Wird von der Fraktion der SPD noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die NPD. – Auch nicht. Von der Fraktion der GRÜNEN ist noch eine Wortmeldung vorgesehen. – Die entfällt. Dann frage ich die Fraktionen insgesamt, ob noch das Wort zum Thema gewünscht wird. – Herr Bandmann, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bonk, ich kann es Ihnen nachsehen, Sie wissen es nicht besser.
Als ich nach dem 20., 21. August 1968 als Jugendlicher wieder in die Schule kam, haben wir uns als Erkennungszeichen eine Kanüle von einer Spritze ins Revers gesteckt.
Der Einmarsch der Staaten des Warschauer Vertrages in die Tschechoslowakei in der Nacht vom 20. zum 21. August, geschah, um mit brutaler Gewalt den Versuch eines etwas menschlicheren Sozialismus niederzuschlagen.
Wenn Sie am 17. Juni zu den Gedenkveranstaltungen in Erinnerung des Volksaufstandes in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik, deren Hymne zum Schluss die eigene Bevölkerung nicht mehr singen durfte, weil darin die Worte „Deutschland, einig Vaterland“
vorkamen, kommen und zum Beispiel den ehemaligen Vorsitzenden des Bautzen-Komitees, Herrn Mühle, hören, der bereits vor dem 17. Juni 1953 ein Jahr hier im Dresdner Kerker verbrachte und vier Jahre in der Haftanstalt in Bautzen war, dann werden Sie begreifen, was es bedeutet, in einer Diktatur das Kreuz gebrochen zu bekommen und notfalls ohne Gerichtsbeschluss ermordet zu werden. Die Schergen, die auch in diesem Haus, nämlich der SEDBezirksleitung, gesessen haben – Herr Bartl wird das wissen –, diese Herren waren alle bewaffnet. Auf dem Postplatz in Görlitz war in der SED-Außenstelle des Rates des Kreises unter dem Dach ein Schießstand eingerichtet, um ständig üben zu können.
Wir sollten auch nicht die Mär verbreiten, dass es eine Arbeitsplatz- oder Wohnungsgarantie gab. Die Leute, die sich gegen den Staat aufgelehnt haben, haben sich ganz schnell ihres Arbeitsplatzes entledigt gesehen.
Sie mussten versuchen, in Notunterkünften oder bei Freunden das Leben zu fristen. Die Leute, die dieses Land verlassen wollten, wurden auf Befehl der SED an der Grenze erschossen. Es gab einen Schießbefehl. Es wurde auf alles geschossen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Ich verstehe natürlich, dass die Situation heute so ist, wie sie ist. Es kommt immer darauf an, auf welcher Seite der Barrikade Sie gestanden haben, ob Sie mit RIAS Berlin, EFN, Radio Freies Europa und Deutschlandfunk oder mit den einpeitschenden Medien der DDR-Diktatur groß geworden sind. Noch im Dezember 1989, als Helmut Kohl hier am Lutherdenkmal vor der Ruine der Frauenkirche gestanden hat, haben die DDR-Medien auf der Tribüne hinter uns gehetzt, dass sich die Faschisten zusammengerottet hätten, um den einzig wahren freien Teil Deutschlands zu beseitigen. Das ist die Wahrheit.
Ich denke, wir haben in diesem Hohen Hause im Land der friedlichen Revolution, wo im Grunde genommen ein Weltreich zusammengebrochen ist, noch viel darüber zu reden. Das darf heute nicht die letzte Debatte gewesen sein.
Herr Bandmann, genau das ist die Art, in der wir nicht miteinander zu sprechen brauchen. Ihre Anrede zeigt, dass es Ihnen nicht um junge Menschen als Subjekte in der Geschichtsaufarbeitung geht, sondern dass diese für Sie lediglich Objekte sind, die Ihr Geschichtsbild absorbieren sollen.
In der kritischen Bewertung historischer Ereignisse sollten wir uns einig sein. Aber das, was Sie machen, ist kein Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung.
Ich frage, ob weiter das Wort gewünscht wird. – Von der Staatsregierung wird das Wort gewünscht. Bitte, Herr Staatsminister Prof. Wöller.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine fundierte politisch-historische Bildung ist auch in Bezug auf die DDRGeschichte elementarer Bestandteil unserer demokratischen Bildung und Erziehung.
Deshalb besitzt dieses Thema sowohl in den ab dem Schuljahr 2004/2005 eingeführten neuen sächsischen Lehrplänen als auch in den in Sachsen verwendeten Unterrichtsmaterialien einen hohen Stellenwert. Fast 20 Jahre nach der friedlichen Revolution ist es wichtiger denn je, die eigene jüngere Geschichte zu kennen, zu lernen und mit Hilfe von Zeitzeugen die damaligen Ereignisse vor Ort zu erforschen und zu verstehen. Nur wer seine eigene Geschichte kennt, kann die Erkenntnisse in seine Urteilsfähigkeit und in sein Handeln einbeziehen.
