Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wünscht die Staatsregierung zu sprechen? – Herr Minister Jurk, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Ich sehe eine gewisse Heiterkeit. Ich will mir nicht anmaßen, jetzt das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zu übernehmen. Die Ähnlichkeiten sind auch relativ gering, was die Figuren anbetrifft. Aber Sie wissen vielleicht zu Recht – deshalb möchte ich die Abwesenheit von Frau Ministerin Ludwig entschuldigen, sie weilt für unser Land zurzeit bei der Kultusministerkonferenz –, dass ich ihre Vertretung übernommen habe. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen hat sich über viele Jahre bemüht, das von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen in den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen praktizierte Auswahlverfahren grundsätzlich zu ändern. Ziel war es, dass Studienplätze nicht mehr allein nach der Abiturdurchschnittsnote vergeben werden. Vielmehr sollte die Möglichkeit eröffnet werden, eigene, auf die konkrete Ausgestaltung des Studienfaches abgestimmte Auswahlkriterien zu entwickeln, um auf dieser Grundlage einen maßgeblichen Teil der Studienbewerber selbst auswählen zu können.
Mit dem Siebenten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz hat der Deutsche Bundestag die hierfür notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Das neue Verfahren gestaltet sich wie folgt: Über die Vergabe von 60 %
der Studienplätze entscheiden jetzt die Hochschulen. 20 % der verfügbaren Studienplätze werden von der ZVS an die Abiturbesten vergeben; weitere 20 % von der ZVS nach Wartezeiten. Damit wird auch langjährigen Forderungen der Hochschulrektorenkonferenz, des Wissenschaftsrates und nahezu aller bedeutenden Forschungsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland endlich Rechnung getragen. Die Neuerung soll die Profilbildung der Hochschulen begünstigen und den Grundgedanken der Autonomie der Hochschulen in diesen wichtigen Fragen in besonderer Weise zur Geltung bringen.
Erlauben Sie mir, dass ich einzelne Punkte des Gesetzentwurfes näher kommentiere, die gegenüber dem hier eingebrachten ersten Entwurf durch einen Antrag von SPD- und CDU-Fraktion weiterentwickelt wurden.
1. Auf die Kombinationspflicht von zwei Auswahlmaßstäben wird nun verzichtet. Damit wird dem Autonomiegedanken ein noch weiterer Spielraum eröffnet und dem Ergebnis der Anhörung Rechnung getragen. Die Hochschulen können in eigener Verantwortung entscheiden, ob für bestimmte Studienfächer neben der Abiturdurchschnittsnote weitere Auswahlkriterien zur Anwendung kommen sollen, um die potenzielle Eignung der Bewerber zu prognostizieren.
Wir hoffen und vertrauen darauf, dass die Hochschulen von dem im Gesetz angelegten Spielraum mit hohem Verantwortungsbewusstsein und großer Sorgfalt Gebrauch machen. Es ist das gemeinsame Ziel von Hochschulen und Ministerium, das Auswahlverfahren so zu entwickeln, dass die für das jeweilige Studienfach am besten geeigneten Studienbewerber ausgewählt werden. Das Ministerium wird mit der rechtsaufsichtlichen Kontrolle der Satzungen diesen Prozess begleiten.
2. Erweitert werden auch die Begrenzungsmöglichkeiten für Teilnehmer an besonders arbeits- und zeitintensiven Auswahlverfahren. Sollten sich die Hochschulen in bestimmten Studienfächern für fachspezifische Studierfähigkeitstests oder Auswahlgespräche entscheiden, so sehen sie sich mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert. Für das Auswahlverfahren steht nur ein Zeitraum von etwa einem Monat zur Verfügung. Bei hohen Bewerberzahlen kann dann eine zeitgerechte abschließende Auswahl der am besten geeigneten Studienbewerber infrage gestellt sein.
Aus diesem Grunde ist es sachgerecht, im Sinne des Änderungsantrages den Personenkreis der Studienbewerber nicht nur für ein Auswahlgespräch, sondern auch für fachspezifische Studierfähigkeitstests bis zum Zweifachen der noch verfügbaren Studienplätze zu begrenzen.
3. Die Neufassung der Übergangsregelung gegenüber dem bisherigen Gesetzentwurf soll gewährleisten, dass die Hochschulen bereits jetzt praktizierte Auswahlgespräche weiterführen können, ohne wegen der ansonsten erforderlichen vorherigen Verabschiedung der benötigten Hochschulsatzungen einem besonderen Zeitdruck ausgesetzt zu sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist aus Sicht der Staatsregierung zu begrüßen; besonders hervorzuheben ist, dass die Hochschulen über die im Hochschulrahmengesetz genannten Auswahlmaßstäbe hinaus als Auswahlmaßstab besondere Vorbildungen, praktische Tätigkeiten und außerschulische Leistun
gen und Qualifikationen berücksichtigen können. Damit erhalten sie ein besonders breites, den Erfordernissen des jeweiligen Studienfaches angepasstes Auswahlermessen.
