Protocol of the Session on May 29, 2008

Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Es beginnt die Fraktion der CDU, danach Linksfraktion, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich frage, ob das Wort genommen werden möchte? – Das ist nicht der Fall.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Wird doch das Wort gewünscht? – Dann Frau Werner, bitte

Wir haben uns darauf geeinigt, unsere Rede zu Protokoll zu geben.

(Beifall bei der CDU)

Wünschen weitere Fraktionen das Wort? – Bitte, Frau Herrmann.

Ich gebe meine Rede auch zu Protokoll.

Frau Dr. Schwarz, bitte.

Herr Präsident! Ich gebe den Redebeitrag der Koalition auch zu Protokoll.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wollen dies noch weitere Fraktionen tun? – Das ist nicht der Fall. – Entschuldigung, die Staatsregierung, Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller.

(Empörte Zurufe von der CDU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich vertrete meine geschätzte Kollegin Helma Orosz, und damit keine Irritationen über meine Ressortzuständigkeit entstehen, möchte ich die Rede zum Frauenförderungsbericht gern zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU)

Schon haben Sie die Sympathien wieder zurück, die Sie gerade verloren hatten. – Meine Damen und Herren, wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend in der Drucksache 4/12162 ab. Wer ihr seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist dies einstimmig so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 11 ist beendet.

Erklärungen zu Protokoll

Ich sehe, Sie sind alle sehr gespannt, etwas über den dritten Erfahrungsbericht der Sächsischen Staatsregierung zur Situation von Frauen im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen und zur Umsetzung des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes zu erfahren.

Zunächst ein Lob und ein Dank an die Sächsische Staatsregierung. Der Bericht ist sehr offen, benennt klar Defizite und versucht Gründe für Ungleichheiten zu finden.

In der Anhörung im Sozialausschuss wurde dies von den Sachverständigen lobend erwähnt, aber auch Schwierigkeiten benannt und Änderungen angemahnt. Diese Problembereiche möchte ich heute noch einmal ansprechen. In der damaligen Ausschussdiskussion wurde den Parlamentariern angetragen, parlamentarisch aktiv zu werden. Da dieses Thema ein Querschnittsthema ist, also nicht nur den Sozialbereich betrifft, und es die Bereitschaft des gesamten Plenums braucht, werden Sie sicher mit großem Interesse den Ausführungen folgen.

Was ist herauszulesen? Vier Problembereiche: Bestimmungen des Frauenförderungsgesetzes werden nicht überall umgesetzt. Wie will das Sächsische Staatsministerium darauf reagieren? Es werden Schwierigkeiten benannt, zum Beispiel für Beschäftigte mit Teilzeit oder bei der Besetzung von Führungspositionen, aber nur wenige Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Der Novellierungsbedarf für das Frauenförderungsgesetz muss diskutiert und weitere statistische Daten müssen erhoben werden.

Zu den Gesetzesverletzungen, die auch von den Sachverständigen ziemlich klar benannt wurden, gehört, dass es in manchen Behörden keine Frauenförderungspläne gibt, obwohl es gesetzlich vorgeschrieben ist, dass keine Frauenbeauftragten bestellt sind und dass Probleme bei der Entlastung von Frauenbeauftragten und bei der Beteiligung in den Gremien festzustellen sind. Das sind nicht hinzunehmende Zustände und es stellt sich die Frage, wie das SMS darauf reagieren wird.

Weiterhin wurde auf die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten hingewiesen. Dies betrifft mehrheitlich Frauen und hat damit Auswirkungen auf das Gehalt und zum Teil

auch darauf, tatsächlich in Spitzenfunktionen aufzusteigen.

Eine Sachverständige mahnte an, dass durch das nun bestehende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz deutlich wird, dass kaum statistische Angaben zu bestimmten Kriterien, wie zum Beispiel Frauen mit Behinderung, Migrantinnen, Geschlecht und Alter oder auch Geschlecht und sexuelle Belästigung, vorhanden sind. Das könne nicht zufrieden stellen. Wir fordern das SMS auf, durch eine entsprechende Änderung der Frauenförderungsstatistikverordnung die eben genannten Kriterien aufzunehmen.

Aber auch die vorhandene Datenbasis ist zum Teil nicht stimmig. Gerade im Bereich der sexuellen Belästigung können die genannten Daten auf keinen Fall stimmen. Vorgeschlagen wurde, beispielsweise durch Umfragen zu realistischeren Ergebnissen zu kommen.

Sprechen muss man auch noch einmal über die Widersprüche seit Bestehen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Im Frauenförderungsgesetz wird von einer „erkennbaren unerwünschten Behandlung“ gesprochen. Im Gegensatz dazu sei im Gleichbehandlungsgesetz eine Formulierung enthalten, die tatsächlich einen besseren Schutz der Frauen vor sexueller Belästigung ermögliche, weil hier auf den Vorsatz des Belästigers verzichtet wird.

In der Anhörung wurde ein notwendiger Novellierungsbedarf des Frauenförderungsgesetzes angesprochen, das sich im Prinzip seit 1994 kaum verändert habe. Gründe sind die Anpassung an das Allgemeine Gleichstellungsgesetz und entsprechende europäische Richtlinien.