Meine Damen und Herren – deswegen bin ich der FDPFraktion dankbar –, Herr Kollege Herbst, Sie haben von diesem Pult aus viel Richtiges gesagt. Dies gilt nicht nur für Schüler sondern für alle. Wir alle sollten natürlich bemüht sein, geschichtlich wahr und korrekt zu arbeiten. Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass Markus Meckel der letzte DDR-Außenminister gewesen sei. Dies stimmt nicht, sondern der letzte Außenminister der DDR war Lothar de Maizière gewesen. Insofern sollten wir uns alle um geschichtliche Korrektheit bemühen. Die sächsische Bildungspolitik erhebt den Anspruch,
dass die Schüler Geschichte, politische Zusammenhänge und demokratische Werte lebensnah erfahren und verinnerlichen können. Außerdem lernen sie im Geschichtsunterricht und in anderen Fächern wie Gemeinschaftskunde, Religion und Deutsch, DDR-Geschichte kritisch zu reflektieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Dieser Anspruch spiegelt sich in den sächsischen Lehrplänen wider, die übrigens bundesweit als vorbildlich gelten.
Die konkrete didaktische Umsetzung der Lehrpläne im Unterricht liegt in der pädagogischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer. Gerade vor dem Hintergrund der sächsischen und deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert ist diese pädagogische Freiheit ein hohes Gut. Deshalb verordnen wir den Schulen keine Besuche in Gedenkstätten, sondern ihr Besuch wird in den Lehrplänen empfohlen. Deshalb werden die derzeit in Vorbereitung befindli
chen Aktivitäten aus Anlass des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution für die Schulen einen Angebotscharakter haben. Diese Angebote werden so konzipiert, dass sie überall vor Ort aufgegriffen und umgesetzt werden können. An die sächsischen Schulleiter und Lehrkräfte appelliere ich an dieser Stelle, diese Angebote aufzugreifen und der deutsch-deutschen Teilungsgeschichte, dem SED-Unrecht sowie der friedlichen Revolution einen angemessenen Stellenwert im Unterricht und Schulleben einzuräumen. Sie können am besten einschätzen, welche konkreten Wege und Möglichkeiten es an ihrer Schule gibt, dass Schüler demokratische Werte lebensnah erfahren, sie historisch-politische Zusammenhänge verstehen und ihre Urteilsfähigkeit entwickeln können.
Die Ergebnisse der Studie „Das DDR-Bild von Berliner Schülern“ sind besorgniserregend. Ich weiß, dass es auch in Sachsen Schüler gibt, die nur lückenhafte oder verzerrte Kenntnisse über die DDR haben. Das hat viele Gründe. Nicht zuletzt berührt die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit intensiv die persönliche Lebensbiografie der meisten Menschen in unserem Land, die in dieser Diktatur lebten und sich mit ihr in unterschiedlicher Weise zu arrangieren hatten. Dadurch ist die Behandlung dieser Thematik mit vielen Emotionen verbunden und erfordert eine besondere Sensibilität. Dazu gehört der wertschätzende Umgang mit Eltern und Lehrern ebenso wie das Respektieren der pädagogischen Freiheit der einzelnen Schulen im Rahmen unseres Bildungs- und Erziehungsauftrages.
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Lehrkräfte der gesellschaftlichen Fächer in ihrer Arbeit durch vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten zu unterstützen. Dabei werden insbesondere moderne unterrichtsdidaktische Wege zur Umsetzung der Lehrplaninhalte vermittelt. Durch die Ergebnisse der Berliner Studie fühlen wir uns in dieser Vorgehensweise bestätigt.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet für uns die Vermittlung attraktiver Angebote für Schulen im Bereich der politisch-historischen Bildung. Sie bereichern den Unterricht, vermitteln – etwa im Rahmen mit der Arbeit von Zeitzeugen – authentische Eindrücke und regen dazu an, Projekte durchzuführen. Dazu gehören unter anderem das interaktive Internetportal „deinegeschichte.de“, der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten und die Angebote von Trägern der politischen Bildung. Gemeinsam ist den meisten dieser Projekte, dass Schüler angeregt werden, selbst Geschichte zu erkunden, Ergebnisse zu dokumentieren und vor allem sich konkret mit der damaligen Lebenswirklichkeit auseinanderzusetzen.
