Herr Kollege Mannsfeld hat es zu Recht angesprochen: Die Landeshauptstadt Dresden ist nicht nur Landeshauptstadt, sondern sie ist auch die Lärmhauptstadt in Sachsen. Es ist tatsächlich so, dass fast 60 000 Menschen – also über 10 % – der Dresdner Bevölkerung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt sind, und das schon seit Jahren.
Da ich in der Stadt Dresden politisch tätig bin, kann ich mir vorstellen, wie das in der Stadtpolitik, in der Kommunalpolitik zustande kommt. Beispielsweise müssen wir für die Stadt Dresden feststellen, dass wir lieber eine neue Straße bauen, anstatt eine alte Straße zu sanieren. Es liegt schon in der Verantwortung der Kommunalpolitik, die richtigen Weichen zu stellen.
Herr Kollege Morlok, es ist natürlich immer sehr schön, dieses grundsätzliche Problem Lärm – es ist ja der Straßenlärm und der Fluglärm, wenn wir ehrlich sind – kleinzureden und schönzureden, indem man sagt: Da bauen wir eben ein paar mehr Umgehungsstraßen. Ich möchte nicht bestreiten, dass das im Einzelfall an der einen Stelle eine Entlastung bringt. Es bringt aber eine Belastung an einer anderen Stelle. Aber die Vorstellung, durch den Neubau von Straßen, seien es auch Umgehungsstraßen, dieses Problem grundsätzlich zu lösen, ist meiner Meinung nach falsch.
In Dresden können wir ganz genau feststellen, dass das hausgemachte Fehler der Dresdner Kommunalpolitik sind. Wir haben einen Sanierungsstau von mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr nur zur Sanierung der Dresdner Straßen, die jedes Jahr neu auflaufen. Wir wissen, dass die Gelder leider nicht dorthin gelenkt werden, sondern in den Neubau von Straßen. So steigt eben das Programm. Seit 2002 gibt es einen Stadtratsbeschluss, dass die schlimmsten Lärmstraßen saniert werden sollen. Das sind Straßen über 75 dB(A) in Dresden und das sind im Grunde genommen alle großen Straßen. Seit 2002 ist nichts passiert.
Damit sind wir beim Kern des Problems. Woran liegt es, dass wir dort nicht vorangekommen sind? Meines Erachtens liegt es eindeutig daran, dass der politische Stellenwert des Lärmschutzes wie des Umweltschutzes viel zu gering ist. Dabei macht die Staatsregierung leider mit. Schon in Frage 1 enthüllt die Staatsregierung, wo der Hase im Pfeffer liegt. Dort wird eindeutig gesagt, der Immissionsschutz sei „mit den Mobilitätsbedürfnissen abzuwägen“. Das klingt natürlich sehr schön, aber wir wissen auch, wie diese Abwägung ausfällt. Sie fällt in aller Regel – ich sage: in 99 % der Fälle – für die sogenannten Mobilitätsbedürfnisse aus. Da müssen wir uns über diese schlimmen Ergebnisse nicht wundern.
Am interessantesten ist vielleicht die Frage – Frau Kollegin Kagelmann hat es angesprochen –: Wie sieht es mit den Lärmsanierungen aus und mit den Mitteln, die dafür eingesetzt werden? Das Ergebnis ist mehr als nieder
schmetternd, wenn wir lesen müssen, dass die Mittel für Lärmsanierungen – also die freiwilligen Leistungen, die dabei zu erbringen sind – im Jahr 2007 auf lächerliche 12 000 Euro gesunken sind. Im Jahr 2001 waren immerhin noch über 330 000 Euro im Haushalt dafür eingestellt.
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr gespannt, wie das bei der Haushaltsdebatte in zwei Monaten hier in diesem Haus aussieht. Meine Fraktion hat jedenfalls, seitdem wir seit 2004 wieder in diesem Haus vertreten sind, regelmäßig mit entsprechenden Haushaltsanträgen deutliche Verstärkungen beantragt. Diese sind von diesem Haus immer abgelehnt worden. Von daher, meine Damen und Herren, kann ich nur hoffen, dass dem von allen Fraktionen gezeigten guten Willen haushalterische Taten folgen werden. Ich glaube allerdings nicht, dass das bei der Koalition auf viel Zustimmung stoßen wird.
