Das war, glaube ich, Punkt 17 des ersten NSDAP-Programms, die Brechung der internationalen Zinsknechtschaft.
Sie beklagen scheinheilig das Ende der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. – Als ob es Ihnen darum ginge! Mit Sicherheit nicht!
Nein, der Verfassungsvertrag ist weder die Aufgabe der Souveränität noch das Ende der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich bin eher mit Kollegen Schiemann einer Meinung, dass es das Ende anderer Dinge ist, wie eines Nationalismus, der Europa im vergangenen Jahrhundert entsetzliches Leid gebracht hat.
Sie äußern sich hier mit Wortzitaten, mit Halbwahrheiten, mit Falschzitaten – selbst in Ihrem Antrag. Darin wird zum Beispiel in der Begründung zitiert, im Vertrag würde stehen, die Arbeitsweise der Union beruhe auf dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie. Das ist falsch. Teil 1 Titel VI Art. 46 Abs. 1 lautet: „Die Arbeitsweise der Union beruht auf der repräsentativen Demokratie.“ Das heißt, die repräsentative Demokratie ist konstitutionelles Element der Europäischen Union, der Union selbst, aber auch ein mittelbares Element, das sie über die Verfasstheit ihrer Mitgliedstaaten erlangt und sogleich die Mitgliedstaaten wiederum an dieses Prinzip bindet. Hier wird nichts eingeführt, was in den Mitgliedstaaten und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland nicht bereits vorhanden wäre, sondern eher noch einmal reflexiv, deklaratorisch festgelegt.
Wenn Sie nachdenken würden, dann würden Sie das auch verstehen. Aber das wollen Sie nicht. Sie haben etwas ganz anderes vor.
Nächstes Zitat. Sie schreiben: Die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene seien unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten – so würde es im Vertrag stehen. Weiter behaupten Sie, im Vertragsentwurf würde stehen: „Die Mitgliedstaaten werden im Europäischen Rat und im Ministerrat von den jeweiligen Regierungen vertreten, die ihrerseits den von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten nationalen Parlamenten Rechenschaft ablegen müssen.“
Nein, das Zitat ist unrichtig. Es ist falsch. Titel VI Artikel 46 Abs. 2 lautet: „Die Bürgerinnen und Bürger sind auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten. Die Mitgliedstaaten werden im Europäischen Rat von ihren jeweiligen Staats- oder Regierungschefs und im Rat von ihrer jeweiligen Regierung
vertreten, die ihrerseits in demokratischer Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament oder gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen müssen.“
Das haben Sie unterschlagen. Das ist auch der Einstieg in die folgenden Sätze, in denen Sie die Grundgesetzwidrigkeit, die vermeintliche, des gesamten Verfassungsvertrages begründen. Das ist unredlich, das ist hochgradig unredlich, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der FDP, der CDU, der PDS, der SPD und den GRÜNEN – Uwe Leichsenring, NPD: Das sagen aber Staatswissenschaftler, Herr Dr. Martens!)
Wenn Sie den Verlust unserer Souveränität beklagen, dann haben Sie eines übersehen, nämlich Artikel 11 Abs. 2. Dort steht: „Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig“ – und jetzt kommt es –, „die die Mitgliedsstaaten ihr in der Verfassung zur Verwirklichtung der dort niedergelegten Ziele übertragen haben.“. Die Union kann nur soweit handeln, wie sie ermächtigt wird und nicht weiter. Der Vertrag erfüllt die Kriterien der Ermächtigung aus Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 unter der Beachtung der Schranken aus Artikel 20 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz. Er erfüllt die Kriterien des Bundesverfassungsgerichtes, wonach die Souveränität des Staatsvolkes und seine in Artikel 38 gesicherte Teilhabe durch das Zustimmungsgesetz und den Inhalt des Verfassungsvertrages nicht verletzt werden. Die durch die Wahl der Parlamente bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung werden auch durch die Verlagerung von Staatsgewalt hier nicht unzulässig eingeschränkt, denn das demokratische Prinzip in seinem durch Artikel 20 Abs. 1 und Artikel 79 Abs. 3 geschützten Inhalt wird hier nicht verletzt. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.
