Protocol of the Session on May 29, 2008

Ich denke, wir sollten dazu übergehen, dass Berufspraktika zum Standard werden, auch in niedrigeren, früheren Klassen. Vorhin wurde es bereits angesprochen. Und wir sollten auch die Lehrer im Blick haben. Warum sollen Lehrer nicht verpflichtet werden, in Unternehmen regelmäßig Praxiseinsätze durchzuführen, damit sie Berufsorientierung auch glaubwürdig durchführen können?

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE, bei der CDU und der SPD)

Wenn wir dies beachten, meine ich, wird das Problem zumindest einer Lösung näher kommen. Aber ich denke, dass die heutige Debatte nur ein Auftakt ist. Wir werden in Zukunft weiter über die Modernisierung im beruflichen Ausbildungswesen debattieren müssen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU; Herr Rasch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht so sehr um die Frage, Erfolge zu spiegeln. Aber auch die Erfolge sind wichtig. Ich will nur einen einzigen Erfolg beitragen: dass ein Viertel der Ausgebildeten im Handwerk inzwischen Mädchen sind. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17 %. Warum nenne ich ausgerechnet dieses Beispiel? – Weil es auch eine generelle Zielstellung sein muss, insgesamt das Potenzial, das bei den Frauen und Mädchen liegt, vor allen Dingen für gewerblich-technische Berufe wirksam werden zu lassen.

(Beifall der Abg. Alexander Krauß, CDU, und Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Ansonsten will ich noch einmal deutlich machen, dass die Betonung der dualen Ausbildung durchaus sinnvoll und richtig ist. Man wird manche Einzelfrage an diese duale

Ausbildung stellen können, aber ich meine, generell sind wir gut beraten, dort unseren Schwerpunkt zu setzen. Es wird rein theoretisch nach Zahlen schon im Jahr 2011 so weit sein, dass wir alle Bewerber in duale Ausbildungsstellen packen könnten, wenn da nicht das Erfordernis wäre, auch in anderen Fachrichtungen auszubilden.

Es wird auch den Berufsschulen im Zuge der dualen Ausbildung künftig nicht schaden, wenn sie von diesem oder jenem Paket der vollzeitschulischen Ausbildung entlastet werden und wenn damit mehr freie Kapazität zur Qualitätssteigerung entsteht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es geht also, meine Damen und Herren, nicht um ein Brüsten mit dem, was sich am Ausbildungsmarkt entwickelt hat.

Natürlich ist die demografische Entwicklung hier sehr bestimmend. Aber die demografische Entwicklung stellt uns vor allen Dingen vor neue Herausforderungen, und eine Herausforderung ist insbesondere die zentrale Frage: Wie werden wir den Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten jungen Leuten künftig befriedigen können? – Dieser Bedarf ist sogar leicht ansteigend.

Verschiedenes ist benannt worden. Da geht es vor allen Dingen um die verstärkten Altersabgänge, die ersetzt werden müssen – das hat Kollege Brangs benannt –, es geht insbesondere um den Beschäftigungsausbau in der Metall- und Elektrobranche sowie in sonstigen technisch orientierten Branchen und es geht ganz besonders auch um die Hochtechnologiebereiche, die ihrerseits nun zum Teil völlig neue berufliche Anforderungen stellen, und darum – Frau Günther-Schmidt, da haben Sie recht –, dass im Sinne der Wissensgesellschaft auch andere Ausbildungsvoraussetzungen im Bereich der beruflichen Ausbildung vor uns stehen.

Was ist nun die zentrale Antwort auf die Frage des steigenden Bedarfs? – Wir müssen vor allem sehen, dass wir gegen die Fehlallokationen gewappnet sind. Das heißt, wir müssen – sagen wir es deutsch – dafür sorgen, dass junge Leute nicht einen ursprünglich abgeschlossenen Ausbildungsvertrag nicht mehr erfüllen, dass sie nicht mehr die Lehre abbrechen – und dieser Prozentsatz ist relativ hoch – oder dass es ihnen nicht passiert, dass sie während der Lehre merken: „Das ist nicht der Beruf, der mich befriedigt“, und in der Praxis erst recht die Feststellung machen müssen: „Es war nicht das Richtige.“

Damit muss es neben der Bewerberqualität und der Bewerbermotivation, die schon genannt worden sind, vor allem um eine erfolgreiche Berufsorientierung gehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Diesbezüglich tut die Wirtschaft ihrerseits schon viel.

(Thomas Colditz, CDU: Schule auch!)

Dafür gibt es gute Beispiele. Ich denke zum Beispiel an Wacker-Chemie, einen bedeutenden, weltweit agierenden Familienkonzern, der in Nünchritz ein großes Werk hat.

Dort ist es Sache des Chefs selbst, die Berufsorientierung zu betreuen. Aber wie sieht die Praxis aus? – In den letzten zwei Jahren ungefähr 25 Interessenten, dieses Jahr so wenige Interessenten, dass man in der „Woche des offenen Unternehmens“ einfach absagen musste. Möglicherweise versagen auch unsere ESF-geförderten Vermittler zwischen Schule und Wirtschaft, die hier tätig sein müssten.

Fakt ist jedenfalls: Die Wirtschaft bietet viel an, insbesondere auch – das ist vorhin von Ihnen genannt worden – Ausbildung und Fortbildung für Lehrer in der Praxis, aber es wird zu selten angenommen.

Die Schule tut sehr viel.