Wichtig ist mir, über Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen zu sprechen. Wie können wir erreichen, dass die Gender-Kompetenz tatsächlich in die Köpfe kommt und dass man einen gescheiterten Gender-MainstreamingVersuch im Ministerium gehabt hätte?

Welche Strategien hat das SMS für sich in Auswertung dieses Frauenförderungsberichtes gefunden und wie sollen diese umgesetzt oder „überwacht“ werden, wie es ein Sachverständiger in der Anhörung nannte?

Sie sehen, eine ganze Reihe offener Fragen stellt sich hier. Ich wünsche mir, dass wir uns fraktionsübergreifend diesen Fragen stellen.

Im Koalitionsvertrag haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD, die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an Entscheidungsprozessen, die gleichberechtigte Teilhabe in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an unbezahlter Familienarbeit und bezahlter Erwerbsarbeit als Ziele Ihrer Regierung festgeschrieben. Der öffentliche Dienst ist ein Bereich, in dem sie diese Ziele auch tatsächlich umsetzen könnten, wenn Sie denn wollten. Der dritte Frauenförderbericht zeigt, dass Sie dies nicht tatsächlich wollen.

Sie, Frau Ministerin Orosz, feierten die Veröffentlichung des Berichtes mit der Feststellung, der öffentliche Dienst sei die Domäne der Frauen. Auf den ersten Blick stimmt das wohl. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass auch im öffentlichen Dienst die gleichen strukturellen Hürden wirken, die Frauen auch in anderen Berufen das Weiterkommen erschweren: So finden sich in den obersten Leitungsfunktionen bei der Polizei 7,2 % Frauen, in den Hochschulen liegt der Frauenanteil in diesen Positionen bei 12,8 %. Bei der Staatsanwaltschaft gab es in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen, trotzdem beträgt der Anteil von Frauen bei den Oberstaatsanwälten immer noch unter 20 %.

Insgesamt sind 93,3 % der ohne Bezüge Beurlaubten im öffentlichen Dienst Frauen. Frauen arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit als Männer. Das hat nicht nur gravierende Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn – denn wie der Bericht zeigt, sind Teilzeitarbeitende bei Beförderungen immer noch benachteiligt –; Teilzeitarbeit wirkt sich auch direkt auf die soziale Sicherung aus – im Fall von Arbeitslosigkeit genauso wie bei der Rente.

Aber lassen Sie mich ein Problem gesondert herausgreifen, weil es sich dabei um die Ministerien handelt: die Besetzung der Gremien durch die Ministerien. In 422 Gremien sitzen 610 Männer und 302 Frauen, es sind also doppelt so viele Männer wie Frauen vertreten. Dabei schwankt der Frauenanteil in den unterschiedlichen Ministerien deutlich. So liegt er in den Gremien des SMWA bei sagenhaft niedrigen 19,2 % und in den Gremien des SMF nur wenig besser bei 23,1 %. Und dies, obwohl § 15 des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes die Ministerien anhält, auf eine paritätische Besetzung hinzuwirken.

Die betroffenen Ministerien reden sich dann laut Bericht mit der Begründung heraus, dass Gremien nach Dienststelle und Eignung besetzt werden. Dies lässt tief blicken, meine Damen und Herren; heißt es doch, dass die Leitungspositionen in den Ministerien hauptsächlich männlich besetzt sind. Vielleicht sollten Sie sich in den Ministerien einfach einmal darum bemühen, dass mehr Frauen in den entsprechenden Positionen arbeiten, die dann auch in die Gremien entsandt werden können. Dieser Punkt ist übrigens auch in der Anhörung kritisiert worden.

Nun können Sie sagen, Köpfe zählen ist doch nicht alles. Das mag stimmen, zeigt uns aber eines immer wieder sehr

deutlich: nämlich dass Lebenschancen immer noch vom Geschlecht abhängen, dass Frauen eben nicht gleichberechtigt an Entscheidungsprozessen beteiligt sind und dass sich bezahlte und unbezahlte Arbeit nicht gleich zwischen Männern und Frauen verteilt.

Ein Anfangspunkt, um Frauen längerfristig zu fördern, sind Frauenförderpläne. Obwohl das Frauenförderungsgesetz seit 1994 gilt, waren im Innenministerium zum Zeitpunkt des Berichts in neun Dienststellen immer noch keine Frauenförderpläne erlassen, in vier Dienststellen wurde der Frauenförderplan nicht neu erlassen und in einer Dienststelle nicht fortgeschrieben. Dort, und auch in anderen Dienststellen, in denen es noch keine Frauenförderpläne gibt, wurde also noch nicht einmal der erste Schritt vollzogen. Aber, wie auch Dr. von Roetteken in der Anhörung feststellte: „Gesetze sind von der Verwaltung im Rechtsstaat zu erfüllen und einzuhalten und zwar unabhängig davon, ob die konkreten Leitungen das Gesetz für sinnvoll oder weniger sinnvoll halten oder gar ablehnen.“ Daher ist es Ihre Aufgabe, liebe Regierung, die Einhaltung rechtsaufsichtlich zu kontrollieren.

