Mitglieder der NPD-Landtagsfraktion haben vor Kurzem für einige Tage die Slowakei besucht, um sich dort ein Bild von der EU-geförderten Standortkonkurrenz zu machen. Wir konnten dort selbst in Augenschein nehmen, wie in der Slowakei mit EU-Milliarden, die in den nächsten Jahren auch in Sachsen fehlen werden, leistungsstarke Industrie- und Gewerbeparks mit modernster Infrastruktur und massiver lokaler Wirtschaftsförderung entstehen.
Das alles zusammengenommen – die aufgerissenen Finanzlöcher durch die Krise des internationalen CasinoKapitalismus und die versiegenden Fördermittel aus dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und den Töpfen der Europäischen Union – wird die sozioökonomische Aufholjagd Sachsens in den nächsten Jahren bremsen, wenn nicht gar stoppen und einen schleichenden infrastrukturellen Rückbau einleiten, unter dem der
Straßen- und Städtebau genauso leiden wird wie die Finanzausstattung für Schulen und Hochschulen. Damit gerät das Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse innerhalb Deutschlands in ganz weite Ferne, obwohl das Grundgesetz die politische Klasse auf den sozialen Ausgleich zwischen allen Landesteilen verpflichtet.
Im Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes ist als Ziel der Politik die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ in Deutschland festgeschrieben. Bis zur Neufassung des Artikels 72 Abs. 2 des Grundgesetzes im Jahr 1994 war sogar noch von der „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ die Rede. Einheitlichkeit verlangt im Vergleich zu Gleichwertigkeit aber größere Anstrengungen zur Sicherstellung der Wirtschafts- und Sozialeinheit unseres Landes und wurde deshalb von den Herrschenden im Sinne einer politischen Selbstentpflichtung auch zurechtgestutzt.
Meine Damen und Herren! Auf Sachsen kommen finanzpolitisch schwere Zeiten zu, auch wenn die Staatsregierung noch einen recht ordentlichen Fortschrittsbericht für 2007 vorlegen konnte. Die Fortschrittsberichte der nächsten Jahre werden sich ganz anders lesen. – Danke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ehre, wem Ehre gebührt! Die maßstabsgetreue Verwendung der Solidarmittel gehört zweifelsohne zu den Grundpfeilern einer insgesamt recht soliden Finanzpolitik im Freistaat Sachsen, wenn man die Geschichte mit der Sachsen LB – Herr Pecher hat es vorhin angedeutet – außer Acht lässt. Das relativiert natürlich einiges.
Es ist aber gut, dass sich der kompromisslos regelgerechte Einsatz von Transfergeldern im Handeln unserer Staatsregierung wiederfindet, übrigens auch mit voller Unterstützung der sächsischen FDP.
Ich sehe es etwas anders als meine beiden Vorredner. Ich denke, dass man überall in Sachsen sehr gut erkennen kann, was wir mit den uns aus den westdeutschen Ländern zur Verfügung gestellten Mitteln gemacht haben. Man kann schlichtweg nicht leugnen, dass der Aufbau in ganz, ganz vielen Bereichen an ganz, ganz vielen Orten in Sachsen gelungen ist und dass mit den Transfergeldern ganz enorme Werte geschaffen worden sind, Werte, die zu einer deutlichen Verbesserung der Lebenssituation der allermeisten Menschen in Sachsen geführt haben. Mich als Sachse lässt es schon ziemlich zufrieden sein, wenn ich an den Umstand denke, dass wir hier im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Bundesländern den Steuerzahlern in
Westdeutschland sagen können, dass ihr Geld bei uns im Großen und Ganzen ordentlich und sinnvoll angelegt worden ist. Darauf hat der Westen mit seiner großartigen Solidarität uns gegenüber Anspruch. Es ist gut, dass wir als Freistaat Sachsen diesem Anspruch gerecht geworden sind.
