Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Haushaltsentwurf. Jeder weiß, dass im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden. Es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung beabsichtigt, einen Haushalt zu beschließen, der weit über die zu Ende gehende Legislaturperiode hinausreicht. DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung, dass im Dezember lediglich ein Einjahreshaushalt verabschiedet werden sollte.
Auch ob die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Instrumente zur Zukunftsvorsorge taugen – der Finanzminister hat dazu ausführlich gesprochen –, wird sich erst noch zeigen müssen. Nehmen wir nur das Neuverschuldungsverbot, das in der Haushaltsordnung gesetzlich verankert werden soll. Seit 2006 hat der Freistaat Sachsen keine neuen Schulden aufnehmen müssen. Für die Jahre 2007 und 2008 wurde auf der Grundlage der beschlossenen Haushaltsgesetze die Nettokreditaufnahme mit null veranschlagt. Das zeigt: Auf der Grundlage der geltenden Verfassung des Freistaates Sachsen sowie der gültigen Sächsischen Haushaltsordnung kann man schon jetzt erfolgreich weitere Schulden vermeiden. Insofern besteht
Wer daran zweifelt, der muss sich nur die Rede von Herrn Tillich in der 15. Sitzung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-LänderBeziehungen vom 3. Juli 2008 ansehen. Im Stile eines Strebers werden alle anderen Ministerpräsidenten sowie Vertreter des Bundestages von Herrn Tillich belehrt, dass unabhängig von den Ergebnissen der Föderalismuskommission II der Freistaat Sachsen seinen eigenen Weg gehen und der Erste sein will, der das Verschuldungsverbot gesetzlich verankert. Herr Tillich will offenbar ein Alleinstellungsmerkmal, und er will der Musterschüler der Nation sein.
Allerdings, meine Damen und Herren, hat Sachsen schon ein Alleinstellungsmerkmal, nur eignet sich dieses nicht zum Vorzeigen. Seit dem Notverkauf der Sachsen LB hat der Freistaat eine Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro in seinen Büchern. Das ist das größte über dem Land schwebende Haushaltsrisiko seit 1990. Darüber hat der Ministerpräsident vor der Föderalismuskommission wohlweislich nicht gesprochen. Die Bürgschaft ist auch nicht Bestandteil der im Haushalt aufgeführten Zukunftsfonds. Ganz im Gegenteil: Diese Zukunftslast findet man ohne jede Erläuterung versteckt im Einzelplan 15 unter dem Titel „Zuführung an Bürgschaftssicherungsrücklage“. Dort sind 832 Millionen Euro für die Zukunftslasten aus dem Notverkauf der Bank gebunkert.
Sollte die Bürgschaft – und vielleicht sollte man auch das bedenken – über diesen Rahmen hinaus im geplanten Doppelhaushalt fällig werden und würde per Haushaltsordnung Neuverschuldung verboten, könnte die auftretende Differenz nur durch Haushaltssperren und Kürzungen ausgeglichen werden, die im Regelfall zuerst die sozial Benachteiligten treffen. Auch das verschweigt die Regierung in den Verlautbarungen zum vorliegenden Etatentwurf.
Zur Zukunftsvorsorge des Freistaates Sachsen gegenüber den Kommunen lässt sich Folgendes sagen: Vorsorge gegenüber Konjunkturschwankungen und fortbestehenden Steuerschwächen sächsischer Kommunen ist notwendig. Aber es bedarf dazu nicht des Zweisäulenmodells des Finanzministers, denn dieses Modell ist das typische Ergebnis eines faulen Kompromisses.
Der geplante „kommunale Vorsorgefonds“ in Höhe von 317 Millionen Euro, den der Freistaat Sachsen zentral verwalten will, ist ein völlig überflüssiges Instrument. Die im Haushaltsgesetz ausgebrachten Regelungen zur Bildung kommunaler Vorsorgerücklagen reichen aus unserer Sicht vollkommen aus. Die Kommunen des Freistaates
Ein weiteres, angeblich modernes Instrument der Staatsregierung heißt Sondervermögen. Diese Vermögen sind mit klangvollen Namen wie zum Beispiel „Zukunftsfonds Sachsen“ im Artikel 15 des Haushaltsbegleitgesetzes dargestellt. Gegen Zukunftsfonds an sich, Herr Ministerpräsident, gibt es keine Einwände. Aber schaut man sich die Konstruktion dieser Fonds näher an, dann läuten alle Alarmglocken. Die Konstruktion, die Sie gewählt haben, ist nämlich einfach: Man nehme 4 Milliarden Euro Haushaltsmittel aus der europäischen Förderperiode 2007 bis 2013, 4 Milliarden Euro aus den Fonds EFRE und ESF sowie Mittel aus dem Programm ELER, überführe diese in den Zukunftsfonds und lasse sie dann zur Freude der Fachminister und zum Glücke des Finanzministers ein munteres Eigenleben führen, und zwar an jeglicher parlamentarischen Kontrolle vorbei. Ich sage Ihnen, wenn das nicht korrigiert wird, was die parlamentarische Kontrolle angeht, wird der Verfassungsgerichtshof wohl wieder Arbeit bekommen.