Aber dem steht offensichtlich viel im Weg bei Ihnen, denn dann müssten Sie anerkennen, dass der Verfassungsvertrag selbst nur ein völkerrechtlicher Vertrag ist, einer über einen Staatenverbund, aber auch über einen Staatenverbund, der auf Fortentwicklung gerichtet war und auch zukünftig gerichtet sein wird, und das entsprechend der Staatszielbestimmung in Artikel 24 Grundgesetz.
Jawohl, das wollen wir, wenn wir sagen, wir unterstützen den Vertrag, auch wenn er nicht alle Wünsche von allen in allen Ländern erfüllen kann. Das wäre auch gar nicht möglich. So etwas zu verlangen heißt, von vornherein etwas verhindern zu wollen. Nein, Europa bewegt sich langsam, mühselig, aber es hat in den letzten 60 Jahren sehr, sehr viel gebracht: vor allen Dingen Frieden, Wohlstand, Austausch und in der Tat auch das, was man Verständigung nennt und was Krieg in Zukunft – in Europa jedenfalls – unmöglich machen soll.
Sie von der NPD haben damit offensichtlich Probleme. Ich glaube, wenn man sich den Vertrag anschaut, findet man dort auch den Grund, warum Sie ihn absichtlich – ich sage: vorsätzlich – hier falsch zitiert haben. Es ist der Vertrag insgesamt, der Ihnen nicht passt. Ich glaube, es ist vor allen Dingen Titel 1 Artikel 2, der Ihnen nicht
passt. Der lautet nämlich: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Das können Sie nicht ertragen. Genau aus diesem Grunde werden wir Ihrem Antrag hier auch nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Vorredner! Vielleicht geben Sie mir insoweit Recht, dass Völkerverständigung nicht gleichbedeutend sein muss mit Zwangsglobalisierung. Ausgehend von Staatenbund bzw. Bundesstaat und Staatenverbund – der rechtlich relevante Teil des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von 1993 war doch, dass Maastricht nur dann verfassungs- oder grundgesetzkonform ist, wenn es keine eigene Staatlichkeit entwickelt. Schauen wir uns die jetzige Europäische Union an. Wir haben eine EU-Staatsbürgerschaft, die sich aus der Verfassung ergibt. Wenn man eine Verfassung ausarbeitet, die ratifiziert werden soll, die über dem Grundgesetz des Nationalstaates der Bundesrepublik oder auch der anderen Nationalstaaten steht, wenn man sieht, dass die Bundesrepublik 50 % aller Gesetze von Brüssel zumindest in Rahmenbedingungen vorgegeben bekommt, 80 % aller Wirtschaftsgesetze – was ist da noch an Souveränität da? Dann entwickelt die Europäische Union doch Staatlichkeit.
Meine Damen und Herren! Für uns ist die freiheitlichdemokratische Grundordnung keine Phrase und keine Zusammenlegung von irgendwelchen – –
Wünschen, sondern es ist genau die Grundlage des Nationalstaates Bundesrepublik Deutschland. Als die Väter dieses Grundgesetz schufen, haben sie nicht dieses Grundgesetz geschaffen, um eine Europäische Verfassung in irgendeiner Form schon mit zu bedenken, sondern um den Staat Deutschland zu schützen. Da ist das Legitimationskettenprinzip ein ganz wesentlicher Bestandteil. Den sehen wir mit diesen europäischen Richtlinien jetzt zumindest gestört. Im Europäischen Parlament können Entscheidungen getroffen werden gegen alle Vertreter, die in Deutschland in dieses Parlament gewählt wurden. Trotzdem haben sie ihre Gültigkeit im Zweifelsfall. Das ist auch bei allen anderen Ländern so.
Damit ist keine Legitimationskette zum Souverän des deutschen Volkes oder zum Souverän der anderen Völker mehr gegeben.
Sicher steht in Artikel 24 Grundgesetz, dass Abtretung nationaler Rechte möglich ist. Aber auch in diesem Sinne ist jederzeit die Rücknahme dieser Abtretung möglich. Es kann ja nicht sein, dass ich 50 % aller Gesetze abtrete. Welche Legitimation hat der Bundestag dann noch? Das möchte ich schon einmal hinterfragen.