Danke schön. – Das war die erste Runde. Gibt es seitens der Fraktionen weiteren Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Kupfer, Sie möchten sprechen; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lärm ist ein großes Umweltproblem. Wohl kaum eine andere Umweltbelastung kann so störend sein wie Lärm, vor allem wenn man ihn nicht selbst verursacht hat. Gerade solche Geräusche können auf Dauer das Leistungsvermögen beeinträchtigen und sogar krank machen.
Mit der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm und ihre Umsetzung in deutsches Recht haben wir erstmals eine europaweit einheitliche rechtliche Grundlage, das Lärmproblem offensiv anzugehen. Die Kommunen werden nun die Lärmbelastung von Hauptlärmquellen und die Anzahl der betroffenen Einwohner bundesweit in Lärmkarten erfassen, die alle fünf Jahre aktualisiert werden. Auf der Grundlage dieser Lärmkarten sollen die Gemeinden Lärmaktionspläne erstellen, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen für Orte in der Nähe der Hauptlärmquellen und für Ballungsräume geregelt werden.
In Sachsen wurden bei der Lärmkartierung circa 1 300 Kilometer Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr erfasst. Überprüft wurden 107 Gemeinden und die beiden Ballungsräume Dresden und Leipzig. Für die Gemeinden und zuständigen Behörden war das ein wahrer Kraftakt.
Am 30. April 2008 konnte das Landesamt für Umwelt und Geologie beim Bundesumweltamt Vollzug melden. Die Lärmkartierung ist für Sachsen abgeschlossen. Ich darf an dieser Stelle noch einmal sagen, dass das nicht nur den Straßenlärm einbezieht, sondern auch Industrieanlagen oder sonstigen Umgebungslärm. Darin sind der
Fast alle Gemeinden haben die Lärmkarten über den Internetkartendienst des LfULG ins Netz gestellt. Nun beginnt die eigentliche Arbeit. Die Lärmkartierung hat gezeigt, dass in Sachsen circa 70 000 Einwohner mit Straßenverkehrslärm von mehr als 65 dB(A) am Tag und von mehr als 55 dB(A) in der Nacht leben müssen. Das sind Grenzwerte, die langfristig zu gesundheitlichen Schäden des Herz-Kreislauf-Systems führen können. Betroffen sind vor allem die Bewohner der größeren Städte.
Es ist also sehr wichtig, dass die betroffenen Gemeinden einen Lärmaktionsplan aufstellen, in dem Maßnahmen für eine kurz-, mittel- und langfristige Verbesserung vorgesehen werden. Die Gemeinden werden, wie bei der Kartierung, auch bei der Lärmaktionsplanung fachlich durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und eine interministerielle Arbeitsgruppe unterstützt.
Mein Haus hat dazu im Januar dieses Jahres eine Auftaktveranstaltung für die Städte und Gemeinden durchgeführt. Eine spezielle Informationsbroschüre gibt detaillierte Hinweise für die Lärmaktionsplanung. Leider – das muss man auch sagen – haben sich bisher nur elf der 63 betroffenen Gemeinden für einen Lärmaktionsplan entschieden. 32 Gemeinden haben noch keine Entscheidung getroffen. Manche haben die Planung ganz eingestellt. Rücksprachen zeigen, dass viele kleinere Gemeinden fachlich überfordert sind. Wir prüfen daher zurzeit, wie wir den Kommunen noch besser helfen können. So planen wir auch in diesem Jahr, den Kommunen externe Sachverständige an die Seite zu geben.
Trotzdem ist und bleibt die Lärmaktionsplanung für die Kommunen eine komplexe und schwierige Aufgabe. Für bestehende Straßen fehlt es bis heute zum Teil an ausreichenden gesetzlichen Vorgaben. Dieses Defizit wird auch die Umgebungslärmrichtlinie so schnell nicht beseitigen. Sie kann aber helfen, den Trend zu immer mehr Lärm zu stoppen und schrittweise Lärmschwerpunkte abzubauen.