Wir haben vielfach Vorschläge unterbreitet, wie die Ungleichheit der Chancen von Männern und Frauen von ganz verschiedenen Seiten aus angepackt werden kann, und werden dies auch weiter tun.

Was vor allem für den öffentlichen Dienst notwendig ist, um Benachteiligungen und Diskriminierungen zumindest ein Stück weit zu beheben – das zeigt auch die Anhörung –, ist ein modernes und innovatives Gleichstellungsgesetz und der politische Wille, es tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Der vorliegende Bericht zeigt deutlich, welche gravierenden Lücken es bei der Umsetzung des verfassungsrechtlich verankerten Gleichstellungsgebotes noch gibt. Da ist einerseits positiv anzumerken, dass der Bericht nichts beschönigt oder vertuscht; andererseits ist es nicht zufriedenstellend, wenn es um die Inhalte der Arbeit von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hier im Lande geht. Ich weiß auch, dass das Thema bei vielen Kollegen nicht so ganz ernst genommen wird, da die Meinung besteht, es gebe wichtigere Probleme, und die Auffassung – leider auch von vielen Kolleginnen – vorherrscht, die Gleichstellung von Frau und Mann sei doch längst gang und gäbe.

Zu beiden Auffassungen muss jedoch gesagt werden: Weder das eine noch das andere ist richtig. Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass der seit Jahren andauernde Beschäftigungsrückgang im öffentlichen Dienst in Sachsen zulasten der Frauen erfolgt. Weiterhin wird deutlich, dass Frauen weniger Chancen auf Aufstieg und Beförderung haben. Dies resultiert auch aus einer nach wie vor anhaltenden Benachteiligung von Teilzeittätigkeiten. 82 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Bei den Führungspositionen dominiert das gewohnte Bild. Trotz des hohen Frauenanteils in allen Bereichen nehmen die Frauenanteile mit steigender Laufbahngruppe ab. Eine moderne Personalpolitik sieht bestimmt anders aus. Ich

hoffe, dass zukünftig immer mehr Männer in Teilzeit arbeiten und sich dadurch die Familienarbeit mit ihren Partnerinnen teilen. Der öffentliche Dienst ist hier gefordert, auch in diesem Bereich Vorreiter zu sein.

Nach wie vor gibt es in einigen Dienststellen keinen Frauenförderplan und keine Frauenbeauftragten. Auch bei der Gremienbesetzung ist noch einiges an Nachholbedarf festzustellen. Derzeit sind 33 % der Gremienstellen, die im Bericht erfasst worden sind – das sind längst nicht alle –, mit Frauen besetzt. Hier hört man häufig die Argumente, dass erstens nicht genug Frauen zu finden seien, die die Aufgabe übernehmen würden, und man zweitens keinen großen Einfluss auf die Zusammensetzung habe, da Vorschläge anderer Bereiche ausschlaggebend seien. Hierzu möchte ich Herrn Dr. Torsten von Roetteken, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt, zitieren, der in der Ausschussanhörung zu diesem Thema sagte, dass es in der Verantwortung der Personalleitung liege, Frauen zu finden und entsprechend fit zu machen.

In Norwegen beispielsweise ist bei Nichteinhaltung der Vorgaben mit Sanktionen zu rechnen. Er bemängelte damit, dass es an der Tagesordnung sei, entsprechende gesetzliche Vorgaben nicht einzuhalten, und keinerlei aufsichtsrechtliche Mittel eingesetzt würden, um diese Nachlässigkeiten einzuschränken.

Weitere Anregungen aus der Anhörung sind folgende: Ausbau der Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten (echte Vetorechte) und der Frauenbeauftragten (Wider- spruchsrecht), Freistellungsregelungen für die Beauftragten analog den Personalräten, bessere Ausstattung der Büros, flexiblere Frauenförderpläne, eine Entscheidungsquote statt der Bevorzugungsregelung, Anreizsysteme für wirkliche Gleichstellungsmaßnahmen (Gender Bud- geting).

Alle diese Vorschläge sind ebenfalls und ganz besonders für die regionalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden, Landkreisen und Kommunen anzuwenden, auf die ich am Ende kurz eingehen will. Gerade dort sind die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten wichtige Anlaufstellen für Frauen, entwickeln und unterstützen die frauenpolitische Infrastruktur und unterstützen frauen- und geschlechterpolitische Themen. Trotz fachlicher Akzeptanz, erfolgreicher Arbeit und nicht erreichter Gleichstellung werden ihre Rahmenbedingungen verschlechtert.

Diese Entwicklung stellen wir auch in Sachsen seit geraumer Zeit fest. Wir werden viel zu tun haben, damit die Kreisgebietsreform nicht zu einem weiteren Abbau der Interessenvertretung von Frauen vor Ort führt.

Auch muss noch einmal betont werden, dass die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Ansprechpartnerinnen für Frauen und Männer sind; denn es geht um gleiche Rechte für beide Geschlechter.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht zeigt die Situation objektiv und liefert somit eine gute Grundlage für notwendige Maßnahmen und Verbesserungen, über