Protocol of the Session on June 19, 2008

Deshalb, denke ich, macht es auch Sinn, dass man solche Dinge nicht klein- oder schlechtredet, sondern zunächst einmal sagt: Man bedankt sich bei all denen, die dort als Partner auftreten, um etwas für den Arbeitsschutz zu tun. Dass diese Plattform anerkannt wird, ist wohl unbestritten. Insofern müssen wir darüber nachdenken, wie wir den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Sachsen noch weiter verbessern können. Dabei geht es – das ist meine feste Überzeugung – um den Erhalt der Leistungsfähigkeit der Beschäftigten; es geht aber auch um ihre Motivation und Kreativität, die von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg von Unternehmen und für die Festigung des Wirtschaftsstandortes Sachsen sind.

Die Partner, die in dieser Arbeitsschutzallianz sind, haben dies durchaus erkannt, weil man Informationen und Beratung sowie Anerkennung bekommt, was die Vergabe von öffentlichen Aufträgen betrifft, und weil man ein betriebliches Arbeitsschutzsystem aufbauen möchte, an dem diese Partner beteiligt sind. Es sind eben nicht nur

größere Unternehmen, die sich daran beteiligen, es sind auch die sogenannten KMU, und auch diese können ein sogenanntes Arbeitsschutzmanagement einführen. Dieses trägt dazu bei, dass bei den Unternehmen die Überwachungsintensität verringert wird und man ein Zertifikat bekommt, das in 178 Ländern anerkannt wird – die International Labour Organisation erkennt ein solches Zertifikat an – und eine Dokumentation dafür ist, dass man das Thema Arbeitsschutz ernst nimmt. Außerdem gibt es ein sogenanntes Internationales bzw. Nationales Anerkennungsregister, in das diese Firmen aufgenommen werden, und eine Reihe von Firmen, die bewusst Wert darauf legen, in ein solches Register aufgenommen zu werden.

Dies alles sind Grundlagen der Arbeitsschutzallianz, und ich verstehe beim besten Willen nicht, was man daran auszusetzen hat. Insofern ist es richtig: Vorbildlicher Arbeitsschutz gibt wichtige Impulse, und wir müssen bei den staatlichen Arbeitsschutzbehörden darauf achten, dass wir weiterhin kostenlose Beratung und Systemkontrolle unterstützen und es dazu kommt, dass wir im Bereich des Arbeitsschutzes die Betriebe dazu animieren, im Sinne der von mir beschriebenen Ziele der Arbeitsschutzallianz zu handeln.

Richtig ist auch – das möchte ich nochmals erwähnen, weil der eine oder andere es vielleicht vergessen hat –: Wir hatten in Sachsen eine Verwaltungs- und Funktionalreform. Dabei gab es lange Debatten über die Frage, wie wir in dieser Reform das Thema Arbeitsschutz sehen, und wir als SPD-Fraktion haben uns dafür eingesetzt, dass es keine Trennung zwischen dienstlicher und Fachaufsicht zwischen SMI und SMWA mehr gibt, dass diese Trennung aufgehoben wurde und es zu einer Bündelung von Kompetenzen gekommen ist. Ich denke, auch das kann man erwähnen, weil es ein richtiger und sinnhafter Punkt war.

Insofern möchte ich noch einmal konstatieren, dass ich mich zwar freue, dass die FDP dieses Thema entdeckt hat; aber ich denke, in der Tiefe haben Sie sich mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt. Warum sage ich das? Wir müssen bewerten: Wie kam es dazu, dass es 2007 einen scheinbaren Anstieg der Unfälle gegeben hat? Dazu muss man sich die Statistik genau ansehen, und dann stellt man fest, dass die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle deutlich zurückgegangen ist. Sie lag 1996 bei 70, 2000 bei 49 und 2007 – bedauerlicherweise immer noch, das will ich nicht verhehlen – bei 16, aber ich denke, das ist eine positive Entwicklung.

Darüber hinaus ist der Anstieg der Arbeitsunfälle kein sächsisches Phänomen, sondern ein Phänomen, das im bundesweiten Vergleich leider überall zu beobachten ist. Absolut nahm die Zahl zu, aber sie stieg im Vergleich zum Vorjahr auch deutschlandweit um 1,2 %. Dass sie 2007 stieg, ist der guten Konjunktur zu verdanken; denn es hat mehr Beschäftigung gegeben und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden hat zugenommen.

