Protocol of the Session on April 17, 2008

Durch die sozialpolitische Gewissenlosigkeit der herrschenden Klasse von CDU und SPD, FDP und GRÜNEN haben wir es in Deutschland längst mit einer doppelten Kinderarmut zu tun: der Armut an Kindern und der Armut von Kindern. Weil Kinderarmut den Globalisierungspolitikern aber noch nicht zu reichen scheint, wird das soziale Verelendungsprogramm mittelfristig noch durch eine massive Altersarmut in Mitteldeutschland ergänzt. Nach einer Studie ausgerechnet von zwei SPD-Landesministern droht vielen mitteldeutschen Rentnern eine Rente auf Hartz-IV-Niveau, weil sie wegen langer Arbeitslosigkeit oder zu niedriger Löhne gar keine ausreichenden Versorgungsansprüche aufbauen konnten.

Bitte zum Schluss kommen.

Dank SPD-Schröder und CDUMerkel hat sich der frühere deutsche Sozialstaat längst zu einem bundesrepublikanischen Almosenstaat entwickelt.

Ich werde meine verbleibenden zwei Minuten gleich noch nutzen.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Ich frage, ob von den Fraktionen noch das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Dann, bitte, noch einmal Herr Gansel.

Wie gesagt, mittlerweile hat sich diese eigentlich reiche Bundesrepublik vom früheren Sozialstaat zu einem Almosenstaat entwickelt, und die Hartz-IV-bedingte Verarmung immer größerer Bevölkerungsteile findet mittlerweile längst ihren zynischen Niederschlag auf dem Buchmarkt. So gibt es seit einiger Zeit das sogenannte „Hartz-IV-Kochbuch – Ein Kochbuch für harte Zeiten“, wie es heißt. Der Verlag erklärt: „Im Zeichen von Hartz müssen viele den Gürtel enger schnallen. Wer dabei seine gute Laune nicht verlieren, sondern weiterhin das Leben genießen will, der freut sich über diese Fundgrube köstlicher Rezepte für schmale Haushaltsbudgets.“ Genauso zynisch heißt es in der Rezension des „Berliner Kuriers“ zu dem gleichen Buch: „Raus ins Grüne! Kräuter sammeln heißt die Devise für die neue Armenküche! Hartz-IV-Empfänger haben ja bekanntlich viel Zeit. Sie dürfen sich deshalb auf die Suche nach Bärlauch (Vorsicht: nicht mit giftigen Maiglöckchen verwechseln!), Holunderblütendolden und Löwenzahnblättern machen. Illustriert sind die Rezepte mit Stempeln aus Hartz-IV-Antragsformularen wie ‚Bewilligt’, ‚Befristet’, ‚Sperrzeiten’.“

So stellt in dieser Armutsrepublik ein Buchverlag ein geschmackloses Buch vor, in dem Hartz-IV-Empfängern erklärt wird, wie sie durch Kräutersuche im Wald ihre Lebenssituation etwas verbessern können.

Wenn man also in dieser Bundesrepublik Deutschland verhartzte Deutsche kräutersammelnd durch Wald und Wiesen laufen sieht, dann kann man sicher sein: Sie haben ihre bittere BRD-Lektion gelernt. Unter diesen Umständen ist es nur eine Frage der Zeit, bis die etablierten Sozialstaatsdemonteure Hartz IV beschließen. Das wäre nach ihrer Logik dann die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld II und Sterbehilfe.

Die NPD, meine Damen und Herren, wird die Agenda 2010, die immer mehr Deutsche verarmen lässt, weiterhin mit allen politischen Mitteln bekämpfen.

(Beifall bei der NPD)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Ich frage die Staatsregierung. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Damit ist auch die 2. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der NPD, zum Thema „Mit Volldampf ins soziale Desaster – fünf Jahre Agenda 2010“ beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2

Zwischenbilanz über den Schutz der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete als Teil des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“

Drucksache 4/10015, Große Anfrage der Linksfraktion, und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringerin spricht zuerst die Linksfraktion. Es folgen in der ersten Runde CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Linksfraktion das Wort nimmt. Frau Kagelmann, bitte.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Es ist furchtbar motivierend, von hier vorn all die leeren Reihen zu betrachten.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Lichdi, ich freue mich, dass wenigstens Sie anwesend sind.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Herr Mannsfeld auch!)

In diesen Tagen mehren sich Meldungen zum Thema „biologische Vielfalt“. Der Grund dürfte bekannt sein: Deutschland ist vom 19. bis 30. Mai 2008 Gastgeber der UN-Naturschutzkonferenz, der inzwischen 9. Nachfolgekonferenz von Rio de Janeiro, wo 1992 das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von mehr als 150 Staaten verabschiedet wurde.

