Ein großes Manko ist zudem das Festhalten am Hochschulkonsens ohne ausdrückliche Rücknahme der darin enthaltenen Stellenkürzungen. Wir als Linke wollen wenigstens den Erhalt der vorhandenen Stellen im Lehrbetrieb. (Beifall bei der Linksfraktion)
Darüber hinaus fordern wir seit Langem, dass die von uns wiederholt kritisierten Ungerechtigkeiten bei der Weitergabe der Bundesmittel für Kosten der Unterkunft an die Kommunen durch das Land endlich ausgeräumt werden. Das schließt auch die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen der Landkreise und kreisfreien Städte ein, anstatt weiterhin eine Berechnungsformel anzuwenden, die Kommunen mit überdurchschnittlich hoher Zahl von Hartz-IV-Betroffenen massiv benachteiligt. Statt selbst Landesmittel bereitzustellen, um die Lebenslage der Ärmsten in Sachsen zumindest zu lindern, wurde durch einen Handstreich der sogenannten Landesdirektion Leipzig das vom Stadtrat der Messestadt beschlossene Sozialticket für Bedürftige gestoppt.
Der allgemeine Trend der Deregulierung von Arbeitsverhältnissen nimmt gerade im Wissenschaftsbetrieb spezifische Formen der Herausbildung einer neuartigen Schicht hoch qualifizierter, aber gering entlohnter scheinselbstständiger Wissenschaftler an. Unter den Beschäftigten der Hochschulen bildet sich eine Zweiklassengesellschaft heraus. Den hauptberuflich Beschäftigten, darunter Professoren und Wissenschaftliche Mitarbeiter, steht eine wachsende Zahl prekär Beschäftigter gegenüber; darunter fallen Lehrbeauftragte und Beschäftigte, die nebenberuflich oder in Teilzeit tätig sind. An den sächsischen Hochschulen betrug der Anteil der nebenberuflich Tätigen schon im Jahr 2005 knapp 15 %. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten liegt inzwischen schon bei rund 22 %. Immer neue Befristungen, unsichere sowie niedrige Einkommen erzeugen soziale Unsicherheit und beeinträchtigen die Arbeitsmotivation der Betroffenen. Schaden nimmt aber zugleich auch die Qualität der Lehre an unseren Hochschulen.
Das ist nicht nur ein völlig inakzeptabler Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, für die sonst doch auch die FDP steht. Nein, es zeigt zugleich, wie ernst es der Staatsregierung mit der Armutsbekämpfung in Sachsen tatsächlich ist.
Bezüglich der Haushaltsansätze in der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik könnte man auf den ersten Blick konstatieren, in einigen Bereichen gibt es sogar Mittelaufstockungen, die sicher von der Koalition in den Vordergrund gestellt werden. Bei genauerem Hinsehen allerdings verdüstert sich das Bild erheblich.
Zu zwei der drei von Ministerpräsident Tillich postulierten Schwerpunkten habe ich bereits Stellung genommen. Nach der Arbeit und der Bildung komme ich nun zur Frage der Solidarität.
Zwar werden für den veränderten Betreuungsschlüssel in den Kitas zusätzlich 14 Millionen Euro eingestellt, aber weitere 21 Millionen Euro sollen die Kommunen zahlen. Ich habe eingangs bereits darauf hingewiesen. Wir erwarten, dass der Freistaat die entsprechenden Aufwendungen komplett übernimmt.
Der Planansatz für das Schulvorbereitungsjahr wird mehr als halbiert, weil die Kommunen die zur Verfügung stehenden Mittel bislang nur unzureichend abgerufen hätten. Noch vor zwei Jahren wurde dieses Programm hier als der große Durchbruch gefeiert. Wenn es nun kleinlaut reduziert wird, dann wohl vor allem deshalb, weil die Förderrichtlinien viel zu spät kamen und hohe bürokratische Hürden eventuelle Antragsteller abgeschreckt haben.
Offen bleibt auch die wahrlich nicht nur von uns erhobene Forderung nach einem kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kitas sowie nach einem kostenfreien Vorschuljahr. Diese ersten Schritte hin zu einer kostenlosen KitaBetreuung werden erneut nicht gegangen, obwohl selbst Vertreter der Koalition in Sonntagsreden dafür plädiert haben.
