Protocol of the Session on April 18, 2008

Zweites Problem: Ist ein Nachfolger gefunden, steht die Frage der Finanzierung an erster Stelle. Woher, meine Damen und Herren, kommt das Geld zum Kauf eines Unternehmens? In Sachsen ist die Eigenkapitalquote in den seltensten Fällen ausreichend, sodass Fremdkapital akquiriert werden muss. Fehlen Sicherheiten, bleibt dem Käufer die Möglichkeit einer Bürgschaft, zum Beispiel über das Bürgschaftsprogramm der Bürgschaftsbank Sachsen.

Maximal 80 % des Kreditbetrages, der durch bankübliche Sicherheiten nicht gedeckt ist, kann so abgesichert werden; eine gute Sache, eigentlich. In der Praxis greift das Bürgschaftsprogramm jedoch in puncto Unternehmensnachfolge nicht. Warum, zeigt ein Blick in die Bürgschaftsrichtlinien des Freistaates Sachsen, genauer gesagt in Kapitel 9 zu Antrags- und Bewilligungsverfahren. Denn da steht, dass im bewilligenden Bürgschaftsausschuss unter anderem das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit und das Staatsministerium der Finanzen vertreten sind. Letzteres hat quasi ein Vetorecht. Wird davon Gebrauch gemacht – wie zuletzt mehrfach der Fall –, gibt es keine Bürgschaft. Hier fehlt der Staatsregierung offenbar eine gemeinsame Strategie.

In der Mittelstandsrichtlinie wird Beratungsförderung zur Unternehmensnachfolge angeboten. In der Sensibilisierungsphase erhalten Unternehmer und potenzielle Nachfolger also Hilfe, in der Phase der konkreten Umsetzung stellt sich dann das Finanzministerium quer. Begründet wird dies mit Unsicherheit bei der Ermittlung des realistischen Unternehmenswertes.

Meine Damen und Herren! Daran kann doch dieses Förderinstrument nicht scheitern; erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass sich die wirtschaftliche Situation der Unternehmen nach Übernahme im Durchschnitt verbessert, Sachsens Wirtschaft also davon profitiert.

Ich fordere Sie daher auf, endlich zu einer einheitlichen Sprache zu finden und die Unsicherheit gegenüber den Kammern und Beratern sowie den Betroffenen auszuräumen.

Der Berichtsantrag der Regierungskoalition greift eindeutig zu kurz. Statt die Aussagen des Mittelstandsberichtes zum Ist-Zustand noch einmal zu wiederholen, brauchen wir in Sachsen endlich eine einheitliche Strategie, damit die kommende Generation an die Erfolge sächsischer Gründer anknüpfen kann. Das genau fehlt dem Antrag und deshalb können wir auch nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. René Fröhlich, Linksfraktion)

Ich frage, ob es aus den Fraktionen noch Redewünsche gibt. – Das scheint momentan nicht der Fall zu sein. Dann Herr Staatsminister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Generationenwechsels in Unternehmen ist kein Thema, welches nur in Sachsen von Bedeutung ist. Darauf ist bereits hingewiesen worden.

Schätzungen zufolge steht in der Europäischen Union in den nächsten zehn Jahren für etwa ein Drittel aller kleinen und mittleren Unternehmen eine Nachfolgeregelung an. In Deutschland stand die Regelung der Unternehmensnachfolge in den vergangenen Jahren vor allem in den westdeutschen Ländern auf der Tagesordnung.

Warum diskutieren wir in Sachsen erst jetzt so intensiv über dieses Thema? Ich sehe, selbst in den Reihen der FDP gibt es erheblichen Beratungsbedarf, Herr Dr. Martens.

(Zuruf des Abg. René Fröhlich, Linksfraktion)

Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat einer leistungsfähigen Wirtschaft. Was so selbstverständlich klingt, ist in Sachsen lange keine Selbstverständlichkeit gewesen. Zwar gab es in Sachsen auch zu Zeiten der DDR im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Regionen überdurchschnittlich viele privat geführte Handwerksbetriebe und andere wirtschaftliche Existenzen; seit Beginn der Neunzigerjahre musste der Unternehmensbestand jedoch nahezu vollständig neu aufgebaut werden. Vielfach hatten erfahrene Mitarbeiter gemeinsam Treuhandunternehmen oder Teile daraus erworben und diese dann fortgeführt. In einigen Fällen wurden auch reprivatisierte Unternehmen von ihren alten Chefs übernommen und in die Marktwirtschaft geführt. Darüber hinaus gab es aber auch eine Vielzahl von Neugründungen.