(Beifall bei der CDU)

Die Schule hat das Qualitätssiegel für Berufsorientierung und Studienorientierung eingeführt. Den Berufswahlpass halte ich für ein wichtiges Geländer in den Schulen. Möglichst bald sollte er zu 100 % eingeführt werden. Es muss jetzt vor allen Dingen darum gehen, Schule und Wirtschaft, gesellschaftliche Akteure und das Engagement mancher Eltern – leider nur mancher Eltern – zusammenzubringen und vernünftig zu koordinieren. Wenn diesbezüglich im Bereich der Schule durch die Service- und Beratungsstellen Schule und Wirtschaft eine Koordinierungsfunktion eingeführt worden ist, dann ist das genau die richtige Antwort, und ich warte jetzt darauf, dass die in den drei Regionen hauptamtlich tätigen Verantwortlichen nun ihrerseits die Akteure an einen Tisch bitten und dass dort endlich diese Koordinierungsfunktion praktisch wahrgenommen wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es ist noch viel zu sagen zur gesamten Thematik, meine Damen und Herren. Nicht zuletzt macht die Umbenennung des Lehrstellenkollegiums in Kollegium für Berufsbildung und Fachkräfte in Sachsen deutlich, worum es geht. Es muss in der breiten Zusammenarbeit von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisation, Staat, Schule und der verschiedensten Verwaltungsbereiche gelingen, diesen Herausforderungen in der Befriedigung des Fachkräftebedarfs in der Zukunft gewachsen zu sein.

Herr Rasch, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich wünsche allen Aktivitäten dieser koordinierenden Art viel Erfolg.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der SPD das Wort gewünscht? – Das ist der Fall; Herr Brangs, bitte.

Normalerweise war es nicht vorgesehen, dass ich noch einmal spreche, aber bei so viel Unsinn muss man sich einfach noch einmal in die Debatte begeben. Dafür ist es ja eine Aktuelle Debatte.

Ich würde gern eine Frage an all diejenigen – gerade auch an meine Freundinnen und Freunde von der FDP – richten, die fragen, was wir jetzt mit den außerbetrieblichen, überbetrieblichen und vollzeitschulischen Maßnahmen machen, und die sagen, dass das alles am Bedarf vorbeiginge: Wo waren denn die Ausbildungsplätze in den letzten Jahren für die Menschen, damit wir sie nicht in solche Maßnahmen hätten stecken müssen?

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wo ist denn Ihre Verantwortung für die jungen Menschen, wenn die Wirtschaft genau diese Angebote nicht geschaffen hat?

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, dass das, was der Staat geschafft hat und was an den Förderprogrammen, mit denen wir versucht haben, die Lücke zu schließen, gemacht wurde, alles falsch gewesen sei, ist leicht. Aber sagen Sie das einmal denjenigen, die benachteiligt sind, vielleicht einen Schulabschluss haben, aber trotzdem keine Ausbildung finden. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich würde dafür plädieren, dass Sie sich die Situation genauer anschauen, um zu erkennen, was Ursache und Wirkung ist.

Wenn wir über außerbetriebliche Angebote und über benachteiligte Jugendliche sprechen, geht es auch darum, dass wir feststellen müssen, dass in Ostdeutschland im Jahr 2007 fast 30 % der jungen Menschen in solchen Maßnahmen waren. In Westdeutschland waren es 4,2 %. Wir müssen alles daransetzen, diesen Trend zu kippen. Das ist doch klar.

Natürlich wollen wir die duale Ausbildung stärken, aber dafür müssen wir auch die Rahmenbedingungen schaffen. Damit komme ich zu dem letzten Punkt, der mich hier geärgert hat.

Ich habe in meinen Ausführungen natürlich auf die demografische Entwicklung hingewiesen. Ich habe mich doch nicht hier hingestellt und gesagt, dass wir eine wunderbare Politik gemacht haben, während es in Wirklichkeit weniger junge Menschen gibt. Ich habe vielmehr gesagt, dass es eine demografische Entwicklung gibt, aber wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die duale Ausbildung trotzdem um 8 % anwächst. Das hat etwas mit wirtschaftlicher Entwicklung zu tun. Obwohl wir weniger Auszubildende haben, sagen Unternehmen jetzt: Ja, wir investieren in Qualität, ja, wir gehen jetzt den Weg der dualen Ausbildung. Das hat überhaupt nichts mit Demografie, sondern allein etwas mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Das sollte man auch sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Frau Klinger, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brangs! Sicher sind außerbetriebliche Maßnahmen angesichts der Lage, in der wir uns befinden, bisher notwendig gewesen, um den Menschen ein Angebot zu unterbreiten. Aber sie waren auch immer ein Ruhekissen. Auch die Qualität dieser außerbetrieblichen Angebote muss immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Demografie spielt schon eine Rolle und nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, zu der Sie meines Erachtens auch nicht das Gros in der Zeit beigetragen haben, in der Sie in der Regierung sitzen.

Ich möchte an dieser Stelle auf ein weiteres Problem aufmerksam machen, das vorhin schon einmal anklang, und zwar das Problem der Schulabbrecher, welches mit dem Thema Ausbildungspolitik verknüpft ist. Nach wie vor ist die Quote der jungen Sächsinnen und Sachsen, die die Schule ohne einen Schulabschluss verlassen, viel zu hoch. Es sind knapp 4 000 junge Sächsinnen und Sachsen, das macht einen Anteil an der Gesamtschülerzahl von 9 % aus.