Protocol of the Session on April 16, 2008

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf an den Ausschuss für Wissenschaft – – Es gibt einen Nachtrag. Herr Lehmann, bitte.

Frau Präsidentin! Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf, inhaltlich begründet, auch an den Ausschuss für Schule und Sport – mitberatend – überweisen zu lassen.

Gut. – Ich lasse nun über die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien – federführend – und an den Ausschuss für Schule und Sport – mitberatend – abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 15

Leistungen für Arbeitslose zukunftsgerecht gestalten

Drucksache 4/10269, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort; Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über Leistungen für Arbeitslose sprechen, dann muss man vorweg eines sagen: Wir möchten, dass möglichst wenige Menschen diese Leistungen in Anspruch nehmen müssen; denn das Beste ist, dass Menschen in Arbeit sind. Deshalb gilt für uns der Satz „Sozial ist, was Arbeit schafft.“

Wir dürfen zufrieden auf das schauen, was in den letzten Monaten bei uns auf dem Arbeitsmarkt geschehen ist. Die Entwicklung der letzten Monate ist positiv. Seitdem die CDU an der Bundesregierung beteiligt ist, sank die

Arbeitslosigkeit deutlich: von über fünf Millionen auf nunmehr 3,5 Millionen Arbeitslose. Die Zahl der Arbeitslosen ist also um 1,5 Millionen gesunken.

(Jürgen Gansel, NPD: Kreative Buchführung!)

In Sachsen sank die Quote im März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,3 %, von 16,4 auf 14,1 %, das heißt, dass innerhalb eines Jahres 48 000 Menschen weniger arbeitslos waren. Wir haben sogar einen leicht überdurchschnittlichen Rückgang bei den Arbeitslosen, die über 50 Jahre und älter sind.

Gleichzeitig – Herr Gansel, da können Sie zuhören – ist die Zahl der Jobs gestiegen. Deshalb kann man nicht von einer „kreativen Buchführung“ sprechen. Wir haben in Deutschland noch nie so viele sozialversicherungspflich

tige Beschäftigungsverhältnisse gehabt wie seit der Wiedervereinigung.

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Gansel.

Herr Kollege Krauß, Sie haben auf die steigende Zahl von Arbeitsplätzen hingewiesen. Ich gehe davon aus, dass Sie sich für Ihren Redebeitrag kundig gemacht haben. Vielleicht können Sie dem Hohen Haus auch einmal sachsenspezifisch oder bundesweit mitteilen, wie viele der neu in Arbeit Gekommenen so wenig Geld verdienen, dass sie zusätzlich zu ihrem regulären Arbeitseinkommen Zusatzleistungen aus der Grundsicherung beziehen müssen – Stichwort: Armut trotz Arbeit.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Gut ist, wenn man erst mal Arbeit hat!)

Dazu kommen wir gleich noch. Ich bin dabei, dies etwas auszuführen; dann werden Sie sehen, was ich gemeint habe, wenn ich sage, wir haben mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

In Deutschland entstehen täglich 1 400 neue Jobs, vor allem im Mittelstand. Ich erinnere einmal an die Zeiten, als Rot-Grün regiert hat. Damals haben wir gesagt: Täglich fallen 1 000 Jobs weg. Deshalb ist die Entwicklung, die wir derzeit auf dem Arbeitsmarkt haben, außerordentlich positiv.

Nun könnte man sagen: Alles, was an neuen Jobs entsteht, ist vielleicht in dem Bereich entstanden, mit dem man den zweiten Arbeitsmarkt meint. Aber auch dort wird man feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Die Zahl der Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt ist in Sachsen auf 29 000 im März 2008 gesunken – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind das 3 000 weniger. Das heißt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit steht nicht im Zusammenhang mit Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Das ist also keine Mogelpackung.

Wir haben auch eine positive Entwicklung zu verzeichnen, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen aus dem Bereich des Arbeitslosengeldes II auf den ersten Arbeitsmarkt gekommen sind. Das sind in Sachsen innerhalb eines Jahres immerhin 76 000 Menschen gewesen.