Meine Damen und Herren! Ich war im vergangenen Herbst in Speyer zu den Speyerer Demokratietagen. Was dort in diesem Zusammenhang thematisiert wurde, – –
war dieses Thema, das wir hier und heute angesprochen haben. – Die Hauptprobleme der Bundesrepublik unterliegen nämlich der Tabuisierung. – Es ist bisher nicht in den Parlamenten debattiert worden.
Ja, seit einer Stunde, das ist richtig. Vorher ist es nicht thematisiert worden, weil es zum Beispiel eine Fraktion der NPD in anderen Landes- oder Bundesparlamenten nicht gegeben hat.
Meine Damen und Herren! Warum scheuen Sie denn wie der Teufel das Weihwasser die Volksabstimmung? Sie haben sie gescheut beim Maastrichter Vertrag, Sie haben sie gescheut bei der EU-Verfassung, Sie haben sie gescheut bei dem Thema der Abschaffung der D-Mark. Wahrscheinlich verlassen Sie sich auf den Souverän, das Volk, nämlich doch nicht so. Vielleicht sollten Sie das in Ihrer Entscheidungsfindung bezüglich unseres Antrages auch einmal mit überdenken.
Das ist vielleicht der einzige Punkt, Herr Bartl, wo ich mit Ihnen wirklich übereinstimme, dass die Volksabstimmung, der Volksentscheid das wesentliche Kriterium zu diesem Punkt ist. Wir können damit leben, wenn die Mehrheit nach vorheriger ordentlicher Aufklärung über den Inhalt dieser Verfassung dafür stimmt. Das ist nämlich nicht gegeben. Genau dort ist auch ein Knackpunkt. Wenn die Leute wüssten, welche Rechte abgetreten werden, dann würden sie nicht mit Ja stimmen. Vielleicht überdenken Sie Ihre Position noch einmal. Dass die Meinung aus Ihren Kreisen jetzt so kam, wie Sie sie vorgetragen haben, war ja von vornherein klar. Dass ein Antrag der NPD für Sie nicht zustimmungsfähig ist, ist auch klar. Aber ich denke: Gehen Sie noch einmal in sich und überdenken Sie bitte Ihren Standpunkt.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Es sieht nicht danach aus. Möchte die Staatsregierung sprechen? – Herr Minister Winkler, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die NPD-Fraktion fordert in ihrem vorliegenden Antrag von der Staatsregierung, die Zustimmung zur Ratifikation der EU-Verfassung abzulehnen. Ich möchte Ihnen ganz klar sagen: Wir werden diesem Verlangen nicht nachkommen. Und ich sage Ihnen auch: Wir werden diesem Verlangen aus sachlichen Gründen nicht nachkommen und nicht aus den von Herrn Apfel genannten und unterstellten Gründen. Ich möchte zum Vorredner sagen: Herr Dr. Müller, ich weiß nicht, ob Sie noch praktizieren; ich hoffe nur, dass Sie im Interesse Ihrer Patienten ein besserer Arzt als Verfassungsrechtler sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen hat gerade bei der letzten Bundesratssitzung am 18. Februar dieses Jahres mit allen anderen Bundesländern die Ratifizierung des Verfassungsvertrages in Aussicht gestellt. Jetzt kommt es darauf an – bis zu einer endgültigen Zustimmung des Bundesrates –, dass in den Verhandlungen, die mit der Bundesregierung laufen und bei denen es um die Umsetzung des Verfassungsvertrages geht, noch weitere Verbesserungen bei den Beteiligungsrechten der Länder durchgesetzt werden. Wir als Freistaat Sachsen wollen diese Verhandlungen aktiv mitgestalten. Ich glaube, das ist unsere Aufgabe, und genau das erwarten auch die Bürger von uns.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag macht es aus meiner Sicht noch einmal notwendig, dass ich kurz auf die grundlegende Bedeutung der europäischen Integration hinweise. Die europäische Einigung hat Deutschland nach zwei Weltkriegen die Rückkehr in die Staatengemeinschaft des Kontinents ermöglicht. Europa hat seitdem Frieden und Sicherheit nach innen und nach außen gesichert. Nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs in den Jahren 1989/ 1990 war es auch der europäische Gedanke, der das Vakuum nach dem Systemumbruch in den jetzt neuen Mitgliedsstaaten gefüllt hat. Europas Grundwerte – eine eindeutige wirtschaftliche Orientierung und sein Rechtssystem – boten eine klare Perspektive, die die Stabilität in Mittel- und in Osteuropa sicherte.