Wir müssen natürlich auch überlegen, wenn wir uns diesem Thema nähern, was die Gründe dafür sind, und wir sollten nicht nur Anträge stellen, die vielleicht vordergründig auf den Minister abzielen, aber das eigentliche Problem nicht bewerten.

Damit bin ich beim nächsten Punkt, nämlich, dass der wichtigste Grund für den Anstieg der Unfallzahlen darin zu suchen ist, dass es immer mehr Druck bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt, dass sich die Arbeitswelt in einer Phase des absolut tief greifenden Wandels befindet und die Prozesse immer schneller werden. An dieser Stelle kann ich meinem Kollegen Petzold nicht recht geben. Wenn wir uns die Rahmenbedingungen für die Arbeitswelt anschauen, so hat es gravierende Veränderungen gegeben. Dies hat nicht nur mit Globalisierung und internationalem Wettbewerb zu tun, sondern auch damit, dass wir eine wachsende Anzahl von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie eine Veränderung bei den Beschäftigungsverhältnissen zu verzeichnen haben, dass es neue Formen von Beschäftigungsverhältnissen gibt, und natürlich damit, dass wir einen Personalabbau und eine Zunahme – das ist so – im Bereich der Leih- bzw. Zeitarbeit und der Verdrängung der Stammbelegschaft in diesem Bereich haben.

Ich möchte ein Beispiel anführen, denn ich denke, Beispiele machen dies besonders deutlich: Wir hatten in der vorigen Woche in Hohenstein-Ernstthal einen tödlichen Arbeitsunfall zu beklagen. Wenn man sich das einmal genau anschaut, so kommt jetzt heraus, dass dieser Arbeitsunfall deshalb entstanden ist, weil mehrere Firmen parallel im Mehrschichtsystem, teilweise in Nachtschichten, gearbeitet haben, weil sie über dem vereinbarten Zeitpunkt der Bauabnahme lagen. In der Baugrube haben – einfach unter Druck – mehrere Menschen gearbeitet, und der Baggerfahrer hat nicht aufpassen können; er hat zurückgesetzt und einen Bauarbeiter tödlich verletzt. Das ist dramatisch, es ist eine schlimme Sache für den Betroffenen. Aber der Grund dafür liegt doch ganz woanders: Er liegt darin, dass das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz mit den sich verändernden Bedingungen der Arbeitswelt und dem Druck, der dort entstanden ist, im Zusammenhang gesehen werden muss. Dabei ist es nun einmal so, dass gerade Zeitarbeitnehmer ein besonders erhöhtes Unfallrisiko haben, weil sie von einem zum anderen Betrieb springen und nicht in der einzelnen Einrichtung integriert sind sowie teilweise auch nicht den Arbeitsschutzbestimmungen der Unternehmen unterliegen, sondern von außen hineinkommen und nach zwei, drei Tagen wieder in den nächsten Betrieb gehen.

Darüber müssen wir sprechen, und deshalb ist es richtig, dass sich die Arbeits- und Sozialminister darüber Gedanken gemacht und beschlossen haben, ein nationales Arbeitsschutzziel für den Zeitraum von 2008 bis 2012 zu definieren, und dass es im Rahmen einer gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie mehr Prävention im Arbeitsschutz, ein Zusammenwirken zwischen Bund, Ländern und den Unfallversicherungsträgern geben soll. Wir müssen auch feststellen, wenn wir die Fragen einmal

unter einem europäischen Aspekt betrachten, dass es ein europaweites Thema ist, nämlich, dass sehr, sehr viele Arbeitnehmer – auch europaweit – erklären, dass sie unter gesundheitsgefährdenden Belastungen leiden. 28 % sagen dies nach anerkannten Studien – das muss man natürlich zur Kenntnis nehmen –, und 35 % sagen laut Studien, sie empfänden ihre Arbeit als ein Risiko für ihre Gesundheit. Das sind alarmierende Zahlen.

Insofern setzt sich die SPD-Fraktion unter dem Titel „Gute Arbeit“ gemeinsam mit dem DGB dafür ein, dass es fair und angemessen bezahlte Arbeit gibt, die rechtlich abgesichert ist; dass die Frage der Mitbestimmung geregelt ist; dass es Angebote für Qualifizierung und Weiterbildung geben muss und – was sehr wichtig ist – dass Arbeit nicht krank machen darf.

