihre Naziideologien zu verfechten.

Im Übrigen stellen sich die NPD und die freien Kräfte in eine NSDAP-Tradition. Diese führte im Jahre 1941 die Reinigungstodesstrafe für Sittlichkeitsverbrecher ein. Diese Tradition wird manifestiert mit Transparenten und Sprüchen wie „Nationaler Sozialismus jetzt“, der von Bürgerinnen und Bürgern und Journalistinnen und Journalisten auch schon einmal als „Nationalsozialismus jetzt“ gelesen und verstanden wird. Wahrscheinlich ist das sogar beabsichtigt.

Die Forderung nach der Todesstrafe ist der völlig falsche Ansatz gegen Kindesmissbrauch und Kindestötung.

(Beifall bei der Linksfraktion – Jürgen Gansel, NPD: Sozialpädagogen!)

Aber nicht nur das, mit dieser Forderung werden Kinder noch einmal missbraucht. Ihre Schicksale werden schamlos benutzt, um faschistoides Gedankengut zu verbreiten, und genau das tut die NPD mit diesem Antrag auch.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Auch deshalb wurde in den folgenden Wochen ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der Instrumentalisierung durch die Nazis deutlich. So äußerten sich unter anderem Leipzigs Oberbürgermeister Jung, aber auch Bürgerinitia

tiven wie „Buntes Reudnitz“ in Leipzig. In einem offenen Brief dieser Bürgerinitiative heißt es: „Mit großer Sorge erfüllt uns, dass Rechtsextreme das Verbrechen an dem Mädchen ausnutzen, um ihre menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologie zu verbreiten. Der Schock, die Wut und die Ratlosigkeit in der Bevölkerung werden von Rechtsextremen in ungeheurer Respektlosigkeit gegenüber dem ermordeten Kind für politische Zwecke missbraucht.“

Aber es reicht nicht aus, sich über die Präsenz organisierter Nazis zu beschweren und diese auszuschließen. Es muss eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Forderungen stattfinden. Das ist in Leipzig leider zu wenig der Fall gewesen, genau wie andernorts.

Meine Damen und Herren! Ich sage es ganz deutlich: Wir sprechen uns vehement gegen die Todesstrafe aus. Der Bereitschaft, Menschen zu töten, sie sozial und physisch liquidieren zu wollen, erteilen wir eine klare Absage. Man kann nicht einen Mord mit einem anderen aufwiegen. Die Todesstrafe löst keine Probleme, sie bedient lediglich ein Rachebedürfnis.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Weder macht diese Strafe den vorangegangenen Mord oder die Misshandlung ungeschehen noch hätte sie eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter. Schon der Begriff Kindesschändung, wie er beim Ruf nach der Todesstrafe für Kindeschänder benutzt wird, verdreht ja die Täter-Opfer-Beziehung, denn der Begriff heftet den Opfern von sexuellem Missbrauch Schande und Schuld an.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Wir müssen endlich darüber sprechen, wie Ursachen für Kindesmissbrauch bekämpft werden können. Was gibt es für Möglichkeiten der Opferhilfe? Was können wir tun, um die Kinder zu stärken? Welche Mittel stellt der Freistaat für Präventionsangebote bereit? Das ist der humanistische Weg. Das muss unser Weg sein. Nur dieser Weg kann solche Verbrechen reduzieren oder gar vermeiden. Nur dies ist ein effektiver Beitrag zum Kinderschutz.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

In unserer Gesellschaft wird die Problematik der Sexualverbrechen einerseits laut skandalisiert, andererseits immer noch verschwiegen, denn sexualisierte Gewalt gegen Kinder wird zu 90 % von Männern, meist von Familienangehörigen oder in der Familie bekannten Männern ausgeübt. Der Ruf nach der Todesstrafe entspricht der Illusion, man könne das Problem ein für allemal aus der Welt schaffen. Obwohl die massive Medienpräsenz uns etwas anderes glauben machen will – nie war in Deutschland das Risiko, Opfer eines Sexualverbrechens zu werden, so gering wie heute. Das liegt auch daran, dass die Strafverfolgung effektiver arbeitet

und dass Therapien für verhaltensgestörte Menschen ständig verbessert werden.

