Meine Damen und Herren, hier werden wieder einmal sehr allgemeine Formulierungen als die Feststellung des Landtages beschrieben, die eigentlich unter unseren Zuständigkeiten liegen, weil das Selbstverständlichkeiten oder fast journalistisch anmutende Beschreibungen sind. Dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung 2007 Lärmschutzrichtlinien verabschiedet hat, die auch in Sachsen eingeführt worden sind, und ein Teil der von Ihnen ersuchten Maßnahmen widersprechen einfach diesen Richtlinien. Dazu gehört auch Ihre besondere Schwerpunktsetzung auf die Geschwindigkeitsregulierung. Wir hätten es nicht nötig gehabt, darauf noch einmal hingewiesen zu werden.
Erstens. Natürlich ist im Einzelfall eine Lärmminderung in einem Wohngebiet auf 30 km/h eine Lösung, die ein bestehendes Problem mindert, aber quasi in Gänze in Ortschaften und generell in den Nachtstunden die 30 km/h einzufordern, ist völlig realitätsfern und übrigens auch im Sinne des Umweltschutzes nicht gerade richtig. Der Schadstoffausstoß kann bei manchen Fahrzeugtypen bei langsamer Geschwindigkeit höhere Emissionen erzeugen als bei etwa 50 km/h.
Zweitens. Die Autobahnabschnitte ohne Geschwindigkeitsbegrenzung grundsätzlich auf 130 km/h zu beschränken ist nicht der richtige Weg, denn auch Sie fahren viele Autobahnstrecken. Die freigegebenen Abschnitte sind dreispurig und führen durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete, in denen wir die Verlärmung für die betroffenen Bürger ganz stark reduziert haben. Das heißt, Geschwindigkeitsbegrenzungen sind im Einzelfall sinnvoll und anzustreben, aber sollten und können nicht als genereller Maßstab für weitere Aktionen angegeben werden.
Drittens und letztens. Es ist deutlich geworden, dass hier die kommunale Ebene eine ganz große Verantwortung trägt. Das sind diejenigen, die nach der Richtlinie die Karten aufstellen, die Aktionspläne ableiten, und wir stellen sicherlich gemeinsam und übereinstimmend fest, dass das Verhalten der kommunalen Ebene im Moment bei diesem Thema unbefriedigend ist, wenn wir die Zahlen registrieren: Von den 63 Gemeinden, die solche Lärmaktionsplanungen durchgeführt haben, wurde dies von 20 Gemeinden wieder eingestellt, 30 haben noch gar nicht angefangen und nur elf sind im Grunde genommen vorangekommen.
Deswegen ist das Forum, mit dem Sie das Problem angreifen müssen, der Kreistag. Dort können Sie durchaus mit den anderen Fraktionen, die das so sehen, entsprechende Vorstöße unternehmen. Der Freistaat Sachsen hat sich bisher in dieser Frage vorbildlich verhalten. Das kann man nicht anders sagen. Im entsprechenden Haushaltstitel wurde bisher im Jahr 2008 noch nicht von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Das ist in der einen Antwort ausgeführt worden, die auch schon ein paar Monate her ist, und ich habe mir sagen lassen, dass sich das bis heute nicht verändert hat.
Der Entschließungsantrag hilft uns nicht weiter. Ich empfehle ihn dem Hohen Haus nicht zur Annahme. Die Debatte als solche – das darf man festhalten – hat eigentlich eine vernünftige Beschreibung der Situation und notwendige Konsequenzen ergeben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass dieser Entschließungsantrag, dem wir gleichwohl zustimmen werden, eine gewisse Ratlosigkeit der einreichenden Fraktion widerspiegelt. Außerdem ist er mir zu wortreich. Ich bitte die Linksfraktion, sich an Subjekt, Prädikat und Objekt zu halten und nicht immer diese verschachtelten Nebensätze zu schreiben, durch die man sich durchwühlen muss. Das nervt einfach.
Jetzt zum Inhalt: Ich kann mich leider zum großen Teil nur meinem Vorredner anschließen. Es ist tatsächlich so, dass in den Städten Dreißigerzonen angeordnet werden, nach meiner Erfahrung in der Stadt Dresden dort, wo keine Sanierung durchgeführt wurde, also auf allen Kopfsteinpflasterstrecken. Dort wäre dringend eine Sanierung notwendig, aber das Geld wird kommunal nicht bereitgestellt. Man stellt ein Dreißigerschild hin und kontrolliert wird dort erst recht nicht.