Ich möchte deshalb zusammenfassend darauf hinweisen: Es gibt gute Beispiele, die zeigen, dass es aktiven betrieblichen Arbeitsschutz gibt. Es gibt gute Beispiele, die den Einklang zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerb und gleichzeitig dem Willen zeigen, dass man Arbeitsschutz als einen Faktor im wirtschaftlichen Unternehmen sieht und dass eine Verbesserung des Wirtschaftsstandortes damit einhergeht, wenn man sich dem Arbeitsschutz nähert. Ich will damit auch sagen, dass wir dem Arbeitsschutz noch mehr Bedeutung beimessen müssen und er eben kein lästiges Beiwerk ist; sondern wir müssen gemeinsam alles daransetzen, dass wir einen Prozess initiieren, in dem das Denken und Handeln der Akteure synchron läuft. Aus diesem Grund ist es richtig, dass wir uns – auch mit Blick auf die Haushaltsberatungen – Gedanken darüber machen, wie wir mit dem Arbeitsschutz umgehen. Die SPD-Landtagsfraktion wird das nicht vergessen, ganz klar. Aber eines will ich auch sagen: Wir brauchen dafür keinen Antrag der FDP.

Damit komme ich zu dem zurück, was ich am Anfang gesagt habe: Einer Fraktion bzw. Partei, die sich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt hat, dass der Jugendarbeitsschutz gelockert wird, und die für sich in Anspruch nimmt, dass sie es nicht akzeptieren will, dass auch Nichtraucherschutz in Betrieben ein Teil des Arbeitsschutzes ist, spreche ich die Glaubwürdigkeit ab, für dieses Thema überhaupt eintreten zu dürfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Danke schön. – Die NPD-Fraktion wird vertreten durch Herrn Petzold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Zahl der schweren Arbeitsunfälle binnen vier Jahren um mehr als 45 % steigt, so ist dies in der Tat Anlass genug, in diesem Hause darüber zu sprechen. Insofern begrüßt die NPD-Fraktion die Einbringung des vorliegenden Antrages und wird ihm zustimmen.

235 schwere, zum Teil tödliche Arbeitsunfälle allein 2007 bedeuten 235 harte Einzelschicksale, die ganze Familien

betreffen. Dass im Bereich des Arbeitsschutzes etwas verkehrt gelaufen ist und Nachbesserungsbedarf besteht, wird am eindringlichsten am Beispiel des Baugewerbes deutlich, wo trotz Beschäftigungsrückgang dennoch die steigende Tendenz von Arbeitsunfällen besonders ins Auge sticht. Da ist es auch nach Ansicht der NPDFraktion folgerichtig, wenn die Antragstellerin den in den letzten Jahren kontinuierlich vollzogenen Personalabbau bei den staatlichen Arbeitsschutzbehörden kritisch hinterfragt. Immerhin wurde über ein Viertel der Stellen bei den staatlichen Arbeitsschutzbehörden allein im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 abgebaut.

Besonders interessant ist es in diesem Zusammenhang, einen Blick auf die Statistiken der Arbeitsschutzkontrollen zu werfen, die aufgrund des Personalabbaus selbstredend rückläufig sein mussten. Zuweilen stieg in gewissen Sachgebieten, wie beispielsweise in dem, das die Arbeitssicherheitsorganisation beinhaltet, das Verhältnis der Beanstandungen zu den Überprüfungen stetig an, was aber dennoch nicht zu einer Steigerung der Überprüfungsdichte führte. Man sah sich wohl seitens des SMWA nicht gemüßigt, einen ausreichenden Personalkorridor anzustreben.

Die Beanstandungen sanken in absoluten Zahlen. Das ist aber kein Wunder, wenn weniger geprüft wird. Nehmen wir exemplarisch die Position 2 der Ergebnisse der Arbeitsschutzkontrollen für Gesamtsachsen. 2003 betrug diesbezüglich der Anteil der Beanstandungen an den Prüfungen 67,1 %, im Jahr darauf lag er schon bei 68,8 %, im Jahr 2005 erreichte er bereits den Wert von 71,5 %. Der Vergleich mit 2006 ist nicht möglich, da dafür die Vorgaben der Statistik geändert wurden. Das heißt: Man baut Personal ab und prüft weniger, wodurch trotz steigender Gefahrenpotenziale die Beanstandungen in absoluten Zahlen sinken, worauf erneut Personal abgebaut und weniger geprüft wird. Das Ergebnis ist ein 45-prozentiger Zuwachs schwerer Arbeitsunfälle in Sachsen seit 2003.