Wir haben bei den Arbeitsagenturen, bei den Kommunen, die das in Eigenregie machen, bei den ARGEn, bei denen Kommunen und Bundesagentur zusammenarbeiten, sehr engagierte Mitarbeiter. Wir haben die höchste Wiedereingliederungsquote aller Bundesländer. 62 % der Absolventen einer Weiterbildungsmaßnahme in Sachsen sind innerhalb eines halben Jahres in den ersten Arbeitsmarkt integriert worden. Der bundesweit gleiche Spitzenplatz

trifft auch bei den Trainingsmaßnahmen zu, bei denen man sagt: Ihr arbeitet nur eine oder zwei Wochen in einem Betrieb und dann schauen wir, dass ihr übernommen werden könnt. Auch dort ist der Freistaat Sachsen Spitzenreiter. Dies liegt sicher auch daran, dass die Arbeitsverwaltung bei uns recht gut ist.

Wir wollen, dass auf diesem Weg weitergegangen wird; aber wir wollen auch, dass die Arbeitsvermittlung weiter an Effizienz gewinnt, und wir denken, dass dort noch Effizienzreserven vorhanden sind. Es ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn, wenn man Köche oder, noch schlimmer, Hauswirtschaftler am Bedarf vorbei ausbildet oder umschult. Wichtig ist, dass man genau hinschaut: Was wird gebraucht? Was gebraucht wird, das kann am besten die Wirtschaft selbst sagen. Insofern wünschen wir uns dort eine zielgerichtetere Arbeit. Oder wenn eine 58jährige Frau zum Bewerbungstraining geschickt wird, ohne dass vorher einmal geschaut wird, ob sie schon eine Bewerbung schreiben kann oder nicht, dann ist das eben auch ein Fehlverhalten, und wir wünschen uns, dass genau diejenigen zum Bewerbungstraining gehen, die eben nicht in der Lage sind, ihre Bewerbung zu schreiben.

Auch dort gibt es, glaube ich, noch Nachsteuerungsbedarf.

Insgesamt wünschen wir uns weniger arbeitsmarktpolitische Instrumente. Wir wollen, dass stärker vor Ort entschieden wird und nicht in Nürnberg, welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente verwendet werden.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Vielen Dank.

Denn weniger ist manchmal mehr, was das betrifft. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist auch vereinbart worden, dass man einmal durchsieht: Welche Instrumente brauchen wir wirklich?

Ein weiterer Punkt unseres Antrages betrifft die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der ARGEn, die wir gern stärken wollen. Wir bemängeln zum Beispiel, dass die ARGEn keine Personal- und Finanzhoheit haben.

Wie Sie wissen, hat im Dezember das Bundesverfassungsgericht der Politik, vor allem der Bundespolitik, Hausaufgaben aufgegeben, dass man überlegen muss: Wie geht man mit den ARGEn nach 2010 um? Denn so, wie die ARGEn jetzt rechtlich aufgebaut sind, wird es in Zukunft nicht sein können. Die Kommunen können also nicht mehr zur Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit gezwungen werden.

Wir werden deshalb in den kommenden Monaten überlegen müssen, wie wir mit diesem Problem umgehen. Das Bundesarbeitsministerium hat einen Vorschlag zu den kooperativen Jobcentren gebracht, wo eine freiwillige Zusammenarbeit von Kommunen mit der Bundesagentur für Arbeit angeregt wird. Dieser Vorschlag wird auch bei uns von der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit unterstützt.

Wir hören aber auch eine ganze Menge Kritik an den Vorschlägen. Es mag sein, dass es leichte Besserstellungen für die Kommunen gibt, dass man sagt, sie sollen stärkere Rechte erhalten, als das in der derzeitigen Konstruktion der Fall ist. Aber ich befürchte, dass das nicht der Fall ist.

Die Landkreise in Sachsen haben schon gesagt, dass sie ein großes Interesse daran haben, den Bereich SGB II selbst zu übernehmen. Am 09.05. wird sich auch eine Sonderkonferenz der Arbeits- und Sozialminister mit der Thematik beschäftigen. Wir hören aus den Ländern eine ganze Menge kritischer Töne, nicht nur von CDU-Seite, sondern auch von der SPD-Seite.

Ich möchte einmal den Arbeitsminister Uwe Döring aus Schleswig-Holstein von der SPD zitieren. Er warnt vor einem „Bundessozialamt“ und sagt, die Kooperation in den Jobcentren sei „ein frommer Wunsch, der rechtlich nicht belastbar“ sei.