Da die Staatsregierung aber schon selbst genug Eigenlob – auch zu Recht, Herr Dr. Rößler – verteilt hat, gestatten Sie mir vielleicht einen kleinen Blick nach vorn. In diesem Zusammenhang fand ich es sehr bemerkenswert, was unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich am 2. Oktober im „Rheinischen Merkur“ zur Zukunft das Solidarpaktes gesagt hat. Erstens sagte er, dass wir Sachsen keinen Solidarpakt III wollen. Zweitens sagte er, dass wir nach 2019, wenn der Geldfluss aufgehört hat, als Sachsen auf eigenen Füßen stehen und von einem Nehmer- zu einem Geberland werden wollen. Drittens stellte er fest, dass der Solidaritätszuschlag falsch etikettiert ist, weil – wie wir das alle wissen, was aber in Westdeutschland nicht immer der Fall ist – er eben von allen in Deutschland bezahlt wird, nicht nur von den Westdeutschen, und er eben ohne Zweckbindung in den Bundeshaushalt einfließt und aus dem Solidarfonds zum Beispiel auch Straßen in Baden-Württemberg oder NordrheinWestfalen bezahlt werden. Er machte den interessanten Vorschlag, dass man den Namen des Solidaritätszuschlages ändern oder alternativ den Solidaritätszuschlag beispielsweise in einen Solidarfonds für die überschuldeten Bundesländer in Ost und West umwidmen sollte.
Ich kann den Einschätzungen, die unser Ministerpräsident im „Rheinischen Merkur“ gemacht hat, zustimmen, doch ich möchte ihn bitten, die angezogene Handbremse bei seinem Handeln zu lösen. Ich lade ihn ein, nicht über eine Umwidmung oder Umbenennung des Solidaritätszuschlages nachzudenken, sondern darüber, ob der Solidaritätszuschlag tatsächlich noch zeitgemäß, tatsächlich noch sinnvoll ist und ob der Zuschlag, so wie er verwendet wird – er ist inzwischen nichts anderes als eine Sondersteuer für alle berufstätigen Menschen in ganz Deutschland –, nicht schleunigst gesenkt oder sogar abgeschafft werden sollte.
Sachsen übernimmt im Oktober den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz. Vielleicht wäre das die Gelegenheit für eine entsprechende Bundesratsinitiative zu einer zügigen Absenkung und mittelfristigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Ich weiß, dass das ziemlich kühn wäre. Aber das wäre aus unserer Sicht ein richtiger Fortschritt, noch dazu, wenn ein solcher Vorstoß aus einem ostdeutschen Bundesland käme.
Wir sind der Meinung, dass wir den Bürgern ihr Geld besser zurückgeben sollten, als krampfhaft nach einem neuen Verwendungszweck für diesen Soli zu suchen oder ihn umzubenennen; denn wir wissen alle, dass der Solida
ritätszuschlag schon lange nichts mehr mit Solidarität zu tun hat, sondern eigentlich nur mit dem Zuschlag.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Mehr Netto vom Brutto wäre auch für die sächsischen Arbeitnehmer und die Selbstständigen ganz gewiss ein richtiger Fortschritt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Nun, Herr Zastrow, wenn Sie Probleme damit haben zu erkennen, was im Aufbau Ost noch finanziert werden müsste, dann schlage ich Ihnen die Lektüre des heutigen Pressespiegels des Landtages vor. Da finden Sie auf Seite 21 eine Studie von McKinsey – das ist nun keine linke Organisation –, die sagt, die Bildung bräuchte eigentlich die 500 Milliarden Euro, worüber wir heute früh diskutiert haben, weil uns der Fachkräftemangel in Deutschland bis 2020 volkswirtschaftlich bis zu eine Billion Euro kosten wird.
