Protocol of the Session on May 30, 2008

Herr Dr. Hähle, Sie sind nun vom Alter her auch schon in der Rente, insofern verstehe ich Ihren aufgeregten Zwischenruf.

Aber ich will Ihnen eines sagen: Ich habe es in der DDR nicht erlebt – das macht die DDR nicht besser, aber ich habe es nicht erlebt –, dass ich in meinem Wohnumfeld, wenn ich früh den Mülleimer ausleere – weil ich mich an der Hausarbeit beteilige –,

(Beifall der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

wie heute ältere Menschen sehe, die sich zum Teil ihren Lebensunterhalt aus der Mülltonne holen. Das gab es zu DDR-Zeiten so nicht und das will ich sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe der Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU, und Martin Dulig, SPD)

Drittens. Altersarmut wird auch dadurch gefördert, dass wir in den Jahren seit 2003 – Herr Dulig, es sind genau die Jahre, als die Agenda 2010 Ihrer Regierung zu wirken begann – eine reale Rentenabsenkung von 10 % zu verzeichnen haben.

(Caren Lay, Linksfraktion: So ist es! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Das ist ein Novum in der gesamten deutschen Geschichte. Wenn Sie jetzt sagen, die Erhöhung von 1,1 % sei ein Geschenk, das eigentlich gar nicht im Rentenplan gestanden habe, dann sage ich: Es ist ein Almosen, weil schon die Preissteigerung von 3,1 % in Sachsen in diesem Jahr – letzte Meldung – das auffressen würde.

Viertens. Altersarmut liegt heute in Sachsen bei etwa 20 %, wenn ich alles statistisch zusammenrechne. Bis zum Jahr 2020 könnte das, wenn es nicht endlich zu

einem Umsteuern in der Politik kommt, ein Drittel sein, und das macht mir Angst. Die gegenwärtige Staatsregierung – ich weiß gar nicht mehr richtig, wer dazugehört – verdrängt die Probleme und sie hat vor allem, was ich dann noch darstellen werde, kein Konzept. Aussitzen genügt nicht. Armut muss man bekämpfen, und Armut bekämpft man in erster Linie durch einen gerechten Kurs der Umverteilung von oben nach unten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der CDU. Herr Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann gut dort anknüpfen, wo Herr Pellmann aufgehört hat. Er hat gesagt: Die Koalition hat keine Konzepte. – Ich will jetzt ganz konkret darauf eingehen, was man gegen Armut tun kann.

Punkt eins – das haben wir schon gesagt –: sozial ist, was Arbeit schafft!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Gut bezahlte Arbeit!)

In der Kurzfassung des Berichts steht auch, dass einfache Tätigkeiten ins Ausland verlagert werden und dass wir kaum Jobs für gering Qualifizierte in Deutschland haben. Das Rezept der Union lautet: Kombilohn, also einen Lohnzuschuss für diejenigen, die einen Lohn beziehen, von dem sie nicht existenzsichernd leben können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist ja eine Umverteilung von oben nach unten!)

Sie sind für Umverteilung, Herr Kollege Porsch, insofern können Sie sich jetzt schlecht beschweren.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Herr Prof. Porsch, bitte!

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ja, trotzdem.

Ich sage aber auch ganz deutlich: Der Mindestlohn führt in die Irre, er wird keine Lösung sein. Denn wenn Arbeit zu teuer ist, wird sie nicht nachgefragt und wandert ins Ausland ab. Wir sind also besser beraten, einen Lohnzuschuss zu zahlen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Bei uns muss aber auch gelten, dass sich Arbeit lohnt. Wir haben in den vergangenen Jahren Reallohnverluste bei den Arbeitnehmern zu verzeichnen.

(Caren Lay, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

In diesem Jahr haben wir erstmals Tarifsteigerungen oberhalb der Teuerungsrate. Das ist eine gute Botschaft für die Beschäftigten. – Aber ich will erst einmal Frau Lay das Wort geben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Krauß?

Frau Lay, bitte.

Verehrter Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass Sachsen dasjenige Land mit dem höchsten Anteil von sogenannten Aufstockern ist, von Menschen, die trotz ihrer Arbeit noch Hartz IV erhalten, die also arm trotz Arbeit sind? Frage eins.

Zweitens. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass dies faktisch schon eine Kombilohnregelung ist, die Sie hier als Novum und Idee der CDU-Fraktion präsentieren?

Sie haben vollkommen recht, dass das ein Ansatzpunkt ist, der in Richtung unseres Kombilohnes geht. Ich will ganz deutlich sagen: Man muss unterscheiden: Wenn jemand, der teilzeitbeschäftigt ist, aufstockt, ist das doch nur selbstverständlich, dass er kein Einkommen von, sagen wir, 1 500 Euro erzielen wird, wenn er zehn Stunden in der Woche arbeitet.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir reden von Vollzeitbeschäftigung!)

Da ist es völlig normal, dass man aufstockt, und das ist der richtige Weg. Bei jemandem, der Vollzeit arbeitet, ist es mir lieber, wir bezahlen etwas dazu, als dass er zu Hause sitzt und überhaupt keine Arbeit hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage aber auch: Wir brauchen starke Gewerkschaften, die faire Löhne aushandeln. Wer in eine Gewerkschaft eintritt, der bekämpft Armut.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Frau Lay, bitte.

Herr Kollege, wäre es aber dann nicht besser, dass die Menschen, die einer Vollzeittätigkeit nachgehen, von ihrem Unternehmen, bei dem sie beschäftigt sind, so viel Lohn erhalten würden, dass sie davon tatsächlich leben könnten? Würden Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es ein viel besseres Instrument der Armutsbekämpfung wäre, wenn wir einen Mindestlohn endlich auch in der Bundesrepublik und in Sachsen einführen würden?

(Zuruf von der FDP: Nein!)

Der Lohn bemisst sich nach der Produktivität einer Arbeit. Wenn die Produktivität nicht vorhanden ist, dann kann der Unternehmer das nicht bezahlen, weil er sonst pleitegeht. Wir haben die Entwicklung, dass Arbeitsplätze im gering qualifizierten Bereich dann ins Ausland abwandern. Deswegen kann das nicht

die Lösung sein. Ich bin aber dafür, dass die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern zusammen in dieser Tarifpartnerschaft genau festlegen, was ein guter Lohn ist.

(Stefan Brangs, SPD: Also Kombilohn, kein Mindestlohn mehr?!)

Gut, freut mich. – Kommen wir zu einem zweiten wichtigen Punkt, zum Thema: „Wie kann man Armut bekämpfen?“ Das ist der Punkt Bildung, der enorm wichtig ist. Das zweite Konzept muss also lauten: Bildung, Bildung, Bildung! – Das sagt auch der Bericht. Denn Bildung ist der Schlüssel zur Teilhabe.

In Sachsen haben wir gesagt: Wir beginnen ganz früh. Wir haben Mittel in einem dreistelligen Millionenbereich in die frühkindliche Bildung investiert, wir haben den Bildungsplan, wir haben die Schuleingangsphase, wir haben das Schulvorbereitungsjahr.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Diese Investitionen in den frühkindlichen Bereich, in die Kindergärten, werden sich auszahlen, wenn die Volksweisheit stimmt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Merkt man!)