Ein anderer Punkt: Die Staatsregierung gefällt sich gern in Aussagen über das so wichtige bürgerschaftliche Engagement. Auch wir halten das Ehrenamt für eine unverzichtbare Säule unseres Gemeinwesens. Ich möchte an dieser Stelle den Hunderttausenden, die sich freiwillig in vielen Bereichen engagieren, ganz herzlich danken.
Für uns ist es aber völlig unverständlich, wenn gerade in diesem Bereich wieder gekürzt werden soll. Eigentlich müsste man die Mittel aufstocken; denn bekanntlich gab es für das Programm „Wir für Sachsen“ wesentlich mehr Anträge auf die ohnehin kleine Aufwandsentschädigung, als aufgrund der eingestellten Mittel bewilligt werden konnten. Gleiches gilt für die Förderung zahlreicher Selbsthilfegruppen, vor allem von älteren, behinderten und chronisch kranken Menschen. Diese Mittel sollten um ein Fünftel gekürzt werden. Für uns ist das nicht hinnehmbar!
Nicht einverstanden sind wir auch mit der Reduzierung der Landeszuweisung für die soziale Arbeit der Wohlfahrtsverbände, die wohl alle als wichtig und notwendig einschätzen. Allein der Paritätische Wohlfahrtsverband soll pro Jahr 50 000 Euro weniger Zuschüsse erhalten. Hier ist die Staatsregierung auf der falschen Spur, und Nachbesserungen sind dringend geboten.
Welchen Stellenwert die Fragen von Frau und Mann in der Staatsregierung haben, zeigen die geplanten Mittelkürzungen um etwa 6 %. Eigentlich bedürfte es auch hier einer beträchtlichen Aufstockung. Das gilt im Übrigen
auch für den Haushaltstitel „Zuwendungen für Vorhaben zum Schutz vor häuslicher Gewalt und vor Menschenhandel“. Aus unserer Sicht – das belegen auch Expertisen – dürften die Mittel hier nicht ansatzweise ausreichen. Es kann doch nicht sein, dass es beispielsweise in neuen Großkreisen wie Nordsachsen oder dem Erzgebirgskreis nicht einen einzigen, vom Freistaat geförderten Platz in einem Frauen- oder Kinderschutzhaus gibt. Oder, meine Damen und Herren in der Regierung, sind Sie der Auffassung, dass es in diesen Kreisen keine schutzbedürftigen Frauen und keine schutzbedürftigen Kinder gibt?
(Staatsminister Frank Kupfer: Es gibt eine Kooperation mit den anderen Landkreisen. Ist Ihnen das schon in den Sinn gekommen?)
Kritikwürdig sind auch die im Haushaltsentwurf veranschlagten Ansätze im Gesundheitsbereich, vor allem die erhebliche Absenkung der Landesmittel für die Krankenhausfinanzierung.
Hier erwarten wir dringend Aufklärung. Wir brauchen endlich ein verbindliches Rahmenkonzept über die Entwicklung der sächsischen Krankenhauslandschaft, anstatt die Sache dem Selbstlauf zu überlassen oder den hier völlig unangebrachten sogenannten Marktmechanismen zu opfern.
Denn eines ist festzuhalten: Wir haben schon heute nach Thüringen den mit Abstand höchsten Privatanteil bei den Krankenhäusern im Vergleich zu allen anderen Bundesländern. Deshalb muss aus unserer Sicht jetzt wirklich Schluss mit weiteren Krankenhausverkäufen sein.
Der Haushaltsentwurf reagiert überhaupt nicht auf den fortschreitenden Ärztemangel. Hier soll es nach wie vor dabei bleiben, dass alles der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen überlassen bleibt. Das hat aber schon bisher nicht funktioniert. Bekannt ist auch der Umstand, dass die meisten gesetzlichen Krankenversicherten in Sachsen ab dem 1. Januar 2009 durch die Einführung des Gesundheitsfonds mit erheblichen Beitragssteigerungen rechnen müssen. Darauf wurde gestern auf dem Parlamentarischen Abend des Handwerks nachdrücklich hingewiesen. Auch der Freistaat soll ja durch den umstrittenen Finanzausgleich kräftig zur Kasse gebeten werden.