Erste Ideen dazu gibt es beim Bund. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat mit dem Nationalen Verkehrslärmschutzpaket vom 2. Februar 2007 neue und bereits laufende Maßnahmen zum Schutz vor Verkehrslärm gebündelt.
Die Umweltminister der Länder haben den Bund im vergangenen Jahr wiederholt um Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Ländern zu einem Finanzierungskonzept für die Lärmsanierung an Straßen gebeten. Erste Gespräche gab es bereits dazu, aber wir bleiben weiter am Ball. Ich setze mich in der Umweltministerkonferenz für eine zügige Lösung der zentralen Frage, nämlich der Finanzierung von Lärmsanierungsmaßnahmen, ein.
Meine Damen und Herren! Parallel zur Lärmaktionsplanung in den Kommunen müssen wir uns vor allem den Lärmquellen zuwenden. Lärm zu vermeiden ist immer
effektiver und billiger, als die Auswirkungen des Lärms mühsam durch Sanieren zu vermindern. Das sind Aufgaben, die die Europäische Union, die Bundesregierung und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch der Freistaat Sachsen stärker verfolgen werden.
Der technische Fortschritt bietet zum Beispiel Möglichkeiten, den Lärm im Straßenverkehr zu reduzieren. Durch leisere Reifen kann eine flächendeckende Lärmminderung erreicht werden. Deshalb ist eine anspruchsvolle Fortschreibung der Reifenrichtlinie der EU wichtig. Wir haben gemeinsam mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mehrere Anträge erarbeitet, die in entsprechende Bundesratsbeschlüsse eingegangen sind. Oder denken Sie an den lärmmindernden Fahrbahnbelag. Flüsterasphalt sollte dort, wo Menschen wohnen, zum Standard werden. Hier sind die jeweiligen Baulastträger der Straßen gefordert.
Auch beim Schienenlärm sind die technischen Möglichkeiten der Praxis weit voraus. Die Bremssysteme der Güterwaggons sind völlig veraltet. Die Bundesregierung hat im Haushalt 2008 insgesamt 40 Millionen Euro für ein Pilot- und Innovationsprogramm zur Lärmminderung für Güterwaggons vorgesehen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der technische Stand muss hier länderübergreifend in der EU durchgesetzt werden.
An dieser Stelle möchte ich Folgendes sagen: Zum Schienenlärm, Herr Morlok, gehört auch der Straßenbahnlärm. Aber Sie werden verstehen, dass wir als Staatsregierung auf nicht gestellte Fragen auch keine Antwort geben können.
Der Lärmschutz ist auch in der Kommunalpolitik stärker zu integrieren. Die Kommunen sollten die Lärmaktionsplanung geschickt mit der Verkehrsentwicklungs-, Bauleit- und Stadtentwicklungsplanung verbinden. Neubaugebiete müssen nicht an Straßen ohne Lärmschutz ausgewiesen werden. Werden Straßen erneuert, kann bereits vor dem Bau über lärmmindernde Maßnahmen diskutiert werden. Das spart Geld, erzürnt weniger Anwohner und macht letztendlich die Kommunen attraktiver.
Meine Damen und Herren! Dieser Aufwand um den Lärm lohnt sich. Für die Staatsregierung ist das Thema Lärm so oder so ein wichtiges Thema, bei dem wir die Kommunen auch künftig weiterhin unterstützen werden.
Danke, Herr Staatsminister. – Gibt es seitens der Fraktionen noch Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Es gibt dazu einen Entschließungsantrag der Linksfraktion. Frau Kagelmann, möchten Sie diesen einbringen? – Bitte schön.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Ich stelle zunächst für meine Fraktion fest, dass in dieser Debatte von allen Rednern der demokratischen Parteien die Lärmbelastung als vordringliches Umweltproblem aner
kannt wurde, auch wenn über Mittel und Wege zur Lärmminderung oder über die eine oder andere nicht gestellte Frage unterschiedliche Auffassungen bestehen.
Meine Damen und Herren! Das sollte eigentlich ein guter Ansatz sein für unseren Entschließungsantrag, den ich in weiten Teilen bereits mit meinem Redebeitrag eingebracht habe. Ich fasse die wichtigsten Aussagen zusammen.
