Protocol of the Session on May 29, 2008

Wo können geeignete Lösungsstrategien liegen? Zunächst müssen die naheliegenden Potenziale erschlossen werden. Sicher ist, sächsische Abiturienten müssen noch stärker als bisher für ein Studium geworben werden. Der Hochschulzugang muss vor allem für berufserfahrene Bewerber ohne allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife geöffnet werden. Sachsen hat im Bundesvergleich die restriktivsten Zugangsregelungen. Für die laufende Hochschulgesetzgebung heißt das, das Studium auf Probe und der Hochschulzugang für Meister müssen endlich ins Gesetz. Darüber hinaus muss geprüft werden, wo Reserven in der Weiterbildung liegen.

So wichtig diese Maßnahmen auch sind, unser entscheidendes Ziel muss es sein, den Anteil westdeutscher und ausländischer Studierender zu verdoppeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Herausforderung ist enorm, wenn man bedenkt, dass Studienanfänger in Ost wie in West ihre Studienplätze zu 80 % in Heimatnähe suchen. Das nahe liegende Instrument ist sicher die Studierendenwerbung. Die Bemühungen der Hochschulen um Studierendenwerbung sind derzeit allerdings gering. Alle Hochschulen geben für ihre Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich jeweils unter 100 000 Euro im Jahr aus. Der Freistaat plant zusätzlich zu diesen Maßnahmen eine Kommunikationskampagne im Umfang von 2,3 Millionen Euro, die sich vor allem um den Studienstandort Sachsen dreht. So sinnvoll und notwendig Studierendenwerbung ist, so fraglich ist die Ausrichtung dieser Imagekampagne.

Angesichts des bekannten Studienwahlverhaltens, das sich nach Studienstandorten und hochschulspezifischen Studienangeboten richtet, wird die geplante Strategie der Kommunikationskampagne kaum zum Ziel führen. Anstatt den gesamten Studienstandort Sachsen zu bewerten, scheint es uns sinnvoller, von vornherein mit den Hochschulstädten und Studienangeboten zu werben. Genau diese Strategie schlägt unseres Wissens die Staatsregierung den Hochschulen aus.

Jenseits der Ausrichtung solcher Maßnahmen ist fraglich, ob die Hochschulen halten können, was das aufgebaute Image verspricht. Das CHE-Hochschulranking hat das kürzlich schonungslos gezeigt. Die Studienbedingungen hierzulande sind leider nicht vorzüglich, sondern schlechter Durchschnitt. Wer ausländische Studierende von den Vorzügen der sächsischen Hochschulen überzeugen will,

der muss erst einmal auf diesem Gebiet seine Hausaufgaben machen.

Neben der Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen gehören dazu drei Bereiche: die Internationalität, die Attraktivität für weibliche Studierende und die sozialen Rahmenbedingungen. Die Antwort der Staatsregierung zeigt, dass es auch hier enorme Reserven gibt.

Der Anteil der ausländischen Studienanfänger ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das breite Angebot an Maßnahmen zur Begleitung, besonders der sprachlichen Vorbereitung, wird aber durch eine teilweise schon eingeführte Gebührenpflicht gefährdet.

Auch die Ansätze, mehr Frauen für technikwissenschaftliche Studien zu gewinnen und das Studienangebot spezifisch auf ihre Lage zuzuschneiden, sind unzureichend. Die sozialen Rahmenbedingungen sind ein wesentlicher Faktor, um insbesondere auswärtige Studierende anzuziehen. Über die hierzulande günstigen Lebenshaltungskosten hinaus lassen sich die sozialen Rahmenbedingungen durch Mensen und Wohnheime und sonstige Dienstleistungen der Studentenwerke beeinflussen. Gerade die Wohnheime bieten ein erhebliches Potenzial, wenn es um die Gewinnung weiterer ausländischer Studierender geht.

Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der Großen Anfrage zeigen alles in allem: Der Freistaat und die sächsischen Hochschulen sind bisher unzureichend auf die demografische Entwicklung vorbereitet. Das heißt erstens, die sächsischen Hochschulen werden den Rückgang der Studierendenzahlen kaum vermeiden können; zweitens droht angesichts eines Rückgangs der Studierendenzahlen ein massiver Abbau, der die Hochschulen weiter schwächen würde. Drittens folgt daraus, Freistaat und Hochschulen müssen kurzfristig Konzepte entwickeln, um dem entgegenzuwirken und damit mittel- und langfristig die Studierendenzahlen zu stabilisieren.

Das Handeln der Staatsregierung ist gefragt. Die Staatsregierung hat aber die Absicht, mit der Hochschulentwicklungsplanung – Zitat – „die künftigen Strukturen der sächsischen Hochschullandschaft an aktuelle und heute absehbare Herausforderungen anzupassen“.

Diese offene Position lässt die Möglichkeit eines Personalabbaus an den sächsischen Hochschulen zu, welche der Hochschulvereinbarung 2003 vergleichbar ist oder sogar drastischer ausfallen kann.

