Protocol of the Session on April 18, 2008

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP, und bei den GRÜNEN)

Es wäre aber unehrlich gegenüber den Betroffenen, wenn man den Eindruck erwecken würde, man könne diese Probleme einfach durch ein Gesetz lösen. Deswegen werden wir den ersten Punkt im Antrag auch ablehnen. Denn was soll denn im Ergebnis im Gesetz anderes drin stehen, als was bisher schon in der Selbstverpflichtung oder in der Sächsischen Sparkassenordnung enthalten ist? Einen Kontrahierungszwang – darauf soll es hinauslaufen – gibt es nun einmal nicht grenzenlos. Es müssen Spielregeln beachtet werden, da mit dem Kontrahierungszwang massiv in die Vertragsfreiheit eingegriffen wird. Auch der Kunde muss sich an Abmachungen halten. Den Banken und Sparkassen muss es daher auch zumutbar sein, die Konten zu führen.

Der zentrale Kreditausschuss hat bei seiner Empfehlung vom Juni 1996 den Begriff der Unzumutbarkeit bei der Eröffnung oder Fortführung von Guthabenkonten näher bezeichnet. Beispiele sind gesetzwidrige Transaktionen wie Geldwäsche, Betrug oder eine grobe Beleidigung oder Belästigung von Mitarbeitern und Kunden. Das zeigt uns auf, dass der Glaube an Gesetze hier nicht weiterhilft. Er hilft insbesondere dem betroffenen Bürger nicht; was hilft, ist Überzeugungsarbeit auf allen Seiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. Das war die Runde der Fraktionen. Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Ich stelle das nicht fest. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister der Finanzen, Herr Tillich, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit würde ich gern meine Rede zu Protokoll geben – wenn das im Mai nicht nachteilig für mich ausgelegt wird.

(Beifall bei der CDU, der NPD und der Staatsregierung)

Danke schön. Ergibt sich jetzt noch einmal zu den Ausführungen des Staatsministers Aussprachebedarf?

(Allgemeine Heiterkeit)

Das scheint nicht der Fall zu sein.

Meine Damen und Herren, es ist punktweise Abstimmung gewünscht worden – –

Nein, Entschuldigung, vorher noch das Schlusswort. Wir waren jetzt in einer solchen Euphorie. Bitte, Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt, 1995 hat der Zentrale Kreditausschuss den Banken und Kreditinstituten empfohlen, sich freiwillig selbst zu verpflichten, ein Girokonto für jedermann einzurichten. Deshalb hat damals die

Bundesregierung auf eine gesetzliche Regelung verzichtet. – So viel auf die eine Anfrage, die gekommen ist.

Seit 2002 gibt es regelmäßige Berichte an die Bundesregierung; und sie haben eben immer das gleiche Ergebnis: dass die Kreditwirtschaft ihren Selbstverpflichtungen nicht in ausreichendem Maße nachkommt.

Wenn Sie wissen wollen, wie viele Menschen ohne Girokonto sind, dann können Sie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung, die Verbände befragen, und die sagen, es sind 3 bis 5 % der Menschen, die Sozialtransfers erhalten, und das ist ein konstanter Wert über die letzten zehn Jahre.

Sie können natürlich auch die Bundesagentur und die Sozialämter fragen, wie viele Leistungsbezieher ohne Girokonto sie haben. Vor Hartz IV waren es bundesweit etwa 100 000 Menschen.

Wer Ihnen aber nur unzureichend Auskunft geben kann, weil dort aus Mangel an Interesse diese Zahlen nicht erhoben werden, sind einige Banken und Kreditinstitute. Insofern können Sie sich eben auch nicht auf diese Zahlen berufen.

Bei den sächsischen Sparkassen vorhandene Zahlen erwarten wir als Antwort auf unsere Kleine Anfrage. Dann werden wir sehen, wie aussagekräftig diese Zahlen sind.

Aber einen Haken haben diese Zahlen sowieso; denn sie erfassen nicht die Menschen ohne eigenes Konto, die auf Konten eigener Kinder, Verwandter oder Freunde zurückgreifen, und zwar genau deshalb – wie ich vorhin geschil

dert habe –, weil sie sich schämen und weil es ihnen peinlich ist. Diese Betroffenen werden Ihnen auch keine Auskunft geben; denn ohne Konto ist man in dieser Gesellschaft in keiner sehr starken Position. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Antrag sinnvoll ist.

Wie ich schon gesagt habe, brauchen wir dazu keine Nachhilfe der NPD. Im Gegenteil, Herr Petzold hätte seine Rede eigentlich umschreiben müssen. Aber dazu ist er wahrscheinlich nicht in der Lage.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Somit kommen wir zur Abstimmung, die in zwei Teilen stattfinden wird.

Ich rufe Punkt I des Antrags der Fraktion der GRÜNEN in der Drucksache 4/11819 auf. Wer gibt diesem Punkt seine Zustimmung? – Wer gibt seine Zustimmung nicht? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Jastimmen ist dieser Punkt dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Punkt II des Antrags mit derselben Drucksachennummer auf. Wer stimmt diesem Punkt zu? – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich der Stimme? – Ein etwa gleiches Abstimmungsverhalten. Auch Punkt II ist abgelehnt worden.

Demzufolge erübrigt sich eine Gesamtabstimmung.

Erklärungen zu Protokoll

Im November 2005 haben wir schon einmal über das Thema „Girokonto für alle“ debattiert. Im Grunde hat sich am zugrunde liegenden Sachverhalt und an meinen damaligen Ausführungen nichts geändert.