Die Linksfraktion – das will ich noch einmal betonen – hat weder etwas gegen die Bildung von Zukunftsfonds, noch haben wir etwas gegen die Errichtung von sogenannten revolvierenden Fonds. Wir haben das in Mecklenburg-Vorpommern sehr erfolgreich selbst praktiziert.
Wir haben die bisherige Politik der verlorenen Zuschüsse wiederholt kritisiert, auch hier im Sächsischen Landtag. Zukunftsvorsorge und auch Zukunftsfonds sind mit uns zu machen, allerdings nicht nach einem Konstruktionsmuster, bei dem die Gestaltungsfreiheit der Regierung zunimmt und zugleich die Kontrollen und Einflussmöglichkeiten des Parlamentes massiv beschnitten werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen. Sie, Herr Ministerpräsident Tillich, predigen Arbeit, Bildung, Solidarität. Doch wo Sie Arbeit draufschreiben, ist Armut drin. Das Gros der neuen Arbeitsplätze, mit denen die Statistik geschönt wird, sind geringfügige Beschäftigungen und Ein-EuroJobs. Sozial ist eben nicht alles, was Arbeit schafft, wie Ihre Parteivorsitzende Angela Merkel immer wieder behauptet. Sozial ist, was gute Arbeit schafft, von der man auch leben kann.
Wo Sie, Herr Tillich, von mehr Bildung reden, geht es nur um die Verfeinerung von Benachteiligung. Statt das gegliederte Schulsystem mit seiner sozialen Spaltung abzuschaffen, wollen Sie mit ein bisschen Kosmetik
Die Bürgerinnen und Bürger des Landes haben im kommenden Jahr klare Alternativen. Herr Tillich und seine CDU stehen in puncto Arbeit für Niedriglöhne, für die Gängelung von Hartz-IV-Empfängern und für eine Entlastung der Großkonzerne. DIE LINKE steht für einen gesetzlichen Mindestlohn, für die Abschaffung der HartzGesetze und für die gezielte Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen in Sachsen.
Ihre Solidarität schließlich, Herr Tillich, kommt wie eine schlechte Seifenoper daher. Ein Ministerpräsident, der sich beim Skatspielen oder im Zoo als Patenonkel von Drillingskindern fotografieren lässt, aber weder gegen Hartz IV noch für die volle Pendlerpauschale das Wort ergreift, inszeniert Inseln der Gemütlichkeit inmitten einer Politik der sozialen Kälte. (Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU: Oooch!) (Beifall bei der Linksfraktion)
Im Bildungsbereich stehen Herr Tillich und seine CDU für eine Selektion nach der 4. Klasse, für einseitige Elitenförderung und für eine Ausrichtung von Schule und Wissenschaft an den zumeist sehr einseitigen Forderungen der Wirtschaft. DIE LINKE dagegen steht für längeres gemeinsames Lernen, für Chancengleichheit und individuelle Förderung von hochbegabten wie schwächeren Schülern, und wir setzen möglichst auf hohe Allgemeinbildung statt auf vordergründige Wirtschaftskompatibilität.
Ich bin aber relativ zuversichtlich. Die Sachsen sind glücklicherweise zu klug, als dass Sie mit dieser Methode und mit folgenlosen Betriebsbesichtigungen auf Dauer werden punkten können.
Was Sie, Herr Tillich, „Arbeit, Bildung und Solidarität“ nennen, ist in Wirklichkeit Armut, Benachteiligung und weitere soziale Spaltung der Gesellschaft. Sie, Herr Tillich, verwechseln Fürbitten mit Regieren.
(Beifall bei der Linksfraktion) Statt endlich gegen den Gesundheitsfonds Klage einzureichen, beschwören Sie in Interviews die Wirkung Ihrer diplomatischen Klimmzüge in Hinterzimmern. Statt konkrete Reformen im sächsischen Schulwesen vorzunehmen, für das Ihre Landesregierung verantwortlich ist und niemand sonst, betteln Sie öffentlich um mehr Geld vom Bund, der sich aber ansonsten, bitte schön, aus dem Landesthema Bildungspolitik heraushalten soll. Weil der Finanzminister das angesprochen hat, kann ich die Koalition nur freundlich davor warnen, sich im fahlen Lichte der Spitzenposition beim jüngsten Bildungsmonitor zu sonnen. Urheber dieser Studie ist die berühmtberüchtigte Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“, die Bildung allein an den Interessen der wirtschaftlichen Verwertbarkeit misst. Ihr verzweifelter Versuch, den Paragrafenpranger aus der Gruft zu zerren und wieder zum Leben zu erwecken, um daraus kurzfristig Kapital zu schlagen, ist mehr als lächerlich, denn das Projekt ist bereits einmal zur Pleite einer Regierung geworden, der Sie selbst jahrelang angehört haben. Von Ihnen war übrigens damals zu diesem Thema gar nichts zu hören. (Thomas Colditz, CDU: Lesen Sie mal den Bericht richtig!)