Welche Maßnahmen in dieser Situation geboten sind, darauf werde ich bei der Einbringung unseres Entschließungsantrages eingehen. Ich bitte Sie aber jetzt schon um Zustimmung zu den Feststellungen dieses Entschließungsantrages und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage zur Zukunft sächsischer Hochschulen in Abhängigkeit von der demografischen Entwicklung erweckt im Hinblick auf 115 Einzelfragen den Anschein, als wäre der Fragenumfang adäquat zur Fragenqualität – doch weit gefehlt.

Natürlich sind die Auswirkungen des demografischen Wandels wichtig für die Zukunft der sächsischen Hochschulen, zumal die Große Anfrage ja auch andeutet,

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

wie weit gespannt die Konsequenzen sind.

Frau Kollegin, ich habe ja noch gar nichts Inhaltliches gesagt. Aber bitte, Sie können immer kommentieren.

(Caren Lay, Linksfraktion: Ja!)

Das alte Motto „Weniger ist manchmal mehr“ trifft einfach auch auf diese parlamentarische Drucksache zu. Selbst das Ministerium vermag der Fragenflut nur dadurch Herr zu werden, indem es bei mehr als 20 % aller Antworten lediglich Querverweise auf bereits getroffene Aussagen gibt oder feststellt, dass mangels Statistik keine Antwort und keine Aussage getroffen werden kann.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Besieht man sich den Fragenkatalog noch genauer, wird erkennbar, dass knapp die Hälfte der Fragen gar nicht in Verbindung mit dem demografischen Wandel steht, sondern dass Auskunftswünsche zu allgemeinen hochschulpolitischen Problemen das eigentliche Anliegen sind. Deshalb kann man aus der Fülle von Fragen im Rahmen einer Landtagsdebatte

(Zurufe von den GRÜNEN)

nur zwei bis drei Problemstellungen näher betrachten, und ich möchte die folgenden dabei auswählen.

Ja, es trifft zu, dass bezogen auf den Zeithorizont 2020 die Studienanfängerzahlen sinken werden, obwohl Sachsen im Rahmen des Hochschulpaktes zunächst bis 2010 sein Studienanfängerniveau von knapp 20 000 aufrechterhält.

Dem Ministerium ist zuzustimmen, dass man heutigen Tages keine belastbaren Vorhersagen über die Zeit danach treffen kann; was nicht heißt, dass man nicht frühzeitig Vorsorge treffen sollte.

Klar ist, dass gerade für den Zeitraum 2010 bis 2014 die größten Unsicherheiten in der Prognose bestehen; denn noch kann das Verhalten westdeutscher Abiturienten aus den doppelten Abiturjahrgängen dieser Bundesländer nicht vorhergesagt oder gar belastbar eingeschätzt werden. Dazu noch eine etwas grundsätzlichere Anmerkung.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns in Sachsen weiter um das Thema Studiengebühr herummogeln, befürchte ich eine Verschärfung der Probleme. Denn wir werden bei sinkenden Zahlen von Studierenden gleichzeitig die Notwendigkeit haben, die Qualität in Forschung und Lehre durch zusätzliche Finanzmittel in beachtlichem

Umfang zu steigern, welche das Land nicht in entsprechender Größenordnung zur Verfügung stellen kann, während die Universitäten und Hochschulen mit Studiengebühren diese Einnahmen zur Verbesserung von Lehre und Forschung einsetzen könnten.

Doch um nicht missverstanden zu werden betone ich, das ist gegenwärtig kein Thema in Sachsen. In diesem Tenor beantwortet das Ministerium ja auch die Fragen 10 bis 12. Aber bezogen auf den Zeithorizont von fünf, sechs oder acht Jahren, meine Damen und Herren, wird es ein Thema werden und wir werden keine Insel der Seligen bleiben. Schon heute fordern – wie im Zusammenhang von Stellungnahmen zum Referentenentwurf zum Hochschulgesetz geschehen – Universitäten einen finanziellen Ausgleich für verloren gegangene Einnahmemöglichkeiten durch Gebühren.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Doch zurück zu den eigentlichen Punkten; aber das war auch einer der Fragepunkte der Großen Anfrage.

Meine Damen und Herren! Erst eine gründliche Hochschulentwicklungsplanung, an der das SMWK arbeitet, wird Aufschluss darüber geben können, auf welches Niveau die Studienanfängerzahlen wirklich sinken können und wie sich dieser Prozess auf die Hochschulen und einzelne Fachrichtungen auswirken wird.

Die zur Antwort auf Frage 4 abgedruckte Tabelle über die Herkunft der deutschen Hochschulzugangsberechtigten im Jahre 2005 in der Relation – und ich runde etwas auf und ab –, dass nämlich zwei Drittel aus Sachsen kamen, ein Viertel aus den übrigen neuen Bundesländern und rund ein Zehntel aus den alten Ländern, zeigt, dass besonders die Position westdeutscher Bundesländer, um hier – sage ich einmal – Studienanfänger zu gewinnen, gesteigert werden muss.