Der 4. April wurde deshalb in den deutschen Landeshauptstädten – selbstverständlich auch in Dresden – mit zahlreichen Veranstaltungen als bundesweiter Auftakt einer Kampagne für die Erhaltung der biologischen Vielfalt gestaltet. Ziel all dieser Aktivitäten ist es einmal mehr, auf die ambitionierte Zielstellung der EU hinzuweisen, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 zu stoppen. Uns verbleiben also noch zweieinhalb Jahre Zeit, um den großen Tanker „Biodiversität“ auszubremsen, der noch immer mit hoher Geschwindigkeit auf Kollisionskurs unterwegs ist.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Es sind noch anderthalb Jahre!)

Wir können das einmal beide gemeinsam ausrechnen.

Ungeachtet aller politischen Willensbekundungen wird die Rote Liste gefährdeter und aussterbender Arten und Lebensraumtypen in Deutschland immer länger. Auch im Sächsischen Umweltbericht 2007 musste resümiert werden, dass sich die Situation für den Großteil der bedrohten Pflanzen- und Tierarten in den letzten Jahren weiter verschlechtert hat und dass insgesamt keine Trendwende erreicht wurde.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Zitat: „Wichtig ist – so die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Frau Prof. Beate Jessel, Anfang November in einem Zeitungsinterview – „dass wir dabei erken

nen, dass einzelne Arten auch für ein Gefüge im Ökosystem stehen, für einen Zusammenhang von Lebensräumen in der Landschaft und für das, was wir mit ,Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes’ bezeichnen. Sie stehen damit letztlich auch für unsere eigenen Lebensgrundlagen.“ Das meint nichts anderes, als dass es sich beim Artensterben schon lange nicht mehr um ein natürliches Phänomen handelt – Stichwort: Saurier –, sondern dass wir gegenwärtig einen durch den Menschen verursachten Gen- und Artenschwund erleben, der an Geschwindigkeit und Umfang beispiellos ist und der vor allem nachkommenden Generationen die Grundvoraussetzungen für das Leben überhaupt entzieht.

Die EU-Kommission wandte sich diesbezüglich bereits Mitte 2006 an die Vertragsstaaten mit dem Appell, zur Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt größere Anstrengungen darauf zu verwenden, Natura2000-Gebiete vorzuschlagen, einzurichten, zu schützen und effektiv zu verwalten. Diese Situation war für die Linksfraktion Anlass, bezogen auf Sachsen zu bilanzieren, welcher Umsetzungsstand bei einem wichtigen Instrument des Natur- und Artenschutzes, nämlich der Schutzgebietsausweisung im Rahmen der Fauna-Flora-HabitatRichtlinie der EU, seit 2004 erreicht wurde und welche Defizite die Wirksamkeit des Schutzgebietssystems beeinträchtigen.

Den Antworten der Staatsregierung auf unsere 63 Fragen nach zu urteilen, verhallte der Appell der EU-Kommission in Sachsen ungehört. Nachdem bereits bei der Auswahl der Gebiete keine Eile an den Tag gelegt wurde – die Richtlinie stammt immerhin aus dem Jahr 1992; Sachsen ließ sich mit der Meldung seiner Gebiete bis 2004 Zeit –, sieht man heute keine Notwendigkeit, die förmliche Schutzgebietsausweisung zu beschleunigen.

Derzeit arbeiten die Behörden an den Managementplänen für die 270 FFH-Gebiete.

Aus den Antworten der Staatsregierung zur Großen Anfrage geht hervor, dass erst für 166 FFH-Gebiete die Managementplanung fachlich abgeschlossen ist. Es dürfte den federführenden Behörden unmöglich sein, die Erarbeitung der verbleibenden Managementpläne im Jahr 2008 abzuschließen. Dieser Termin nämlich war dereinst vom SMUL als Zielstellung vorgegeben worden, wie aus einem Schreiben des Ministeriums – siehe Anlage 8 der Großen Anfrage – hervorgeht. Dann aber wackelt die förmliche Unterschutzstellung der FFH-Gebiete, die zwingend sechs Jahre nach der Meldung an die EUKommission abgeschlossen werden muss.

Die Staatsregierung sieht dennoch keine Notwendigkeit, die Sicherung der FFH-Gebiete durch Rechtsverordnun

gen nach § 22a Abs. 6 Sächsisches Naturschutzgesetz vorzuziehen. Auf diese schizophrene Situation verweisen wir deutlich im ersten Teil des vorliegenden Entschließungsantrags.