Die Unterstützung der Lehrerschaft wird mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 dadurch intensiviert, dass über die Seite „Politische Bildung und Demokratieerziehung“ im Internetauftritt des SMK eine Materialsammlung zur politisch-historischen Bildung und zur Demokratieerziehung abrufbar ist. Die Informationen zum Thema – mit vielseitigen Angeboten für die Unterrichtsgestaltung –
Meine Damen und Herren, ich habe in meinem Haus für jeden von Ihnen eine Materialsammlung zusammenstellen lassen, die Ihnen heute über Ihre Postfächer zugeht. Sie erhalten zur Thematik DDR-Geschichte einen Überblick über die Lehrplanziele und -inhalte im Fach Geschichte sowie der in Sachsen verwendeten Geschichtslehrbücher und der verschiedenen zielgruppenspezifischen Angebote in diesem Bereich. Dies ist das Werk „Historisches Wissen erwerben, demokratische Werte erfahren, Urteilsfähigkeit entwickeln“. Der FDP-Fraktion bleibt es unbenommen, sich mithilfe der Erkenntnisse der Materialsammlung weiterhin im Ausschuss für Schule und Sport im Sinne dieser Debatte zielgerichtet einzubringen.
Familie und Schulen haben eine gleichermaßen prägende Rolle in Bezug auf die Erziehung und Bildung von Jugendlichen. Herr Kollege Colditz hatte darauf hingewiesen – dafür bin ich ihm dankbar. In den Familien geht es in erster Linie darum, sich im Gespräch gemeinsam daran zu erinnern und so Erfahrungen und Werte an die nächste Generation weiterzugeben. Gute Anknüpfungspunkte dafür bieten die zahlreichen Angebote von Ge
denkstätten und Museen sowie die Veranstaltungen und Publikationen aus Anlass des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution. Die Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche auf diesem Gebiet ist unsere gemeinsame Aufgabe. Deshalb bitte ich alle an der Erziehung junger Menschen Beteiligten, ihre Rolle verantwortungsvoll wahrzunehmen, damit die uns nachfolgende Generation Werte wie Demokratie, Toleranz, Freiheit und Weltoffenheit verstehen und leben lernt. Hätte vor fast 20 Jahren die „Freie Welt“ nicht genau diese Werte uns Deutschen gegenüber zum Ausdruck gebracht, würden wir heute nicht auf ein gemeinsames Leben in Einigkeit, Recht und Freiheit in unserem Vaterland zurückblicken können.
Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der FDPFraktion zum Thema „Aus der Geschichte lernen – bessere Aufklärung über die DDR an Sachsens Schulen“, beendet.
Zunächst spricht die Linksfraktion, danach CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Linksfraktion das Wort nimmt. Ich erteile Frau Bonk von der Linksfraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der Beginn dieses Schuljahres zeigt, dass Mangel und Unterversorgung Löcher in die breite Ausbildung der Menschen reißt. Die sächsischen Schulen und vor allem die für sie zuständige Regierung müssen sich nicht in fragwürdigen Erhebungen der Initiative für neue soziale Marktwirtschaft sonnen; denn der Einstieg in neue Formen des Lernens, die nur in einem inklusiven Schulwesen stattfinden können, ist auch in diesem Jahr nicht geschafft.
Vernetztes, eigenständiges Lernen mit neuen Medien wird mit diesem Schulwesen und dieser Ausstattung auch in diesem Jahr nicht stattfinden und diese Ausgrenzung, die 10 % der Schüler Perspektiven ohne Abschluss und 15 % mit einem Hauptschulabschluss zuweist, geht weiter und spitzt sich zu. Die Bildungskosten steigen. Die verfassungsrechtlich verbriefte Lernmittelfreiheit ist ein Gerücht in den Ohren der Eltern. Fahrtkosten, Ausstattung, Reisen und damit auch die Ausgrenzung im sächsischen Schulwesen sind weitere Themen.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Landeselternrat Sachsen bei seiner Erhebung zur Gesamtheit der Elternkosten auf Gesamtjahreskosten von etwa 1 000 Euro kommt. Das ist der Stand vom Juli. Im Einzelnen summieren sich hier beispielsweise: 303 Euro für die Schulspeisung, 149 Euro für Fahrtkosten, 135 Euro für Klassenfahrten, 37 Euro für Hilfsmittel und Taschenrechner, 463 Euro für Nachhilfekosten. Wenn Sie sich diese Kosten anschauen, dann ist doch völlig klar, dass ein ungleicher sozialer Zugang im Bildungswesen besteht und verstärkt wird.
Ein weiterer Kostenfaktor, den ich besonders benennen will, ist die um sich greifende private Nachhilfe. Er macht deutlich, welche Mängel im öffentlichen Schulwesen an individueller Förderung bestehen. Es ist ein Skandal, dass circa 13 % deutschlandweit Zuflucht bei Anbietern privater Nachhilfe suchen. Ein Luxus, der die Eltern circa 15 Euro pro 45 Minuten Unterrichtsstunde kostet. In manchen Bereichen und Regionen wird dies nahezu vorausgesetzt und betrifft sowohl Begabtenförderung als auch Schüler/-innen mit Lernschwierigkeiten.
Der Schuljahresbeginn ist zumindest für die Eltern von Erstklässlern mit zusätzlichen Ausgaben verbunden. Natürlich ist der Schulbeginn ein besonderes Erlebnis im Leben eines Kindes, stürzt aber die Familien mit finanzschwächerem Hintergrund in große Schwierigkeiten.