Breiten Raum nimmt in der Großen Anfrage der Aspekt ein, wie sich die Hochschulen selbst auf die veränderten Bevölkerungsentwicklungen einstellen. Das heißt: Wer hat dazu bereits ein Konzept oder gar Initiativen ergriffen? Da, meine Damen und Herren, muss ich sagen, erschreckt mich die Darstellung des Ministeriums, nämlich über die große Differenzierung, über die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Institutionen in Sachsen. Während die TU Dresden seit 2005 ein eigenes Zentrum für demografischen Wandel betreibt und daraus Schlussfolgerungen zur Nachwuchsförderung, zum nationalen und internationalen Forschungsdialog oder auch für Werbeaktionen oder Aktivitäten um Studierende von außerhalb Sachsens ableitet, hat, wenn die Angaben des SMWK zutreffend sind – und ich habe keinen Zweifel daran –, die Uni Leipzig – ich zitiere – „gegenwärtig keine konkreten Konzepte zum Umgang mit der demografischen Entwicklung“.

Auch zwischen den übrigen Universitäten, Hochschulen und Studienakademien werden auffällige Niveauunterschiede erkennbar, und ein eher zaghaftes konzeptionelles Herangehen ist gegenwärtig generell zu verzeichnen.

Hieran sollten die Hochschulen in der kommenden Zeit rasch und verstärkt arbeiten. Vielleicht wäre die Landesrektorenkonferenz, um nicht immer nur nach dem Staat zu rufen, wie man es jetzt schon in dem Entschließungsantrag sehen kann, das geeignete Gremium, hier koordinierend und aktivierend zu wirken.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Die Große Anfrage stellt berechtigterweise einen Zusammenhang zwischen den Studienanfängerzahlen und den gegenwärtig bestehenden Hochschulzulassungskriterien her. Hier machen die Antworten deutlich, dass der Gesetzgeber zum Beispiel im Zusammenhang mit der anstehenden Novellierung des Hochschulgesetzes aufgefordert ist – und die Koalitionsfraktionen haben das auf ihrer Agenda –, für verbesserte und flexiblere Voraussetzungen zu sorgen. So sollte eine Hochschulzulassung neben dem Abitur und ihm gleichgestellten Qualifikationen – denken Sie an Fachhochschulreife und Ähnliches – zukünftig auch für Bewerber mit abgeschlossener Berufsausbildung und Zugangsprüfung oder für Bewerber mit einer Meisterprüfung ermöglicht werden, damit wir eine Klientel zum Hochschulstudium bekommen, die das bisher nur unter sehr erschwerten Voraussetzungen oder letztlich gar nicht ermöglicht bekam. Denn auch solche Regelungen können dem Abschmelzen des Anfängerniveaus auf einem gewissen Niveau eine spürbare Kompensation entgegensetzen.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Abschließend noch ein paar Anmerkungen zum Frageteil Schule/Hochschule. Die Anstrengungen der Schule zur besseren Vorbereitung auf Studienwünsche durch Beratung, Projekttage, Tage der offenen Tür an den Hochschulen und andere sind in den letzten Jahren deutlich verstärkt worden. Zumindest ein Teil der beabsichtigten Reform der gymnasialen Oberstufe ist dem Ziel gewidmet, durch vertiefte mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen bessere Voraussetzungen für die universitäre Anschlussfähigkeit zu erwerben.

Aber trotz eines Zentralabiturs in Sachsen beklagen die meisten Hochschulen, dass für Studiengänge mit besonders hohen Anteilen an mathematischen und naturwissenschaftlichen Fertigkeiten nach wie vor große Wissensunterschiede auftreten, weshalb an vielen Hochschulen im ersten Semester Sonderveranstaltungen angeboten werden müssen, um diese Defizite auszugleichen.

Meine Damen und Herren! Diesem anhaltenden Zustand muss mit dem Ziel stärkerer Vergleichbarkeit der erworbenen Kompetenzen nachgegangen und er muss möglichst rasch im Lande überwunden werden. Ansonsten jedoch existieren, wie in der Antwort zur Frage 42 ausgeführt, zahlreiche Angebote für die Schnittstelle Schule/Hochschule, sodass die Aussage des Ministeriums, die Kooperation zwischen beiden Bildungsstätten sei positiv, nur unterstrichen werden kann.

Eine bessere Vorbereitung auf Anforderungen des Studiums und eine zielgenaue Beratung bleiben dennoch unverzichtbar, auch um die nach wie vor zu hohen Studienabbrecherquoten zu senken. Insofern sollten künftig in unserem Hochschulgesetz – wir werden sicherlich darüber diskutieren –, beispielsweise in § 35, auch Regelungen aufgenommen werden, damit durch geschickt angesetzte Prüfungsleistungen im Sinne von Orientierungsprüfungen die Studieneignung schneller erkennbar wird. Aber das ist Debatte der kommenden Monate.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage enthält eine Fülle nützlicher Detaileinsichten und -übersichten, auch wenn, wie bereits angedeutet, ein großer Teil der 115 Fragen keinen direkten Bezug zum demografischen Wandel aufweist.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)