Protocol of the Session on October 16, 2008

Einen Punkt habe ich jetzt schon genannt. Der andere Punkt ist, dass Sie diesen Versorgungsausgleich laut Antrag für alle Frauen wollen, die in der DDR geschieden worden sind, unabhängig davon, wie hoch denn tatsächlich ihre Rente ist. Das wollen Sie aus Steuermitteln finanzieren, im Gegensatz zu dem Antrag, den Sie erwähnt haben, der in der vergangenen Legislaturperiode in diesem Hohen Haus gestellt wurde. Damals hatten Sie noch das Anliegen, dass dieser Versorgungsausgleich den Männern sozusagen rückwirkend weggenommen wird. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass das nicht geht.

Jetzt wollen Sie das aus Steuermitteln finanzieren. Dabei gehen wir ja so weit mit, dass wir sagen: Es könnte Härtefälle geben, und für die brauchen wir eine Härtefallregelung, aber nur für Härtefälle und, bitte schön, nicht für die Frauen, die durchaus eine auskömmliche Rente haben, auch wenn sie in der DDR geschieden worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Frau Herrmann, es gibt eine Zwischenfrage. Würden Sie die gestatten?

Bitte, Herr Pellmann.

Frau Herrmann, würden sie mir darin recht geben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Versorgungsausgleich und Hinterbliebenenrente gibt? Das ist die erste Frage.

Es gibt einen Zusammenhang. Wie direkt dieser ist, das müssen wir, denke ich, an dieser Stelle nicht erörtern. Aber es ist so, dass die Frauen in der Bundesrepublik, die vor 1977 geschieden worden sind, diesen Versorgungsausgleich nicht bekommen haben, und was Sie wollen, ist, das auf alle auszudehnen.

Darf ich noch eine Frage stellen?

Möchten Sie noch eine Zwischenfrage zulassen?

Herr Dr. Pellmann, bitte.

Frau Herrmann, da ich Frau Schwarz im Augenblick nichts fragen kann, Sie jedoch von Frau Schwarz gefragt worden sind, darf ich bitte an Sie die Frage richten: Halten Sie es für einen Schnellschuss und einen populistischen Antrag, wenn wir nach sechseinhalb Jahren – de facto, weil sich nichts getan hat – einen Antrag wiederholen, der damals vom Hohen Hause beschlossen wurde?

Herr Dr. Pellmann, ich bin der Meinung, dass man an dieser Stelle etwas tun muss; aber ich habe bereits deutlich gemacht, dass ich mir einen differenzierteren Antrag gewünscht hätte, der davon ausgeht, wie viel Rente diese Frauen tatsächlich haben, und dass keine Linie zwischen Ost und West gezogen und gesagt wird: Die Frauen in den neuen Ländern sind einfach benachteiligt, die haben viel weniger Rente. Es gibt genauso Frauen in den alten Bundesländern, die aus zugegebenermaßen anderen Gründen wenig Rente haben, und wenn wir schon Steuermittel einsetzen, dann sollte es eine Härtefallprüfung geben, und dann sollte es eben nur für die Frauen, die wirklich ein Härtefall sind, aus diesen Steuermitteln unter Umständen einen Ausgleich geben. Das ist das Einzige, was ich mir in diesem Zusammenhang vorstellen kann.

Ich möchte noch ein Wort dazu sagen. Sie haben vorhin das Scheidungsrecht der DDR gelobt; das mag dahingestellt sein. Aber es ist einfach so, dass eine individuelle Lebensgestaltung in der DDR durchaus zu Nachteilen geführt hat,

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU)

und wenn die DDR länger bestanden hätte, hätten diese Frauen, die eine Familienphase zu Hause eingelegt haben, diese Nachteile genauso bei ihrem Rentenbezug gehabt. Ich sage nicht, dass das deshalb gerecht ist, aber es ist Tatsache. Sie hätten auch bei einer bestehenden DDR diese Nachteile gehabt. Deswegen sage ich: Härtefallregelung ja, das kann ich mir vorstellen, auch aus Steuermitteln, aber keine durchgängige Regelung für alle, die vor 1992 in der DDR geschieden worden sind.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung hat Verständnis für die Forderung, einen aus Steuermitteln finanzierten Versorgungsausgleich für in der DDR Geschiedene zu schaffen. Wir halten sie jedoch nicht für realisierbar. Der Versorgungsausgleich hat das Prinzip von Bonus und Malus zur Grundlage. Dies bedeutet, dass die Anwartschaften der Ehegatten auf Leistung im Falle des Alters und der Invalidität addiert und je zur Hälfte aufgeteilt werden. Selbst die Antragstellerin geht offenbar davon aus, dass ein rückwirkendes Ausdehnen der Regelungen über den Versorgungsausgleich auch vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet Geschiedene schon unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht durchführbar ist;

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Richtig!)

denn eine gegebenenfalls jahrzehntelange rückwirkende Kürzung der Anwartschaften und Ansprüche der Ausgleichspflichtigen würde einen unzulässigen Eingriff in erworbene Rechte bedeuten.