(Sven Morlok, FDP: Richtig!)

Und er bringt ein Beispiel: Künftig wäre es nach diesem Modell so, dass zwei Bescheide an den Arbeitslosen ergehen würden, einer von der Bundesagentur für Arbeit und ein anderer von der Kommune. Dann kann man auch zweimal dagegen Widerspruch einlegen.

Also, man sieht, dass die kooperativen Jobcentren nicht die Lösung unserer Probleme sind.

Für uns ist jedenfalls klar: Wir wollen keine Schwächung der Kommunen. Wir wollen, dass bis 2010 nach einer Lösung gesucht wird. Wir haben uns in Sachsen bisher nicht festgelegt bzw. nicht beraten. Es ist ja auch noch ein bisschen Zeit bis 2010. Aber der Gedanke, dass die Kommunen ganz die Betreuung der Langzeitarbeitslosen übernehmen, ist, glaube ich, ein sehr guter,

(Beifall des Abg. Sven Morlok, FDP)

mit dem man sich anfreunden könnte. Denn wir wissen, dass die Kommunen, die auf das Optionsmodell gesetzt haben, recht gute Erfahrungen gemacht haben. Ich habe zu denen gehört, die erst etwas zweifelnd waren. Aber wenn man sich das anschaut, kann man nur sagen: Die Optionskommunen scheinen den ARGEn überlegen zu sein.

Ich möchte zu einem weiteren Punkt unseres Antrages kommen. Darin geht es um stärkere Anreize zur Aufnahme einer Vollbeschäftigung. Hier haben wir seit dem 01.04. dieses Jahres eine Verbesserung im Bundesgesetz durch den § 16a SGB II. Danach besteht die Möglichkeit für Langzeitarbeitslose, bis zu 24 Monaten einen Gehaltszuschuss bis zu 75 % zu bekommen. Das heißt also, wenn jemand eine geringe Produktivität hat, sodass er keinen ordentlichen Lohn erzielt, kann er einen Zuschuss bekommen. Wir halten das für eine sehr sinnvolle Regelung.

In die gleiche Richtung geht auch die Verbesserung des Kinderzuschlages. Wer Kinder hat und arbeitet, soll nicht wegen der Kinder auf Hartz IV angewiesen sein. Wir wollen, dass diese Regelung zum Kinderzuschlag natür

lich unbürokratischer wird. Bisher muss man eine ganze Menge Papier ausfüllen, um den Kinderzuschlag zu erhalten. Es gibt jetzt eine Verbesserung. Aber man muss ehrlicherweise sagen: Es müsste eigentlich noch weiter gehen. Beim Kinderzuschlag sind Wünsche von uns offen geblieben. Es muss einfacher werden und es muss zum Beispiel auch mit der Antragstellung von Hartz IV enger verknüpft werden.

Der richtige Ansatz, den ich schon beim § 16a genannt hatte, sind die Lohnzuschüsse; denn ein Lohnzuschuss ist immer besser, als jemandem Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Union hat dafür das Kombilohnmodell, bei dem derjenige, der eine Arbeit aufnimmt, dafür belohnt werden soll.

Heute ist es ja nicht unbedingt so, dass jemand, der arbeitet, auch dafür belohnt wird. Eine große deutsche Tageszeitung hatte dieser Tage einmal getitelt „Wer arbeitet, ist der Dumme“. Das wollen wir nicht. Ich möchte das an einem Beispiel zeigen, das ich hin und wieder schon vorgetragen habe.

Wenn jemand arbeitslos ist und seine Frau ebenfalls und sie haben zwei Kinder, dann lohnt sich für ihn die Arbeitsaufnahme erst, wenn er einen Stundenlohn von 9,30 Euro und mehr erzielt. Darunter hat er nichts. Das IAB, also das Institut der Bundesagentur für Arbeit, sagt: In manchen Fällen sind es sogar 11 Euro.

Deutlich wird damit, dass viele nicht auf die Idee kommen zu arbeiten, weil es sich für sie finanziell gar nicht lohnt. Da muss man schauen, ob das nicht ein Fehlanreiz im System ist. Dann sollte derjenige, der eine Arbeit aufnimmt, lieber einen Lohnzuschuss bekommen, damit er arbeitet und derjenige, der arbeitet, eben nicht der Dumme ist.