Grundsätzlich darf niemandem ein Girokonto verweigert werden. Schon im Jahre 1995 haben dies die deutschen Banken auf Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses und auf Druck des Bundesjustizministeriums in einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ vereinbart. Für die sächsischen Sparkassen besteht diese Verpflichtung nach § 5 Sparkassenverordnung.

In der öffentlichen Diskussion Mitte der Neunzigerjahre wurde auf die Notsituation von Menschen hingewiesen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und deshalb nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zu Bankdienstleistungen erhalten. Die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossenen Spitzenverbände haben deshalb im Jahre 1995 eine Empfehlung ausgesprochen, wonach alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, für jeden Verbraucher in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auch ein sogenanntes Girokonto für jedermann bereithalten. Der Kunde erhält dadurch die Möglichkeit zur Entgegennah

me von Gutschriften, zu Barein- und -auszahlungen sowie zur Teilnahme am Überweisungsverkehr. Überziehungen braucht das Kreditinstitut jedoch nicht zuzulassen. Jedem Institut ist natürlich freigestellt, darüber hinausgehende Bankdienstleistungen anzubieten.

Die Empfehlung greift nur dann nicht – dies ist das große Problem auch in Sachsen; darin gebe ich Ihnen recht –, wenn der Kunde bereits über ein Girokonto verfügt oder die Kontoführung für das Kreditinstitut unzumutbar ist. Im Fall der Unzumutbarkeit darf die Bank auch ein bestehendes Konto kündigen

Unzumutbar ist die Eröffnung oder Fortführung einer Kontoverbindung insbesondere dann, wenn

der Kunde die Leistungen des Kreditinstitutes missbraucht, insbesondere für gesetzwidrige Transaktionen, zum Beispiel Betrug, Geldwäsche oder Ähnliches;

der Kunde Falschangaben macht, die für das Vertragsverhältnis wesentlich sind;

der Kunde Mitarbeiter oder andere Kunden grob belästigt oder gefährdet;

die bezweckte Nutzung des Kontos zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht gegeben ist, weil zum Beispiel das Konto durch Handlungen vollstreckender Gläubiger blockiert ist oder ein Jahr lang umsatzlos geführt wird;

nicht sichergestellt ist, dass das Institut die für die Kontoführung und -nutzung vereinbarten üblichen Entgelte erhält.

An einer solchen Möglichkeit, diese Kontoführung abzulehnen oder eine bestehende Kontoverbindung zu kündigen, ändert jedoch auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Führung eines solchen Kontos nichts; denn auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung zur Führung eines solchen Kontos bestünde für die kontoführende Bank die Möglichkeit, bei einer Vertragsverletzung den zugrunde liegenden Vertrag zu kündigen.

Eine solche gesetzliche Verpflichtung kann natürlich keine Einbahnstraße sein. Ich wiederhole jedoch mein Angebot vom November 2005: Wer unverschuldet – ich betone: unverschuldet – bei einer Bank oder Sparkasse kein Konto erhält, der möge sich an mich wenden. Derjenige wird ein solches Konto bei der Sparkasse Zwickau erhalten.

Gesetzliche Maßnahmen halten wir aus diesem Grund nicht für notwendig und lehnen diesen Antrag daher ab.

Dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN messe ich weder eine zwingende Notwendigkeit noch Erfolgsaussichten bei. Ein in die gleiche Richtung zielender Antrag der NPD-Fraktion, Drucksache 4/3271, wurde im November 2005 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Grundsätzliche Änderungen in der zugrunde liegenden Problematik hat es seither nicht gegeben.

Über die notwendigen Fakten scheint man sich also nicht ausreichend informiert zu haben. Aus Sicht der Staatsregierung besteht kein Handlungsbedarf, auf eine bundesgesetzliche Regelung zu dringen.

Die von den GRÜNEN angesprochene Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses aus dem Jahr 1995, dass die Kreditinstitute grundsätzlich für jede Bürgerin und jeden Bürger in ihrem Geschäftsgebiet ein Girokonto bereithalten, wurde bereits mehrfach auf Bundesebene diskutiert. Im Ergebnis dieser Diskussion wurde die Bundesregierung aufgefordert, alle zwei Jahre über die Umsetzung der Empfehlung „Girokonto für jedermann“ zu berichten.

In ihrem letzten Bericht vom Juli 2006 (Bundestagsdruck- sache 16/2265) wird zum einen dargestellt, dass eine wachsende Zahl von Girokonten für jedermann aufgrund dieser Selbstverpflichtung abgeschlossen wurde. Die ZKA-Empfehlung zeigt also durchaus Wirkung.

Zum anderen wird erwähnt, dass das Problem verweigerter Girokonten auf Guthabenbasis nach wie vor nicht völlig beseitigt ist.

Sofern die Eröffnung eines Girokontos für jedermann durch eine Bank abgelehnt oder ein entsprechendes Konto

gekündigt wurde, hat jeder Kunde die Möglichkeit, diese Entscheidung durch die zuständige Kundenbeschwerdestelle kostenfrei überprüfen zu lassen. Aus Sicht des Zentralen Kreditausschusses zeige bereits die Tatsache, dass diese Schlichtungsstellen in der Praxis bisher nur in wenigen Einzelfällen befasst wurden, dass die Empfehlung im Wesentlichen flächendeckend umgesetzt wurde.