Im ersten Teil unseres Entschließungsantrages geht es um ein schlichtes Bekenntnis: Erstens – das habe ich zumindest der Debatte entnommen – zu der hohen Bedeutung der EU-Richtlinie Umgebungslärm für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen. Wie waren uns im Wesentlichen einig, dass dies ein vorrangiges Umweltproblem darstellt, wie es auch die Staatsregierung in der Antwort auf die Große Anfrage betont.
Zweitens. Wenn man diesem Punkt folgen kann, muss der nächste Schritt darin bestehen, sich zur Verantwortung des Freistaates zur Umsetzung der Richtlinie und damit zur Umsetzung der aus den Aktionsplänen abgeleiteten Maßnahmen in den Kommunen zu bekennen.
Drittens. Dieser Punkt ist ein Bekenntnis zur Geschwindigkeitsbekämpfung als eine effektive, billige und kurzfristig durchsetzbare Lärmminderungsmaßnahme. Was für den einen eine Selbstverständlichkeit ist, grenzt möglicherweise im Autoland Deutschland und speziell in Sachsen, wo rücksichtslose Raserei als ein individuelles Freiheitsrecht definiert wird, an einen Paradigmenwechsel. Aber, meine Damen und Herren, wer es mit der Lärmbekämpfung ehrlich meint, kommt an einer Geschwindigkeitsbegrenzung in sensiblen Straßenbereichen nicht vorbei.
Erstens. Zuerst sollten innerörtlich Geschwindigkeitsbegrenzungen von 30 km/h auf Bundes- und Staatsstraßen, insbesondere nachts, genehmigt werden.
Zweitens. Auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung soll in sensiblen Bereichen die Höchstgeschwindigkeit ganztags auf 130 km/h beschränkt werden.
Drittens. Es sollen Lärmminderungsmaßnahmen an besonderen Problempunkten in den Kommunen finanziell gefördert werden.
Herr Morlok, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auf das Problem mit Verweis auf den Haushalt noch einmal aufmerksam gemacht haben. Herr Lichdi, der von Ihnen beklagte Aktionismus bleibt unter anderem deshalb an der Oberfläche, weil die Kommunen nicht wissen, wie sie die Lärmschutzmaßnahmen, die sich aus den Aktionsplänen ergeben, letztlich finanzieren sollen. Ich habe von Herrn Kupfer vernommen, dass er sich um das Finanzierungsproblem kümmern will. Diesbezüglich sind wir uns wieder einmal einig und können diesem Punkt zustimmen.
Es geht aber in diesem dritten Punkt auch um das Verwaltungshandeln, das sich stärker der individuellen Problemsicht der Betroffenen annehmen soll. Das, meine Damen und Herren, ist der Kern der EU-Richtlinie. Es geht nicht um technisch festgelegte Lärmpegel, sondern es geht um die Beseitigung von belästigenden oder gesundheitsschädlichen Geräuschen im Freien. Es geht um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, und das sollte das Maß der Dinge sein. Daran sollten sich auch die Lärmschutzmaßnahmen orientieren. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zum Entschließungsantrag.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kagelmann, wenn Sie als Fazit hier vorgetragen hätten, dass sich alle Fraktionen ernsthaft diesem Problem gewidmet haben, wäre das für mich ein der Sache gut angemessenes Endergebnis gewesen. Aber der Entschließungsantrag, um im Bild zu bleiben, ist viel Lärm um nichts.
Meine Damen und Herren, hier werden wieder einmal sehr allgemeine Formulierungen als die Feststellung des Landtages beschrieben, die eigentlich unter unseren Zuständigkeiten liegen, weil das Selbstverständlichkeiten oder fast journalistisch anmutende Beschreibungen sind. Dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung 2007 Lärmschutzrichtlinien verabschiedet hat, die auch in Sachsen eingeführt worden sind, und ein Teil der von Ihnen ersuchten Maßnahmen widersprechen einfach diesen Richtlinien. Dazu gehört auch Ihre besondere Schwerpunktsetzung auf die Geschwindigkeitsregulierung. Wir hätten es nicht nötig gehabt, darauf noch einmal hingewiesen zu werden.