Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war mir auch nicht ganz sicher, wo Sie heute mit Ihrer Debatte hinwollen, Frau Schütz. Ich hatte zwar seit dem gestrigen Tag die Vermutung, dass Sie auch auf der Schleimspur daherkommen, aber wie sich jetzt zeigt, haben Sie sich heute eher koalitionsfähig mit der Linksfraktion gezeigt, vor allem was das Schlechtreden der Situation in Sachsen angeht.
Während die Linksfraktion noch sagt, sie wolle zur Finanzierung die Steuern erhöhen, wollen Sie ja die Steuern senken, und somit haben Sie überhaupt keine Position, was die Finanzierung angeht. Aber immerhin: Der Titel dieser Debatte hätte durchaus mit einem Ausrufezeichen, auch von der Koalition, formuliert werden können. Denn wir haben in Sachsen, denke ich, viel für Familien geleistet. Sie wissen, dass die Ausgaben im letzten Doppelhaushalt insbesondere für Familien gestiegen sind. Ich weiß nicht, wo Sie die letzten Jahre waren.
Ausschlaggebend ist ja auch nicht, was die politisch Verantwortlichen unter Familienfreundlichkeit verstehen, sondern das, was Familien von uns erwarten.
Familien wollen Angebote und Instrumente, die das Leben von Familien im Alltag vereinfachen, und Aner
kennung für ihre Leistungen. Neben der konkreten familiären Situation, das heißt auch intakten Paarbeziehungen, ist es vor allem die wirtschaftliche Situation der einzelnen Familie, die einen unmittelbaren Einfluss auf die subjektive Situation von Familien in Sachsen hat.
Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, die zu rückläufigen Arbeitslosenzahlen führt, spielt diesbezüglich auch eine große Rolle. Die sächsische Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hat daran ebenfalls ihren Anteil. Außerdem hat die Staatsregierung verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht, die Wirtschaft mit ins Boot zu holen – zum Beispiel familienfreundliche Unternehmen anzuerkennen oder auch Betriebskindergärten zu fördern.
Natürlich dürfen wir uns auf den sinkenden Arbeitslosenzahlen nicht ausruhen. Es sind immerhin noch 300 000 Arbeitslose, davon 12 000 Langzeitarbeitslose, die wir in Sachsen haben. Ein Problem sind eben auch die sogenannten Aufstocker, in manchen Gegenden ein Drittel der Vollerwerbstätigen. Familien erwarten zu Recht, dass sie von ihren Einkommen leben können. Diese Erwartung – das noch einmal in Bezug auf die gestrige Debatte – können wir nur durch einen flächendeckenden Mindestlohn erfüllen. So weit zu den wirtschaftlichen Aspekten.
Familien möchten natürlich, dass ihre Kinder einem glücklichen und zufriedenen Lebensweg entgegensehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass alle Kinder gleiche Entwicklungschancen haben. Die Kindergartenbetreuung, die Krippenbetreuung und die Hortbetreuung in Sachsen leisten dafür einen wichtigen Beitrag. Die Familien nehmen, wie wir wissen, dieses Angebot gerade im Kindergarten auch an.
Wir haben den Landeszuschuss erhöht – schon vergessen? Wir haben das Schulvorbereitungsjahr gesetzlich verankert. Wir haben den Bildungsplan gesetzlich verankert. Und – auch das ist mir unverständlich, dass Sie das nicht wahrgenommen haben, liebe Kollegin und Kollegen von der FDP – wir haben das Investitionsprogramm mit dem letzten Doppelhaushalt aufgestockt. Wir können auch in anderen Fragen nicht die Kommunen aus ihrer Verantwortung entlassen.
Dresden ist eben gerade ein schlechtes Beispiel und nicht Vorbild für eine familienfreundliche Politik.
wo waren Sie da? – und als schlechtes Vorbild für alle anderen Landkreise gegolten hat? Nie haben Sie Ihre Stimme erhoben, hier auf familienfreundliche Politik zu setzen.
Natürlich wissen wir, dass es Engpässe gibt, gerade in den Großstädten, und dass es auch Wartelisten gibt. Natürlich
müssen wir gemeinsam daran arbeiten. Aber es gehört eben mehr dazu als nur die Landespolitik. Ich habe gerade die Dinge aufgezählt, die die Landespolitik hier auf den Weg gebracht hat. Dank des Bundeskinderfördergesetzes werden wir ab 2013 den Rechtsanspruch haben. Wir müssen gemeinsam mit den Kommunen daran arbeiten, dass wir diesen Rechtsanspruch auch umsetzen können.
Wenn wir gemeinsam mit unseren Kommunen Familien bei ihren verantwortungsvollen und vielfältigen Aufgaben unterstützen und die Angebote weiterentwickeln – und wir werden sie weiterentwickeln –, werden wir uns in dieser Hinsicht in den nächsten Jahren oder schon in diesem Jahr zu bestimmten Dingen verständigen. Man kann sich eben auch nicht mit Heilbronn eine Rosine herauspicken,
eine reiche Kommune, und nicht fragen, wie dort die Betreuung der unter Dreijährigen ist. Wir werden unsere Angebote weiterentwickeln. Sachsen ist und bleibt Vorbild für eine familienfreundliche Politik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mir, wie meine Vorredner, auch noch einmal die Fachregierungserklärung von Frau Staatsministerin Orosz angesehen,
die sie uns vor ziemlich genau zwei Jahren hier im Hohen Haus vorgetragen hat; eine Regierungserklärung, von der man praktisch jedes Wort unterschreiben kann, sowohl was Analysen als auch was Perspektiven angeht. Solche Sätze wie – ich zitiere –: „Wir müssen uns wieder darauf besinnen, welchen Wert Familien und Kinder für unsere Gemeinschaft haben“ haben auch wir schon mehr als einmal von dieser Stelle aus gesagt.