Ich möchte darauf hinweisen, dass 130 km/h Richtgeschwindigkeit natürlich nicht reicht. 120 km/h ist die
In Punkt 3 ist ein echter Fehler enthalten. Sie setzen Lärmvorsorge und Lärmsanierung gleich. Die sogenannte Lärmvorsorge ist eine Maßnahme, die im Grunde nach der 17. BImSchV eine gesetzlich zwingende Leistung ist, die bei jedem Straßenbau zu erbringen ist, während die Lärmsanierung freiwillig ist. Es geht also um die Frage der Lärmsanierung an bestehenden Straßen. Genau dafür fehlen die Haushaltsmittel. Das ist aber rechtlich und fachlich etwas völlig anderes als die Lärmvorsorge.
Bei Ihrem Entschließungsantrag kommt eine gewisse Tendenz heraus, die ich nicht für richtig halte und noch einmal ansprechen möchte. Ich habe den Eindruck, dass Sie glauben, dass die guten Kommunen vom Freistaat behindert werden, eine ordentliche kommunale Lärmschutzplanung zu machen. Das ist nicht die richtige Schwerpunktsetzung. Der Freistaat hat im Vergleich zu den Kommunen relativ viel getan, dass die Lärmschutzplanung zustande gekommen ist. Die Kommunen sollten wir nicht aus der Verantwortung entlassen und sie deutlich darauf hinweisen. Nichtsdestotrotz mag dieser Antrag dazu beitragen, die Bedeutung des Lärmschutzes zu betonen. Deswegen werden wir ihm mit diesen Einschränkungen zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider fällt den Antragstellern zum Thema Lärm nichts anderes ein als Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Debatte hat gezeigt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen eine Möglichkeit in bestimmten Einzelfällen sein können, aber kein Allheilmittel zur Lösung des Lärmproblems sind. Deswegen greift der Antrag viel zu kurz. Wir als FDP-Fraktion werden ihn ablehnen.
Ich kann mir inzwischen aber erklären, warum das Thema Straßenbahnen in der Anfrage nicht aufgetaucht ist. Dann hätte man konsequenterweise auch Geschwindigkeitsbegrenzungen für Straßenbahnen fordern müssen. Das will man anscheinend auch nicht.
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Linksfraktion in der Drucksache 4/13582. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Ich frage nach Gegenstimmen. – Stimmenthaltungen? – Bei einer größeren Anzahl Zustimmungen ist der Entschließungsantrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden und dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.
Drucksache 4/12079, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Antwort der Staatsregierung
Die einreichende Fraktion beginnt und danach die gewohnte Reihenfolge. Bitte, Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen sicher alle das Problem: Der Schreibtisch ist wieder einmal übervoll oder zu Hause in Ihrem Garten wachsen die Pflanzen gerade dort, wo Sie keine wollen. Was tun Sie? Sie schauen einfach nicht hin und schon geht es Ihnen besser, weil Sie das Problem nicht sehen. Allerdings verschwindet so weder der Stapel auf Ihrem Schreibtisch noch verwandelt sich Ihr Garten hinter Ihrem Rücken in ein Foto von „Garten und Wohnen“. Die Beantwortung unserer Großen Anfrage durch die Staatsregierung folgt genau dem gleichen Muster: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Problembewusstsein sieht anders aus. Wenn Sie in Ihren Gemeinden oder Wahlkreisen unterwegs sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie auf Einwohnerinnen und Einwohner treffen, die in ihren Gemeinden ohne Aufenthaltspapiere leben. Sie werden sie vermutlich nicht an ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennen, denn
Menschen ohne Aufenthaltspapiere leben äußerst angepasst. Sie wollen ja schließlich nicht auffallen. Menschen ohne Aufenthaltsstatus überqueren nicht die Straße bei roter Ampel, sie vermeiden Menschenansammlungen, sie schicken ihre Kinder nicht in die Schule und sie gehen selbst nicht zum Arzt. Warum, dazu komme ich noch.
Wir wollten mit unserer Großen Anfrage mehr über die Lebenssituation dieser Menschen erfahren. Wir wissen, dass Menschen ohne Papiere nur in einem Land leben können, in dem über Jahre ein eigenes Netz etabliert wurde, das als Ersatz für die öffentliche Fürsorge dient.