Die CDU hat letzte Woche einen Perspektivkongress Ost durchgeführt. Nachdem man am Samstag die Zeitung studiert hat, ist mir durch die Schlagzeilen der „Sächsischen Zeitung“ bekannt und klar geworden, worum es dabei ging: „Wie die CDU Wähler im Osten zurückgewinnen will.“ Also ging es bei diesem Perspektivkongress Ost eher um die Perspektiven der CDU im Osten als um den Aufbau Ost. Das kann man ja schlussfolgern.
Herr Tiefensee hat einen Bericht abgegeben, er hat auch noch ein Papierchen aufgesetzt: Viel erreicht, viel zu tun. Dazu kann ich nur sagen: Weiter so, Genossen, auf zum nächsten unerschütterlichen Fünfjahresplan, gar nichts ändern, sondern einfach nur so weitermachen wie bisher, es ist ja noch alles gut gegangen!
Wenn also Sie von der CDU und der SPD einmal Lust auf eine engagierte und kreative Debatte in der Sache haben, dann schlage ich Ihnen vor, Sie kommen am 13. Dezember nach Berlin, weil wir da nämlich einen großen Kongress zum Aufbau Ost und zur Wirtschaftsperspektive in Ostdeutschland machen.
Der Solidarpakt II ist die einzige verbleibende Handlungsoption, die wir noch haben. Diese läuft, wie Sie wissen, im letzten Drittel. 2019 ist Schluss, sodass wir uns jetzt ranhalten müssen. Glauben Sie nicht, dass Sie über die Föderalismuskommission II irgendwelche Verbesserungen erreichen. Ich glaube, dass das jetzt mit der Finanzmarktkrise vorbei ist. Die ist tot, mausetot. Das heißt, der Finanzausgleich bleibt unklar bis 2019. Der
Entschuldungsfonds wird wahrscheinlich bis 2019 nicht kommen. Das einzige Instrument, das der Ossi noch in der Hand hat, um etwas für die wirtschaftliche Entwicklung zu tun, ist der Solidarpakt II. Da müssen wir aber modernisieren, weil er so, wie er jetzt ist, altmodisch ist.
Wir haben es hier schon vorgeschlagen, und wir werden auch eine Anhörung dazu hier im Haushalts- und Finanzausschuss machen, nämlich ein wachstums- und nachhaltigkeitsorientiertes Budget aufzustellen. Da könnte man auch innerhalb des Solidarpaktes II Finanzierungen verändern. Wir würden alles, was über dem Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West wie Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, Saarland und SchleswigHolstein liegt, aus dem Korb I des Soli II finanzieren. Davon profitieren berufliche Schulen, Hochschulen, Studierende und wissenschaftlicher Nachwuchs, Berufsakademien, wissenschaftliche Bibliotheken, Forschungsförderung, Forschung und experimentelle Entwicklung, Wissenschaft und Forschung außerhalb der Hochschulen und auch der Umwelt- und Naturschutz. Das ist ein Zukunftsprogramm.
Da kann man natürlich der Musterknabe sein, wenn man sich an die falschen Vorgaben richtig hält. Aber was nützt es einem noch?! Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Was nützt es einem, wenn man sich an die falschen Vorgaben hält und meint, damit wäre alles erledigt? Dieser veraltete Investitionsbegriff ist eine Crux für uns alle. Wer es mir nicht glauben mag – ich weiß ja, dass es immer etwas schwierig ist –, dem zitiere ich doch einfach einmal Herrn Rackwitz vom Ifo in Dresden, der in einem Artikel in der „Wirtschaft im Wandel“ festgehalten hat: „Letzten Endes geht es aber nicht primär um den Abbau der Infrastrukturlücke, sondern vor allem darum, die Länder in die Lage zu versetzen, die für den Aufbau Ost erforderlichen Ausgaben zu finanzieren.
