Protocol of the Session on November 12, 2008

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie Ihren tollen Worten doch endlich einmal Taten folgen!

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Mir ist auch klar, dass bei dieser Diskussion immer ein Argument angeführt wird, nämlich das Argument, dass der Freistaat Sachsen solch ein Verbot nicht nötig habe, weil er besser als andere wirtschafte, Schulden tilge und selbstverständlich auch über einen ausgeglichenen Haushalt verfüge. Das stimmt. Wir machen eine bessere Finanzpolitik als viele andere in der Bundesrepublik.

Genau deshalb und weil ich sehe, dass es hier in Sachsen wesentlich mehr Politiker als in anderen Bundesländern gibt, denen Generationengerechtigkeit und Zukunftsverantwortung wichtig sind, sollten wir von Sachsen aus in Deutschland vorangehen und als erstes Bundesland ein hartes Neuverschuldungsverbot in der Sächsischen Verfassung verankern. Übrigens ist ein hartes Neuverschuldungsverbot viel besser als ein weich gespültes Neuverschuldungsverbot, quasi ein „Neuverschuldungsverbot light“, das Sie jetzt in das Haushaltsbegleitgesetz aufnehmen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf ein Signal in die Republik senden, das unüberhörbar ist, nämlich: Sachsen will und wird in Zukunft keine neuen Schulden mehr aufnehmen,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

weder in guten noch in schlechten Zeiten. – Und wir wollen auch ein Signal an die anderen Bundesländer senden: Kameraden, macht es so wie wir in Sachsen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Kameraden?)

von Sachsen kann man etwas lernen! – Wir wollen, dass Sachsen deutschlandweit als Modell für eine moderne und zukunftsgerichtete Finanzpolitik – mit einem Neuverschuldungsverbot in der Verfassung – dienen kann.

Meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDUFraktion ist koalitionstreu und hält sich an den Koalitionsvertrag, der nur ein gemeinsames Abstimmen der Koalitionsfraktionen zulässt. Dies ist der hauptsächliche Grund, warum unsere Fraktion den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ablehnen wird.

Ein weiterer Grund, meine Damen und Herren, liegt in den rechtlichen Bedenken, die gegen den Gesetzentwurf der FDP sprechen. Der Gesetzentwurf der FDP sieht eine Änderung von Artikel 95 der Sächsischen Verfassung sowie der Sächsischen Haushaltsordnung vor. Bestandteil des Haushaltsplanes soll ein Tilgungsplan zur Rückführung von Schulden werden, Steuereinnahmen sind grundsätzlich zur Vermeidung von Krediten und zur Schuldentilgung zu verwenden. Der Landtag muss mit einer Zweidrittelmehrheit über eine anderweitige Verwendung entscheiden.

Die Anhörung verdeutlichte jedoch, dass Verfassungsrechtler Zweifel haben, ob die Ausgestaltung in diesem Fall sachgerecht ist. Sie halten das Gesetz an einer Stelle für verfassungswidrig. Es besteht ein Widerspruch zwischen dem nicht zur Änderung vorgesehenen Artikel 93 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung, wonach alle Einnahmen und Ausgaben des Freistaates in den Haushaltsplan einzustellen sind, und dem neuen § 18 Abs. 1 des Entwurfs zur Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung, wonach Einnahmen aus Krediten nicht in den Haushaltsplan einzustellen sind. Es gelingt im vorgelegten Gesetzentwurf nicht, diesen Widerspruch aufzulösen.

Dass es künftig nach Artikel 95 Abs. 1 des Gesetzentwurfs zur Aufnahme von Krediten sowie zur Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in den folgenden Jahren führen können, nicht nur wie bisher einer Ermächtigung im Gesetz bedarf, sondern dazu nunmehr auch Einzelheiten im Gesetz geregelt werden müssen, erscheint im Hinblick auf die Bestimmtheit bzw. die Bestimmbarkeit sehr problematisch.

(Beifall bei der CDU)

Das Gesetz leidet auch an einer nicht zu unterschätzenden Unpraktikabilität. Die Regelung, wonach ein Gesetzesbeschluss mit einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Landtages vom Neuverschuldungsverbot abweichen darf, dürfte in Katastrophenfällen selten gelingen. Wenn man eine solche Regelung ernsthaft will, meine Damen und Herren, dann sollte man zumindest ein schnelles Reagieren in Katastrophenfällen ermöglichen.