Selbstständigkeit und unternehmerisches Denken mussten vielfach praktisch über Nacht neu erlernt und vor allem gelebt werden. Dieser Leistung sächsischen Unternehmertums gilt mein tiefer Respekt und aufrichtiger Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Viel wurde seitdem erreicht. Im Jahre 2006 gab es in Sachsen 217 000 Selbstständige. Die Selbstständigenquote liegt mit 11,6 % aller Erwerbstätigen mehr als doppelt so hoch wie im Jahre 1991. Da waren es nämlich 4,6 %.

Der Lauf der Zeit bringt es nun einmal mit sich, dass ein Teil der Gründer der Wendezeit inzwischen ein Alter erreicht hat, in dem sie über ihre Nachfolge nachdenken müssen. Dies ist nun wirklich eine neue Herausforderung für sie. Gemäß den Worten Erich Kästners „seien wir ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich“ sichern sich rationale Menschen gern gegen unterschiedlichste Risiken im Leben durch eine entsprechende Versicherung ab. Aber immer noch zu viele, sonst rational handelnde Unternehmer riskieren durch eine nicht rechtzeitige Nachfolgeregelung die Sicherung ihres Unternehmens – und sie gefährden damit unter Umständen ihr Lebenswerk.

Dass im Jahre 2006 im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit die Nachfolgesituation in Sachsen vom ifo Institut gemeinsam mit der TU Dresden untersucht wurde, hängt also zum einen damit zusammen, dass die Problematik des Generationenwechsels in den kommenden Jahren – wie bereits im Mittelstandsbericht 2003 festgestellt – zunimmt. Zum anderen gab es bislang keine verlässlichen Daten über die Nachfolgesituation in Sachsen. Diese waren und sind jedoch erforderlich, wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Die Zahlen sind bereits genannt worden – die kann ich mir jetzt sparen – und haben die ganze Dramatik vor Augen geführt.

Was die Studie betrifft, möchte ich deutlich sagen: Bedenklich stimmt mich, dass etwa jeder fünfte Unternehmer sein an und für sich wirtschaftlich gesundes Unternehmen stilllegen will. Hierbei handelt es sich insbesondere um kleine und kleinste Unternehmen. Würde dies tatsächlich eintreten, dann bedeutet das für den Freistaat Sachsen bis zum Jahre 2020 einen Umsatzrückgang von einer knappen Milliarde Euro und einen Verlust von etwa 30 000 Arbeitsplätzen.

Mittelstandspolitik und Beschäftigungspolitik sind unmittelbar miteinander verbunden. Das hat erhebliche Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft insgesamt. Es ist deshalb umso wichtiger, mittelständische Unternehmen beim Generationswechsel zu unterstützen und für die Zukunft von markt- und wettbewerbsfähigen Unternehmen zu sorgen.

Grundsätzlich sollte zwar die Übertragung von Unternehmen durch Markt und Wettbewerb geregelt werden – dies ist keine originäre Staatsaufgabe –; als Arbeitsminister bin ich jedoch auch dazu verpflichtet, alles denkbar Mögliche zu unternehmen, um recht viele Arbeitsplätze in Sachsen zu schaffen und zu erhalten. Daher kann und will ich mich nicht damit abfinden, dass 30 000 Arbeitsplätze in Sachsen auf dem Spiel stehen, weil Unternehmen nicht rechtzeitig übertragen werden.

Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang gar nicht verschweigen, dass die Unternehmensübertragungen künftig unter schwierigeren Bedingungen stattfinden müssen.

Tatsache ist, dass in Sachsen die potenzielle Nachfolgergeneration signifikant kleiner geworden ist. Schon seit Jahren ist die Zahl der Geburten in Sachsen niedriger als die Zahl der Sterbenden. Das führt nicht nur zu einer schrumpfenden, sondern insgesamt zu einer alternden sächsischen Bevölkerung. Ein Großteil der Unternehmensgründer befindet sich im Alter zwischen 26 und 46 Jahren. Gerade diese Altersgruppe wird bis 2020 jedoch am stärksten vom Bevölkerungsrückgang betroffen sein. Es wird prognostiziert, dass diese Altersgruppe bei uns hier in Sachsen um etwa 25 % abnimmt. Das bedeutet wiederum, dass der Wettbewerb um geeignete Nachfolger künftig allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung weiter zunehmen wird.