Wir sollten zudem nicht vergessen, dass der Transformationsprozess in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung mit Milliardenbeträgen aus dem europäischen Strukturfonds unterstützt wurde; mein Kollege Marko Schiemann hat darauf schon hingewiesen.
In einer immer enger zusammenwachsenden Welt mit globalen Chancen, aber auch – das sehen wir auch – mit globalen Risiken gibt es keine Alternative zur europäischen Integration. Der EU-Verfassungsvertrag, der hier erörtert wird, steht in diesem Kontext. Nach der Erweiterung der EU im letzten Mai brauchte die Union einen neuen Rahmen, um handlungsfähig nach innen wie nach außen zu bleiben. Gleichzeitig war eine Verbesserung der demokratischen Legitimation und der Transparenz notwendig.
Vor diesem Hintergrund wurde der Verfassungsvertrag erarbeitet. Die EU wird durch diesen Vertrag auch nicht zu einem Staat; das Demokratieprinzip hindert Deutsch
land nicht an einer Mitgliedschaft in einer supranationalen zwischenstaatlichen Gemeinschaft. Artikel 23 Abs. 1 des Grundgesetzes enthält vielmehr eine ausdrückliche Ermächtigung, an der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken. Gerade das im vorliegenden Antrag zitierte Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt dies ausdrücklich. Die demokratische Legitimation der EU wird einerseits über die innerstaatliche Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament vermittelt; andererseits legitimiert auch das von den Bürgern gewählte Europäische Parlament europäische Entscheidungen.
Der Verfassungsvertrag bringt gerade im Hinblick auf demokratische Legitimation und Transparenz wesentliche Fortschritte. Sachsen und die anderen Bundesländer haben an der Entstehung dieses Vertrages maßgeblich mitgewirkt und entscheidende Verbesserungen durchsetzen können. Eine ganz wesentliche Verbesserung ist, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente bei europäischen Entscheidungen gestärkt wurden. In Deutschland werden damit auch die Rechte der Länder im Bundesrat gestärkt.
Erstmals können somit nationale Parlamente unmittelbar gegenüber der EU schon in der Entstehungsphase von europäischen Gesetzen ihre Einwände vorbringen, und bei Missachtung des Grundsatzes der Subsidiarität können wir vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben. Auch die Legitimation europäischer Regelungen durch das Europäische Parlament wird durch den Verfassungsvertrag gestärkt. Der Präsident der Kommission wird in Zukunft durch das Europäische Parlament gewählt. Zudem kann das Parlament in Zukunft in mehr Fällen als bisher über die Rechtsetzungsakte mitentscheiden. Auch die Haushaltsbefugnis des Europäischen Parlaments – also, wenn Sie so wollen, das klassische Königsrecht eines Parlaments – wurde nun mit diesem Vertrag gestärkt.
Ich möchte zusammenfassen und will noch einmal sagen: Die EU wird durch den Verfassungsvertrag nicht zu einem Bundesstaat; sie bleibt vielmehr eine supranationale Organisation. Der Verfassungsvertrag stärkt zudem gerade die Rechte des Europäischen Parlaments sowie in Deutschland die Rechte von Bundestag und Bundesrat und damit auch die demokratische Legitimation der Europäischen Union.
Aus diesem Grund begrüßt die Sächsische Staatsregierung den EU-Verfassungsvertrag. Würde man dem Antrag der NPD-Fraktion folgen, machten wir Sachsen zum Außenseiter in Deutschland und zum Außenseiter in Europa, und das wollen die Menschen in Sachsen nicht und das wollen wir auch hier im Hause nicht. Unser Ziel ist es, den europäischen Friedensprozess, der uns letztlich auch die Freiheit gebracht hat, – –