Protocol of the Session on July 10, 2008

Papier ist geduldig, allein es zählt die Tat.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nun zur Klimaschutzpolitik der Staatsregierung. In der Sächsischen Staatsregierung genießt der passive Klimaschutz im Sinne der Anpassung an Klimaveränderungen nach wie vor Vorrang, indem Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass dieser Aktionsplan auf dem Klimaschutzprogramm aus dem Jahre 2001 und auf dem Energieprogramm 2004 aufbaut. An dieser Stelle zeigt sich, dass der Konflikt um ein neues Energieprogramm für Sachsen zwischen Herrn Jurk und dem damaligen Ministerpräsidenten Milbradt nunmehr wie ein Sturm im Wasserglas unter der Decke gehalten werden soll. In diesem Zusammenhang soll daran erinnert werden, dass der damalige Umweltminister und heutige Ministerpräsident Tillich trotz inhaltlicher Übereinstimmung mit Ihrem neuen Energieprogramm, Herr Jurk, vor Milbradt eingeknickt ist. In beiden Programmen, dem gültigen Energieprogramm und dem Klimaschutzprogramm – wie auch jetzt wieder im Aktionsplan –, umgehen Sie das Thema „Braunkohlenverstromung als größten Klimakiller in Sachsen“.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

In Ihrem Klimabericht von 2005 zur Umsetzung des sächsischen Klimaschutzprogramms schätzen Sie selbst ein – ich zitiere –: „Dem Ziel des Klimaschutzprogramms, die jährlichen CO2-Emissionen um 2,5 Millionen Tonnen zu reduzieren, steht ein Zuwachs der CO2-Emissionen der Großfeuerungsanlagen um 14 Millionen Tonnen CO2 gegenüber.“

Die Staatsregierung begnügt sich damit, dass die technologische Ertüchtigung sächsischer Braunkohlenkraftwerke seit der Wiedervereinigung den entscheidenden Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen erbracht hat und damit auf lange Sicht ausgeschöpft sei. Dieser CDUAnsicht scheint sich Minister Jurk nun auch angeschlossen zu haben – mit dem Unterschied, dass er große Hoffnungen auf die angeblich klimaschonende Technologie zur CO2-Abspaltung und -Lagerung als Brücke zur nicht fossilen Energieerzeugung setzt. Verehrter Herr Jurk, wie können Sie angesichts einer solchen

Klimabilanz für diese Technologie von einer klimaschonenden Technologie sprechen? Immerhin sprechen Sie nicht von einer CO2-freien Technologie.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

In dem neuen Aktionsplan wird unter dem Teil „Förderung von Energietechnologien“ zuallererst diese Technologie zur CO2-Abspaltung und -Lagerung, kurz CCSTechnologie, genannt. Auch wenn das Land Brandenburg die Entwicklung dieser Technologie bei Vattenfall mit 2,8 Millionen Euro fördert, muss Sachsen noch lange nicht folgen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Förderung dieser Technologie aus Steuergeldern lehne ich für meine Fraktion ab. Wenn Vattenfall und jetzt auch E.ON diese Technologie entwickeln wollen, so können sie das selbst aus ihren Monopolprofiten locker finanzieren

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

und bedürfen keiner Förderung aus Steuergeldern, zumal auch der Bund Fördergelder hierfür bereitstellt. Nach Aussagen von Vattenfall würde die Entwicklung dieser Technologie etwa 1 Milliarde Euro kosten. Zur Entwicklung der genannten Technologie wird zunächst die 30-Megawatt-Pilotanlage in Schwarze Pumpe gebaut, die Ende August in Betrieb gehen soll. Danach ist ein Demonstrationskraftwerk mit 300 Megawatt bis 2015 – voraussichtlich in Jänschwalde – geplant. Das kommerzielle Kraftwerk soll 2 000 Megawatt produzieren und circa 2020 fertiggestellt sein.

