Protocol of the Session on June 20, 2008

Ich komme zum Schluss. – All das trägt zur Mobilität bei und ist weit mehr als nur ein attraktiver Bahnverkehr.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die NPD-Fraktion; Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schlagwort „Mobilität für alle“ wird in Zeiten explodierender Kraftstoffpreise von der etablierten Politik geradezu inflationär verwendet. Dass das ausgerechnet auch die GRÜNEN tun, überrascht; schließlich entwickelt sich der Benzinpreis doch genau so, wie es die GRÜNEN stets gefordert haben, nämlich in Richtung 5 Mark für den Liter. Erst am Mittwoch dieser Woche erreichten die Spritpreise einen neuen Höchststand. Im bundesweiten Durchschnitt kostete ein Liter Superbenzin 1,56 Euro, und für einen Liter Diesel mussten die Autofahrer an deutschen Tankstellen 1,52 Euro berappen.

So ziemlich alle grünen Grundsatzforderungen blieben unerfüllt, aber ausgerechnet der unsoziale Benzinpreiswucher wurde Wirklichkeit. Ich erinnere daran, dass die GRÜNEN noch 1998 in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl unter dem Titel „Grün ist der Wechsel“ einen Benzinpreis von 5 Euro gefordert haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: 5 D-Mark!)

Es ist deshalb unverfroren, wenn die GRÜNEN hier und heute scheinheilig die „Mobilität für alle“ fordern; denn gerade wegen der horrenden Benzinpreise wird das Auto für immer mehr Menschen zum unbezahlbaren Luxus und sorgt damit kurz vor den Ferien für knappe Haushaltskassen, aber bestimmt nicht für allseitige Mobilität.

(Elke Herrmann, GRÜNE, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, von dieser überaus geschätzten Kollegin grundsätzlich nicht. Vielleicht verstehen Sie es bis Ende der Legislaturperiode noch.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Darauf komme ich noch. Das hängt mit der hohen Ökosteuer, mit der Mineralölsteuer und mit der Mehrwertsteuer zusammen. Das ist politisch gewollt. Dazu sage ich noch etwas.

(Zurufe von der SPD)

Die GRÜNEN haben allenfalls damit recht, dass in dem Maße, in dem das Auto zum Luxusgut wird, die Bahn für die Menschen immer wichtiger wird. Damit sich über

haupt Leben in den ländlichen Regionen erhält, muss der öffentliche Personennahverkehr auch zukünftig in kommunaler Hand bleiben. Hier darf der Bund auf keinen Fall Zuschüsse kürzen; denn gerade in den Landstrichen mit schlechten Einkommensverhältnissen und geringer Bevölkerungsdichte ist es der ÖPNV, der für viele Menschen überhaupt erst Mobilität und Unabhängigkeit vom Auto schafft.

Deshalb darf es nach Auffassung der NPD auch keine Privatisierung der Deutschen Bahn und ihres Schienennetzes geben, da dies groß angelegte Streckenstilllegungen nach sich ziehen würde. Der Zielkonflikt zwischen privaten Renditeerwartungen und der volkswirtschaftlichen und infrastrukturellen Bedeutung eines gut ausgebauten Schienennetzes ist nicht aufzulösen. Deshalb muss die Bahn auch weiterhin in staatlicher Hand bleiben und darf keinesfalls einer Börsenkapitalisierung geopfert werden.

Schon die 1996 erfolgte Regionalisierung des Schienennahverkehrs, die es den Ländern erlaubt, mit Bundesmitteln direkt Verkehrsleistungen zu bestellen, führte zu durchaus gemischten Ergebnissen. Die Regionalbahnen, von Fachleuten nur „NE-Bahnen“, also nicht bundeseigene Bahnen, genannt, haben aber ein grundsätzliches Problem. Sie haben keinen gesetzlichen Anspruch gegenüber der öffentlichen Hand auf Mitfinanzierung von Gleisstrukturen, obwohl diese rechtlich dem Schienennetz der Deutschen Bahn gleichgestellt sind. Da die Gleise im ländlichen Raum aber oft wenig ausgelastet sind und sich die Instandhaltungskosten aus Trassenpreisen nicht finanzieren lassen, stecken die regionalen NE-Bahnen in einer grundsätzlichen Krise. So kommt es, dass 3 000 km reine Güterzugstrecken bedroht sind und damit fast ein Sechstel des Bahngüterverkehrs in Deutschland vor dem Aus steht.