Was kann und was soll vor diesem Hintergrund der Staat unternehmen, um möglichst viele der anstehenden Unternehmensübertragungen in Sachsen zu einem Erfolg zu führen?

Um es an dieser Stelle noch einmal klar zu sagen: Wir wollen nicht die Marktgesetze aushebeln, sondern setzen auf marktkonforme Maßnahmen zur Unterstützung der Übertragung von Unternehmen. Wir reagieren mit unseren Maßnahmen vor allem auf den in der Studie ermittelten Bedarf in den Bereichen Information, Qualifikation, Beratung und Finanzierung.

Mit dem von uns in Auftrag gegebenen Mittelstandsbericht mit dem Schwerpunkt Unternehmensnachfolge haben wir einen ersten Beitrag zur Verbesserung des Informationsstandes von Unternehmern und potenziellen Nachfolgern geleistet.

Wir haben mit den sächsischen Kammern im Jahre 2006 drei Konferenzen in den jeweiligen Kammerbezirken zum Thema „Unternehmensnachfolge“ durchgeführt. Die Nachfrage war in der Chemnitzer Region sogar so hoch, dass 2007 eine Zusatzveranstaltung erforderlich wurde.

Zudem haben wir Ende 2006 ein gemeinsam mit der TU Dresden entwickeltes Internetportal rund um den Generationenwechsel installiert. Unter www.unternehmensnachfolge.sachsen.de finden Interessierte, ausgehend vom Mittelstandsbericht, unter anderem aktuelle Informationsquellen zu Fördermöglichkeiten und Ansprechpartnern rund um das Thema der Unternehmensübergabe.

Eine Arbeitsgruppe, in der alle sächsischen Wirtschaftskammern vertreten sind, beschäftigt sich permanent mit Projekten und Maßnahmen, um den Informationsstand von potenziellen Übergebern und Übernehmern in Sachsen zu verbessern.

Auch Vertreter verschiedener Banken konnten von uns motiviert werden, das Thema der Unternehmensnachfolge verstärkt auf ihre Tagesordnung zu nehmen.

So hat die Sächsische Aufbaubank beispielsweise einen Flyer mit Förderprogrammen zur Finanzierung der Unternehmensnachfolge aufgelegt. Der Ostdeutsche Bankenverband befasste sich in der Februarausgabe seines

Infoports ausführlich mit dem Generationenwechsel in Ostdeutschland.

Das Potenzial junger Nachfolger wird aufgrund der dargestellten demografischen Entwicklung weiter abnehmen. Daher wollen wir mehr junge Menschen für eine mögliche Nachfolge motivieren und vor allem qualifizieren. Hier sind insbesondere auch die Fach- und Hochschulen gefordert. So sind beispielsweise die Gründerinitiativen „dresden exists“, „smile“ und „saxeed“ der Hochschulen in Dresden, Leipzig und Chemnitz auf diesem Gebiet mit mehreren Projekten sehr aktiv.

Die Übernahme eines Unternehmens kann in vielen Fällen eine echte Alternative zur Neugründung darstellen. Das Wirtschaftsministerium unterstützt deshalb auch geeignete Qualifizierungsprojekte zur Unternehmensnachfolge mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und komplementären Landesmitteln in dieser Strukturfondsperiode.

Junge Menschen für das Unternehmertum zu begeistern und entsprechend auszubilden kann jedoch nicht allein der akademischen Ausbildung überlassen werden. Ich denke hier besonders an die vielen kleinen und kleinsten Betriebe aus dem Handwerksbereich und dem verarbeitenden Gewerbe. Junge Akademiker sind für Kleinbetriebe alteingesessener Branchen oftmals nur schwer zu gewinnen, auch wenn sich diese über viele Jahre am Markt etabliert haben. Oftmals verfügen die Hochschulabsolventen aber auch gar nicht über das in Kleinbetrieben zwingend erforderliche Fachwissen.