Insgesamt betont der Gesetzentwurf auch mit dem vorgelegten Änderungsantrag in besonderer Weise den Grundsatz der Eigenverantwortung der Hochschulen. Gerade im Hinblick auf den wichtigen Aspekt der Auswahl der Studienbewerber wird er zum besonderen Appell an die Hochschulen, sich dieser neuen Aufgabe mit besonderer Verantwortung anzunehmen, um die Anziehungskraft der sächsischen Hochschulen im bundesweiten Wettbewerb weiter zu steigern.
Meine Damen und Herren! Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir artikelweise vorgehen. Gibt es dazu Einverständnis? – Wenn dem so ist, dann ist jetzt das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulzulassungsgesetzes aufgerufen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien in der Drucksache 4/0894.
Ich lasse zuerst über die Überschrift abstimmen: „Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulzulassungsgesetzes“. Wer gibt seine Zustimmung für die Überschrift? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist der Überschrift mehrheitlich zugestimmt worden.
Ich rufe den Artikel 1 Nr. 1 und Nr. 2 auf. Mir liegt zu Nr. 2 ein Änderungsantrag der PDS-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor und ich bitte um Einbringung. Frau Abg. Werner, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst zu den Krokodilstränen der NPD. Sie beklagen hier die soziale Selektion. Ich muss Ihnen sagen – vielleicht wissen Sie es nicht –, dass wir bei der sozialen Selektion vor allem auch die Migranten meinen, die derzeit von den Hochschulen ausgeschlossen sind
und die wir vermehrt an die Hochschulen holen wollen. Deswegen muss ich sagen, dass ich auf die Stimmen einer Partei, die nur die Menschen Mitglied werden lässt, deren Vater Deutscher ist, einfach keinen Wert lege – und meine Fraktion auch nicht.
Zu unseren Änderungsanträgen, die wir gemeinsam mit der GRÜNEN-Fraktion einbringen: Wir werden dem Gesetz nicht zustimmen, wollen uns aber trotzdem konstruktiv beteiligen; vielleicht gibt es ja jetzt noch eine Überraschung. Bei all den Gefahren und Kritiken, die in dem Gesetz schlummern, können wir auch etwas Positives herausnehmen, nämlich dass andere Kriterien bei der Auswahl der Studierenden herangezogen werden sollen, zum Beispiel ehrenamtliches Engagement.
Damit diese Ansätze aber auch tatsächlich wirksam werden, braucht es ein Gremium, das dies in jeweiligen Satzungen auch einfügt. Sie haben die Hochschulen beauftragt, diese Satzungen zu entwerfen und im Senat abstimmen zu lassen. Aus unserer Sicht ist aber die Gefahr sehr groß, dass hier eine Professorenmehrheit ihre eigenen Kriterien durchdrückt. Deswegen möchten wir, dass die Studienkommissionen an der Erarbeitung der Satzung beteiligt werden. Wir möchten dies im Gesetz klarstellen lassen, weil nur die Studentenschaft in diesen Studienkommissionen tatsächlich paritätisch beteiligt ist.
Zum Zweiten – das ist auch ein Ergebnis der Anhörung; es wurde vorhin schon ein paar Mal erwähnt – ist es uns wichtig, dass die Gebührenfreiheit für die Bewerbungen im Gesetz festgelegt wird.
Jetzt werden einige fragen, was das Ganze mit Gebühren zu tun hat – deshalb vielleicht ein Beispiel: In den USA ist es momentan so, dass bis zu 100 Dollar Gebühren für diese Bewerbungen genommen werden. Der Verwaltungsaufwand für die Hochschulen ist sehr groß – für diese Aufnahmegespräche und Ähnliches – und in Deutschland wird derzeit mit ungefähr 50 Euro pro Bewerbung gerechnet.
Auch in der Anhörung klagten die Hochschulen, dass ihnen die Finanzen für die Umsetzung des Gesetzes fehlten. Die Staatsregierung will keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen und so können wir uns vorstellen, dass die Hochschulen recht schnell auf den Gedanken kommen werden, diese Kosten zukünftig auf die Studierenden zu verlagern. Das hätte wiederum Auswirkungen auf das Bewerbungsverhalten. Wenn man sich an mehreren Hochschulen bewirbt und dann vielleicht noch zusätzliche Fahrtkosten hat, kann man locker auf bis zu 1 000 Euro kommen. Für Sie – so ähnlich las man es ja auch im Gesetz – scheint das ein zu vernachlässigender Betrag zu sein; für andere sind es aber drei Monatseinkünfte.