Um dies zu verhindern, müsste der Bund neben der Deutschen Bahn auch die regionalen NE-Bahnen bei weitreichenden Investitionen in die Schienennetze berücksichtigen. Das wäre aber politisch unvertretbar, weil viele Steuermillionen dann in den Taschen privater Eigentümer landen und wieder nach dem unseligen Prinzip verfahren würde, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Um den Personenverkehr der Bahn wieder attraktiver zu machen, muss die weitgehende Abkopplung großer sächsischer Regionen vom Fernverkehr aufgehoben werden. Wer heute etwa von Görlitz nach Frankfurt oder München fahren will, der muss erst einmal mit den langsamen Regionalbahnen nach Dresden fahren, um von dort Anschluss an den europäischen Schienenschnellverkehr zu haben. Die niederschlesische Oberlausitz bräuchte endlich auch ICE-Haltepunkte in Görlitz und Bautzen – und das am besten im Rahmen einer durch Sachsen führenden Eurocity-Verbindung nach Breslau.

Für die NPD ist es unerklärlich, warum die Sächsische Staatsregierung bislang so wenig Druck auf Verkehrsminister Tiefensee zwecks Anbindung Ostsachsens an den

Schienenschnellverkehr ausgeübt hat. Warum pochen CDU und SPD in Dresden nicht mit Nachdruck auf den Ausbau der Strecke Berlin–Dresden, die laut Bundesverkehrswegeplan irgendwann zur Hochgeschwindigkeitsstrecke werden soll?

Stillstand herrscht auch bei der lange angekündigten Modernisierung der Strecke Dresden–Prag. Obwohl die Weiterentwicklung der Eisenbahnverbindung Berlin– Dresden–Prag–Wien schon im Juni 1995 vereinbart wurde, behandelt die Sächsische Staatsregierung den Ausbau leistungsfähiger Schienenverkehrskorridore weiterhin stiefmütterlich. Die Gleichgültigkeit der Sächsischen Staatsregierung gegenüber dem Eisenbahnverkehr beginnt sich in einer Zeit astronomisch steigender Benzinpreise, die immer mehr Menschen auf die Bahn angewiesen sein lässt, nun bitter zu rächen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss. – Für die NPD ist klar: Wenn die etablierte Politik schon nicht die Benzinpreise senken will – und das könnte sie, weil zwei Drittel des Benzinpreises auf Mehrwertsteuer, Ökosteuer und Mineralölsteuer entfallen –, dann muss sie wenigstens den Verkehrsträger Schiene stärken, damit die geforderte „Mobilität für alle“ keine Phrase bleibt.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Lichdi, die Karte Bahnverlierer hätte ich auch angesprochen. Da Sie das schon getan haben, kann ich mir das sparen.

Ich möchte aber auf einen weiteren Punkt hinweisen. Vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut gab es vor wenigen Tagen ein Städteranking der 30 größten deutschen Städte. Dabei haben die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz im Bereich Verkehr sehr schlecht abgeschnitten. Ich möchte aus dieser Studie zitieren. Dort heißt es: „Die Erreichbarkeit von Chemnitz, Dresden und Leipzig ist die schlechteste der Städte im Sample.“ Unsere drei großen sächsischen Städte sind also die am schlechtesten erreichbaren unter den 30 größten deutschen Städten! Wenn das so ist, haben wir tatsächlich Nachholbedarf.

Es heißt weiter in dieser Studie, dass Chemnitz die einzige unter diesen größten Städten ist, die keinen ICE-Halt hat. Auch hier ist sicherlich Nachholbedarf.

Wir als FDP-Fraktion haben dieses Thema schon öfter angesprochen und auch durch Anträge untersetzt. Wir haben in diesem Haus mehrmals das Thema SachsenFranken-Magistrale angemahnt. Die Elektrifizierung der Strecke Reichenbach–Hof ist dringend erforderlich. Auch hierbei geht es nicht voran. Wir erkennen an, dass der Freistaat jetzt in der Planung aktiv geworden ist, aber

letztlich bekommen wir die Verbindung kurzfristig nicht hin. Sie ist aber sehr wichtig für die Anbindung sowohl Leipzigs als auch des südlichen Teils Sachsens an den Fernverkehr in Deutschland. Hier besteht eben dringender Nachholbedarf.

Auch die Stadt Görlitz – das wurde schon angesprochen – ist abgehängt, und das, obwohl der Minister dort geboren ist. Eigentlich ist das ein Trauerspiel. Nicht einmal für seine Heimatstadt hat er es geschafft, hier etwas zu erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben diesbezüglich einen Antrag ins Parlament eingebracht und da diese Anbindung von Görlitz auch schon im Hohen Hause allgemein bedauert worden ist, gehen wir davon aus, dass Sie diesem Antrag, wenn er in den parlamentarischen Gremien aufgerufen wird, auch zustimmen werden. Wir haben im letzten Jahr einen Antrag hinsichtlich des Ausbaus der Strecke Dresden– Berlin eingereicht. Dieser Antrag ist leider damals von der Regierungskoalition ohne Grund abgelehnt worden.

