Frau Präsidentin! Ich möchte gern vor der Abstimmung noch eine sachliche Richtigstellung vornehmen, nicht weil ich glaube, die NPD überzeugen zu können, aber damit es wenigstens im Protokoll richtig steht.
Seitens der NPD ist heute wieder behauptet worden, DIE LINKE oder zuvor die PDS hätte sich bei Abstimmungen zu Hartz IV der Stimme enthalten. Ich stelle fest: Das ist falsch.
In beiden Landesregierungen haben DIE LINKE bzw. die PDS und deren Vertreter mit Nein gestimmt und die Sozialdemokraten jeweils mit Ja. Nach den Regularien der entsprechenden Koalitionsverträge
Ich will also noch einmal klarstellen: Unsere Vertreter haben in den jeweiligen Landesregierungen mit Nein gestimmt. Das ist die Wahrheit und nicht die Behauptung der NPD.
Ich stelle nun die Drucksache 4/12516 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe auf
Organisation des Arbeitsschutzes in Sachsen verbessern – Zahl tödlicher und schwerer Arbeitsunfälle nachhaltig senken
Die FDP beginnt, danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Herr Abg. Morlok, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema, mit dem wir uns im Folgenden beschäftigen, ist ein wichtiges und für viele Betroffene auch ein sehr trauriges Thema, ist es doch oft mit Leid und erheblichen, lebenslangen körperlichen Einschränkungen und Behinderungen verbunden.
Ich spreche über die Situation des Arbeitsschutzes in Sachsen. Die oberste Behörde für den Arbeitsschutz in Sachsen ist das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit. Wir sehen uns bei der Bedeutung wirkungsvoller Arbeitsschutzmaßnahmen in voller Übereinstimmung mit Herrn Minister Jurk.
Herr Minister Jurk, ich darf aus Ihrer Pressemitteilung zum Start einer Arbeitsschutzkampagne vom Juni vergangenen Jahres zitieren. Darin sagen Sie: „Wir wollen nicht belehren, sondern sensibilisieren, dass gute und sichere Arbeitsbedingungen nicht nur die Beschäftigten schützen,
sondern auch ein Wettbewerbsvorteil sind. Arbeitsschutz lohnt sich auch finanziell.“ So Ihre Aussage; so weit die vollmundige Ankündigung des Ministers.
Die Realität in Sachsen sieht leider anders aus. Was Sie, Herr Jurk, uns auf unsere Kleine Anfrage „Arbeitsschutz in Sachsen“ mitteilten, zeigt ein erschreckendes Bild. Danach ist die Zahl schwerer Arbeitsunfälle in Sachsen in den vergangenen Jahren stetig und deutlich gestiegen. Die Zahl der Arbeitsschutzkontrollen ist indes stetig gesunken.
Ausgehend vom Jahr 2003 beträgt die Steigerung bei schweren Arbeitsunfällen bis 2007 dramatische 45 %. Auch die Unfallschwerpunkte zeigen seit Jahren ein unverändertes Bild. Der Großteil der Unfälle ereignet sich nach wie vor im verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau sowie im Baugewerbe. Besonders im Baugewerbe ist die Tendenz umso gravierender, als wir in diesem Wirtschaftszweig einen Rückgang der Beschäftigtenzahl haben und daraus eigentlich ein Rückgang der Arbeitsunfälle folgen müsste.
Am 12. Dezember titelte die „Chemnitzer Rundschau“: „Sachsens Wirtschaftsminister Jurk schlägt Alarm“. Sie werden dann zitiert: „Im ersten Halbjahr ist mit 15 tödlichen Arbeitsunfällen bereits das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht worden und die Baubranche ist mit sechs Opfern erneut am stärksten betroffen.“
Sie, Herr Minister Jurk, haben das Problem offenbar erkannt und kündigten – ich habe das schon gesagt –, wie in dem Artikel dargestellt, vollmundig Gegenmaßnahmen an. Sie sagten weiter: „Da liegt der Schluss nahe, dass zwischen den steigenden Unfallzahlen und dem Rückgang der Kontrollen ein Zusammenhang besteht.“
Auch hier, Herr Minister Jurk, muss ich sagen, haben Sie vollkommen recht. Es ist wohl ein Teil von Selbstkritik, wenn Sie das hier so anführen, weil Sie als verantwortlicher Fachminister diese Entwicklung zu verantworten haben. Sie, Herr Minister Jurk, haben das Thema Arbeitsschutz medienwirksam nach außen hin zur Chefsache erklärt. Nur passiert ist eigentlich nichts.