Wir haben diesen Antrag zur Gebührenfreiheit im Ausschuss schon eingebracht; dort haben Sie ihn leider abgelehnt. Sie hatten aber inzwischen Bedenkzeit. Sie haben die Begehren der Rektoren und der Kanzler in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen und wir bitten Sie nun sehr, hier auch die Interessen der Studierenden zu berücksichtigen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An unserer Auffassung hat sich nichts geändert; wir hatten bereits Gelegenheit, diese im Ausschuss darzulegen. Zum Punkt 1 des gemeinsamen Änderungsantrages von PDS-Fraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hier handelt es sich um eine sehr weitgehende Regelung, die mithin kein deutsches Bundesland aufgegriffen hat. Wir sind nicht der Auffassung, dass Studienkommissionen gebildet und daran beteiligt werden sollen, sondern dass das in die originäre Zuständigkeit und die Autonomie der Hochschule fällt. Im Übrigen sind die Studenten
Zum Punkt 2: Wir sind auch nicht der Meinung, dass aufgrund der Autonomie den Hochschulen von unserer Seite aus vorgeschrieben werden soll, inwieweit sie Kosten erheben können oder nicht. Zugegebenermaßen ist es ein Aufwand zu Beginn, die entsprechenden Auswahlgespräche auf der Grundlage unserer Kriterien zu führen. Aber man muss auch gegenrechnen, dass es eine Dividende gibt im Laufe des Studiums, dass studierfähige Bewerber das Studium beginnen und am Anfang und nicht erst nach dem 3., 4. oder 5. Semester festgestellt werden kann, dass man für das Studium nicht geeignet ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu Herrn Wöller bin ich der Meinung, dass die begehrte Änderung der Beteiligung ein sehr schwaches Mittel ist. Es geht nur um ein Benehmen. Wir haben darauf geachtet, in der Systematik des Sächsischen Hochschulgesetzes zu bleiben und keine neuen Gremien zu gründen; die Studienkommission gibt es bereits. Wenn wir Studierendenbeteiligung an unseren Hochschulen wollen – die PDSFraktion und wir wollen das –, dann müssen wir bei einer solch wichtigen Frage wie der Auswahl der Studierenden diese Chance bieten. Dort gibt es eine kleine Möglichkeit – ohne großen Aufwand, aber mit demokratischer Beteiligung. Zum zweiten Punkt. Sie haben bewusst die Möglichkeit offen gelassen – ich will nicht sagen: dazu aufgerufen –, die Kosten der Bewerbung über Bewerbungsgebühren umzulegen. Ich halte das für skandalös. Bisher waren das nur Ängste und Befürchtungen; wir wollen mit dem Änderungsantrag eine Klarstellung. Es sieht so aus, dass Sie darauf spekulieren, dass angesichts der Finanzsituation der sächsischen Hochschulen künftig Bewerbungsgebühren für diese NC-Studiengänge erhoben werden. Ich sehe das als Bedrohung der künftigen Studierenden und als Beitrag zur weiteren sozialen Auswahl an unseren Hochschulen an.
Gibt es weiteren Diskussionsbedarf zum Änderungsantrag? – Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt über den Änderungsantrag in der Drucksache 4/0972 abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich rufe Artikel 1 auf, wie er in der Beschlussempfehlung des Ausschusses vorliegt. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei
Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt worden. Ich rufe Artikel 2 auf. Wer möchte zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder gleiches Stimmverhalten. Dem Artikel 2 wurde mehrheitlich zugestimmt. Da es in der 2. Lesung keine Veränderungen gegeben hat, kann ich die 3. Beratung aufrufen. Ich stelle den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschul
zulassungsgesetzes in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist das Gesetz mehrheitlich beschlossen worden.
Drucksache 4/0511, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 4/0929, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule und Sport
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: FDP-Fraktion, CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, PDS-Fraktion, NPD-Fraktion, GRÜNE-Fraktion und Staatsregierung, wenn gewünscht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit unserem Schulgesetzentwurf greifen wir ein Thema auf, das in der Vergangenheit, aber auch derzeit immer wieder heiß diskutiert wurde und wird, insbesondere dann, wenn wir in den ländlichen Regionen von Sachsen sind. Wir wollen unzulässige Härten, die sich aus langen Schulwegen für Schülerinnen und Schüler ergeben, verhindern und Schulstandorte im ländlichen Raum erhalten. Dass dieses Anliegen durchaus gesehen wird, zeigt auch der Koalitionsvertrag, den CDU und SPD geschlossen haben. Allerdings sind wir nicht der Meinung, dass eine Verwaltungsvorschrift, deren Zustandekommen heute noch gar nicht feststeht, das richtige Mittel ist, um dieses Ziel zu erreichen. Wir nehmen mit dem Gesetzentwurf erstmals eine Definition des bisher schwammigen Begriffs „unzumutbarer Schulweg“ vor und sagen ganz klar: „Unzumutbar“ ist der Schulweg dann, wenn Schüler an Grundschulen länger als 20 Minuten und Schüler an übrigen Schulen länger als 35 Minuten bis zur Schule brauchen. Das muss mehr als 30 % der Schüler einer Klasse betreffen.