Die finanziellen Lasten des geforderten Versorgungsausgleiches sollen deshalb nicht von dem eigentlichen Ausgleichspflichtigen, sondern von allen Steuerzahlern getragen werden. Dies widerspricht allerdings dem Grundprinzip des Versorgungsausgleiches. Eine Einführung des Versorgungsausgleiches für alle vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet Geschiedenen würde die ostdeutschen Geschiedenen zu Unrecht bevorzugen; denn im Altbundesgebiet wurde der Versorgungsausgleich nur für Scheidungen ab dem 1. Juli 1977 eingeführt. Für alle weiter zurückliegenden Fälle des Beitrittsgebietes dürfte der Versorgungsausgleich daher schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht eingeführt werden.

Ein auf Scheidungen zwischen dem 1. Juli 1977 und dem 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet begrenzter, aus Steuermitteln finanzierter Versorgungsausgleich würde keinen Rechtsfrieden schaffen, da erneut nicht alle in der

DDR Geschiedenen erfasst werden könnten. Vor allem diejenigen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren aufgrund der Kindererziehung nur eingeschränkt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und daher Einbußen in der Rentenhöhe hinzunehmen haben, würden von den vorgeschlagenen Neuregelungen wohl nicht profitieren.

Selbst ein auf die zwischen dem 1. Juli 1977 und dem 31. Dezember 1991 begrenzter Versorgungsausgleich würde, wird er ohne Rückgriff auf die Ausgleichsverpflichteten durchgeführt, jährliche Mehrkosten von circa einer halben Milliarde Euro verursachen. Dies hat die Untersuchung der von der Bundesregierung eingesetzten interministeriellen Arbeitsgruppe ergeben. Zudem ließe es sich den im Altbundesgebiet seit 1977 geschiedenen Ausgleichspflichtigen nur schwer erklären, weshalb ihre Renten zum Teil ganz erheblich gekürzt werden, während dies im Beitrittsgebiet für vor 1992 Geschiedene nicht der Fall wäre.

Die Staatsregierung verkennt allerdings nicht, dass die Renten insbesondere der Frauen in den neuen Ländern, die häufig die einzige Quelle von Alterseinkünften sind, teilweise einen so niedrigen Betrag aufweisen, dass von drohender Altersarmut gesprochen werden muss. Einen Versorgungsausgleich, wie von der Antragstellerin gewünscht, halten wir aus den vorgenannten Gründen allerdings nicht für die richtige Lösung.

Danke.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion; Herr Abg. Dr. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen – das war unser Anliegen von Anfang an – eine politische Lösung für eine Situation, die so nicht länger hingenommen werden kann, und damit das deutlich ausgesprochen ist: Selbstverständlich – das haben wir nie geleugnet – hat es in der DDR Unrecht gegeben – keine Frage. Aber diese Prämisse können wir nicht ohne Weiteres auf das Scheidungsrecht übertragen. Es war eine andere Rechtsphilosophie, die man nicht nach Gut oder Böse beurteilen kann.

(Dr. Martin Gillo, CDU: Eine Unrechtsphilosophie war das!)

Ja, ja. – Sie war auch moderner, wenn man in Anspruch nimmt, dass man später entsprechende Rentenansprüche hätte erwerben können. Wir haben heute ein anderes System – davon gehen wir aus, das ist völlig klar –, und wir sind die Letzten, die etwa das Vorhergehende zurückhaben wollen.

(Dr. Martin Gillo, CDU: Hört, hört!)

Genau deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir eine Lösung, und die Lösung muss heißen: Wenn wir nun schon ein Staat sind, dann darf es keine

sozialen Ungleichheiten zwischen Vergleichbarem geben. Das ist das Problem, worauf es uns ankommt.

Dann wird die Frage gestellt: Woher wollen Sie denn das Geld nehmen? Frau Clauß hat dankenswerterweise die Zahl genannt, um die es geht. Ich will meine These von gestern nicht wiederholen, aber schon deutlich machen: Wer 500

(Staatsministerin Christine Clauß: Milliarden!)

Milliarden Euro – man kommt ganz durcheinander bei so vielen Nullen – zur Disposition stellt, dem sollte eine halbe Milliarde möglich sein. Ich hatte ganz bewusst deutlich gemacht, dass wir Ihnen keine Patentlösung anbieten können. Was ich jedoch hier gehört habe, ist bestenfalls ein allererster Ansatz von Frau Herrmann, aber alle anderen haben gesagt: Ja, das ist schlimm, wie es den Frauen geht. Aber eine Lösung haben Sie auch nicht. Wenn Sie unserer Lösung eines steuerfinanzierten Ausgleiches – sprich: auch entsprechend auf die Hinterbliebenenrenten bezogen – schon nicht folgen wollen, dann

erwarte ich beim nächsten Mal, dass Sie dann eine Lösung bieten werden, die den Interessen dieser 150 000 sächsischen Frauen entspricht.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Alles nur abzulehnen, ohne einen eigenen sinnvollen Vorschlag zu machen, das zeugt von wenig Intellektualität, das will ich Ihnen am Ende deutlich sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Heiterkeit des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/13439 zur Abstimmung. Wenn Sie zustimmen möchten, dann bitte ich jetzt um Ihr Handzeichen. – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Staatlichen Einfluss auf dem Energiesektor zurückgewinnen – Mibrag in das Eigentum der öffentlichen Hand überführen

Drucksache 4/13386, Antrag der Fraktion der NPD