Zur Energieeffizienz dieser neuartigen Technologie gibt es klare Aussagen von Vattenfall: Der Wirkungsgrad des Kraftwerks würde um 10 % geringer als bei heutigen Kraftwerken ausfallen.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das Umweltbundesamt hat in der Energiebilanz den Faktor 1,8 zu den herkömmlichen Braunkohlenkraftwerken angegeben.

In dieser Hinsicht kann man nicht von einer energieeffizienten Technologie sprechen. Sie wird daher auch extrem teuer werden. Weiterhin bleibt im Hinblick auf diese Technologie offen, ob die Verpressung des CO2 in salzführenden Gesteinsschichten bei Ketzin funktioniert und ob das CO2 auch dauerhaft unter der Erde gehalten werden kann. Außerdem muss für die Lagerung des CO2 überhaupt erst ein Rechtsrahmen geschaffen werden. Wenn der CCS-Technologie eine Brückenfunktion hinsichtlich des Auslaufens der Braunkohlenenergiewirtschaft zugeordnet wird, kann von einer Zukunftstechnologie keine Rede sein.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Zukunftstechnologien sind tatsächlich die erneuerbaren Energietechnologien. Die Entwicklung in Sachsen in diesem Bereich bewerten Sie, Herr Jurk, als Erfolgsstory. Es ist nur nicht der Erfolg der sächsischen Regierungspolitik; denn dieser Erfolg gehört engagierten Unternehmern, die in Anlagen erneuerbarer Energien investiert oder aber als Kleinstunternehmen in der Branche angefangen haben. Dabei erhielten sie von der sächsischen Regierungspolitik nicht immer Unterstützung; sei es die restriktive Handhabung bei der Genehmigung von Windkraftanlagen oder es wurde gar durch die öffentliche Kommunikation, wie die des Herrn Biedenkopf, die Ansiedlung eines Unternehmens zur Herstellung von Windkraftturbinen in Sachsen verhindert.

Die Bilanz hätte bei aktiver Unterstützung durch die Regierungspolitik in der Vergangenheit noch besser ausfallen können, wenn Sie nicht teilweise gebremst und sich passiv verhalten hätten. Die Bedeutung der Solarenergie unterschätzen Sie nach wie vor. Sie halfen mit, Wind- und Wasserkraft bei vielen Bürgerinnen und Bürgern in Misskredit zu bringen. Die Anwendung der Solarenergie hat in Sachsen größere Potenziale und wird sich mit größerer Geschwindigkeit vollziehen, als Sie das bisher dieser erneuerbaren Energie zutrauen. Sachsen befindet sich mitten im Wandel des bisher vorherrschenden Energieparadigmas Braunkohlenverstromung.

Allein die Rahmenbedingungen zum CO2-Emissionshandel werden sich derart verschärfen, dass die Behandlung der neuen Technologie zur CO2-Abspaltung und -Lagerung in Verbindung mit CO2-Verschmutzungsrechten riesige Probleme aufwerfen und diese Art Braunkohlenenergiewirtschaft sehr verteuern wird und wir schon aus Kostengründen langfristig werden aussteigen müssen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Auch wir Linken sind aus heutiger Sicht der Meinung, dass wir die Braunkohlenenergiewirtschaft noch für einige Jahrzehnte für die Grundlastversorgung brauchen. Aber der Wandel kann auch schneller verlaufen, als wir denken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern habe ich ein Grundvertrauen in die technologische Innovationsfähigkeit der Forscher und Entwickler. Ein Beispiel soll das illustrieren: Die effektivsten Seriensolarmodule der Welt erreichen heute einen Wirkungsgrad von 19,3 %. Vor fünf Jahren lag der Wirkungsgrad noch bei 15,2 %. Kurz: Diese neuen Zukunftstechnologien sind technologisch noch lange nicht ausgereizt und können eine so rasante Entwicklung nehmen, wie wir es heute noch gar nicht ahnen.