Im Jahre 2007 hatten wir 9 000 Vor-Ort-Kontrollen; im Jahre 2006 waren es noch über 10 000. Auf den Baustellen gab es im Jahre 2007 nur 7 800, im Jahre 2006 noch 8 400 Kontrollen. Das war in Ihrer Amtszeit, in Ihrer Verantwortung.
Es ist auch nicht verwunderlich, dass die Zahl der Kontrollen gesunken ist. Hatten wir im Stellenplan des Jahres 2003 noch 310 Vollzeitäquivalente, so waren es im Jahre 2007 lediglich 228. Das ist ein Viertel weniger. Dann kann man nicht mehr so viel kontrollieren, das ist doch offensichtlich.
Die Bilanz, Herr Minister Jurk, muss trotz Ihrer Ankündigung eigentlich als katastrophal bezeichnet werden. Ich sage es einmal salopp: Sie haben den Brand erkannt, Sie haben laut Alarm geschlagen, nur das Feuer gelöscht, Herr Jurk, hat keiner.
Sie hatten wohl auch keine Zeit dafür, waren Sie doch in Sachen Arbeitsschutz im Ausland, in China. Ihnen ist offensichtlich der Arbeitsschutz in China wichtiger als der in Sachsen.
Ja, ja, Herr Kollege Brangs, wer sein Haus bestellt hat, kann als Vorbild auch im Ausland dafür werben. Bei der katastrophalen Bilanz von Ihnen, Herr Jurk, sollten Sie sich erst einmal in Sachsen auf den Hosenboden setzen und die Hausaufgaben erledigen.
Wir können Sie, Herr Minister Jurk, nur auffordern, in Sachen Arbeitsschutz Ihren Verpflichtungen in Sachsen gerecht zu werden.
Verantwortung für den Arbeitsschutz, Herr Kollege Brangs, heißt mehr als Reisen nach China und mehr als Fototermine unter dem Motto „Minister Jurk plakatiert Arbeitsschutz“. Von den Plakaten wird es auch nicht besser.
Die „Sächsische Zeitung“ titelte in ihrer Ausgabe am 12. März 2008 gar – ich zitiere –: „Jurk bringt Sicherheit nach China“. Herr Jurk, da kann ich nur sagen: Erfüllen Sie Ihre Pflicht als Minister und bringen Sie Sicherheit nach Sachsen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Helfen Sie Herrn Jurk dabei und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Vorwort zum Jahresbericht der Arbeitsschutzallianz Sachsen 2006 heißt es blumig – ich zitiere –: „25 % weniger Arbeitsunfälle bis zum Jahre 2012, so lautet das ehrgeizige Ziel der neuen Gemeinschaftsstrategie der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Gemeint ist damit die Zahl der Arbeitsunfälle bezogen auf die Zahl der Arbeitnehmer. In Deutschland ging diese Zahl von 110 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1 000 Vollarbeiter im Jahre 1960 auf 28,3 im Jahre 2006 zurück. Das ist ein Rückgang um durchschnittlich 1,6 % pro Jahr.“
Sehen Sie, liebe Kollegen der FDP, so schön kann Statistik sein. Während nämlich die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage vom 29. Mai dieses Jahres die Zunahme schwerer Arbeitsunfälle in Sachsen im Fünfjahresvergleich feststellt, kommt die Arbeitsschutzallianz Sachsen zu einem positiven Ergebnis über einen Betrachtungszeitraum von 47 Jahren.
Sicherlich, wenn man über lange Zeiträume Durchschnittswerte bildet, technischen Fortschritt und zunehmende Komplexität von Tätigkeiten sowie die Entwicklung von Arbeitsplätzen allgemein außer Acht lässt, dann kann man ein solches Ergebnis wie im besagten Vorwort erzeugen.
Verehrter Herr Kollege, sind Sie also der Auffassung, dass die jetzt im Amt befindliche Staatsregierung die Verantwortung für die in ihrem Zeitraum dargestellte Entwicklung trägt?
Herr Morlok, wenn Sie meinen Ausführungen weiter lauschen, dann werden Sie auch eine Antwort auf Ihre Frage herausfinden.