Die Anhörung der Sachverständigen in der 35. Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses am 26. November 2007 liegt schon eine Weile zurück. Sie hat aber ein ziemlich differenziertes Meinungsbild und

-spektrum der Sachverständigen offenbart: Es gab Pro und Kontra zu einer derartigen Regelung. Wir kennen das aus der Föderalismuskommission II. Kritisiert wurde die Zweidrittelmehrheit für den Gesetzesbeschluss mit den von mir bereits erläuterten Argumenten. Bemängelt wurde weiterhin die fehlende Regelung einer Entschuldung. Wer dort nachgelesen hat, wird den Widerspruch zwischen Artikel 93 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung und § 18 Abs. 1 des Entwurfs der Sächsischen Haushaltsordnung – die ich ebenfalls bereits erläutert habe – erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Erörtert wurden ebenso die fehlenden Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen das Verschuldungsverbot. Auch diese Diskussion wird in der Föderalismuskommission II geführt. Nicht zuletzt wurde die Auffassung vertreten, dass das Verschuldungsverbot eine peinliche Selbstbindung des Parlamentes sei und zur Beschränkung von Flexibilität führe.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Bevor Sie klatschen: Die autonome Entscheidung über den Haushalt und über die Schulden sowie das Schuldenmachen ist ein originäres Recht jedes Parlamentes. Mit der Einführung eines Verschuldungsverbots oder einer Schuldenbremse, die die Aufnahme von Schulden mit Bedingungen und einer klar vorgegebenen Tilgung verbindet, würden wir dieses Recht bewusst einschränken.

Natürlich sehen unsere Fraktion und die Staatsregierung, dass die Umsetzung eines verfassungsrechtlich verankerten Verschuldungsverbots in Sachsen durch eine Zweidrittelmehrheit derzeit im Landtag nicht durchsetzbar ist. Ein Blick auf die Stimmenanteile auf der rechten und der linken Seite dieses Hohen Hauses überzeugt jeden Realpolitiker.

Als ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde ein einfachgesetzliches Verschuldungsverbot durch die Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung erarbeitet. Sie wissen, dass dies in Baden-Württemberg bereits so praktiziert wird. Das Kabinett hat eine derartige Regelung beschlossen und im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2009/2010 dem Landtag zugeleitet. Wir haben darüber zu entscheiden. Es handelt sich hierbei um ein atmendes System, ich würde sagen, eine Art Schweizer Schuldenbremse, mit der sehr flexibel und schnell auf haushalterisch finanziell schwierige Situationen reagiert werden kann. Wichtig ist dabei, dass wir die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen erhalten. Es ist auch an klare Bedingungen gebunden.

Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Unter Würdigung dessen gehe ich davon aus, dass es Ihnen ein Leichtes sein wird, diesem einfachgesetzlichen Verschuldungsverbot, das Sie im Haushaltsbegleitgesetz 2009/2010 finden werden, zustimmen zu können.

Aber, meine Damen und Herren: Nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik muss einen dauerhaft ausgeglichenen Haushalt anstreben. Dieses Ziel wird am besten durch ein Neuverschuldungsverbot in den Landesverfassungen und im Grundgesetz erreicht. Darüber wird in der Föderalismuskommission II diskutiert und gerungen. Wir werden sehen, ob es unter den aktuell gegebenen Umständen in der Föderalismuskommission II eine Fortsetzung geben wird.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Da bin ich auch gespannt!)

Darüber haben sich die CDU-Fraktionen Thüringens, Sachsen-Anhalts und Sachsens erst kürzlich verständigt. Auch dort wurde gefordert, dass ein derartiges Verschuldungsverbot Eingang in das Grundgesetz und in die Landesverfassungen finden sollte. Sachsen hat sich dafür in der Föderalismuskommission II eingesetzt, macht seit dem Jahre 2006 – das wird ausdrücklich anerkannt – keine Schulden mehr und trifft mit dem Generationenfonds Vorsorge gegen eine implizierte steigende Verschuldung durch Pensionsansprüche.