Statt öffentliches Fördergeld in die Entwicklung einer auslaufenden Technologie zu stecken, würden wir als Linke dieses Geld zielgerichtet in die Forschung und Entwicklung erneuerbarer und anderer alternativer Energietechnologien und damit in tatsächliche Zukunft investieren.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Nach meinem Dafürhalten haben die Staatsregierung sowie die kommunalen Akteure dafür zu sorgen, dass neue flächenhafte Nutzungsansprüche, wie die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien, in der Regionalplanung „Raumentwicklung und Bauleitplanung“ eine angemessene Berücksichtigung finden und mit Vorrang behandelt werden.

Bei nachhaltig produzierter und angebauter Biomasse – anders kommt es für uns Linke überhaupt nicht infrage – werden wohl Hoffnungen enttäuscht werden. So kämpft schon jetzt die Biogasbranche um Rohstoffe. Die Mengen an Energieholz aus sächsischen Wäldern lassen sich nur wenig steigern. Da die Preise für Mais, Weizen und andere nachwachsende Rohstoffe explodieren, wird es mit der Beschaffung von Nachschub für die Biogasbetreiber immer schwieriger. Zwar bietet sich Gülle als Alternative an, nur sind die anfallenden Mengen sehr gering und zudem energetisch wenig ergiebig. Die energetische Nutzung von Biomasse kann eine sehr kurze Episode werden.

Hingegen kann die Nutzung von Biomasse als Grundstoff in der chemischen Industrie zur Entwicklung von Materialien und Werkstoffen eine Erfolgsstory werden. Schon jetzt beträgt der Verarbeitungsanteil in der chemischen Industrie 10 %. Deshalb gehört nach Auffassung meiner Fraktion in den „Aktionsplan Klima und Energie“ eine Strategie für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der chemischen Industrie.

Auch sollten die sehr eng gefassten Zulässigkeitsvoraussetzungen für Windkraftanlagen, in denen geprüft wird, ob diese Anlagen in die Landschaft passen, endlich überwunden werden;

(Staatsminister Thomas Jurk: Da gibt es auch linke Politiker!)

denn sie stehen im krassen Widerspruch zu den Kriterien für die Braunkohlenplanung. In der Braunkohlenplanung wird im sogenannten Gemeinwohlinteresse billigend in Kauf genommen, wie Siedlungsräume, Boden, Landschaft, Flora und Fauna zerstört werden.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das tut richtig weh!)

Diese unterschiedlichen Maßstäbe bei der Raum- und Regionalplanung müssen aufgegeben werden. Hierzu kann durch die Kommunikation der Regierung in der Öffentlichkeit ein Beitrag geleistet werden.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Die Lausitz kann nach unserer Überzeugung als traditionelles Energieland im Sinne einer Modellregion zu einem zukunftsfähigen Energieland mit Wertschöpfung im Bereich erneuerbarer Energien entwickelt werden. Allerdings muss der Übergang von der fossilen Energiewirtschaft zur erneuerbaren Energiewirtschaft schon heute begonnen und langfristig strukturpolitisch gelenkt werden. Dies darf nicht wie bisher dem Selbstlauf überlassen bleiben. Die Menschen in der Lausitz brauchen neben der

touristischen Nutzung der Seenlandschaft eine zusätzliche Wertschöpfungsperspektive, die auf Dauer nicht die Braunkohlenverstromung und der Braunkohlentagebau sein wird.

Als wirtschaftspolitisch positiv bewerten wir die Gründung einer neuen Verbundinitiative EESA, dem industriellen Netzwerk erneuerbarer Energien Sachsen, die Gründung der Sächsischen Energieagentur SAENA und die Einführung des sächsischen Gewerbeenergiepasses. Die SAENA kann für kleine und mittlere Unternehmen als fachlich kompetenter Berater und zur Ausbildung von Energieberatern einen wichtigen Beitrag leisten. Wenn das Beratungsangebot der SAENA für kleine und mittlere Unternehmen noch mit einem ordentlichen Betrag zur Förderung von Investitionen zur Energieeinsparung ausgestattet wird, wäre das ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung kleiner und mittlerer Unternehmen in Sachsen. Investitionen in Energieeffizienz sind auch für uns Investitionen in den aktiven Klimaschutz zur CO2Reduktion.