Die Nazi-Aktivitäten beschränken sich aber nicht nur auf Leipzig, sondern das Thema wird weiter ausgeweitet und ausgeweidet. Aktuellstes Beispiel: Am Wochenende fand in Geringswalde eine Demonstration unter dem Motto „Härtere Strafen für Kinderschänder“ statt. Ursprünglich war sie noch „Todesstrafe für Kinderschänder“ betitelt. Das Motto musste aber aufgrund des Drucks der Stadtverwaltung geändert werden. 80 Neonazis skandierten in Geringswalde unter anderem: „Ein Baum, ein Strick, ein Schändergenick“. Dies ist ein Aufruf zur Lynchjustiz und damit ein öffentlicher Aufruf zu Gewalt und Straftaten. Das ist kein Beitrag zum Kinderschutz! Kinderschutz sieht anders aus.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Die Parole „Todesstrafe für Kinderschänder“ ist eine Naziparole, egal in welchem Gewand sie sich verstecken mag, wie sie sich tarnen mag und egal, von wem sie in diesem Lande vorgetragen wird. Wir müssen uns dieser Parole entschieden entgegenstellen, und das werden wir tun. Im Übrigen: Aufgrund eines Antrages der NPDFraktion diskutieren wir nicht über ein Mahnmal für die Opfer von Gewalt und Missbrauch.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich frage, ob von den Fraktionen noch Aussprachebedarf besteht. – Die NPDFraktion, Herr Gansel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten schon gehofft, dass der Abg. Volker Schimpff für die CDU-Fraktion das Wort ergreifen würde. Schließlich hat er sich in Leipzig sehr für die Mühlstein-Initiative eingesetzt und damit zweifelsohne Volksnähe dokumentiert. Aber wir vermuten, dass Herr Schimpff aufgrund einer Weisung seines Fraktionsvorsitzenden heute nicht sprechen darf. Das ist für uns ein Beweis, wie es um die Freiheit des Mandats in diesem Land bestellt ist. Stattdessen hat Leipzigs CDU-Chef Hermann Winkler gesprochen und auch nach unserer Auffassung passende und sensible Worte zum Thema gefunden.

Dem Sinn nach hat er dem NPD-Anliegen seine Zustimmung nicht versagt. Dem Sinn nach hat er unser Anliegen für richtig und wichtig erklärt, es aber mit rhetorischen Kniffen und argumentativen Verrenkungen verstanden, Vorwände zu finden, um den NPD-Antrag mit seiner CDU-Fraktion doch noch ablehnen zu können. Die NPDFraktion kann allerdings auch ohne CDU-Zustimmung Druck auf die Leipziger Kulturobrigkeit ausüben, die mit ihrem Widerstand gegen die Aufstellung des Mühlsteins deutschlandweit nur noch Kopfschütteln erntet. Es ist ein engstirniger, ein engherziger Widerstand, der damit begründet wird, dass der auf dem Mühlstein prangende

Matthäus-Vers ein Votum für die Todesstrafe für Kindermörder sei. Und wenn es so wäre? Welches Problem sollte eine Stadt mit der Forderung nach der Todesstrafe für Kindermörder haben, in der mit Mitja und Michelle innerhalb von 18 Monaten gleich zwei Kinder grausam getötet wurden und der Rechtsstaat augenscheinlich nicht in der Lage ist, mit den bisherigen Instrumentarien solche Taten zu verhindern, und sich traurigerweise als unfähig erweist, mit den Mitteln der Strafverfolgung der Täter habhaft zu werden?

Selbst die der Rechtslastigkeit völlig unverdächtige „Zeit“-Journalistin Evelyn Finger schreibt in einem ihrer Artikel resigniert: „Manchmal kommt einem die WendeStadt Leipzig so vor, als sei die Wende ein Zwischenfall ohne Folgen gewesen.“ Frau Finger bezog sich auf den Leipziger Streit um den von vielen Bürgern gewünschten Wiederaufbau der Paulinerkirche, der aufgrund politischen Widerstands in Leipzig leider verhindert wurde. Die Geschehnisse rund um die Mühlstein-Initiative schlagen dem Fass aber nun den Boden aus. Während in der Stadt Leipzig für die linke Kulturschickeria und allerlei Ausländerexotik immer wieder Fördergeld bereitsteht, lässt man wirklich förderungswürdige Kulturprojekte an der langen Hand des Stadtkämmerers verhungern und verlangt nach privat finanzierten Initiativen.