Uns stellt sich die Frage, wie viele Menschen in Sachsen ohne Aufenthaltstitel leben, und unter welchen Bedingungen? Werden diese Menschen ohne Krankenkassenkarte gesundheitlich versorgt? Gehen die Kinder in die Schule oder Kita? Wo arbeiten diese Menschen ohne Sozialversicherungskarte? Wo wohnen sie, ohne dass der Vermieter befürchtet, sich strafbar zu machen?
Die Antworten auf unsere Große Anfrage zeigen: Die Staatsregierung hat geringe Kenntnisse darüber. Wie viele
Menschen ohne Aufenthaltspapiere in Sachsen leben, lässt sich anhand der Angaben nicht einmal annäherungsweise schätzen. Doch dass Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus in Sachsen leben, kann man aus den Antworten der Staatsregierung entnehmen. So melden zum Beispiel Krankenhäuser vereinzelt Menschen der Ausländerbehörde, das Universitätsklinikum Dresden pro Jahr drei bis fünf. Menschen wenden sich an Frauenhäuser und Interventionsstellen häuslicher Gewalt. Dies kann oder muss sogar auf Zwangsprostitution und Menschenhandel deuten. Nebenbei gesagt handelt es sich bei Menschenhandel und Zwangsprostitution um ein Delikt, das nur durch Kontrollen aufgedeckt werden kann. Da wünschen wir uns einfach genauso viel Engagement wie bei Grenzkontrollen oder besser noch mehr.
Insgesamt wird deutlich: Die Staatsregierung weiß von alledem nicht viel, schlimmer noch, sie will auch nicht mehr wissen. Wie gehen wir damit um? Bedeutet der Umstand, dass wir keine Kenntnisse haben, dass wir uns nicht um Menschen ohne Aufenthaltstitel kümmern müssen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Aufgabe als Abgeordnete ist es, für alle Menschen in Sachsen da zu sein. Die Sächsische Gemeindeordnung zeigt das exemplarisch. Auch Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere gehören nach Artikel 10 der Sächsischen Gemeindeordnung zur Gemeinde. Die Gemeinde erfüllt ihre Aufgaben zum gemeinsamen Wohl aller Einwohner nach Artikel 1 der Sächsischen Gemeindeordnung.
Ich fordere Sie daher heute auf, Ihre Gestaltungsoption auch wirklich wahrzunehmen. Wir haben als Parlament die Aufgabe, uns um alle Menschen im Land zu kümmern, erst recht um die, die vermeintlich keine Rechte haben.
Migration lässt sich heute nur in globalisierten Zusammenhängen denken. Wie sehen die Wanderungsbewegungen heute aus? In Zeiten des vereinten Europas erleben wir durch die Abschottung der EU-Außengrenzen Tag für Tag menschliche Tragödien. Sie können das im Fernsehen verfolgen. Tausende Flüchtlinge sterben dabei Jahr für Jahr. Das ist der Preis für die Festung Europa. Dem zugrunde liegt ein Paradox, wie der Soziologe Ulrich Beck vor Kurzem bemerkt hat. Ich zitiere Beck an dieser Stelle, weil er es so deutlich auf den Punkt bringt.
Er sagt: „Die reichen Demokratien tragen die Fahne der Menschenrechte in die letzten Winkel der Erde, ohne zu bemerken, dass auf diese Weise die nationalen Grenzbefestigungen, mit denen sie die Migrantenströme abwehren wollen, ihre Legitimationsgrundlage verlieren. Viele Migranten nehmen die verkündete Gleichheit als Menschenrecht ernst und treffen auf Länder und Staaten, die gerade unter dem Eindruck zunehmender Ungleichheit im Inneren die Norm der Gleichheit an ihren bewaffneten Grenzen enden lassen wollen.“
Das heißt, die von uns mit dem Brustton der Überzeugung vertretenen Menschenrechte und damit auch das Recht auf Gleichheit möchten wir letztlich nur nationalstaatlich
verankern. Die Menschenrechte gelten jedoch gerade nicht nur in den Nationalstaaten, sondern sind eine universale Grundlage für unser Zusammenleben auch über Grenzen hinweg.