Ob infrastrukturelle Defizite heute aber wirklich das entscheidende Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern darstellen, muss bezweifelt werden. Zum einen finden potenzielle Investoren in allen ostdeutschen Ländern inzwischen Standorte, die von ihrer Infrastrukturausstattung den westdeutschen und ausländischen Konkurrenzstandorten ebenbürtig sind, und zum anderen ist angesichts der absehbaren differenzierten Bevölkerungsentwicklung die Vorstellung einer in allen Teilen Ostdeutschlands westdeutschen Durchschnittswerten entsprechenden quantitativen Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen ohnehin nicht länger zeitgemäß. Dies führt zur Schlussfolgerung, dass die Sonderbundesergänzungszuweisungen künftig auch für nichtinvestive Zwecke im traditionellen Sinne der Haushaltssystematik verwendet werden sollten, soweit diese die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern positiv beeinflussen können.“ Hinzu kämen zum Beispiel die Wirtschaftsförderung für Unternehmen oder auch Ausgaben für Forschung und Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Sie sehen, dass man da etwas
machen kann. Man muss auch nicht immer nur auf die GRÜNEN hören, aber es schadet offensichtlich nichts.
Werte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Welt ist nun einmal, wie sie ist, und der Fortschrittsbericht weist eben nach, und zwar vor dem westdeutschen Steuerzahler und den Geberländern, ob wir die Transfermittel so verwendet haben, wie es ausgemacht war.
Und der Nachholbedarf in der Infrastrukturlücke ist damals von unseren Wirtschaftsforschungsinstituten mit 156 Milliarden Euro definiert worden. Diese Infrastrukturlücke ist zu schließen. Wir, der Musterschüler Sachsen, weisen nach, dass wir die Solidarpaktmittel zweckentsprechend und nach dem ausgemachten Zweck verwenden,
dass wir sie nicht konsumieren, dass wir sie nicht verfressen, dass wir sie nicht verprassen. Wir wollen auch den Geberländern keine Gründe liefern, dass sie uns vorfristig den Hahn Solidarpakt II zudrehen. Die haben ja alle möglichen Ideen: Man könnte es als Entschuldungsfonds verwenden für die armen Westländer und vieles andere mehr.
Kollege Zastrow, es gibt ja viel Übereinstimmung mit Ihnen, aber reden Sie bloß nicht über den Soli. Reden Sie bloß nicht darüber, wie Sie Gelder einsparen könnten. Da fällt den Damen und Herren in den Geberländern jede Menge ein, was Sie ja einsparen könnten. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen.
Jetzt bin ich noch einmal bei der Infrastrukturlücke, es ist schon darüber gesprochen worden. Wir waren da lange Zeit Vorreiter. Aber die laufenden Ausgaben im freistaatlichen Haushalt schränkten die Investitionsmöglichkeiten immer mehr ein. Es ist wirklich so – das ist ein Alarmsignal –, dass die laufenden Ausgaben im Freistaat Sachsen die investive Verwendungsquote verschlechtern. Unsere kommunalen Partner setzen eher auf Schuldentilgung als auf Investitionen. Wenn weniger investiert wird, gibt es auch weniger Arbeitsplätze, insbesondere im Hoch- und Tiefbau und an anderer Stelle. Wir müssen wissen, Investition anders zu definieren, in human capital, wie es immer so schön heißt, oder in anderes, in Köpfe, ist gescheitert. An dieser Art von Investitionsbegriff ist die Diskussion schon in der Föderalismuskommission II gescheitert. Sie ist nicht durchgedrungen. Ganz im Gegenteil. Investitionen sind klar definiert, ob uns das gefällt oder nicht.
Noch etwas. Der Malocher in Sindelfingen ist übrigens nicht bereit, wenn seine eigenen Sprösslinge mit 28 oder 31 Kindern in der Klasse sitzen, auf Dauer die SchülerLehrer-Quote von 1 : 16/1 : 17 in den neuen Bundesländern zu finanzieren. Man sagt dann: Okay, wir definieren den durchschnittlichen Standard. Wenn ihr euch mehr leisten wollt, dann, bitte, finanziert das selbst. Leider, meine Damen und Herren, ist das so.