An anderer Stelle der Großen Anfrage wollten wir von der Staatsregierung wissen, wie die Wirkungen des ökologischen Netzes „Natura 2000“ für den Erhalt der Arten, der Lebensräume und den Biotopverbund bisher beurteilt werden. Die lapidare Antwort der Staatsregierung lautet, dass für eine solche Bewertung derzeit noch keine verwertbaren Ergebnisse vorlägen. Aber sie weiß sehr genau, dass – Zitat – „Umfang, ökologische Ausstattung und Kohärenz der vorgeschlagenen und von der Kommission bestätigten Gebiete den Zielen der Richtlinie vollumfänglich gerecht werden“ und „die Einrichtung, der Schutz und die effektive Verwaltung ausreichend sind“. Das erstaunt schon; denn eine solche Einschätzung setzt zwingend eine Bewertung der Wirkungen des Schutzgebietssystems voraus, die man noch eine Frage zuvor nicht zu bewerten in der Lage war.

Aber damit nicht genug. Auch über Beeinträchtigungen von Natura-2000-Gebieten durch Flächeninanspruchnahme weiß die Staatsregierung wenig. „Dazu liegen“, heißt es knapp, „keine konkreten Flächenangaben vor.“ Eigentümlicherweise klappt das allerdings bei der Straßenbauverwaltung. Es muss also irgendwie gehen.

Im Übrigen gibt es sehr konkrete Vorschläge zur Installation eines einfachen und mit minimalem Zeitaufwand umsetzbaren Erfassungssystems für Eingriffe in Natur und Landschaft bei den Naturschutzbehörden. Mich würde schon interessieren, warum darauf bisher nicht reagiert wird. Jedenfalls vermeldete das Statistische Landesamt Ende 2007, dass die Flächeninanspruchnahme seit 2004 wieder zugenommen hat und im Zeitraum 2005/2006 bei täglich 4,5 Hektar lag.

Die Antwort der Staatsregierung belegt zumindest die offensichtlich begrenzten behördlichen Möglichkeiten zur Datenerhebung in Naturschutzfragen. Auch das lässt natürlich Rückschlüsse auf die Wertigkeit des Naturschutzes im Regierungshandeln zu.

Beim Thema gentechnisch veränderte Organismen schiebt die Staatsregierung Verantwortung ab: bei Erheblichkeitsabschätzungen zum Anbau in oder im Umfeld von Natura-2000-Gebieten nach unten auf die fachlich und personell überforderten unteren Naturschutzbehörden und ansonsten nach oben auf die Bundesebene, die gentechnisch verändertes Saatgut zulässt. Da ist man dann fein raus, was allerdings Wiesenknopf, Ameisenbläuling und Biene nicht betreffen dürfte. Die halten sich natürlich nicht an Flugverbote.

Das verstehe ich eben nicht, Herr Staatsminister Wöller, unter verantwortlicher Politik, die, wie Sie gestern in Ihrer Fachregierungserklärung so schön formulierten, Chancen zu eröffnen hat und dort Grenzen setzen muss, wo Gefahren für den Schutz von Mensch und Umwelt lauern. Wo, wenn nicht bei der grünen Gentechnik, müssen aus

Gründen der Risikoabwehr für die biologische Vielfalt solche Grenzen eingezogen werden?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dies gilt natürlich insbesondere für den Schutz von sensiblen Rückzugsräumen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

In unserem Entschließungsantrag zeigen wir einen Weg auf, wie eine solche Grenzziehung aussehen könnte, nämlich indem der Mindestabstand von Anbauflächen für gentechnisch veränderte Kulturen zu FFH-Gebieten mittels Rechtsverordnung nach dem geltenden Naturschutzrecht auf 800 Meter erweitert wird. Das wäre zumindest ein Anfang und sollte auch dann möglich sein, wenn Sie ansonsten Freisetzung und kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Organismen befürworten.

Ja, Herr Staatsminister Wöller, Artensterben ist kein Problem ferner Länder, sondern findet Tag für Tag auch vor unserer Haustür statt, wie Sie in einer Ihrer jüngsten Pressemitteilungen richtig feststellen. Gerade deshalb stellen die Antworten auf unsere Große Anfrage zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Ihrem Ressort ein Armutszeugnis aus, denn zur Umsetzung der 2010-Zielstellung „Stopp des Artensterbens“ bedarf es angesichts Ihrer eigenen kritischen Problemsicht eines ambitionierteren Herangehens der Staatsregierung, und es bedarf auch der finanziellen Sicherung der Naturschutzarbeit.