Zurück zu Grenzen und Menschenrechten in Sachsen: Zunächst einmal bemerken wir hier von den EUAußengrenzen, von den Flüchtlingen die an den Außengrenzen überleben, überhaupt nichts, weil die Bundesregierung sich nach wie vor weigert, Flüchtlinge aus den Erstaufnahmestaaten aufzunehmen. Haben wir nun ein vereintes Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, oder nicht?
Solidarität endet offenbar nicht nur an den Grenzen, sondern auch bei bestimmten Themen. Sachsen hat seit dem freien Grenzverkehr dank dem Schengener Abkommen seit Ende letzten Jahres offene Grenzen zu Tschechien und Polen, zumindest auf dem Papier. In unserer Großen Anfrage steht, dass die Zahlen des „Verdachts der unerlaubten Einreise“ seit 2001 unvermindert zurückgehen, und zudem wissen wir von Herrn Innenminister Buttolo, dass die Kriminalität an den Grenzen auch zurückgeht. Trotzdem kontrolliert die Polizei nicht nur unvermindert, sondern verstärkt an den Grenzen. Allein im Bereich der Polizeidirektion Südwestsachsen wurden 2007 täglich circa zehn Identitätsfeststellungen im grenznahen Gebiet durchgeführt und in den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es 30 am Tag. Im neuen Haushalt werden die Mittel für die Sächsische Sicherheitswacht um 400 000 Euro auf 1,5 Millionen Euro erhöht zur – so die Begründung – „Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung im grenznahen Raum“. Es handelt sich hierbei also nicht um objektive Kriterien. Sie versuchen trotz des Rückgangs an irregulärer Zuwanderung und trotz des Rückgangs an Kriminalität und trotz Schengen eine sächsische Außengrenze – subjektiv gefühlt, rechtlich aber nicht vorhanden – aufzubauen, und das auch in den Köpfen.
Nun zu den Menschenrechten in Sachsen: Unsere Große Anfrage zur Situation von Menschen ohne Aufenthaltstitel hat klar ergeben, dass es die Staatsregierung mit der Einhaltung der Menschenrechte nicht so ernst nimmt. Sie führt die alte Diskussion und stellt Ordnungsrecht gegen Menschenrechte. An der Spitze unserer Rechtsordnung stehen Rechte, die „unveräußerlich“ anerkannt sind, weil durch sie die Würde des Menschen Achtung und Schutz findet. Zu diesem aus dem Grundsatz der Menschenwürde folgenden grundlegenden Rechten gehören das Recht des Einzelnen auf Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts durch soziale Hilfeleistungen, das Recht auf ärztliche Hilfe in Fällen schwerwiegender Erkrankung, das Recht, die eigene Existenz durch Arbeit und legalen Gelderwerb zu sichern und hier anknüpfend die Möglichkeit, Ansprüche auf Lohn und Bezahlung notfalls mit Hilfe staatlicher Gerichte durchzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dazu gehört auch das Recht von Kindern und Jugendlichen, in Kitas und Schulen zu gehen. Wie sollen Kinder ihre Zukunft eigenver
antwortlich gestalten, wenn ihnen Bildung verwehrt ist? Die Staatsregierung beruft sich darauf, dass Menschen ohne Papiere ja alle Institutionen nutzen können. Sie müssten sich nur bei den Ausländerbehörden melden. Diese rein ordnungspolitische Sichtweise führt faktisch aber zu einer Versagung der Menschenrechte und damit zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Menschenwürde.
Die Staatsregierung geht bei der Gesundheitsversorgung, der Schulpflicht der Kinder und bei gerichtlichen Streitigkeiten grundsätzlich von einer Übermittlungspflicht der öffentlichen Stellen aus. Das führt dazu, dass Menschen Krankheiten verschleppen, dass Kinder nicht in Kitas und zur Schule gehen und ausbeutende Arbeitsverhältnisse weiter bestehen.
Schließlich haben diese Menschen große Angst davor, entdeckt zu werden. Rechtlich ist es so, dass der Staat die tatsächliche Wahrnehmung dieser Rechte nicht durch Maßnahmen unmöglich machen darf, auch nicht, wenn diese Maßnahmen auf die unbedingte Durchsetzung seiner Ausreiseansprüche zielen, so der ehemalige Bundesverfassungsrichter Sommer und der Direktor des Instituts für Menschenrechte in Berlin, Prof. Bielefeldt. Es ist also keinesfalls so, dass sich die Staatsregierung hier rechtskonform verhält.