Allerdings wurde diese Regierungserklärung dadurch relativiert, dass Frau Orosz als Familienministerin die Schirmherrschaft über die örtliche Lesben- und Schwulenparade übernahm. Aus unserer Sicht wurde damit ein völlig falsches Zeichen gesetzt, was Familienbild und -verständnis betrifft.
Ich denke, dass Ihnen dieser Umstand beim Wahlkampf noch schwer auf die Füße fallen wird. Aber zurück zum Thema.
Sachsen hat in puncto Familienfreundlichkeit tatsächlich einen Spitzenplatz im Vergleich zu anderen Bundeslän
dern. In den Jahren 2005 und 2006 wurden für das Investitionsprogramm für Kindertageseinrichtungen knapp 40 Millionen Euro ausgereicht. Davon errichtete der Freistaat Sachsen mindestens 65 Neubauten mit circa 1 300 Plätzen. Insgesamt wurden 1 800 Projekte gefördert.
In diesem Jahr sind im Landeshaushalt erneut 20 Millionen Euro für Investitionen in Kitas eingestellt.
Sachsen ist bekanntlich auch eines der wenigen Länder, die nach dem Bundeselterngeld als Lohnersatzleistung, etwas anderes ist es ja nicht, noch ein Landeserziehungsgeld zahlen. Auch wenn die Modalitäten, ich sage mal, unglücklich sind, so wird zumindest eines gezahlt. So gesehen kann sich der Freistaat durchaus auf die Schulter klopfen. Allerdings fällt eben auch auf, dass in der öffentlichen Diskussion die Familienfreundlichkeit viel zu oft auf die Standardformel von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf reduziert wird.
Die Geburtenrate im Freistaat – das ist bekannt – ist seit Jahren sehr niedrig. Unsere jungen Frauen, die abwandern, gehen meistens in Bundesländer mit einem viel schlechteren Angebot an Betreuungseinrichtungen. Sie orientieren sich nämlich in erster Linie an besseren Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten. Damit sieht es in Sachsen immer noch schlecht aus. Aber gerade das ist doch die Grundlage, die Grundbedingung für Familien: ein sicheres Einkommen und ein sicherer Arbeitsplatz in der Region.
Es ist eben leider nachvollziehbar: Wer sich für ein Kind und eine Familie entscheidet, braucht zuerst einmal ein Mindestmaß an materieller Sicherheit. Hier hat meine Fraktion schon in der Vergangenheit mit den verschiedensten parlamentarischen Initiativen – Müttergehalt, Familiendarlehensgesetz sage ich nur; genau die zwei – vorgegeben, wo wir ansetzen müssten. Es ist nämlich nicht so, dass Mütter in den ersten drei Jahren nach der Geburt ihren Beruf der Kindererziehung vorziehen, wenn sie die Wahl haben.
Weniger als 20 % der Mütter sind beispielsweise an Erwerbstätigkeit interessiert, solange sie kleine Kinder, also unter drei Jahren, haben. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern Zahlen aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Nach Untersuchungen des Bamberger Staatsinstituts für Familienforschung begründen 75,2 % der Mütter ihre Elternzeit mit dem Argument: Ich möchte ganz für mein Kind da sein. Nur 7,4 % geben an, sie seien mangels Betreuungsangebot zur Familienarbeit genötigt. Wir müssen also auch in Sachsen umdenken, wenn wir wirklich das familienfreundlichste Bundesland sein oder werden möchten.
Eine Wahlfreiheit zwischen Familie und Erwerbsarbeit ist eben noch nicht erreicht. Erst wenn wir diese echte Wahlfreiheit haben, können wir uns wirklich familienfreundlich nennen.
Die berufliche Diskriminierung von Müttern wird mit dem Ausbau von Kindertagesstätten nur verschleiert. Am eigentlichen Problem ändert sich nichts. Frauen, die beruflich erst dann wieder einsteigen wollen, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind, gelten entweder als zu alt oder als überqualifiziert, sprich, als zu teuer, wenn sie vor der Mutterschaft ein paar Berufsjahre angesammelt haben.
Der späte Wiedereinstieg ist in Deutschland einfach nicht vorgesehen. Erwerbsbiografien von Frauen und von Müttern verlaufen eben anders. Diesem Umstand sollte auch in Sachsen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Man muss einfach sehen, meine Damen und Herren, dass sich die Politik der etablierten, der Volksparteien inzwischen auf ganzer Linie vom Leitbild Ehe und Familie verabschiedet hat. Einige Beispiele: Die grüne Jugend spricht sich inzwischen offen für Bi- oder Polygamie aus. CDU-Ministerinnen – ich sagte es bereits – übernehmen Schirmherrschaften auf Christopher-Street-Days. CSULandrätinnen haben die Idee einer Ehe auf Zeit. Und SPD-Wirtschaftsminister nehmen auch schon einmal an einer Schwulenparade teil. Von Parteivorsitzenden, die ihre Vorlieben öffentlich präsentieren, will ich einmal gar nicht reden.
Es ist doch verlogen, unter diesen Vorzeichen von einer Familienfreundlichkeit zu sprechen. Sie, die Etablierten, haben ja überhaupt keine klare Definition von Familie mehr.
Frau Staatsministerin Orosz hat in ihrer Regierungserklärung auch den schönen Satz gesagt – ich zitiere: „Ohne Kinder gibt es keine Zukunft, ohne Familie ist kein Staat zu machen.“ Klingt natürlich gut, aber unter dem Eindruck des eben Gesagten fragt man sich dann doch: Welche Familie sollte welchen Staat machen, sowohl sachsen- als auch bundesweit?