Ich sehe daher gerade in den mittelständischen Unternehmen auch gute Chancen für junge Fachkräfte mit Berufsausbildung. Die Aussicht auf Übernahme eines Betriebes bietet ihnen interessante Aufstiegsmöglichkeiten und Räume zur Selbstverwirklichung – auch ohne ein Studium. Wichtig ist, dass die jungen Leute bereits während ihrer betrieblichen Ausbildung schrittweise an das Thema herangeführt werden. Deshalb fördern wir seit vielen Jahren aus Mitteln des ESF Zusatzqualifikationen für Auszubildende im Bereich des unternehmerischen Denkens und Handelns bzw. zur Vermittlung von Führungskompetenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Jedes Unternehmen und damit jede Übergabe weisen ihre eigenen Besonderheiten auf. Deshalb können und werden die im Mittelstandsbericht enthaltenen Erkenntnisse im Einzelfall nicht die individuelle Beratung ersetzen. Vor allem die sächsischen Wirtschaftskammern und Institutionen wie das RKW verfügen in diesem Bereich über vielfältige Erfahrungen und können auf ein bewährtes Netzwerk zurückgreifen. Damit die erforderlichen Beratungsleistungen rund um das Thema der Unternehmensnachfolge verstärkt in Anspruch genommen werden, fördern wir diese explizit im Rahmen unserer neuen Mittelstandsrichtlinie. Erstmals können dabei auch natürliche Personen Fördermittel beantragen, Personen, die planen, ein KMU zu übernehmen.

Wie der Mittelstandsbericht verdeutlicht, liegt eines der größten Probleme beim Übergabeprozess im Bereich der Finanzierung. Wir stellen deshalb potenziellen Nachfolgern bereits ein breites Unterstützungsangebot zur Verfügung. So kann beispielsweise mit dem Programm „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung“ der Erwerb von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen finanziell unterstützt werden. Zudem haben wir das ESFMikrodarlehen auch für die Unternehmensnachfolge geöffnet. Außerdem stehen den Übernahmekandidaten auch die Bürgschaftsprogramme offen. Da es angesprochen wurde, sage ich ganz deutlich: Es soll bei einem Förderhöchstsatz von 80 % bleiben, also einer Förderung bis zu 80 %.

Entscheidend ist für mich vor allen Dingen, dass man jeden Einzelfall bewertet. Wenn man über eine Übergabe eines Unternehmens spricht, dann muss man sich genau vorstellen, was erworben wird: Handelt es sich um einen asset-deal, das heißt, wird das Anlagevermögen erworben, oder handelt es sich zum Beispiel um einen share-deal, bei dem es darum geht, die Unternehmensanteile zu erwerben. Das muss in jedem Falle einzeln betrachtet werden.

Um auf die Anfrage des Abg. Fröhlich zu antworten: Der neue Vorstandsvorsitzende der Sachsenbank, also der Tochter der LBBW, hat seinerseits bereits Unterstützung bei dem Thema angeboten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns ist mit diesen Überlegungen und ergriffenen Maßnahmen die Unterstützung des Nachfolgeprozesses keineswegs abgeschlossen. Die Herausforderung erfolgreicher Übertragung in Sachsen wird, wie der Mittelstandsbericht 2005/2006 verdeutlicht, eine Daueraufgabe bleiben. Lassen Sie uns diese Aufgabenstellung aber auch als Chance, insbesondere als Chance für junge Leute in Sachsen, begreifen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich gebe der CDUFraktion die Möglichkeit zum Schlusswort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte zum Thema „Unternehmensnachfolge sichern!“ ist eines deutlich geworden: dass uns die im Mittelstandsbericht prognostizierten Stilllegungsquoten von 20 % nicht einfach kaltlassen dürfen, sondern wir nachdenken müssen, wie wir in Zukunft diesen Prognosen entgegenwirken können. Es darf nicht sein, dass das Unternehmertum nicht in einer Weise unterstützt wird, wie es eigentlich notwendig wäre.

Ich möchte einen Punkt nennen, der auch in der Debatte deutlich geworden ist, und zwar die Frage: Warum sind im Freistaat Bayern und in Baden-Württemberg diese Probleme nicht so gravierend, wie es ausgerechnet in Sachsen der Fall ist?

Meine Damen und Herren – und da schaue ich ganz besonders hier auf die linke Seite –: Das ist doch ein Erbe,

das wir übernommen haben; denn Ihre Vorgängerpartei war es letztendlich, die 1972 die Generation der Unternehmer ausgerottet und ausgeschaltet hat. Sie haben dafür verantwortlich gezeichnet, bis 1972 an der Zerschlagung des Mittelstandes massiv teilgenommen zu haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe des Abg. Sebastian Scheel und anderer Abgeordneter der Linksfraktion – Allgemeine Unruhe)

Das ist das, was heute – –

Ich bin 1990 in die CDU eingetreten und verbitte mir solche Unterstellungen.