Ja, Herr Kollege Colditz, ich darf Sie noch an etwas erinnern. Die gleiche Institution, die Stiftung „Neue soziale Marktwirtschaft“, war es, die Georg Milbradt zum Ministerpräsidenten des Jahres erkoren hat. Wenig später ist er mit seiner Landesbank untergegangen. Sie sollten also vorsichtig sein. Herr Ministerpräsident, gute Politik funktioniert eben nicht nach den Prinzipien des „Sinnlos-Telefons“ bei Radio PSR, bei dem gute Laune und lustige Pointen im Mittelpunkt stehen. Gute Politik, meine Damen und Herren, lebt von Ideen, von Mut und von Entschlusskraft. Deshalb war Kurt Biedenkopf auch so erfolgreich.
(Beifall bei der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das hat kein anderer geschafft!)
Wenn es schließlich um Solidarität geht, dann stehen Herr Tillich und seine CDU für die Stärkung der ohnehin schon Starken und überlassen die Schwachen weitgehend ihrem Schicksal. DIE LINKE dagegen steht für soziale Gerechtigkeit und dafür, dass jeder nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen wird.
(Volker Bandmann, CDU: Das hörte sich aber damals ganz anders an. Sie wissen ja selbst nicht, was Sie reden! – Unruhe bei der CDU – Glocke der Präsidentin)
Nach dem Übergang zu Georg Milbradt war es mit den Ideen vorbei. Jetzt, meine Damen und Herren, sind auch noch Mut und Entschlusskraft verloren gegangen, nachdem der neue Ministerpräsident das Amt übernommen hat. Man merkt der CDU-Spitze an, dass es mit der Union als Regierungspartei in Sachsen zu Ende geht. Ich finde, das ist gut so.
Wir wollen nicht nur kosmetische Korrekturen. Wir wollen einen nachhaltigen Politikwechsel auch und gerade hier bei uns in Sachsen. Wir als DIE LINKE sind inhaltlich gut vorbereitet. Wir sind zuversichtlich und wir sind bereit, noch mehr Verantwortung für unser Land zu übernehmen.
Zumindest will ich nicht hoffen, dass es Sie da als Ministerpräsidenten gäbe; dann käme der Papst mit Sicherheit nicht nach Sachsen. Aber ich kann es mir auch schwer vorstellen nach Ihrer heutigen Rede.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Ich weiß nicht so recht, ob ich den Sozialdemokraten zu ihrem wahrlich grandiosen Generationenwechsel vom Wochenende gratulieren soll. Aber ich will dennoch heute einmal im Stil von Franz Müntefering schließen: Haushaltsentwurf schlecht, Koalition auch, DIE LINKE im Kommen, gut für Sachsen, Glück auf!
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Jetzt haben Sie Ablass getan! – Starke Unruhe – Weitere Zurufe)
(Lang anhaltender Beifall bei der Linksfraktion – Karl Nolle, SPD: Wie kann man nur so gemein sein?! – Weitere Zurufe)
Eines war ja interessant – ich habe Ihnen aufmerksam zugehört –: Sie haben zu diesen revolvierenden Fonds gesagt, Herr Hahn von der Linksfraktion, dass Sie diese begrüßen, weil „wir“ – haben Sie wörtlich gesagt – das in Mecklenburg-Vorpommern ausprobiert und gute Erfahrungen damit gesammelt haben.
Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Abg. Flath; bitte. – Meine Damen und Herren, darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten! Nun bin ich nur gespannt, Herr Hahn, wie Sie das mit diesem „wir“ den Leuten erklären. Wir brauchen gar nicht den Bildungsmonitor zu nehmen, bei dem wir dreimal auf Platz 1 stehen; sondern bei der PISA-Studie, die ja nach ganz anderen Kriterien zusammengestellt ist, ist Sachsen meines Wissens ganz vorn, und zwar bei gleichen Startchancen 1990, und Mecklenburg-Vorpommern ist ganz hinten in der Reihung. Wenn Sie dann als „wir“ auch dabei sind, müssen Sie es einfach mal den Menschen im Land erklären, wie das kommt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Glück auf, Herr Finanzminister! Es ist eigentlich immer sehr schön, nach Ihnen zu sprechen, Herr Hahn von der Linksfraktion; auf der anderen Seite muss man sich erst einmal ein bisschen sammeln, weil man noch etwas verwirrt ist davon.
Vielleicht beginne ich damit: Sie konnten es sich auch heute nicht verkneifen, erst einmal ein bisschen auszuteilen Richtung Regierung bzw. Regierungschef. Sie haben zum wiederholten Male die Papstaudienz vorgeworfen. Ich habe mich gerade noch einmal bei unseren evangelischen Schwestern und Brüdern versichert: Auch sie sind stolz, dass unser Regierungschef eine Audienz beim Papst hatte.