Mein Fazit: Ein Sprichwort lautet: Wo Licht ist, ist auch Schatten!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aus „Götz von Berlichingen“!)

Das, was ich am Aktionsplan positiv finde, habe ich benannt. Kritisch bewerten wir nach wie vor, dass sich die Regierung auch in diesem neuen Aktionsplan um quantitative Zielvorgaben zur Senkung des Energieverbrauchs, von CO2-Reduktionszielen und zum Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch drückt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Quantitative Vorgaben im Rahmen des Klimaschutzprogramms für die Landes- und Regionalplanung sollen von einer interministeriellen Arbeitsgruppe bis September erarbeitet werden.

Wir sind alle darauf gespannt. Die Erarbeitung solcher quantitativer Ziele sollte aber – statt im stillen Kämmerlein von Beamten und Ministern – mit Akteuren und Vertretern der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit in einem Dialog beraten werden. Davon versprechen wir uns eine interaktive Kommunikation zwischen Politik und Bevölkerung, was den Prozess des gemeinsamen Handelns in Sachsen für mehr Klimaschutz, zur Energieeinsparung und zum Umbau der Energiewirtschaft nur befördern kann.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im September 2007 stellten die Koalitionsfraktionen einen Antrag unter dem Titel „Zukunft sichern – Anpassungsstrategien an den

Klimawandel in Sachsen jetzt entwickeln!“. Wesentlicher Bestandteil dieser Drucksache war die Bitte an die Staatsregierung, bis zum 31.12.2007 einen Maßnahmenkatalog vorzulegen, der die verschiedenen Ziele der Europäischen Union, der Bundesregierung und vor allem des Freistaates Sachsen zur Klima- und Energiepolitik für die kommenden Jahrzehnte darstellt und notwendige Maßnahmen und Entscheidungen zur Umsetzung benennt.

In der Debatte zur Drucksache im Dezember 2007 wurde seitens des SMUL ausgeführt, dass ein solcher Plan in dem von den Fraktionen erwarteten Zeitraum nicht leistbar sei und ein solcher Maßnahmenkatalog zur Abschätzung von Folgen des Klimawandels, der Entwicklung von Anpassungsstrategien sowie ihrer engen Verkopplung mit Aktivitäten auf dem Sektor der Energiepolitik im ersten Halbjahr 2008 vorgelegt werden soll.

Anfang Juni 2008 war dieser „Aktionsplan Klima und Energie“ fertiggestellt, und er ist uns heute in Form einer Regierungserklärung präsentiert worden. In der Einleitung des Planes wird darauf hingewiesen, dass die angedachten Maßnahmen und Anpassungsstrategien auf den Forschungsergebnissen des Vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates basieren, deren Szenarien weitgehend davon ausgehen, dass in den kommenden Jahrzehnten als Folge der Treibhausgasemissionen durch den Menschen der Temperaturanstieg weiter fortschreitet, dieser jedoch auf etwa 2 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts gehalten werden muss, wenn keine bedrohlichen Folgen für das Leben auf der Erde auftreten sollen.

Die Erwärmungstendenzen im Weltklima der vergangenen 120 Jahre bestreitet heute wohl niemand mehr. Aber entgegen mancher Schreckensszenarien muss auch immer wieder daran erinnert werden, dass alle Vorhersagen von der Güte der diversen Daten in den Klimamodellen abhängen. Hierzu gab es erst vor zwei Monaten den schon lange notwendigen Hinweis, dass kleinräumige, also nichtglobale Modelle zum Beispiel unter Einbeziehung von Meeresströmung wie des Golfstromes – von Aspekten also, die in den Weltmodellen vielfach völlig unterrepräsentiert sind – zu modifizierten Ergebnissen führen und damit erneut belegen, dass natürlich bedingte Schwankungen des Klimas im Verhältnis zum anthropogenen Emissionsgeschehen nicht so wie bisher unterdrückt werden.