Die CDU-Fraktion hat das politische Ziel, ein Neuverschuldungsverbot in geeigneter und verfassungsrechtlich unanfechtbarer Weise im Grundgesetz und in der Landesverfassung zu verankern. Dafür muss sie nach Partnern in der Mitte dieses Hohen Hauses suchen und diese überzeugen; denn wenn man das wirklich anstrebt, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Landtag. Kollege Zastrow, diesbezüglich muss man noch argumentieren, ehe man dieses Ziel erreicht.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Bartl, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Zastrow, es wird Sie nicht überraschen: Das ist nun ein Gesetzentwurf, eine Regelungsmaterie, in der die FDP und die Linksfraktion tatsächlich konträr auseinanderliegen. Das ist einfach so. Wir sind gegen eine Änderung des § 115 der Verfassung bzw. des Artikels 109 des Grundgesetzes, wie sie mit unterschiedlichen Zielsetzungen von CDU/CSU, SPD und FDP im Wege der Föderalismusreform über die sogenannte Schuldenbremse etabliert werden sollen. Herr Dr. Rößler sprach soeben davon.

Wir sind gegen das, was Sie mit Ihrem Gesetz bezüglich Artikel 95 der Sächsischen Verfassung vorhaben. Dass wir damit nicht allein stehen, hat schon die Expertenanhörung zu Ihrem Gesetzentwurf am 30. November 2007 im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gezeigt. Sie ging mitnichten zugunsten des Gesetzentwurfes aus. Kollege Zastrow, vielleicht haben Sie deshalb so lange gewartet, das hier aufzulegen; denn nach der Expertenanhörung ist es nun schwierig, die Sache zu reparieren.

(Holger Zastrow, FDP: Das stimmt nicht! – Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Diesen Gesetzentwurf jetzt, mitten in der vom extensiven Neoliberalismus verursachten Weltfinanzkrise und in einer Situation drohenden drastischen wirtschaftlichen Rückganges, aufzurufen ist natürlich maximal kühn.

(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Ja! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

So offenkundig haben das selbst die Mitglieder der Föderalismuskommission II gesehen und deshalb die Sache zunächst auf Eis gelegt. Sie kommen momentan nicht mehr zusammen, weil sie die Zahlen lesen, in die Zeitung schauen und zur Kenntnis nehmen, dass wir 500 Milliarden Euro kurzerhand, aus welchen Quellen auch immer, hingelegt haben, damit es im Moment überhaupt weitergeht.

(Holger Zastrow, FDP: Berlin!)

Wir haben im Bund und in den Ländern eine Trias, über die die Finanzierung der Ausgaben des Staates erfolgt. Das sind zum Ersten die Einnahmen aus Steuern, Beiträgen und Abgaben und zum Zweiten die Einnahmen aus Gewinnen und privatrechtlichen Entgelten im Zuge von Beteiligungen. Zum Dritten ist die Aufnahme von Krediten – im Bund nach Artikel 115 Grundgesetz, im Freistaat nach Artikel 95 –, wenn auch unter ohnehin schon weit eingeschränkten Voraussetzungen, möglich. Die Mehrheit der Experten in der Anhörung vom 30.11.2007 hat ausdrücklich davor gewarnt, sich von vornherein bei der besagten Trias einer der Finanzierungsquellen zu berauben bzw. dies faktisch zu tun.

Nach unserer Überzeugung würde es durch die Etablierung eines Zwangsmechanismus der Schuldenbremse, die verfassungsmäßige Normierung eines sogenannten Neuverschuldungsverbots, dazu kommen, dass man das – Sie sagen es selbst, Herr Zastrow – wiederum von hinten durch die Brust aushebeln kann. Selbst Ihr Ansatz sieht das ja vor. Diese Erklärung zum Abbau der Nettoneuverschuldung als Staatsziel würde dazu führen, dass hinter dem Prinzip „keine Neuverschuldung“ alle anderen Staatsziele im praktischen Leben zurückstehen müssten. Das wäre eine völlige Umorientierung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört! – Holger Zastrow, FDP: Unsinn!)

Alle anderen Prioritäten, die der Landtag nach Artikel 94 der Sächsischen Verfassung mit dem Haushalt zu untersetzen hat, müssten hinter Ihrem Prinzip der Nichtaufnahme von Neuverschuldung zurückstehen. Bisher ist der Zweck der Finanzverfassung gewesen, den öffentlichen Aufgaben nach politischer Prioritätensetzung eine angemessene Ausstattung zu gewährleisten. So würde mit der Einführung des Neuverschuldungsverbotes Haushaltsstabilität vor gesamtgesellschaftlicher Stabilität gehen. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren von der FDP, diese Politik mit dem Anspruch der Generationsgerechtigkeit zu rechtfertigen ist doch der allergrößte Witz des Hauses.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist der größte Witz! – Beifall bei der Linksfraktion)