Ich möchte noch auf weitere Aspekte im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz zu sprechen kommen, die nach Ansicht der NPD-Fraktion gründlich zu untersuchen wären. Dies betrifft den Zustand von Maschinen und Gerätschaften im Zusammenhang mit der Fähigkeit verschiedener Unternehmensgruppen, Anlageinvestitionen zu tätigen, aber auch die Vermittlung von Arbeitsunterweisungen in Bezug auf die in wechselnden Unternehmen tätigen Leiharbeiter.

Nicht zuletzt muss heutzutage in der grenzoffenen globalisierten Wirtschaftswelt auch die Frage untersucht werden, welche Rolle Sprachprobleme der internationalen Lohndrückerkolonnen beim Arbeitsschutz spielen. Wenn auf der Baustelle babylonisches Sprachgewirr herrscht und der Vorarbeiter eine andere Sprache spricht als seine Arbeits- und Hilfskräfte, dann sind nach Ansicht der NPD-Fraktion die Probleme programmiert, auch wenn dies nicht ins multikulturelle Weltbild der meisten hier Anwesenden passen mag.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Weichert, Sie beschließen diese Runde für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arbeitsschutz geht alle an.

(Heiterkeit bei den Fraktionen)

Darum freue ich mich besonders, dass sich die FDPFraktion – bekannt als Sprachrohr der Unternehmerinteressen – mit diesem Thema beschäftigt. Natürlich tut sie das nicht aufgrund ihrer neu entdeckten Liebe zur Arbeitnehmerschaft, sondern deshalb, weil Arbeitsunfälle ein Kostenfaktor sind. Trotzdem hoffe ich, dass dieses Engagement längerfristiger Natur ist, denn so ganz selbstverständlich ist es auch nicht. Schließlich war es die FDP, die gemeinsam mit der CSU noch vor circa zehn Jahren forderte, die Befreiung der Kleinbetriebe von der Dokumentationspflicht entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz festzuschreiben.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Das würde bedeuten, einem großen Teil der Arbeitnehmer zu verwehren, dass Gesundheitsgefährdungen an deren Arbeitsplätzen überhaupt erfasst und beurteilt werden können. So weit ist es aber nicht gekommen.

Frei nach Bertolt Brecht heißt es: Wer A sagt, muss nicht auch B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schließlich zeigt sich inzwischen, dass ungeregelte Liberalisierung und der Glaube an die Allmacht des freien Marktes nicht in jedem Fall die richtige Antwort auf die Fragen der Zeit sind.

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zur Vermeidung von Unfällen ist ein Unterfangen, das sich tatsächlich für alle lohnt. Laut einer Untersuchung im Auftrag der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im Jahr 2007 geht eine niedrige Zahl von Arbeitsunfällen mit hoher Wettbewerbsfähigkeit einher. Das heißt, Verbesserungen beim Arbeitsschutz führen zu wirtschaftlichen Vorteilen. Sehr viel geringere Fehlzeiten, aber auch Einsparungen durch eine bessere Wartung der Anlagen und niedrigere Versicherungsbeiträge zahlen sich eben aus.

Gerade für kleine und mittlere Betriebe ist die Sicherheit am Arbeitsplatz ein Wettbewerbsfaktor. KMU weisen meist höhere Unfallquoten als Großunternehmen auf. Das liegt zum einen am hohen Anteil gefahrenträchtiger handwerklicher Tätigkeiten; zum anderen fehlt es häufig an einer systematischen Herangehensweise. Dabei ist es am Ende wesentlich aufwendiger und auch teurer, neue Mitarbeiter anzulernen, als die bestehende Belegschaft fit zu halten und weiterzuqualifizieren.

Die Zahl der Arbeitsunfälle in Sachsen ist sicher nicht so dramatisch, dass es einer Krisensitzung im Landtag bedarf. Dennoch ist jeder Unfall ein Unfall zu viel.

Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung muss sich erstens die Frage gefallen lassen, ob die rückläufigen Arbeitsschutzkontrollen ein Grund für den Anstieg bzw. die Stagnation im Bereich schwerer und tödlicher Arbeitsunfälle sind. Zweitens stellt sich die Frage, ob die vielen präventiven Maßnahmen und Schwerpunktaktionen der letzten Jahre – vergleiche die Drucksache zur Kleinen Anfrage der FDP – überhaupt an der richtigen Stelle wahrgenommen wurden.