Das ist nun selbst der Staatsregierung offensichtlich aufgefallen. Immerhin kommt eine Beitragssteigerung in einem Superwahljahr nicht gerade gut an. Deshalb redet man öffentlich in Interviews von einer möglichen Verfassungsklage. Ein für 130 000 Euro – ich sage es noch einmal: 130 000 Euro – bestelltes Gutachten liegt dazu vor, doch die Klage wurde bis zum heutigen Tage nicht eingereicht. Ich frage: Wie lange will die Staatsregierung damit eigentlich noch warten?
Unser Fazit lautet: Der Sozialhaushalt hinkt weit hinter den aktuellen Anforderungen hinterher, verharrt im „Weiter so!“ und ist zum Teil sogar rückwärtsgewandt. Auf die entscheidenden sozialpolitischen Fragen werden keine überzeugenden Antworten gegeben.
Eine solidarische Gesellschaft – der Finanzminister hat darauf hingewiesen; deshalb greife ich das auf – bedarf natürlich auch innerer Sicherheit. Die Sicherheitspolitik galt gemeinhin lange Zeit als eine Domäne der CDU – trotz Herrn Bandmann.
Seit 1999 ist das Vertrauen der Polizei in die Regierung in dem Maße gesunken, wie durch intransparente und mit Blick auf die Sicherheit völlig kontraproduktive Reformen bei der Polizei deren Stabilität unterminiert wurde.
Musste man sich bei Staatsminister Rasch wenigstens nur über Intransparenz der Reformen aufregen, steht unter Herrn Buttolo nun auch die Fachlichkeit zur Disposition.
Viele Polizistinnen und Polizisten schütteln nur noch den Kopf und sind sauer. Die CDU erweist sich mehr und mehr als die größte Verunsicherung für die sächsische Polizei. Der Umgang des Innenministers mit den Personalstellen – und darum geht es ja im Haushalt vor allem – spottet jeder Beschreibung.
Seit 2004 wurden die Beamten veralbert und hingehalten, bis es schließlich zu jener fatalen Entscheidung der Regierung kam, jede fünfte Polizistenstelle abbauen zu wollen. Seit dem Bekanntwerden dieses Planes laufen die Polizeidirektionen und die Gewerkschaften Sturm, weil damit der Charakter der Polizei verändert werden würde. Der mühselige, aber doch erfolgreiche Aufbau der Prävention würde damit gekippt; die Polizei wäre dann nur noch eine reine Interventionstruppe. Es ist auch unserem Einsatz zu verdanken, dass dieser Unsinn letztlich relativiert werden musste.
Aber auch mit der Erweiterung des Einstellungskorridors sind die Probleme nicht gelöst. Bereits ohne Personalkürzungen zeigen sich in der Personalstruktur der Landespolizei ernsthafte Defizite, auf die kurz- oder mittelfristig reagiert werden muss. Der Altersdurchschnitt ist alarmierend. Gerade einmal 14 % der bei der Polizei Beschäftigten sind unter 30 Jahren. Es existiert also auch hier ein erheblicher Bedarf an Verjüngung.
Große Probleme gibt es auch bei den Polizeirevieren in Sachsen. Bei einer vorgeschriebenen Sollzahl – dieser
Fakt hat auch mich persönlich sehr erstaunt – von knapp 5 700 Beamten stehen in Sachsen tatsächlich nicht einmal 4 600 Iststellen zur Verfügung. Der Grund sind Stellen, die entweder gar nicht besetzt sind oder durch Abordnungen, Fortbildungen, Elternzeit sowie Dienstunfähigkeit schlicht nicht zur Verfügung stehen. Das sind 20 % aller Stellen in den Revieren und Polizeiposten. Allein im Jahr 2007 hat die Polizei circa 91 500 Mehrarbeitsstunden geleistet. Die Wochenendeinsätze sind dabei noch gar nicht eingerechnet.
Die sächsische Polizei arbeitet absolut am Limit. Es ist katastrophal, dass im Haushaltsentwurf nicht ausreichend Vorsorge dafür getroffen wird, um ein Mindestmaß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu garantieren.
Ich verkneife mir heute aus gegebenem Anlass nähere Ausführungen zum Verfassungsschutz, zumal sich der Untersuchungsausschuss damit noch intensiv befassen wird, nachdem die über ein Jahr währende Blockade vom Verfassungsgericht ganz eindeutig verurteilt worden ist, auch wenn es der Justizminister nicht begreifen wollte.
Wohl selten, meine Damen und Herren, hat eine Regierung eine derartige Klatsche vor dem höchsten Gericht des Landes einstecken müssen.