(Zuruf der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD)

Es freut uns, dass der Ministerpräsident inzwischen das Thema entdeckt hat. Nur kommt es eben ein Jahr zu spät. Sie hätten als Koalition im letzten Jahr unserem Antrag zustimmen und entsprechend handeln können. Sie haben das nicht getan. Ich hoffe, dass der Ministerpräsident die Kraft hat, sich in der Regierung durchzusetzen und das zu verändern.

Der Ministerpräsident wird in der „Sächsischen Zeitung“ vom 14. Mai 2008 zitiert. – Jetzt ist er gerade draußen und telefoniert.

Nein, Herr Morlok, er ist anwesend.

Da ist er inzwischen wieder hereingekommen. Schön, dass Sie da sind. – Sie wurden dort zitiert mit der Aussage – ich zitiere –: „Davon, dass Bundesminister Wolfgang Tiefensee und Landesminister Thomas Jurk aus Sachsen kommen, habe der Freistaat leider nichts.“

Wohl wahr! Dieser Analyse, Herr Ministerpräsident, stimmen wir zu. Nur müssen jetzt Taten folgen. Es darf nicht sein, dass Sachsen vom Fernverkehr abgehängt wird. Ich gehe davon aus, dass Sie als Ministerpräsident mit Ihrer Richtlinienkompetenz jetzt auch im Kabinett Druck machen werden, damit die Maßnahmen, die in der Vergangenheit liegen geblieben sind, endlich durch Ihre Regierung umgesetzt werden. Wir als FDP-Fraktion werden uns jedenfalls dafür einsetzen, dass Sachsen zukünftig nicht weiter abgehängt wird, sondern in das Fernverkehrsnetz der Bahn integriert wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Runde. Für die Fraktion der GRÜNEN Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Bolick, ich möchte Ihnen ausdrücklich für die markante Herausarbeitung der Unterschiede in den Ansätzen zwischen grüner und schwarzer Verkehrspolitik danken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von daher kann ich es mir eigentlich sparen, auf Ihre Äußerungen näher einzugehen.

(Zuruf des Abg. Prof. Gunter Bolick, CDU)

Der Kritik, die auch von anderen Seiten gekommen ist, ich hätte zu wenig auf Sachsen Bezug genommen, möchte ich jetzt gern abhelfen. Aber Ihnen ist auch bekannt, dass man die Redebeiträge durchaus in zwei Teile teilt. Andererseits habe ich es dann wieder bedauert, dass keiner meiner Vorredner auf die Frage der Bahnreform und ihre wahrscheinlich schlimmen Folgen für Sachsen eingegangen ist.

Meine Damen und Herren! Die Verkehrspolitik des Freistaates ist seit 1990 einseitig auf den Bau neuer Straßen ausgerichtet. Die Betonierunion aus CDU und auch SPD, liebe Frau Raatz, blendet die Menschen seit Jahren mit dem Versprechen: Wo eine Straße ist, da kommt auch bald ein Investor. – Sie verwechseln Mobilitätsgewährleistung mit Straßenbau und, meine Damen und Herren, Sie haben dabei eine neue Art von Mobilitätsarmut geschaffen; denn Straßen können nur erwachsene Arbeitsplatz- und Autobesitzer nutzen. Aber was ist mit den Kindern, Müttern, Alten oder anderen Menschen, die sich kein Auto leisten können oder wollen? Sie finden entweder jemanden, der sie im Auto mitnimmt, oder sie bleiben eben zu Hause.

Meine Damen und Herren! Das ist eine soziale Frage und es ist die Frage, ob wir weiterhin den großen Teil der Bevölkerung von der Teilhabe an der Gesellschaft ausschließen wollen. Dieses Problem verschärft sich mit der Schließung vieler Dienstleistungseinrichtungen im ländlichen Raum, und Ihre Kreisgebietsreform, liebe Koalition, ist dafür ein weiterer Schritt. Es ist doch völlig klar: Nur der öffentliche Personennahverkehr kann diese Mobilitätsarmut aufheben und beseitigen. Der ÖPNV in Sachsen braucht ein dichtes, zuverlässiges, vertaktetes und verknotetes Bahnnetz. Frau Dr. Runge hat zu Recht schon darauf hingewiesen. In diese Lücken, Frau Dr. Raatz, ist dann ergänzend ein integriertes Busnetz einzuhängen.