Dass die Zahl schwerer oder sogar tödlicher Arbeitsunfälle im Baugewerbe am höchsten ist, verwundert nicht. Einerseits ist dies den dortigen Arbeitsabläufen geschuldet, die ein deutlich höheres Gefahrenpotenzial bergen als der Schreibtischjob in einer Amtsstube. Andererseits reicht ein Blick in den harten Geschäftsalltag des Baugewerbes aus, um ein Gefühl für den hohen Druck zu bekommen, dem die Beschäftigten dort ausgesetzt sind. Nach einem Jahrzehnt der dramatischen Talfahrt lässt eine nennenswerte Verbesserung der baukonjunkturellen Situation weiter auf sich warten. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten wird der Arbeits- und Gesundheitsschutz noch mehr vernachlässigt. Leidtragende sind die Arbeitnehmer und deren Familien.

Rudi Clemens, Betriebsratsvorsitzender eines Bauunternehmens und Träger des Bundesverdienstkreuzes, sagt dazu – ich zitiere –: „Es ist der mörderische Zeitdruck, der auf fast allen Baustellen herrscht. Die Bauarbeiter bezahlen das mit ihrer Gesundheit oder mit ihrem Leben. Es ist unerträglich geworden. Der Bauwirtschaft fehlen die Facharbeiter. Ausländer, insbesondere Rumänen, werden in menschenverachtender Weise ausgebeutet und Mindestlöhne werden durch Scheinselbstständigkeit umgangen. Der Slogan muss also lauten: Sei schlau und meide den Bau!“

Meine Damen und Herren, ich denke, dieses Zitat spricht für sich und auch für die Wichtigkeit des Themas. Wir haben ein großes Interesse an dem Bericht, besonders am Punkt 1 II. Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP – Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Gibt es seitens der Fraktionen noch Aussprachebedarf? – Den alten Brauch wollen wir heute nicht brechen, Geburtstagskinder dürfen sprechen. – Herr Staatsminister, bitte.

(Heiterkeit bei den Fraktionen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag beinhaltet zweifellos eine freudige Überraschung: Die FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag hat den Arbeitsschutz entdeckt.

Bei den bisherigen Äußerungen zu diesem Thema – ich erinnere an die Debatte zur Arbeitsschutzallianz – konnte man doch eher den Eindruck gewinnen, die FDP hielte den Arbeitsschutz in erster Linie für ein Hemmnis im freien Wettbewerb.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Sehr geehrte Herren Kollegen von der FDP! Herzlichen Glückwunsch aber zu dieser neuen Erkenntnis. Allerdings hat sich die Welt inzwischen weitergedreht und den Antrag in seinen wesentlichen Punkten überholt. Das will ich Ihnen gern näher erläutern.

Mit Punkt 1 des Antrages möchten Sie die Staatsregierung ersuchen, einen Bericht über die Entwicklung des Arbeitsschutzes in Sachsen in den vergangenen fünf Jahren zu erstellen. Aber dies ist bereits vor drei Wochen geschehen. Ein solcher Bericht liegt nämlich in Beantwortung der Kleinen Anfrage des Herrn Abg. Morlok aus der FDPFraktion zum Thema Arbeitsschutz in Sachsen in der Drucksache 4/12062 schon seit Ende Mai 2008 vor. Der Bericht geht sehr ausführlich auf die Entwicklung schwerer und tödlicher Arbeitsunfälle in Sachsen im Zeitraum 2003 bis 2007 ein, analysiert deren Ursachen und Verteilung auf Wirtschaftszweige und nennt die präventiven Maßnahmen, die zur Verringerung der Arbeitsunfälle eingeleitet wurden. Weiterhin enthält der Bericht im Anhang umfangreiches Zahlenmaterial zum Personalbestand der Arbeitsschutzbehörden, zur Zahl durchgeführter Arbeitsschutzkontrollen sowie zu deren Ergebnissen.

Richtig ist, mit dem insbesondere im letzten Jahr einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland verzeichnen wir leider auch einen Anstieg der Arbeitsunfallzahlen. Das ist jedoch kein spezifisch sächsisches Problem, sondern betrifft alle Bundesländer. Bereits Anfang 2007 haben die Unfallversicherungsträger darauf aufmerksam gemacht. Verantwortlich für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz sind laut Arbeitsschutzgesetz die Unternehmer. Sie sind verpflichtet, mit der Arbeit verbundene Gefährdungen zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zu deren Abbau einzuleiten. Dieser Pflicht kommen leider nicht alle Unternehmen in geeigneter Weise nach. Etwa 30 bis 40 % der krankheitsbedingten Ausfallzahlen wären durch einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen vermeidbar. Nahezu 40 Milliarden Euro jährliche Kosten in Deutschland für arbeitsbedingte Erkrankungen und Renten sind der Beweis dafür.