Jetzt verweigert die Stadt Leipzig aber ausgerechnet einer solchen privat finanzierten Initiative den Aufstellplatz für ein ebenso privat finanziertes Mahnmal. Wohlgemerkt, die zeitlich befristete Aufstellung würde die Stadt Leipzig nicht einen müden Cent kosten. Die dem Kampf gegen Kindesmissbrauch verpflichteten Initiatoren der Aktion „Mahnmal“ hatten nur nach einer läppischen Genehmigung für ihr Projekt gefragt und haben zu keinem Zeitpunkt um eine finanzielle Unterstützung der Stadt Leipzig ersucht. Aber bei den Herrschaften in der Leipziger Stadtverwaltung scheint es sich um hart gesottene Ignoranten und linke Überzeugungstäter zu handeln, die Kinderschutz für eine reaktionäre Angelegenheit halten und die Losung „Opferschutz statt Täterschutz“ unter Faschismusverdacht stellen.

Kulturbürgermeister Girardet brauchte für seine Ablehnung der Mühlstein-Initiative laut der „Leipziger Volkszeitung“ nur die vier dürren Worte: „Wir wollen das nicht.“ Herr Girardet und einige Stadtoberen mögen das nicht wollen, viele Leipziger aber schon. Und auch für viele Bürgermeister in anderen deutschen Kommunen ist die Zustimmung zur Mühlstein-Initiative eine Frage des moralischen Anstands. Die irrationale Blockadehaltung der Leipziger Stadtobrigkeit stößt die große Mehrheit der Leipziger vor den Kopf, die selbstverständlich für ein solches Mahnmal sind. Deshalb sollte der Landtag nachhelfen und ausnahmsweise einmal Volkes Meinung Geltung verschaffen.

Der Landtag möge deshalb beschließen, wie es im NPDAntrag heißt, dass erstens die Sächsische Staatsregierung gebeten wird, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Stadt Leipzig dafür einzusetzen, dass der mahnende

Mühlstein als Denkmal gegen Kindesmissbrauch doch noch in Leipzig aufgestellt wird, und das am besten am ursprünglich vorgesehenen Ort, im Nikolaikirchhof.

Zweitens möge der Landtag beschließen, dass die Staatsregierung im Falle einer weiteren Verweigerung der Stadt Leipzig das Mahnmal an einem anderen geeigneten Ort in der Stadt, der sich im Immobilieneigentum des Freistaates befindet, aufzustellen hat. Ein möglicher Aufstellungsort wäre der Platz vor der Leipziger Universitätsbibliothek.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie die MühlsteinInitiative ausgerechnet in Leipzig nicht an der Engstirnigkeit einiger Stadtoberen scheitern und unterstützen Sie den NPD-Antrag in der eben genannten Art und Weise. Wir alle wissen, dass die PDS die denkbar schlechteste Anwältin für Verbrechensopfer ist und sich gerade durch eine Vertreterin der gewaltbereiten Antifa nicht als Vermittlerin zwischen Kinderschutzbund und der Leipziger Bevölkerung aufzuschwingen hat.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die Fraktionen, ob es noch Aussprachebedarf gibt? – Das ist nicht der Fall. Wollen Sie ein Schlusswort halten? – Vor der Abstimmung eine Erklärung?

Sie stimmen sicher mit mir überein, dass die mehrmalige Ansprache durch die Herren Apfel und Gansel mich dazu berechtigt, eine persönliche Erklärung nach § 91 der Geschäftsordnung abzugeben?

Bitte, Herr Schimpff.

Danke schön. – Der Sachvortrag von Herrn Apfel war weitgehend zutreffend. Ich habe mich deshalb im August öffentlich geäußert, dass, wenn die Stadt Leipzig die Aufstellung dieses durch verschiedene deutsche Städte ziehenden mobilen Mahnmals untersagt, ich mich darum kümmern werde, dass wir einen anderen, nicht der Stadt Leipzig unterstehenden Platz in Leipzig finden, um es aufzustellen.

Ich danke dem leider gerade abwesenden Staatsminister Prof. Unland, dass er mich sofort bei der Suche nach einem geeigneten Standort unterstützt hat. Wir sind auf einem guten Wege. So weit dazu.

(Beifall des Abg. Peter Klose, NPD)

Nun finde ich sowohl den Text einiger Artikel in der „Leipziger Volkszeitung“ als auch der Erklärung der Initiative von Johannes Heibel als auch meine eigene Presseerklärung weitgehend abgeschrieben in einem Antrag der NPD-Fraktion. Dafür könnte man ja eigentlich dankbar sein, wenn das nicht ein vergifteter Antrag wäre.